Medizinrecht

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Aktenzeichen  Au 9 S 21.115

Datum:
25.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1256
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
11. BayIfSMV § 12 Abs. 1, § 27 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Januar 2021 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Anordnung der Schließung einzelner Sortimentsflächen ihres Einzelhandelsmarktes durch die Antragsgegnerin.
Die 11. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV) vom 15. Dezember 2020 zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. Januar 2021 (BayMBl. Nr. 34) hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
§ 12 Handels- und Dienstleistungsbetriebe, Märkte
(1) Die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr ist untersagt. Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel inklusive Direktvermarktung, Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Filialen des Brief- und Versandhandels, Reinigungen und Waschsalons, der Verkauf von Presseartikeln, Tierbedarf und Futtermittel und sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte sowie der Großhandel. Der Verkauf von Waren, die über das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts hinausgehen, ist untersagt. Für nach Satz 2 zulässigerweise geöffnete Betriebe und den Großhandel gilt:
1. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen den Kunden eingehalten werden kann.
2. Der Betreiber hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die Zahl der gleichzeitig im Ladengeschäft anwesenden Kunden nicht höher ist als ein Kunde je 10 m² für die ersten 800 m² der Verkaufsfläche sowie zusätzlich ein Kunde je 20 m² für den 800 m² übersteigenden Teil der Verkaufsfläche.
3. In den Verkaufsräumen, auf dem Verkaufsgelände, in den Eingangs- und Warteflächen vor den Verkaufsräumen und auf den zugehörigen Parkplätzen gilt für das Personal Maskenpflicht und für die Kunden und ihre Begleitpersonen FFP2-Maskenpflicht; soweit in Kassen- und Thekenbereichen von Ladengeschäften durch transparente oder sonst geeignete Schutzwände ein zuverlässiger Infektionsschutz gewährleistet ist, entfällt die Maskenpflicht für das Personal.
4. Der Betreiber hat für den Kundenverkehr ein Schutz- und Hygienekonzept auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen.
Die Antragstellerin ist eine deutsche Lebensmittelkette mit Sitz in *. Sie betreibt eine Vielzahl von Lebensmitteleinzelhandelsgeschäften und Lebensmittelmärkten insbesondere im, in * und in *. Zu ihren Märkten zählt unter anderem das Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft *-Markt im Stadtgebiet der Antragsgegnerin. Nach Angaben der Antragstellerin verfügt dieses Einzelhandelsgeschäft über eine ebenerdig gelegene Netto-Verkaufsfläche von 3.541 m², von denen 2.050 m² auf den Bereich Lebensmittel einschließlich Backshop/Imbiss, 310 m² auf den Bereich Drogerie/Tiernahrung, 80 m² auf den Bereich Blumen und 1.101 m² auf den Bereich „Non-Food“ entfallen.
Am 12. Januar 2021 forderten Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Antragsgegnerin den Marktleiter des streitgegenständlichen Einkaufsmarkts mündlich auf, mitzuteilen, welche Bereiche nach Maßgabe der geltenden Corona-Regelungen des Freistaats Bayern und der „FAQ Corona-Krise und Wirtschaft“ des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege gut abzutrennen seien, insbesondere im Hinblick auf die Abteilungen Blumen und Spielzeug. Im Anschluss daran teilte die Antragsgegnerin dem Bevollmächtigten der Antragstellerin telefonisch mit, dass in Umsetzung der FAQ die Abteilungen Blumen, Textil und Spielzeug nach Maßgabe der geltenden Corona-Regelungen abzusperren seien. Sofern diese Bereiche nicht freiwillig abgetrennt würden, werde eine entsprechende Anordnung erlassen.
Durch mündliche Anordnung vom 14. Januar 2021 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, bis 18. Januar 2021, 8:00 Uhr, die Abteilungen Blumen, Spielwaren und Textil mit Schuhen und Koffern zu schließen. Ausdrücklich ausgenommen seien Kurzwaren und das Konzept „Click & Collect“.
