Kosten- und Gebührenrecht

Streitwertbeschwerde – hinreichend tragfähige Grundlage für wirtschaftlichen Wert des Klageziels erforderlich

Aktenzeichen  14 C 19.2311

Datum:
29.6.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20918
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 52 Abs. 1, Abs. 2
BayNatSchG Art. 34 Abs. 3

 

Leitsatz

In Streitigkeiten über die Aufhebung einer auf Art. 34 Abs. 3 BayNatSchG gestützten naturschutzrechtlichen Beseitigungsanordnung ist bei der Festsetzung des Streitwerts auf § 52 Abs. 1 GKG und dabei auf die Höhe der Beseitigungskosten abzustellen, die erforderlichenfalls vom Gericht zu schätzen sind. Eine solche Schätzung setzt aber eine hinreichend tragfähige Grundlage für einen Rückschluss auf den wirtschaftlichen Wert des Klageziels voraus. Anderenfalls bleibt es bei der Festsetzung des Auffangstreitwerts nach § 52 Abs. 2 GKG. (Rn. 4) (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 9 K 18.1843 2019-09-23 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

1. Die Streitwertbeschwerde, über die der Senat als Spruchkörper zu entscheiden hat, weil der angegriffene verwaltungsgerichtliche Beschluss von der Kammer als Spruchkörper, nicht aber vom Einzelrichter oder Berichterstatter erlassen wurde (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 GKG), ist zulässig, insbesondere konnte sie durch die nicht anwaltlich vertretene Klägerin selbst erhoben werden (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG).
2. Die Streitwertbeschwerde, die auf eine Festsetzung des Streitwerts i.H.v. 210 Euro abzielt, weil der Neuwert für einen Wildschutzzaun um das klägerische Grundstück von 7.710 m² bei der Firma OBI aktuell bei 210 Euro liege (Schreiben der Klägerin vom 22.10.2019), ist unbegründet, weil das Verwaltungsgericht den Streitwert zu Recht nach § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 Euro festgesetzt hat.
2.1. Eine Streitwertfestsetzung nach § 52 Abs. 1 GKG kommt vorliegend nicht in Betracht.
In Streitigkeiten über die Aufhebung einer auf Art. 34 Abs. 3 BayNatSchG gestützten naturschutzrechtlichen Beseitigungsanordnung ist bei der Festsetzung des Streitwerts auf § 52 Abs. 1 GKG und dabei auf die Höhe der Beseitigungskosten abzustellen, die erforderlichenfalls vom Gericht zu schätzen sind (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2017 – 14 ZB 16.1775 – BayVBl 2017, 777 Rn. 27; B.v. 13.2.2014 – 14 ZB 12.1895 – juris Rn. 3). Eine solche Schätzung setzt aber eine hinreichend tragfähige Grundlage für einen Rückschluss auf den wirtschaftlichen Wert des Klageziels voraus.
Maßgeblich für die Festsetzung des Streitwerts nach § 52 Abs. 1 GKG, wonach der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen ist, wäre der wirtschaftliche Wert des Klageziels, das der Kläger mit seinem Klageantrag unmittelbar erreichen will. Interessen, die über das konkrete, unmittelbar im Klageantrag zum Ausdruck kommende Klageziel hinausreichen, wie etwa mittelbare Auswirkungen oder mögliche Fernziele, die durch das Klageverfahren erreicht oder gefördert werden sollen, sind bei der Festsetzung des Streitwerts nach § 52 Abs. 1 GKG grundsätzlich außer Betracht zu lassen (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.1990 – 7 C 90.2966 – NVwZ 1991, 597). Um den Streitwert nach § 52 Abs. 1 GKG festsetzen zu können, müssen „genügende Anhaltspunkte“ für die Bestimmung des wirtschaftlichen Werts der Streitsache (des unmittelbaren Klageziels) vorhanden sein. Unabhängig davon, dass § 52 Abs. 1 GKG gegebenenfalls noch einen Ermessenspielraum einräumt, kommt diese Vorschrift von vornherein nur dann in Betracht, wenn ein unmittelbarer, begründbarer, auf hinreichenden sachlichen Faktoren beruhender Rückschluss auf den wirtschaftlichen Wert des Klageziels möglich ist, der eine betragsmäßige Schätzung und nicht nur eine frei gegriffene Annahme erlaubt, so dass die Bedeutung der Sache für den Kläger in einem ziffermäßigen Geldbetrag ausgedrückt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.1990 – 7 C 90.2966 – NVwZ 1991, 597).
