Kosten- und Gebührenrecht

Subventionsrecht, Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussichten, Zurückverweisung im Beschwerdeverfahren

Aktenzeichen  6 CS 21.514

Datum:
12.4.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9510
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
ZPO § 114
ZPO § 572 Abs. 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 5 K 20.932 2021-01-20 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 20. Januar 2021 – RN 5 K 20.932 – aufgehoben.
II.  Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
III.  Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht zur erneuten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag.
1. Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für seine beim Verwaltungsgericht anhängige (Verbescheidungs-)Klage, mit der er eine höhere Wiederaufbauhilfe nach einem Hochwasserschaden anstrebt als sie die Regierung von Niederbayern mit Bescheid vom 30. April 2020 bewilligt hat. Die Beteiligten streiten insbesondere darum, ob die Bewilligungsbehörde das Gutachten des Sachverständigen H. zum Wasserschaden an den Maschinen und verschiedenen Anlagen im Betrieb des Klägers vom 19. März 2020 bei ihrer Entscheidung hätte berücksichtigen müssen (so der Kläger) oder zu Recht wegen verspäteter Vorlage unberücksichtigt lassen durfte (so der Beklagte).
Das Verwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag mit der Begründung abgelehnt, die die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten seien nicht gegeben. Es hat seine ausführlichen Erwägungen auf die „gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO Überzeugung“ gestützt, dass dem Kläger die Frist zum Einreichen des Maschinengutachtens bis Januar 2020 gesetzt worden sei (Beschluss S. 14 ff.). Damit hat es die Anforderungen an die Prüfung der Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfeverfahren überspannt. Unabhängig von der Überzeugungskraft seiner Argumente für das Hauptsacheverfahren bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung jedenfalls hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig (§ 166 VwGO i.V. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten im Rahmen das § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO dürfen im Hinblick auf die Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Sie soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung in einem Verfahren, in dem sie anwaltlich vertreten sind, zugeführt werden können (vgl. BVerfG, B.v. 14.2.2017 – 1 BvR 2507/16 – juris Rn. 13 ff. m.w.N.). Hinreichend ist die Erfolgsaussicht danach jedenfalls dann, wenn der vom Beteiligten vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 6 C 17.667 – juris Rn. 3; B.v. 5.8.2020 – 6 CE 20.2020 – juris Rn. 4).
Gemessen hieran hat die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dabei verkennt der Senat nicht, dass auf die durch eine Förderrichtlinie gewährte Hochwasserhilfe kein Rechtsanspruch besteht und dass die Bewilligungsbehörde dem Kläger mehrfach unter Hinweis auf den Ablauf des Bewilligungszeitraums zuletzt am 30. April 2020 erfolglos Fristen zur Vorlage eines Maschinengutachtens gestellt hat. Gleichwohl bleiben nach Aktenlage sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht Fragen offen, deren Beantwortung nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden darf, sondern dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. In rechtlicher Hinsicht bedarf es der Klärung, ob die Bewilligungsbehörde unter Berücksichtigung der Förderpraxis das ihr im Entscheidungszeitpunkt vorliegende Maschinengutachten vollständig ausblenden durfte, insbesondere unter welchen Voraussetzungen sie zur Ermöglichung einer sachgerechten Überprüfung von Gutachten Fristen mit der Möglichkeit der Zurückweisung bei verspäteter Vorlage setzen durfte. In tatsächlicher Hinsicht ist offen, ob die Bewilligungsbehörde dem Kläger eine solche Frist wirksam gesetzt hat. Denn nachdem sie frühere Fristen immer wieder verlängert hatte, wurde bei einem Telefonat mit dem Kläger am 18. Dezember 2019 laut Aktenvermerk zwar festgehalten, dass dieser „das Maschinengutachten bis Jan. 2020 liefern“ müsse (Beiakt 5 Bl. 314). Zugleich hat der Sachbearbeiter aber vermerkt, das sei „die letzte Frist, die wir noch schriftlich wiederholen“. Zu einer solchen schriftlichen Wiederholung ist es indes – aus Zeitmangel (VG-Akt Bl. 62) – nicht gekommen. Der Kläger, der noch am Tag des Telefonats schriftlich mitgeteilt hatte, sich umgehend um das Gutachten zu bemühen (Beiakt 5 Bl. 315), ist seinen Angaben nach davon ausgegangen, er habe bis Ende März 2020 Zeit (Beiakt 5 Bl. 327), und hat das Gutachten am 30. März 2020 vorgelegt (Bl. 324). Dass die Bewilligungsbehörde bei Erlass des Bescheids am 30. April 2020 das Maschinengutachten gleichwohl unberücksichtigt lassen durfte, etwa wegen der vorangegangen schriftlichen „letztmaligen“ Fristsetzung, ist jedenfalls nicht offenkundig.
2. Durfte demnach der Prozesskostenhilfeantrag nicht wegen fehlender Erfolgsaussichten der Klage ablehnt werden, bleibt zu prüfen, ob die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorliegen, insbesondere ob der Kläger aufgrund seiner wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse hilfebedürftig ist. Damit hat sich das Verwaltungsgericht bislang nicht befasst. Die bei den Akten befindliche Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse lässt eine abschließende Entscheidung nicht zu. Selbst wenn ausreichend belegt sein sollte, dass er über kein nennenswertes Einkommen verfügt, bleibt unklar, ob das vorhandene (Grund-)Vermögen, dessen Wert er mit etwa 400.000 € beziffert, nach § 115 Abs. 3 ZPO durch teilweise Veräußerung oder Beleihung zur Finanzierung des für den Fortbestand seines Betriebs bedeutsamen Prozesses einzusetzen ist.
Der Senat macht daher von der Möglichkeit Gebrauch, gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V. mit § 572 Abs. 3 ZPO den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Verwaltungsgericht die abschließende Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Prozesskostenhilfe zu übertragen (vgl. SächsOVG, B.v. 9.10.2020 – 4 D 54/20 – juris Rn. 3, 5 m.w.N.).
3. Eine Kostenentscheidung und eine Streitwertfestsetzung sind in dem erfolgreichen Beschwerdeverfahren nicht erforderlich (§ 166 VwGO i.V. mit § 127 Abs. 4 ZPO). Eine Gebühr fällt nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nicht an.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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