Mit Bescheid vom 14. Januar 2021, dem Bevollmächtigten der Antragstellerin per Fax am 15. Januar 2021 übermittelt, wurde die Antragstellerin verpflichtet, im *-Markt,, die Sortimentsflächen Blumenabteilung im Eingangsbereich, Abteilung für Textilien, Schuhe und Koffer, ausgenommen Kurzwaren, und die Spielwarenabteilung für den Verkauf zu schließen und für den Kundenverkehr durch geeignete Maßnahmen abzutrennen. Die zulässige Abgabe der oben angeführten Waren im Rahmen von „Click & Collect“ bleibe unberührt (Ziffer 1). Die Antragstellerin wurde aufgefordert, die angeordnete Schließung bis spätestens 18. Januar 2021, 8:00 Uhr, vorzunehmen (Ziffer 2). Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer 1 getroffene Anordnung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR zur Zahlung fällig gestellt, sofern nach der in Ziffer 2 gesetzten Frist die Verkaufsflächen geöffnet würden.
Zur Begründung wird ausgeführt, Rechtsgrundlage für die getroffenen Maßnahmen sei § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG in Verbindung mit § 27 Abs. 1 der 11. BayIfSMV. Die Antragsgegnerin sei zum Erlass der getroffenen Anordnungen auf Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG berechtigt, da nach § 27 Abs. 1 der 11. BayIfSMV weitergehende Anordnungen der zuständigen Behörden unberührt blieben. Bei der Krankheit COVID-19 handle es sich um eine übertragbare Krankheit im Sinn des § 2 Nr. 3 IfSG. Es seien daher von der Antragsgegnerin geeignete Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu treffen. Die bayerische Staatsregierung habe seit März 2020 mit einer Vielzahl an Maßnahmen reagiert, um die Ausbreitung einzudämmen. Aktuell gelten in Bayern die Vorschriften der 11. BayIfSMV. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV sei die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr untersagt. Nach Satz 2 sei der Lebensmittelhandel inklusive Direktvermarktung sowie die weiteren im einzelnen aufgeführten Einzelhandelsgeschäfte von dem Verbot ausgenommen. Nach den „FAQ Corona-Krise und Wirtschaft“, die wirksam zur Auslegung von § 12 der 11. BayIfSMV herangezogen werden könnten, sei bei Betrieben, die sowohl zulässiges als auch unzulässiges Sortiment verkaufen würden, auf den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit abzustellen. Bei Großbetriebsformen des Handels wie insbesondere SB-Warenhäusern, Verbrauchermärkten und großflächigen Drogeriemärkten gelte die Mischbetriebsregelung nicht, wenn nicht-erlaubte Sortimente in eigenen, gut abgrenzbaren Abteilungen des Betriebs angeboten würden. Der Verordnungstext der 11. BayIfSMV vermittle der Antragstellerin keinen unmittelbaren Rechtsschutz, sämtliche Sortimente verkaufen zu dürfen. Ziel der Untersagungen hinsichtlich des Einzelhandels sei es, die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zu flankieren und auf diese Weise das Infektionsgeschehen wieder einzudämmen. Die Schließung von Ladengeschäften führe zu einer Vermeidung zahlreicher zufälliger Kontakte und trage dazu bei, die Infektionsdynamik einzugrenzen. Dieses Ziel werde durch die Schließungen von gut abgrenzbaren Abteilungen in ansonsten geöffneten Geschäften in geeigneter Weise unterstützt. Durch die Offenhaltung dieser Abteilungen werde im Markt der Antragstellerin ein Angebot vorgehalten, welches normalerweise ebenso von einer Vielzahl weiterer Fachhändler angeboten wird. Nachdem die Fachhändler für die Waren aus den beanstandeten Bereichen geschlossen hätten, könne angenommen werden, dass sich der Einzugsbereich für Kunden des Marktes in diesen Abteilungen ausweitet. Es würde sich somit ein überörtlicher Einzugsbereich des Marktes entwickeln. Hierbei sei in den Blick zu nehmen, dass mit jeder Ausweitung eines Warensortiments eine Anreizwirkung auf die Kunden ausgehe, die potenziell zu einer erhöhten Zahl von Kundenkontakten führe. Die Anordnung sei erforderlich, weil die Antragstellerin sich weigere, die Richtlinien der „FAQ Corona-Krise und Wirtschaft“ freiwillig umzusetzen. Die Anordnung zur Abtrennung von Verkaufsflächen mit unzulässigem Verkaufssortiment sei auch angemessen und verhältnismäßig. Abzuwägen seien die Interessen an der Sicherstellung eines effektiven Infektionsschutzes mit dem Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit. Im Hinblick auf die schweren Krankheitsverläufe bei der Erkrankung mit COVID-19 sei dem Grundrechtsschutz auf Leben und Gesundheit größeres Gewicht beizumessen. Die Schließung sei auch verhältnismäßig, da sie sich nur auf zusammenhängende, gut abgrenzbare Verkaufsflächen beziehe. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG), Art. 31 VwZVG und Art. 36 VwZVG. Die Frist zur Umsetzung sei angemessen, der Betrag von 5.000 EUR entspreche dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 20. Januar 2021 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage (Au 9 K 21.114) über die noch nicht entschieden ist.
