Kosten- und Gebührenrecht

Streitwert tierschutzrechtlicher Auflagen

Aktenzeichen  23 C 19.289

Datum:
16.7.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15927
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 52 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 68 Abs.1

 

Leitsatz

Tierschutzrechtliche Anordnungen bieten in der Regel keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine betragsmäßige Bewertung des klägerischen Interesses im Anfechtungsverfahren, so dass insoweit grundsätzlich der Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen ist, unabhängig davon, wie viele Auflagen jeweils angegriffen werden (Fortführung von BayVGH, BeckRS 2012, 57904). (Rn. 8 – 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 10 K 17.1531 2018-11-26 Ent VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Beschwerde des Klägerbevollmächtigten gegen den Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. November 2018 gemäß § 68 Abs. 1 GKG ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Die innerhalb der Frist des § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG eingelegte Beschwerde ist als Streitwertbeschwerde des aufgrund von § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG aus eigenem Recht beschwerdeberechtigten Prozessbevollmächtigten der Klägerin statthaft. Durch die Festsetzung eines niedrigeren als des von ihnen für zutreffend gehaltenen Streitwerts werden die Beteiligten in der Regel zwar nicht beschwert. Vielmehr vermindern sich dadurch die von ihnen zu entrichtenden wertabhängigen Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren (§ 3 Abs. 1 GKG, § 2 Abs. 1, § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG). Für eine Streitwertbeschwerde, die im Namen eines Beteiligten mit dem Ziel der Heraufsetzung eines vermeintlich zu niedrig festgesetzten Streitwerts erhoben wird, besteht daher in der Regel kein Rechtsschutzbedürfnis. Allerdings ermöglicht § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG dem Prozessbevollmächtigten, aus eigenem Recht Rechtsmittel gegen die Festsetzung des Streitwerts einzulegen, wenn er den festgesetzten Streitwert als zu gering erachtet. Insoweit erreicht der Wert des Beschwerdegegenstands, der sich nicht nach der Differenz der Streitwerte, sondern nach der Differenz der sich hieraus ergebenden Rechtsanwaltsgebühren richtet, vorliegend auch über 200,- Euro (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG).
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Verwaltungsgericht den Streitwert in dem Klageverfahren AN 10 K 17.1531, in dem die Klägerin drei Nebenbestimmungen (Impfauflage, Widerrufs- und Änderungsvorbehalt) zu einer ihr erteilten gewerblichen Hundeausbildungserlaubnis gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Buchst. f) TierSchG angefochten hatte, jedenfalls im Ergebnis zutreffend mit 5.000,- Euro festgesetzt hat, sodass der Streitwert nicht, wie vom Klägerbevollmächtigten beantragt, auf 15.000,- Euro zu erhöhen ist.
Zur Begründung hierfür hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Festsetzung des Streitwerts beruhe auf § 52 Abs. 1 GKG. Üblicherweise setze das Gericht für die Erteilung bzw. Versagung einer Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Buchst. f) TierSchG den Regelstreitwert von 5.000,- Euro fest. Da es vorliegend lediglich um Nebenbestimmungen zu einer erteilten Erlaubnis gehe, sei es angemessen, den Streitwert pro angefochtener Nebenbestimmung auf 2.500,- Euro festzusetzen. Wegen der Gleichartigkeit des Widerrufs- und Änderungsvorbehalts erfolge keine besondere Bewertung des Änderungsvorbehalts, sodass der Streitwert 5.000,- Euro betrage. Dies steht jedoch nicht im Einklang mit § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000,- Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG, sog. Auffangstreitwert). Eine Orientierungshilfe für die Gerichte bietet der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, derzeit in der Fassung von 2013. Dieser hat jedoch keinen normativen Charakter, vielmehr werden damit nur Empfehlungen ausgesprochen, denen das Gericht bei der Festsetzung des Streitwerts aus eigenem Ermessen folgen kann, aber nicht muss.
Grundlage der Wertberechnung ist folglich nach § 52 Abs. 1 GKG die Bedeutung der Sache für den Kläger. Sie wird regelmäßig vom wirtschaftlichen Interesse an der angestrebten gerichtlichen Entscheidung für den Kläger geprägt. Bei einer Anfechtungsklage ist hierfür das Interesse des Klägers am Unterbleiben des angefochtenen Verwaltungsakts maßgebend.
Der Anfechtungsklage der Klägerin auf isolierte Aufhebung von Nebenbestimmungen zu der ihr erteilten Erlaubnis zur gewerblichen Hundeausbildung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Buchst. f) TierSchG lag das Ziel zugrunde, die Hundeausbildung ohne die von ihr angegriffenen Auflagen und Vorbehalte durchführen zu können. Dieses Interesse an der Verwirklichung ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit ist vorliegend wirtschaftlich aber nicht bewertbar. Bietet daher der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG deshalb ein Streitwert von 5.000,- Euro anzunehmen.
