Medizinrecht

Abgrenzung der fachgebiete ärztlicher Berufe bei MRT

Aktenzeichen  4 O 2233/16 (2)

Datum:
27.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 53653
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 86, § 194
BGB § 134, § 812
GOA § 1 Abs. 2
GG Art. 12 Abs.1 S. 2

 

Leitsatz

Mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSGE 62, 224, 228, 229) geht das Gericht davon aus, dass trotz Spezialisierungen und Abgrenzungen der Fachgebiete der ärztliche Beruf dem Grunde nach eine Einheit darstellt und damit Einschränkungen der Berufsausubung nur unter dem Aspekt erfolgen können, dass eine ärztliche Versorgung verbessert wird.  (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1 Die Klage wird abgewiesen
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 19.193,85 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig.
Das Landgericht Regensburg ist sachlich gem. § 23, 71 GVG und örtlich gem. § 12, 13 ZPO zustandig.
II.
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin stehen keine bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüche gegen den Beklagten zu, weil die angefertigten MRT – Aufnahmen nach Ansicht des Gerichts nicht fachfremd für den Beklagten als Facharzt für Orthopädie, Chirurgie und Unfallchirurgie sind und damit berechtigterweise durch diesen abgerechnet worden sind.
Diese Ansicht wird insbesondere dadurch getragen, dass das Gericht keine Zweifel daran hat, dass die streitgegenständlichen MRT – Aufnahmen den Spezialgebieten des Beklagten dienten Hinweise auf fehlerhafte Vornahmen der bildgebenden Diagnostik liegen nicht vor Zudem geht das Gericht davon aus, dass die Leistungen im Sinne der GOÄ ausschließlich selbst erbracht worden waren
Damit waren die Zahlungen der Versicherungsnehmer und Versicherungsnehmerinnen der Klägerin an den Beklagten nicht ohne Rechtsgrund im Sinne des § 812 BGB erfolgt, denn dem Vertragsverhältnis zwischen Patient/Versicherungsnehmer einerseits und dem Beklagten andererseits lag jeweils ein Anspruch aus § 611 f. BGB i.V.m. den Regeln der GOA zu Gründe.
1) Die Ansicht des Gerichts wird in tatsachlicher Hinsicht auch von der Stellungnahme der Bayrischen Landesärztekammer vom 10.10.2017 (Bl 98 f.), einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, welche zur Auslegung der WBO – A von amtswegen berufen ist, getragen Überzeugend wird durch den Hauptgeschäftsführer der Bayrischen Landesarztekammer, Herrn … ausgeführt, dass der Beklagte als Facharzt für Orthopädie und Chirurgie, sowie Unfallchirurgie die gegenständlichen MRT – Leistungen fachgebietskonform erbringen konnte.
Das Gericht nimmt insoweit auf die Stellungnahme Bezug.
2) Art. 34 Abs. 1 Heilberufe-Kammergesetzt lautet.
„Wer eine Gebietsbezeichnung führt, darf grundsätzlich nur in dem Gebiet, wer eine Teilgebietsbezeichnung führt, muss auch in dem Teilgebiet tätig sein, dessen Bezeichnung er führt.“
Damit ist das Prinzip verankert, dass Ärzte grundsätzlich im Rahmen ihrer Gebietsbezeichnung tätig werden dürfen. Die hierin enthaltene Beschränkung ärztlicher Tätigkeit, stellt ein gesetzliches Verbot dar, das zur Nichtigkeit einer Vereinbarung über die Erbringung einer dem Arzt hiernach nicht gestatteten Leistung führen kann. Aus der Formulierung „grundsätzlich“ lässt sich allerdings auch entnehmen, dass es auch erlaubte gebietsfremde Leistungen eines Artzes geben kann.
Inhalt und Grenze der Gebiete werden durch die Weiterbildungsordnungen bestimmt Insoweit handelt es sich um Landesrecht, womit ein Verweis auf die Auslegung durch Landesarztekammern anderer Länder oder des Bundes nicht binden ist.
3) Die Gebietsbezeichnungen werden damit durch die WBO – A 2004 vom 24.04.2004 in der Fassung der Beschlüsse vom 23.10.2016 bestimmt. Die WBO – A stellt Landesrecht dar
Danach ist für die Frage, ob MRT – Aufzeichnungen gebietskonform für einen Facharzt für Orthopädie sind die Definition des Gebiets eines Chirurgen maßgebend, da das Gebiet der Chirurgie das Gebiet des Orthopäden mit umfasst.
In der WBO – wird das Gebiet des Chirurgen wie folgt definiert:
„Das Gebiet Chirurgie umfasst die Vorbeugung, Erkennung, konservative und operative Behandlung, Nachsorge und Rehabilitation von chirurgischen Erkrankungen, Verletzungen und Verletzungsfolgen sowie angeborenen und erworbenen Formveranderungen und Fehlbildungen der Gefäße, der inneren Organe, einschließlich des Herzens, der Stütz – und Bewegungsorgane und der onkologischen Chirurgie, der Wiederherstellungs – und Transplantationschirurgie.“
4) Zur Abrechnung von Leistungen regelt zudem die GOA in § 4 Abs. 2 auszugsweise was folgt:
„Der Arzt kann Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen)”