Ebenfalls mit Schriftsatz vom 20. Januar 2021 stellte die Antragstellerin einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Januar 2021 wird angeordnet.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage sei gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft, da die Antragsgegnerin von einer sofortigen Vollziehbarkeit gemäß § 16 Abs. 8 IfSG i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ausgehe. Durch den Bescheid werde die Antragstellerin in ihren Grundrechten der Berufsfreiheit und des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen. Der Antrag sei auch begründet, da der Bescheid der Antragsgegnerin rechtswidrig sei und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzte. Die Anordnung der Antragsgegnerin könne sich nicht auf eine Rechtsgrundlage stützen. Aus den Regelungen der 11. BayIfSMV folge gerade keine Verpflichtung der Antragstellerin, den Bereich und das Warensortiment des Non-Food-Bereichs zu schließen. Mit ihrer Anordnung gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG in Verbindung mit § 27 Abs. 1 der 11. BayIfSMV vollziehe die Antragsgegnerin lediglich die Richtlinien der FAQ, die sie zur Auslegung der 11. BayIfSMV für verbindlich halte. Die Antragstellerin sei jedoch berechtigt, ihren Markt uneingeschränkt zu öffnen und Waren des Non-Food-Bereichs zu verkaufen, da dieser einen Betrieb des Lebensmittelhandels darstelle, der nach § 12 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV geöffnet werden dürfe. Eine Einschränkung dieser Regelung für Großbetriebsformen ergebe sich nicht aus den Vorgaben der FAQ. Dieses gelte auch in Ansehung der Tatsache, dass in dem streitgegenständlichen Markt ein Warensortiment angeboten werde, das über bloße Lebensmittel hinausgehe und auch in erheblichem Umfang Waren des Non-Food-Bereichs umfasse. Der Schwerpunkt des Marktes liege im Lebensmittelsortiment, auf das deutlich mehr als 50% seiner Verkaufsfläche und knapp 80% seines Umsatzes entfalle. Die von der Antragstellerin angebotenen Waren gehörten einem Sortiment an, das bei einem Mischbetrieb mit Schwerpunkt Lebensmittelhandel üblich sei. § 12 Abs. 1 der 11. BayIfSMV enthalte keine spezifische Regelung für Betriebe mit Mischsortiment. Nach § 12 Abs. 1 Satz 3 der 11. BayIfSMV sei nur der Verkauf von Waren, die über das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts hinausgehen, untersagt. Die Üblichkeit eines Warensortiments bemesse sich ausgehend vom Wortsinn nach der allgemeinen Erwartungshaltung der Kunden, welche Waren sie in dem von ihnen aufgesuchten Ladengeschäft erhalten. Ausgehend von der Marktentwicklung der vergangenen zehn Jahre erwarteten Kunden eines großflächigen Lebensmittelgeschäfts, dass sie dort nicht nur Lebensmittel, sondern in einem gewissen Umfang auch Non-Food-Waren, wie Kleidung, Elektrogeräte, Blumen etc., kaufen können. Gleiches gelte für den Besuch eines größeren Drogeriemarkts. So würden Kunden dort nicht nur Drogeriewaren, sondern in einem gewissen Umfang auch Lebensmittel, Elektrogeräte oder Spielwaren kaufen können. Nach dem Wortlaut sei für die Ermittlung des zulässigen Warenangebots ausdrücklich das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts maßgeblich. Nach der Vorschrift sei lediglich nicht erlaubt, dass ein zur Öffnung berechtigtes Ladengeschäft sein Warensortiment ausweitet, selbst wenn ein solches in anderen Ladengeschäften üblicherweise angeboten wird. Ausweislich der Begründung der Regelungen in der 11. BayIfSMV zielten die Betriebsbeschränkungen auf die effektive Beschränkung