Dementsprechend ist auch der bislang für das Tierschutzrecht zuständige 9. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in ständiger Praxis davon ausgegangen, dass tierschutzrechtliche Anordnungen in der Regel keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine betragsmäßige Bewertung des klägerischen Interesses im Anfechtungsverfahren bieten, sodass insoweit grundsätzlich der Auffangwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG anzusetzen ist (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2015 – 9 C 15.2235 – juris Rn. 3; B.v. 2.8.2016 – 9 C 16.909 – juris Rn. 8; B.v. 4.1.2017 – 9 ZB 17.2 – juris Rn. 3; B.v. 28.11.2017 – 9 C 17.1721 – juris Rn. 7). Das entspricht den Vorgaben des Streitwertkatalogs (vgl. Nr. 35.2) und erlaubt für den Regelfall eine praktikable Handhabung der Streitwertfestsetzung, vermeidet einer Nebenentscheidung nicht angemessenes, umständliches Differenzieren und macht das Prozessrisiko für die Beteiligten überschaubar. Dies gilt nicht nur für ein Haltungs- und Betreuungsverbot (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2018 – 9 ZB 16.2467 – juris Rn. 1), sondern auch für sonstige belastende tierschutzrechtliche Anordnungen (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2013 – 9 C 13.325 – juris Rn. 5) bzw. Auflagen (vgl. BayVGH, B.v. 19.11.2009 – 9 ZB 07.2282 – juris Rn. 1), unabhängig davon, wie viele Auflagen jeweils angegriffen werden (vgl. BayVGH, U.v. 10.9.2012 – 9 B 11.1216 – juris Rn. 2).
Das vorliegende Verfahren bietet keinen Anlass, hiervon abzuweichen. Entgegen dem Verwaltungsgericht Wiesbaden (U.v. 16.8.2012 – 4 K 330/12.WI – juris Rn. 94) ist der Auffangwert auch nicht entsprechend der Zahl der angefochtenen Auflagen zu vervielfachen, sodass hier ein Streitwert in Höhe von 10.000,- Euro festzusetzen wäre. Die Bedeutung der Sache nimmt nicht mit der Zahl der Nebenbestimmungen zu, weil es stets um das auf das gleiche Ziel gerichtete Interesse des Klägers geht, die Hundeausbildung ohne die angegriffenen Nebenbestimmungen durchführen zu können. Die Festsetzung der Höhe des Streitwerts in Abhängigkeit von der Zahl der angegriffenen Auflagen würde zudem einen Wertungswiderspruch zur Höhe des Streitwerts für Klagen auf Erteilung der Erlaubnis zur Hundeausbildung nach sich ziehen, weil bei einer entsprechend hohen Anzahl angegriffener Auflagen der hierfür nach der bisherigen Rechtsprechung heranzuziehende Auffangwert (vgl. BayVGH, B.v. 31.3.2017 – 9 ZB 16.2601 – juris Rn. 30) überschritten würde und das Interesse, die Hundeausbildung überhaupt durchführen zu können, nicht geringer zu bewerten ist als die Beseitigung verfügter Auflagen. Im Übrigen scheitert die Festsetzung eines Streitwerts, der sich an der Zahl der angegriffenen Auflagen orientiert, daran, dass sich für die jeweiligen Auflagen kein wirtschaftlich bewertbarer Inhalt feststellen lässt.
Es mag zwar zu erwägen sein, für zukünftige Fälle von Klagen auf Erteilung einer Erlaubnis zur gewerblichen Hundeausbildung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Buchst. f TierSchG gemäß § 52 Abs. 1 GKG, Nr. 35.2 i.V.m. Nr. 54.2.1 bzw. ggf. Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs auf den Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Gewinns, mindestens 15.000,- Euro, abzustellen (so OVG Lüneburg, B.v. 1.12.2015 – 11 OA 254/15 – juris Rn. 4), sofern es sich bei der Hundeschule um eine Vollerwerbs- und nicht nur um eine Nebenerwerbstätigkeit handelt, andernfalls ist auch nach Ansicht des OVG Lüneburg (B.v. 31.1.2017 – 11 ME 278/16 – juris Rn. 18) der Auffangwert festzusetzen. Es erscheint allerdings nicht gerechtfertigt, bei der Anfechtung von Nebenbestimmungen (jeweils) die Hälfte des Mindestjahresgewinns von 15.000,- Euro festzusetzen, da sich für diese vorliegend kein wirtschaftlich bewertbarer Inhalt feststellen lässt. Auch die oben geäußerten Bedenken gegen eine Vervielfachung des so ermittelten – erhöhten – Streitwerts von 7.500,- Euro nach der Anzahl der angefochtenen Nebenbestimmungen bestehen insoweit in gleicher Weise.
Aber auch die Festsetzung des Streitwerts für jede angefochtene Nebenbestimmung auf jeweils 2.500,- Euro steht nicht im Einklang mit § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Das Verwaltungsgericht ist zwar in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. B.v. 31.3.2017 – 9 ZB 16.2601 – juris Rn. 30) davon ausgegangen, dass für den Fall der Erteilung bzw. Versagung einer Erlaubnis gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Buchst. f) TierSchG üblicherweise der „Regelstreitwert von 5.000,- Euro“ (d.h. der Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG) festzusetzen ist, und hat demgemäß wegen der gegenüber der Erlaubniserteilung geringeren Bedeutung von Nebenbestimmungen für diese pauschal jeweils die Hälfte dieses Werts für angemessen erachtet. Für eine Festsetzung des Streitwerts für die angefochtenen Nebenbestimmungen in dieser Höhe gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist aber kein entsprechender wirtschaftlicher Wert feststellbar. Im Übrigen hinge die Bewertung der angefochtenen Nebenbestimmungen davon ab, welchen Inhalt diese jeweils haben, sodass die Festsetzung von 2.500,- Euro für jede Nebenbestimmung unabhängig von ihrem jeweiligen Inhalt nicht begründet werden kann. Da der Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für eine Ermessensentscheidung nach § 52 Abs. 1 GKG bietet und deshalb § 52 Abs. 2 GKG anzuwenden ist, ist der gesetzliche Auffangwert und nicht nur ein Bruchteil davon der Streitwertfestsetzung zugrunde zu legen (vgl. Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Auflage 2019, Anhang zu § 52 GKG Rn. 2).
3. Einer Entscheidung über die Kosten bedarf es nicht. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG).


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