Medizinrecht

Anerkennung einer Epicondylitis lateralis humeri als Berufskrankheit – verneint

Aktenzeichen  3 ZB 19.937

Datum:
17.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24789
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 1, Abs. 3
BKV Anl. 1, Nr. 2101
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Kann für den Anspruch auf Anerkennung einer Epicondylitis lateralis humeri (“Tennisellenbogen”) als Berufskrankheit im Sinne von Anlage 1 zur BKV bereits das Vorliegen dieser Erkrankung nicht bewiesen werden, ist die Frage der Kausalität und der besonderen Gefährdung nicht mehr entscheidungserheblich (Rn. 9 – 12). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 1 K 17.813 2019-03-14 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro
festgesetzt.

Gründe

Der allein auf den Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die mit Ablauf des 31. Oktober 2016 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzte Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung der osteochondralen Veränderungen im linken Ellenbogen als Folge einer Epicondylitis lateralis humeri als Berufskrankheit im Sinne des Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG hat (Bescheid v. 30.3.2017); es fehle bereits an einer Erkrankung im Sinne der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), die im Anhang 1 einen abschließenden Katalog in Betracht kommender Erkrankungen enthalte. Die Tätigkeit der Klägerin in der Justizvollzugsanstalt (ständiges Öffnen und Schließen schwerer Feuerschutztüren) sei auch nicht geeignet, eine der Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKV („Erkrankung der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können“) entsprechende Erkrankung zu verursachen. Zudem sei die Klägerin nicht im Sinne des Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG besonders gefährdet an einer Berufserkrankung im Sinne der BKV zu erkranken.
Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838).
Nach diesem Maßstab bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
1. Die Klägerin macht unter dem Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung eine Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO geltend, und zwar unter Bezugnahme auf die vom Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung abgelehnten Beweisanträge. Soweit darin eine Berufung auf die Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes zu sehen ist, fehlt es jedenfalls an einer hinreichenden Substantiierung eines Verfahrensmangels. Eine erfolgreiche Aufklärungsrüge setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 28.7.2008 – 8 B 31.08 – juris Rn. 4) voraus, dass der Rechtsmittelführer in seiner Rechtsmittelbegründung substantiiert darlegt, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Ausgangsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche für geeignet oder erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen bzw. Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten, welche tatsächlichen Feststellungen getroffen worden wären bzw. welches Ergebnis eine Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und inwiefern das verwaltungsgerichtliche Urteil auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann. Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
Die Klägerin hat vor allem nicht in einer dem Substantiierungsgebot genügenden Weise dargelegt, welche tatsächlichen Feststellungen bei Vermeidung der gerügten Verfahrensfehler voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese – unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts und dessen jeweils selbstständig tragenden Begründungssträngen – zu einer für sie günstigeren Entscheidung hätten führen können.
Soweit die Klägerin einwendet, ihre in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge seien zu Unrecht abgelehnt worden, werden darüber hinaus keine beachtlichen Rechtsfehler erkennbar.
a. Den Beweisantrag Nr. 1 lehnte das Verwaltungsgericht zu Recht mit der Begründung eines unzulässigen Ausforschungsbeweises sowie dem Hinweis ab, dass Streitgegenstand des Verfahrens nicht die Feststellung der Dienstunfähigkeit, sondern die Anerkennung einer Berufserkrankung sei. Entgegen der Zulassungsbegründung ergeben sich weder aus dem fachärztlichen Attest des Dr. A. vom 22. September 2016 noch aus dem Befundbericht des Kompetenznetzes F. vom 5. August 2015 Anhaltspunkte dafür, dass die bei der Klägerin festgestellte Dienstunfähigkeit auf eine Epicondylitis lateralis humeri (Entzündung des Knochenvorsprungs am Oberarm im Bereich des Ellenbogengelenks der Speiche; auch Tennisellenbogen genannt) zurückzuführen sei. Nach dem Attest vom 22. September 2016 war bei der Untersuchung des rechten Ellenbogens ein Tennisellenbogen ausdrücklich „nicht nachweisbar“. Hinsichtlich des linken Ellenbogens diagnostizierte Dr. A. im Rahmen einer erneuten Arthroskopie „einen schweren Knorpelschaden am Kapitulum Humeri, eine eingeklemmende Plica humero radialis und chondrale Gelenkkörper“, ohne jedoch (auch nur den Verdacht auf) eine Epicondylitis lateralis humeri zu äußern. Gleiches gilt (vgl. UA S. 15 f.) für den Befundbericht des Kompetenznetzes F. (v. 5.8.2015) und die nachfolgend erstellte Kernspintomographie (v. 30.11.2015).