des Infektionsgeschehens ab, ohne dabei die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Waren einzuschränken. Den öffnungsberechtigten Geschäften solle über die Vorgaben des § 12 Abs. 1 Satz 4 der 11. BayIfSMV hinaus keine Beschränkung ihrer üblichen Betriebsabläufe auferlegt werden, was aber bei einer Beschränkung ihres üblichen Warensortiments der Fall wäre. Bei Mischbetrieben, deren Waren mehrheitlich einem der von den Betriebsschließungen nicht erfassten Betriebstypen zuzuordnen seien, sei der Verkauf des übrigen Warensortiments zulässig, wenn das angebotene Warensortiment mehrheitlich zum erlaubten Warensortiment gehöre. Dieses Normverständnis entspreche auch dem Rechtsverständnis des Normgebers. Dieser habe in „FAQ Corona-Krise und Wirtschaft“ (Stand: 21.12.2020) zu Mischbetrieben ausgeführt, dass diese nach dem Schwerpunktprinzip beurteilt würden. Sie könnten insgesamt öffnen, wenn der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit (mehr als 50%) im erlaubten Bereich liege. Um die betrieblichen Abläufe nicht zu belasten, könnten dann auch die übrigen Sortimente verkauft werden. Die Vorgaben der FAQ seien zwar nicht rechtsverbindlich, könnten jedoch als Auslegungshinweise herangezogen werden. Eine Beschränkung der dargestellten Regelungen ergebe sich auch nicht aus den Vorgaben der „FAQ Corona-Krise und Wirtschaft“ bezüglich Großbetriebsformen. Dort sei vorgesehen, dass bei Großbetriebsformen die Mischbetriebsregelung nicht gelte, wenn nicht-erlaubte Sortimente in eigenen, gut abgrenzbaren Abteilungen des Betriebs (etwa eigenes Stockwerk, zusammenhängende gut abgrenzbare Fläche) angeboten würden. Die Vorgaben der FAQ zu Großbetriebsformen würden inhaltlich deutlich über eine Auslegung hinausgehen und hätten einen eigenen Regelungsgehalt. Auch sei bereits unklar, welche Betriebe unter den Begriff Großbetriebsformen des Handels fallen sollten. Angesichts der schweren Eingriffe in die Grundrechte der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1 GG) seien besondere Anforderungen an die Bestimmtheit der Verordnungsregelungen zu stellen. Gesetzliche Verbote grundrechtlich geschützter Tätigkeiten müssten in ihren Voraussetzungen und in ihrem Inhalt so klar formuliert sein, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach bestimmen könnten. Sehe eine Rechtsvorschrift die Ahndung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit vor, müsse die bußgeldbewehrte Vorschrift hinreichend bestimmt sein. Der Wortsinn einer Vorschrift stelle die unübersteigbare Grenze der Auslegung dar. Die Antragstellerin könne sich auch auf einen Anordnungsgrund berufen, da der Antragsgegnerin eine Frist bis zum 14. Januar 2021 zur Einhaltung der Vorgaben gesetzt worden sei. Die vorgenommene Teilschließung betreffe etwa 30% der Verkaufsfläche des Verkaufsmarkts und sei mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen verbunden. Ein weiteres Zuwarten sei der Antragstellerin nicht zuzumuten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt sie aus, der Bescheid finde seine Rechtsgrundlage in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG und § 27 Abs. 1 der 11. BayIfSMV. Nach dieser Vorschrift dürfe die Kreisverwaltungsbehörde Anordnungen treffen, die über die Regelungen der 11. BayIfSMV hinausgehen, soweit diese aus infektionsschutzrechtlicher Sicht erforderlich seien. Die vorliegende Einzelanordnung stütze sich nicht auf die Regelungen der FAQ, sondern auf die gesetzliche Ermächtigung in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG und § 27 Abs. 1 