Kosten- und Gebührenrecht

Unzulässiger Berufungszulassungsantrag

Aktenzeichen  19 ZB 21.329

Datum:
18.3.2021
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6099
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60, § 67 Abs. 4, § 124a Abs. 4

 

Leitsatz

Ist einer Partei wegen ihrer Mittellosigkeit die fristgerechte Einlegung eines Rechtsmittels durch einen Rechtsanwalt nicht zuzumuten, darf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann gewährt werden, wenn die Partei bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch mit allen dazugehörigen Unterlagen eingereicht hat. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 6 K 19.791 2020-11-04 GeB VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 1. Januar 2021, eingegangen beim Verwaltungsgericht am 21. Januar 2021 „Berufung gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Bayreuth“ eingelegt. Aufgrund der weiteren Ausführungen in diesem Schreiben legte das Verwaltungsgericht dieses Schreiben als Antrag auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts vom 4. November 2020 dem Verwaltungsgerichtshof vor. Die Zustellung des Gerichtsbescheids erfolgte am 26. November 2020 als Internationales Einschreiben mit Rückschein an den Kläger unter der Adresse, die auch in seinem Schreiben vom 1. Januar 2021 als Adresse genannt wurde.
Der Senat legt das Schreiben des Klägers vom 1. Januar 2021 als Antrag auf Zulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts aus. Dieses Rechtsmittel erweist sich in zweifacher Hinsicht als unzulässig:
Erstens ist der Antrag wegen Fristversäumnis unzulässig, worauf auch der Beklagte in seiner Stellungnahme vom 15. Februar 2021 zutreffend hinweist. Die Frist für die Stellung eines Antrags auf Zulassung der Berufung gegen das am 26. November 2020 zugestellte Urteil ist mit Ablauf des 28. Dezember 2020 (Montag) abgelaufen (§ 124a Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO, § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 ZPO, §§ 187, 188, 193 BGB). Das Schreiben des Klägers ging jedoch erst am 21. Januar 2021 beim Verwaltungsgericht ein. Weder hat der Kläger innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO (durch einen gemäß § 67 Abs. 4 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 VwGO zugelassenen Prozessbevollmächtigten) einen Antrag auf Zulassung der Berufung des Urteils gestellt, noch hat er innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 3 VwGO (durch einen wie genannt zugelassenen Prozessbevollmächtigten) die Gründe dargelegt, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Auf diese Fristen wurde der Kläger in der Rechtsmittelbelehrungdes Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts hingewiesen. Wiedereinsetzungsgründe nach § 60 VwGO wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
Zum zweiten liegt ein zulässiger Antrag auch deshalb nicht vor, weil der Kläger nicht durch einen vertretungsberechtigten Bevollmächtigten im Sinne des § 67 Abs. 4 VwGO vertreten ist. Er selbst ist im Antragsverfahren nicht postulationsfähig. Hierauf wurde der Kläger sowohl in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Gerichtsbescheids als auch im Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Februar 2021, in dem ihm eine sofortige Stellungnahme anheimgestellt wurde, hingewiesen. In seinem Antwortschreiben darauf vom 9. Februar 2021 bestätigte der Kläger lediglich den Erhalt der „Korrespondenz“ und fragte u.a. an, ob er – „da ich im Arbeitsamt bin“ – bei dem „Gericht einen Anwalt beantragen“ könne. Selbst wenn man diese „Anfrage“ als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für einen durch einen Prozessbevollmächtigten noch zu stellenden Antrag auf Zulassung der Berufung (äußerst wohlwollend) auslegen wollte, würde dies dem Kläger nicht zum Erfolg verhelfen können, da ein so verstandener Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung abzulehnen wäre. Denn der dann erst noch vom vertretungsberechtigten Bevollmächtigten zu stellende Berufungszulassungsantrag wäre – wie bereits ausgeführt – verfristet. Eine (zwar grundsätzlich mögliche) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO könnte dem Kläger jedoch im vorliegenden Fall nicht gewährt werden: Ist einer Partei wegen ihrer Mittellosigkeit die fristgerechte Einlegung eines Rechtsmittels durch einen Rechtsanwalt nicht zuzumuten, darf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann gewährt werden, wenn die Partei bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch mit allen dazugehörigen Unterlagen eingereicht hat. Nur dann hat die Partei alles getan, was von ihr zur Wahrung der Frist erwartet werden kann, und es ist gerechtfertigt, das Fristversäumnis als unverschuldet anzusehen (vgl. BVerwG, B.v.28.1.2004 – 6 PKH 15.03 – juris Rn. 5; OVG NRW, B.v.11.7.2018 – 4 A 2230/18 -, juris Rn. 2; OVG Münster, B.v.8.12.2020 – 4 A 3007/20 – juris). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, denn ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch mit allen dazugehörigen Unterlagen wurde vom Kläger nicht innerhalb der Frist vorgelegt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 8.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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