An einer solchen Rückschlussgrundlage fehlt es vorliegend, weshalb die Bestimmung eines (geringeren) Streitwerts nach § 52 Abs. 1 GKG ausscheidet und es bei der Festsetzung des Auffangstreitwerts i.H.v. 5.000 Euro nach § 52 Abs. 2 GKG bleibt.
Im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren gab es keine hinreichenden Anhaltspunkte für die konkrete Höhe der Beseitigungskosten. Konkrete Angaben zur aus ihrer Sicht zutreffenden Höhe des Streitwerts hat die Klägerin erstmals in ihrem Schreiben vom 22. Oktober 2019 zur Begründung ihrer Streitwertbeschwerde gemacht, wobei sie zu solchen Angaben gegenüber dem Verwaltungsgericht auch nicht verpflichtet war. Für eine Streitwertfestsetzung i.H.v. 210 Euro bietet das klägerische Vorbringen zur Begründung der Streitwertbeschwerde keine „genügenden Anhaltspunkte“. Das klägerische Schreiben vom 22. Oktober 2019 deckt die Beseitigungskosten, bei denen in aller Regel die Aufwendungen für die Arbeitsleistungen zur Beseitigung einen bedeutenden Anteil ausmachen werden, schon thematisch nicht vollumfänglich ab. Mit den Angaben zum Neuwert eines Wildschutzzauns i.H.v. 210 Euro ist nämlich noch nichts zu den Kosten der Beseitigung des alten Zauns gesagt. Unabhängig davon teilt die Klägerin auch in ihrem Schreiben vom 12. September 2020, das von einem Neuwert eines Zauns i.H.v. 210 Euro für 350 laufende Meter spricht, nicht mit, wie lang genau der zu beseitigende Zaun ist. Auch ist der Zeitwert des zu beseitigenden Zauns nicht belegt. Außerdem ist auch die klägerische Streitwertangabe von 210 Euro – worauf die Landesanwaltschaft Bayern bereits in ihrem Schreiben vom 2. Dezember 2019 mit Recht hingewiesen hat – nicht anhand konkreter Belege untermauert. Insgesamt liefe die Festsetzung eines Streitwerts von 210 Euro vorliegend auf eine – wie gezeigt – im Rahmen des § 52 Abs. 1 GKG nicht zulässige „frei gegriffene Annahme“ hinaus.
In ihrem Schreiben vom 22. Oktober 2019 erwähnt die Klägerin zwar auch das Alter des Zauns von 49 Jahren, der aus verwaltungsgerichtlicher Sicht brüchig und nicht mehr durchgängig sei. Unmittelbare Angaben zum Zeitwert dieses Zauns macht die Klägerin in diesem Schreiben jedoch ebenso wenig wie in ihrem Schreiben vom 12. September 2020. Selbst wenn man ihr Vorbringen zum Wert eines neuen Zaunes (210 Euro) für einen Rückschluss auf den Zeitwert des zu beseitigenden alten Zaunes ausreichen lassen würde, würde es jedenfalls mangels jeglicher Belege für diesen Neuwert an einer hinreichenden Basis für die Annahme des „Zeitwerts der zu beseitigenden Substanz“ fehlen.
Aus dem gleichen Grund scheidet auch eine Streitwertfestsetzung in Höhe von 210 Euro unter Rückgriff auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit aus, weil zu den in ihr genannten Bemessungskriterien „Zeitwert der zu beseitigenden Substanz“ und „Abrisskosten“ keine hinreichenden Informationen vorliegen.
Unabhängig davon begegnet die Anwendung dieser auf baurechtliche Beseitigungsanordnungen bezogenen Nummer des besagten Streitwertkatalogs vorliegend schon im Ausgangspunkt Bedenken, weil sie ersichtlich auf „umbauten Raum“ zugeschnitten ist, an dem es hier angesichts der bloßen Einzäunung des klägerischen Grundstücks fehlt.
2.2. Mangels anderweitiger „genügender Anhaltspunkte“ ist deshalb der Auffangstreitwert i.H.v. 5.000 Euro nach § 52 Abs. 2 GKG festzusetzen.
3. Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und über den Streitwert ist nicht veranlasst. Das Verfahren über die Streitwertbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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