der 11. BayIfSMV zur infektionsschutzrechtlich gebotenen Anordnung im Einzelfall. Auf eine rechtliche Einordnung der FAQ komme es daher nicht an. In Bezug auf die gegenüber der Antragstellerin ergangene Anordnung habe die Antragsgegnerin das konkrete Infektionsgeschehen in * und die konkrete Situation des *-Marktes vor Ort aus infektionsschutzrechtlicher Sicht geprüft und habe auf dieser Grundlage die konkrete Verkaufsuntersagung für bestimmte Sortimente festgesetzt. Die Antragsgegnerin habe auch substantiiert erwogen und ausführlich begründet, weshalb die gewählte Maßnahme ein geeignetes, erforderliches und verhältnismäßiges Mittel darstelle, um über die Verringerung der in Ladengeschäften gegebenen zahlreichen Kundenkontakte der Verbreitung des Corona-Virus entgegenzutreten und die Infektionsdynamik einzugrenzen. Die Mitarbeiter seien vor Ort gewesen und hätten konkret die Verkaufsflächen in Augenschein genommen. Die Schließung beziehe sich auf zusammenhängend und gut abgrenzbare Sortimente, während Verkaufsflächen mit durchmischten Sortiment offenbleiben könnten. Dieses belege eine gewissenhafte Prüfung des Einzelfalls. Die Maßnahme sei auch verhältnismäßig. Deutschlandweit und auch in * sei eine stetig hohe Zahl an sich neu infizierenden Personen des Corona-Virus festzustellen. Die bayerische Staatsregierung habe mit einer Vielzahl von Maßnahmen reagiert. Eine wesentliche sei hierbei die Untersagung der Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 der aktuell geltenden 11. BayIfSMV. Ziel der Untersagungen sei die Verhinderung zahlreicher zufälliger Kontakte unterschiedlicher Personen wie sie in Geschäften des Einzelhandels stattfinden würden. Die Schließung der Geschäfte mit Kundenverkehr trage dazu bei, die Infektionsdynamik einzugrenzen. Diesem Ziel diene auch die Schließung der betroffenen Abteilungen. Dort werde ein Angebot vorgehalten, welches normalerweise ebenso von einer Vielzahl weiterer Fachhändler angeboten werde. Nachdem diese jedoch derzeit geschlossen hätten, könne angenommen werden, dass sich der Einzugsbereich des Marktes der Antragstellerin für Kunden ausweitet. Hierbei sei in den Blick zu nehmen, dass mit jeder Ausweitung des Warensortiments eine Anreizwirkung auf Kunden ausgehe. Dieses belege eine Beschwerde eines Kunden, der 30 km entfernt wohne und sich über die geplante Schließung der Blumenabteilung beschwert habe. Die Verringerung der Mobilität diene dazu, eine Ansteckung mit dem Corona-Virus zu verhindern. Bei Offenhaltung der Abteilungen Textil, Schuhe und Koffer, Spielwaren oder Blumen sei mit einer längeren Verweildauer im Markt zu rechnen, welches ein erhöhtes Ansteckungsrisiko begründe. Die Maßnahme sei auch erforderlich. Weniger einschneidende Maßnahmen mit gleicher Wirkung seien nicht ersichtlich. Gegenüber dem Grundrechtsschutz auf Leben und Gesundheit wiege der Eingriff in die Berufsfreiheit weniger schwer. Im Hinblick auf die hohen Infektionszahlen und der Schwere möglicher Krankheitsverläufe bestehe auch kein überwiegendes privates Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Im Bereich der Abteilung Blumen sei noch zu beachten, dass sich diese anders als die Abteilungen Textilien, Schuhe, Koffer und Spielsachen nicht im eigentlichen Lebensmittelmarkt befinde, sondern einen gesonderten Verkaufs- und Bedienbereich mit eigenem fachkundigen Personal und Kasse bilde. Dieser Bereich sei funktional wie ein eigenes Ladengeschäft zu sehen. Es müsse daher schon nach § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV geschlossen bleiben.