b. Das Verwaltungsgericht lehnte auch die Beweisanträge Nr. 2 und Nr. 3 jeweils rechtsfehlerfrei mit der zutreffenden Begründung der fehlenden Entscheidungserheblichkeit ab. Denn selbst wenn die Klägerin – wie vom Erstgericht zu ihren Gunsten unterstellt (UA S. 18 f.) – die Feuerschutztüren diensttäglich hätte 74 Mal öffnen und schließen müssen, wären die physiologischen Anforderungen für die Annahme der Berufserkrankung Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKV nicht erfüllt, so dass die Tätigkeit der Klägerin nicht geeignet sei eine entsprechende Erkrankung zu verursachen (UA S. 16, unter 2.). Im Übrigen fehlt es ungeachtet der Kausalität „bereits“ am Vorliegen einer Erkrankung im Sinne der Anlage 1 zur BKV (UA S. 15, unter 2.).
2. Mit ihrem weiteren Vorbringen ist es der Klägerin nicht gelungen, an der Richtigkeit der drei jeweils selbstständig tragenden Begründungsstränge (keine Erkrankung im Sinne der Anlage 1 zur BKV, keine Kausalität und keine besondere Gefährdung) ernstliche Zweifel aufzuzeigen.
Der Zulassungsantrag wendet sich unter der dortigen Ziffer II. gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur fehlenden Kausalität (II.1 und II.2.; vgl. dazu UA S. 16 ff unter 2.) und zur fehlenden besonderen Gefährdung (II.3; vgl. UA S. 19 f. unter 3.) ohne allerdings in diesem Abschnitt darauf einzugehen, dass die Erstinstanz schon das Vorliegen einer Berufserkrankung im Sinne der BKV in rechtlich nicht zu beanstandender Weise verneinte. Für das Verwaltungsgericht kam es nicht mehr entscheidungserheblich auf die Frage des Bestehens eines Kausalzusammenhangs oder einer besonderen Gefährdung an, da es den geltend gemachten Anspruch „bereits“ am Fehlen einer Erkrankung im Sinne der Anlage 1 zur BKV scheitern ließ. Ist aber das angefochtene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt (sog. kumulative Mehrfachbegründung), kann die Berufung nur dann zugelassen werden, wenn im Hinblick auf jede dieser Urteilsbegründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht ist und vorliegt. Das ist hier nicht der Fall, weil die vorgetragenen ernstlichen Zweifel hinsichtlich der (Haupt-)Begründung des Verwaltungsgerichts aus den oben genannten Gründen (1.) nicht bestehen.
Den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts setzt die Klägerin in ihrer Zulassungsbegründung darüber hinaus lediglich eine eigene rechtliche Bewertung entgegen, ohne sich mit den tragenden Erwägungen des Erstgerichts substantiiert auseinanderzusetzen. Es werden schlicht Gegenbehauptungen aufgestellt, ohne diese näher zu erläutern. Insbesondere fehlt es an einer belastbaren Auseinandersetzung zu den Darlegungen des Erstgerichts, wonach die für das Öffnen und Schließen von Türen erforderliche Kraft weitgehend durch den gesamten Arm aufgebracht werde, das Öffnen und Schließen nicht mit Drehungen des Handgelenks verbunden sei und es wegen der zwangsläufig immer wieder vorhandenen Pausen – durch das „von Tür zu Tür Gehen“ – an einer fortlaufend monotonen Tätigkeit fehle, die im Übrigen auch nicht plötzlich erfolge (UA S. 17 f.).
Den Darlegungserfordernissen eines Berufungszulassungsgrundes gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO wird ferner nicht genügt, wenn die Klägerin der auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung gestützten Rechtsauffassung der Erstinstanz (UA S. 17) lediglich entgegensetzt, dass „natürlich“ auch eine wesentlich geringere Einwirkungsdauer von täglich drei Stunden für eine Erkrankung nach der Anlage 1 zur BKV ursächlich sein könne. Dabei versäumt es die Zulassungsbegründung jedoch darzulegen, von welcher geringeren Einwirkungsdauer stattdessen auszugehen wäre und ob die Tätigkeit der Klägerin diese geringere Einwirkungsdauer überhaupt umfasste.
Die Zulassungsbegründung geht schließlich von unzutreffenden Voraussetzungen aus, wenn sie meint, das Verwaltungsgericht habe entscheidungserheblich verkannt, dass die Klägerin über Jahre hinweg die vorgetragenen 74 Öffnungs- und Schließvorgänge (täglich) ohne Schließhilfe durchgeführt habe und sie dadurch der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt gewesen sei (S. 5 unter II.3). Denn das Verwaltungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass selbst wenn zu Gunsten der Klägerin von einer entsprechenden Anzahl der Öffnungs- und Schließvorgänge ausgegangen werde, diese Tätigkeit nicht geeignet sei, eine besondere Gefährdung herbeizuführen, da die Schließvorgänge nicht ununterbrochen hintereinander durchgeführt, sondern zwangsläufig durch kurze Pausen unterbrochen werden (UA S. 19).
3. Der Zulassungsantrag war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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