Medizinrecht

Anordnung des Ruhens der ärztlichen Approbation wegen Drogenkonsums

Aktenzeichen  M 16 K 15.2724

Datum:
19.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 164576
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BÄO § 6 Abs. 1, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BÄO stellt als Vorschrift der Gefahrenabwehr auf die Prognose der Gefährdung der Patienten ab, ohne dass konkrete Gefahren nachgewiesen werden müssen (vgl. VG München, Beschl. v. 20.7.2009 – M 16 S 09.2795 Rn. 27). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Gründe

Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte über die Klage ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 29. Mai 2015 erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2016 – 21 ZB 15.2612 – juris Rn. 3) als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Bundesärzteordnung – BÄO kann das Ruhen der Approbation durch die zuständige Behörde angeordnet werden, wenn die Voraussetzung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BÄO nachträglich weggefallen ist. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BÄO regelt, dass die Approbation als Arzt zu erteilen ist, wenn der Antragsteller nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet ist.
Die gesundheitlichen Anforderungen des Arztberufs ergeben sich im Wesentlichen aus der Berufsordnung, vorliegend also aus der hier maßgeblichen von der Bayerischen Landesärztekammer gemäß § 20 Heilberufe-Kammergesetz – HKaG erlassenen Berufsordnung – BO für die Ärzte Bayerns in der Bekanntmachung vom 9. Januar 2012 i.d.F. der Änderungen vom 25. Oktober 2015. Danach setzen insbesondere die in den §§ 1 ff. BO aufgeführten Aufgaben des Arztes – allgemeine ärztliche Berufspflichten, Fortbildungsverpflichtungen und Pflichten gegenüber dem Patienten (§§ 7 ff. BO) -, in deren Zentrum der Heilauftrag des Arztes bzw. die Tätigkeit des Arztes als Dienst an der menschlichen Gesundheit steht, neben der fachlichen Kompetenz notwendigerweise auch die psychische und physische Fähigkeit voraus, diese zu erfüllen. Die ärztliche Tätigkeit in Diagnose und Therapie und die damit verbundenen Risiken bzw. Gefahren für Leib und Leben anvertrauter Patienten verlangen vom behandelnden Arzt ein hinreichend hohes Maß an Konzentration und kognitiven Fähigkeiten sowie körperliche und psychische Belastbarkeit (vgl. VG Augsburg, U.v. 12.1.2017 – Au 2 K 15.1777 – juris Rn. 45).
Davon ausgehend liegen hier die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anordnung des Ruhens der Approbation vor. Nach den überzeugenden, schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des gerichtlichen Gutachters ist der Kläger aktuell nicht geeignet, den ärztlichen Beruf auszuüben. Der Gutachter führt nachvollziehbar aus, dass bei dem Kläger zum Zeitpunkt der Untersuchung durch die behördlichen Gutachter am 25. Februar 2015 ein Abhängigkeitssyndrom (ICD F15.2) bestand. Davon ausgehend wird schlüssig dargelegt, dass die Suchtmittelabhängigkeit mit Blick auf den nachweisbaren aktuellen Konsum von Kokain, Metamphetamin und MDMA in den sechs Monaten vor der Untersuchung am 4. Juli 2017 nicht als überwunden angesehen und nicht einmal von einer ausreichenden Stabilisierung gesprochen werden kann. Daran anknüpfend wird schließlich überzeugend dargestellt, dass Drogenkonsum- und Abhängigkeit hier auf den beruflichen Bereich ausstrahlen und die gesundheitliche Eignung für die Ausübung des ärztlichen Berufs entfallen lassen. Hervorgehoben werden dabei der typischerweise auf eine konsumbedingte Leistungssteigerung folgende Zusammenbruch, das den Konsum von Amphetaminen kennzeichnende Verkennen der eigenen Grenzen sowie die daraus folgende Gefahr ärztlicher Fehler.
Damit ist in rechtlicher Hinsicht von der fehlenden Eignung für den ärztlichen Beruf auszugehen. Bestätigt wird dies durch die im Fahrerlaubnisrecht geltenden Maßstäbe, die einen gewissen Orientierungspunkt für die gesundheitliche Eignung im Approbationsrecht bieten (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2005 – 22 CS 05.51 – juris Rn. 23). Danach begründet zum einen der aktuelle Konsum harter Drogen mangelnde Eignung (vgl. Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV; BayVGH, B.v. 17.6.2010 – 11 CS 10.991 – juris Rn. 18). Zum anderen setzt die Wiedererlangung der Eignung nach diagnostizierter Abhängigkeit von Drogen nach Ziffer 9.5 der Anlage 4 zur FeV den erfolgreichen Abschluss einer Entwöhnungstherapie und eine nachgewiesene einjährige Abstinenz voraus (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2017 – 11 C 17.326 – juris Rn. 11 f.); jedenfalls an dem Nachweis der Abstinenz fehlt es hier.
Die Ermessensentscheidung weist keine Rechtsfehler auf (Art. 40 BayVwVfG; § 114 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat dem in Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG verankerten Recht auf Berufsfreiheit in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Gefahren für die Gesundheit der Patienten bei einer Behandlung durch einen Drogen konsumierenden Arzt gegenübergestellt und dabei dem Patientenwohl den Vorrang eingeräumt. Ob eine konkrete Patientengefährdung hier ausgeschlossen war, wie die Klägerbevollmächtigte hervorgehoben hat, ist dabei unerheblich. Der gerichtliche Gutachter hat insoweit nachvollziehbar ausgeführt, dass die Gefahr des Verkennens der eigenen Grenzen dem Konsum der hier in Rede stehenden harten Drogen immanent ist; auch im Fahrerlaubnisrecht wird mit Blick auf die Gefährlichkeit der Substanzen und die fehlende subjektive Wirkungskontrolle nicht auf ein fehlendes Trennungsvermögen abgestellt (VGH BW, B.v. 7.4.2014 – 10 S 404/14 – juris Rn. 5 f.; vgl. zum Rückschluss von der Sucht auf mangelnde Eignung auch Spickhoff, Medizinrecht, § 6 BÄO Rn. 14). Im Übrigen stellt § 6 Abs. 1 Nr. 2 BÄO als Vorschrift der Gefahrenabwehr auf die Prognose der Gefährdung der Patienten ab, ohne dass konkrete Gefahren nachgewiesen werden müssen (vgl. VG München, B.v. 20.7.2009 – M 16 S 09.2795 – juris Rn. 27). Der Beklagte ist auch nicht rechtlich gehalten, dem Verweis der Klägerbevollmächtigten auf Möglichkeiten einer berufsschonenden Gefahrenkontrolle im Rahmen von spezifischen Programmen für suchtkranke Ärzte als milderes Mittel weiter nachzugehen; jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung fehlt es mit Blick auf den aktuellen Konsum bereits an einer Grundlage für ein derartiges Kooperationsmodell.
Hinsichtlich der Nebenentscheidungen in dem angegriffenen Bescheid sind Bedenken weder vorgetragen noch von Amts wegen ersichtlich; insbesondere kann das Verlangen der Herausgabe der Approbationsurkunde auf Art. 52 Sätze 1 und 2 BayVwVfG gestützt werden.
Als unterliegender Teil trägt der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO; §§ 708 ff. ZPO.


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