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf den in der Gerichtsakte enthaltenen Schriftverkehr verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
1. Der Antrag ist zulässig.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn die Klage keine aufschiebende Wirkung hat. Dabei trifft das Gericht im Rahmen einer summarischen Prüfung der sich im Zeitpunkt der Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene, originäre Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Wesentliches Element dieser Entscheidung sind die Erfolgsaussichten eines eventuellen Hauptsacheverfahrens. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung von Sach- und Rechtslage, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid als voraussichtlich rechtswidrig, so besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, hat es bei einer allgemeinen Interessenabwägung zu verbleiben.
a) Streitgegenständlich ist der Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Januar 2021, der in Gestalt eines Verwaltungsakts im Sinn von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG ergangen ist, so dass ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO der richtige Rechtsbehelf ist. Ob im Hinblick auf die Aufforderung, den beanstandeten Non-Food-Bereich abzusperren, eine für die Qualifizierung der Maßnahme als Verwaltungsakt notwendige Regelungswirkung liegt – die Untersagung der Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr bzw. der Verkauf eines unzulässigen Warenangebots im Sinn von § 12 Abs. 1 Satz 3 der 11. BayIfSMV ergibt sich bereits unmittelbar aus der Verordnung selbst, ohne dass es hierfür einer gesonderten Einzelfallanordnung bedarf – braucht daher nicht entschieden zu werden. Auch bezüglich der Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids ist nach Art. 38 Abs. 1 VwZVG Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu suchen.
b) Da die streitgegenständliche Allgemeinverfügung ausdrücklich auf das Infektionsschutzrecht als Rechtsgrundlage gestützt ist (§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG i.V.m. § 27 Abs. 1 der 11. BayIfSMV) und die Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfalten (§ 28 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG), ist vorliegend ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Ob die streitgegenständliche Verfügung rechtmäßig auf die Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 27 Abs. 1 der 11. BayIfSMV gestützt werden durfte, ist im Rahmen der Begründetheit zu klären. Die sofortige Vollziehbarkeit der Zwangsgeldandrohung ergibt sich aus Art. 21a VwZVG, so dass der Antrag auch insoweit statthaft ist.
c) Das Rechtsschutzbedürfnis für den vorliegenden Antrag entfällt nicht deswegen, weil die Antragstellerin der Aufforderung nachgekommen ist. Da die Antragsgegnerin die Antragstellerin unter Fristsetzung und Zwangsgeldandrohung aufgefordert hat, das beanstandete Warensortiment abzugrenzen, ist es der Antragstellerin im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht zuzumuten, auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung ihr Geschäft weiter uneingeschränkt zu betreiben und sich dem Risiko einer ordnungsrechtlichen Maßnahme auszusetzen. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass ein Verstoß in § 28 Nr. 11 der 11. BayIfSMV bußgeldbewehrt ist.
2. Der Antrag ist auch begründet.
Die seitens des Gerichts vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das private Interesse der Antragstellerin als Adressatin des streitgegenständlichen Bescheids an der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage das öffentliche Interesse an der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehung des Bescheids überwiegt. Nach der im Eilverfahren lediglich gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist der Bescheid voraussichtlich rechtswidrig, da er bereits nicht auf die von der Antragsgegnerin herangezogene Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV gestützt werden kann.
