Medizinrecht

Absetzbarkeit von Aufwendungen für eine private Unfallversicherung

Aktenzeichen  S 5 SO 256/16

Datum:
27.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB XII SGB XII § 82 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 2, § 88 Abs. 2, § 90 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Zur Frage der Angemessenheit der Aufrechterhaltung einer privaten Unfallversicherung gem. § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII, wenn der Hilfebedürftige in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe lebt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 03.08.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von M. vom 02.12.2016 hält einer gerichtlichen Überprüfung stand. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass bei der Berechnung des Eigenanteils aus dem Werkstatteinkommen Aufwendungen für die private unsers Unfallversicherung in Höhe von monatlich 16,85 € und eine Arbeitsmittelpauschale von 5,20 € abzusetzen sind.
Im konkreten Fall erweist sich die Aufrechterhaltung der privaten Unfallversicherung, die für die Klägerin (vgl. Blatt 496 der Beklagtenakten) seit März 2001 abgeschlossen wurde, als nicht angemessen. Der Begriff der Angemessenheit in § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII – insoweit teilt die Kammer die mit Schreiben vom 15.03.2017 vorgetragene Auffassung der Klägerseite – bemisst sich nach Parametern, nach denen ein vorausplanender Bürger, der kein überzogenes Sicherheitsbedürfnis hat, vorgehen würde. Nach dem Versicherungsschein (Blatt 497 der Beklagtenakten) bietet das Versicherungsuntern eine Versicherung „gegen die wirtschaftlichen Folgen von Unfällen, die der Versicherte innerhalb und außerhalb seines Berufes erleidet“. Die Klägerin muss damit rechnen, dass bei einem versicherten Unfallereignis Leistungen der Versicherung als einzusetzendes Vermögen nach § 90 Abs. 1 SGB XII behandelt werden; denn die Vorschrift des § 90 Abs. 2 SGB XII enthält Versicherungsleistungen aus eine Unfallversicherung nicht. Ein vorausplanender Bürger, der kein überzogenes Sicherheitsbedürfnis hat, würde in dieser Fallgestaltung auf den Abschluss einer Unfallversicherung verzichten. Denn darüber hinaus ist die Klägerin im Rahmen ihrer Beschäftigung in der Werkstatt für behinderte Menschen nicht nur in der gesetzlichen Unfallversicherung abgesichert. Darüber hinaus ist der Einrichtungsträger im Rahmen seiner vertraglichen Nebenverpflichtungen zum Heimvertrag gegenüber der Klägerin allgemein verpflichtet, Schaden von der Klägerin abzuwenden, der ihr durch die Benutzung der Einrichtung entstehen kann. Die Kammer sieht keine Veranlassung, der zu § 76 Abs. 2 Nr. 3 des Bundessozialhilfegesetzes ergangenen Rechtsprechung des OVG Lüneburg, Urteil vom 29.11.1989 – 4 A 205/89 -, FEVS 42,104 -113 zu folgen; das Urteil wurde mit einer „besonderen Situation der Familie“ begründet. Diese Rechtsprechung ist auf die Situation der in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe lebenden Klägerin, deren gesamter Bedarf vom Beklagten zu decken ist, nicht übertragbar. Auch die sozialhilfehilferechtliche Kommentierung von Schellhorn/Schell-horn/Hohm, SGB XII, 19. Auflage, § 82 Rn. 45 verweist lediglich auf die vorbezeichnete Entscheidung des OVG Lüneburg. Gemessen an einem Werkstatteinkommen der Klägerin von monatlich 106,00 € erweist sich auch die Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge von 16,85 € bzw. im Hinblick auf den der Klägerin gewährten Barbetrag von 109,00 € als nicht angemessen.
Auch die Nichtabsetzung einer Arbeitsmittelpauschale in Höhe von 5,20 € gemäß § 3 Abs. 5 der Verordnung zu Durchführung des § 82 SGB XII erfolgt zu Recht. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII sieht vor, dass vom Einkommen auch die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abzusetzen sind. Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII gehören zu den mit der Erzielung der Einkünfte aus nichtselbständige Arbeit verbundenen Ausgaben vor allem (Nr.1) notwendige Aufwendungen für Arbeitsmittel, (Nr. 2) notwendige Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, (Nr. 3) notwendige Beiträge für Berufsverbände, (Nr. 4) notwendige Mehraufwendungen infolge Führung eines doppelten Haushalts nach näherer Bestimmung des Abs. 7. § 3 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII bestimmt, dass Ausgaben im Sinne des Satzes 1 nur insoweit zu berücksichtigen sind, als sie von den Bezieher des Einkommens selbst getragen werden. Die Klägerin hat keine derartigen Aufwendungen nachgewiesen, insbesondere sind Kontoführungsgebühren keine derartigen Aufwendungen, jedenfalls sind Kontoführungsgebühren keine Arbeitsmittel.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass jedenfalls der Pauschbetrag nach § 3 Abs. 5 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII hätte berücksichtigt werden müssen, teilt die Kammer die Auffassung nicht. Wenn die Verhältnisse so liegen, dass vom Leistungsempfänger selbst keinerlei Aufwendungen für Arbeitsmittel vorgetragen werden können, ist der Ansatz der Pauschale nicht gerechtfertigt (ebenso im Ergebnis: Sozialgericht München, Urteil vom 24.04.2015 – S 22 SO 270/12 -). Die einschränkende Formulierung „kann“ macht deutlich, dass diese Vorschrift den das SGB XII vollziehenden Behörden aus ausschließlich verwaltungsökonomischen Gründen eine Pauschalierung erlaubt, wenn dies der zuständigen Behörde sachgerecht und sinnvoll erscheint, um bei etwa sich monatlich ändernden Beträge nicht mit monatlichen Änderungsbescheiden reagieren zu müssen oder um individuelle Nachweise für Kleinstbeträge nicht einfordern zu müssen. Die das SGB XII vollziehende Behörde ist aber auch bei geringen Aufwendungen im Sinne des § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII nicht zur Anwendung der Pauschalierungsvorschrift des § 3 Abs. 5 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII verpflichtet.
Die Vorschrift des § 3 Abs. 5 SGB XII begründet somit auf Seiten der Leistungsempfänger – anders als im Steuerrecht der § 9a des Einkommensteuergesetzes – keinen individuellen über die gesetzliche Regelung des § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII hinausgehende eigenständigen Anspruch auf Berücksichtigung eines Pauschbetrags.
Damit musste die Klage im Ergebnis ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).


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