5) Da in der Definition der Chirurgie nach der anzuwendenden WBO – Ä der Begriff des „Erkennens“ verwandt wird ohne Einschränkung der Methode der Erkenntnisgewinnung, ist auch die Anfertigung von MRT – Aufzeichnungen zur Erkennung, von chirurgischen Erkrankungen, Verletzungen und Verletzungsfolgen etc. durch den Chirurgen und damit auch den Orthopäden zulässig und gebietskonform.
Eine Beschränkung auf bestimmte Methoden zur Erkennung der Krankheiten ist nicht gegeben.
Einen ausdrücklichen Vorbehalt für Radiologen zur Durchführung von MRT – Aufnahmen – wie dies klägerseits vorgetragen ist – kann das Gericht in den maßgeblichen Regelwerken nicht erkennen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Regelweiterbildungen durch den Beklagten im Rahmen seiner Fachgebiete nicht besucht wurden hat das Gericht ebenso wenig.
Zudem sind die abgerechneten Leistungen durch den Beklagten selbst vorgenommen und ausgewertet worden und seiner weiteren Behandlung zu Grunde gelegt worden, womit den Anforderungen nach der GOA genüge getan ist.
Wenn auch zeitlich nach der Entscheidung des Schleswig – Holsteinischen Oberlandesgerichts das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung im Jahre 2004 mit Blick auf Art. 12 I S. 2 GG festgehalten hat, dass die Berufsfreiheit eines Orthopäden durch den Inhalt der Weiterbildungsordnungen – die zum damaligen Zeitpunkt die Durchführung der MRT – Untersuchungen nicht vorsahen, nicht verletzt wäre, so ist das Gericht gegenständlich der Ansicht, dass die Annahme der Gebietsfremdheit der durch den Beklagten durchgeführten MRT – Aufnahmen der Qualitätssicherung und der Patientenversorgung und damit dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung widersprechen würde.
Zu Recht wies der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2018 darauf hin, dass es für die weitere chirurgische oder orthopädische Behandlung durch ihn essentiel und mit unter ohne zeitlichen Aufschub notwendig wäre Befunde über die Anfertigung von MRT – Aufnahmen zu erheben, um Krankheitsbilder vollständig zu erkennen und anschließend behandlungsfehlerfreie Entscheidungen zu treffen.
Lange Wartezeiten für eine Terminierung bei einem Radiologen zur bildgebenden Diagnostik, mit einer daraus abzuleitenden Verzögerung der Behandlung und er Heilung können nur vermieden werden, wenn die gegenständlichen MRT – Aufzeichnungen als gebietskonform angesehen werden.
Aus Sicht der Versorgung des Patienten ist es nur sinnvoll, dem Chirurgen und Orthopäden das Mittel der MRT – Untersuchung an die Hand zu geben, um umgehend durch bildgebende Verfahren die zutreffende Behandlung einzuleiten.
Es muss nach Ansicht des Genchts gerade neben Indikationsstellung und Befundbewertung auch die hierzu gehörige Befunderhebung dem Arzt zugänglich sein. Besondere Gefahren drohen dem Patienten hierbei gerade nicht.
Mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSGE 62, 224, 228, 229) geht das Gericht davon aus, dass trotz Spezialisierungen und Abgrenzungen der Fachgebiete der ärztliche Beruf dem Grunde nach eine Einheit darstellt und damit Einschränkungen der Berufsausubung nur unter dem Aspekt erfolgen können, dass eine ärztliche Versorgung verbessert wird Wie ausgeführt ist das Gericht der Ansicht, dass eine arztliche Versorgung allerdings nur verbessert werden kann, wenn das Mittel der MRT – Untersuchung auch dem Orthopaden und Chirurgen, und damit auch hier dem Beklagten zugänglich gemacht wird.
Es kann auch keine Einzelfallbewertung ergehen, da die Qualität der ärztlichen Versorgung ebenso leiden würde, wenn der Behandler stets zunächst prüfen müsste, ob eine MRT – Untersuchung abrechnungsfähig – da notfallmäßig vorgenommen – wäre. Eine derartige Einschränkung würde ebenso die Qualität der ärztlichen Versorgung aus Patientensicht vielmehr verschlechtern, denn verbessern.
Bei der Annahme der Gebietsfremdheit der gegenständlichen MRT – Aufnahmen in Bezug auf den Beklagten könnte davon gerade keine Rede sein, sodass das Gericht insgesamt zu dem Schluss kommt, dass liquidationsfähige und fachgebietskonforme, persönliche Leistungen des Beklagten vorliegen, welche gegentändlich nicht unter dem Gesichtspunkt bereicherungsrechtlicher Ansprüche durch die Klägerin zurückverlangt werden können.
(Vgl. Urteil des OLG Schleswig vom 22.09.1998, Az. 6 U 48/98).
Auf den Einwand des § 814 BGB kommt es damit nicht entscheidungserheblich an.
Die Klage war damit abzuweisen.
6) Die Nebenforderung trägt das Schicksal der Hauptforderung.
7) Die Kostenfolge beruht auf § 91 ZPO
Verkündet am 27.02.2018


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