a) Fraglich ist bereits, ob Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 14. Januar 2021 eine eigene Regelungswirkung entfaltet, die über die für den vorliegenden Fall einschlägige Vorschrift des § 12 Abs. 1 der 11. BayIfSMV hinausgeht. Wie der Begründung des Bescheids zu entnehmen ist, erließ die Antragsgegnerin die Anordnung, weil sich die Antragstellerin weigerte, freiwillig die aus Sicht der Antragsgegnerin maßgeblichen Vorgaben der „FAQ Corona-Krise und Wirtschaft“ im Zusammenhang mit den Regelungen in § 12 Abs. 1 Satz 2 und 3 der 11. BayIfSMV umzusetzen und die aus Sicht der Antragsgegnerin unzulässigen Warensortimente auszusondern (vgl. Nr. 3.5. der Begründung des Bescheids). Da die Antragsgegnerin somit der Auffassung ist, dass die Regelungen in § 12 Abs. 1 Satz 2 und 3 der 11. BayIfSMV entsprechend den FAQ zur 11. BayIfSMV dahingehend auszulegen sind, dass unzulässige Warensortimente von der Antragstellerin auszusondern sind, beabsichtigte sie gerade nicht, eine eigene über die Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 und 3 der 11. BayIfSMV hinausgehende Anordnung zu treffen, sondern wurde lediglich zur Durchsetzung der in dieser Vorschrift getroffenen Regelungen tätig. Für die in der Antragserwiderung geltend gemachte Prüfung der individuellen Situation der Antragstellerin in Bezug auf das örtliche Infektionsgeschehen im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin finden sich im Bescheid keinerlei Anhaltspunkte. Die Begründung des Bescheids bezieht sich ausschließlich auf Umstände, die für den gesamten Geltungsbereich der 11. BayIfSMV zutreffen.
b) Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass die Antragsgegnerin eine eigenständige Regelung treffen wollte, kann diese nicht auf § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV gestützt werden.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV können die örtlich für den Vollzug des Infektionsschutzgesetzes zuständigen Behörden weitergehende Anordnungen erlassen, d.h. Anordnungen treffen, die über die in der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung getroffenen Regelungen hinausgehen. Diese Rechtsgrundlage ist somit nach ihrem Wortlaut nur dann einschlägig, wenn eine Regelung getroffen wird, die nicht bereits Gegenstand der Verordnung ist und die in der Besonderheit des örtlichen Infektionsgeschehens ihre Rechtfertigung findet. Daran fehlt es jedoch. Die Antragsgegnerin begründet im streitgegenständlichen Bescheid die Forderung nach Schließung der aus ihrer Sicht unzulässigen Warenbereiche ausschließlich mit der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 und 3 der 11. BayIfSMV und der zu dieser Vorschrift verfassten Erläuterung „FAQ Corona-Krise und Wirtschaft“. Sie trifft somit ausweislich der Bescheidsbegründung keine „weitergehende Anordnung“ im Sinn von § 27 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV.
Selbst wenn man unterstellen würde, dass es sich bei der Schließung des im Bescheid aufgeführten Warensortiments um eine „weitergehende Anordnung“ im Sinn von § 27 Abs. 1 der 11. BayIfSMV handeln würde, setzt die Anwendbarkeit dieser Vorschrift voraus, dass die Verschärfung der in der Verordnung geregelten Sachverhalte aus Gründen des örtlichen Infektionsgeschehens erforderlich ist. Hierfür fehlen jedoch jegliche Anhaltspunkte. Die Befürchtung, das breite Warenangebot der Antragstellerin könne zusätzlich Kunden anziehen, gilt für jede Region und erfüllt die Voraussetzungen für eine örtliche Verschärfung nicht. Da Erwägungen zur örtlichen Situation im Zuständigkeitsgebiet der Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid gänzlich fehlen, können diese daher auch im gerichtlichen Verfahren nicht mehr nachgeholt werden. Zudem bezieht sich die Antragsgegnerin auch in der Antragserwiderung ohne nähere Konkretisierung nur allgemein auf das dynamische Infektionsgeschehen bezüglich des Corona-Virus. Das reicht für die Rechtfertigung einer örtlichen Verschärfung der in der 11. BayIfSMV getroffenen Regelungen bezüglich der Einzelhandels aber nicht aus. Es gibt im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich das Infektionsgeschehen im Stadtgebiet der Antragsgegnerin von der allgemeinen Infektionslage in Bayern grundlegend unterscheidet, so dass eine örtliche Verschärfung der Regelungen zum Einzelhandel gerechtfertigt wäre.
Da der Bescheid schon aus diesen Gründen rechtswidrig ist, braucht nicht weiter auf die Frage eingegangen werden, ob eine Begrenzung des Warensortiments zur Reduzierung des Infektionsgeschehens über die bereits in § 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 der 11. BayIfSMV geregelte Begrenzung der zulässigen Kundenzahl hinaus geeignet und noch erforderlich ist.
c) Darüber hinaus können die von der Antragsgegnerin in ihrem Bescheid vom 14. Januar 2021 angeordneten Maßnahmen nicht auf § 12 Abs. 1 Satz 3 der 11. BayIfSMV gestützt werden. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV ist die Öffnung von Ladengeschäften mit Kundenverkehr untersagt. Ausgenommen von dem Verbot sind nach § 12 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV der Lebensmittelhandel inklusive Direktvermarktung, Lieferdienste, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Kfz-Werkstätten, Fahrradwerkstätten, Banken und Sparkassen, Filialen des Brief- und Versandhandels, Reinigungen und Waschsalons, der Verkauf von Presseartikeln, Tierbedarf und Futtermittel und sonstige für die tägliche Versorgung unverzichtbare Ladengeschäfte sowie der Großhandel. Der Verkauf von Waren, die über das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts hinausgehen, ist untersagt (§ 12 Abs. 1 Satz 3 der 11. BayIfSMV). In § 12 Abs. 1 Satz 4 der 11. BayIfSMV ist geregelt, welche Hygienevorgaben die zulässigerweise geöffneten Geschäfte einzuhalten haben.
aa) Die Regelung in § 12 Abs. 1 der 11. BayIfSMV findet nach summarischer Prüfung in § 28 Abs. 1, § 28 a Abs. 1 Nr. 14 IfSG i.V.m. der Verordnungsermächtigung in § 32 Satz 1 IfSG eine verfassungsmäßige Rechtsgrundlage (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2020 – 20 NE 20.2461 – juris). Die Vorschrift dürfte auch materiell rechtmäßig sein, da sie sich an die gesetzlichen Vorgaben des § 28 a Abs. 1 Nr. 14 IfSG hält.
bb) Der von der Antragstellerin betriebene streitgegenständliche Markt zählt zu dem Geschäftstyp, der als Lebensmittelhandel gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV von der generellen Schließungsanordnung ausgenommen ist. Auch wenn in dem streitgegenständlichen Einkaufsmarkt – wie in größeren Supermärkten üblich – neben den klassischen Lebensmitteln auch weitere sog. Non-Food Waren verkauft werden, handelt es sich bei diesem Geschäftstyp um einen Lebensmittelmarkt. Hiervon geht offenbar auch die Antragsgegnerin aus. Diese Einschätzung wird durch die Beschreibung der Unternehmenstätigkeit der Antragstellerin in allgemein zugänglichen Quellen (https://de.wikipedia.org/wiki/*) bestätigt. So wird das Unternehmen der Antragstellerin als deutsche Lebensmittelkette der Branche „Lebensmitteleinzelhandel“ geführt. Das Unternehmen betreibt eine Vielzahl von Lebensmitteleinzelhandelsgeschäften mit unterschiedlichem Größenzuschnitt. Die Firmengruppe der Antragstellerin wird auch nach allgemeiner Verkehrsauffassung dem Lebensmitteleinzelhandel zugeordnet. Da die Antragstellerin als Unternehmen des Lebensmittelhandels nach § 12 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV von der allgemeinen Geschäftsschließung ausgenommen ist, ist ihr Betrieb zulässigerweise geöffnet.
Die von der Antragsgegnerin geforderte Begrenzung des Warensortiments bezüglich Textil, Schuhe und Koffer, Spielwaren und Blumen findet in § 12 Abs. 1 der 11. BayIfSMV keine Grundlage. Der Bereich „Blumen“ ist ungeachtet der räumlichen Trennung Teil der Gesamtkonzeption des streitgegenständlichen Verbrauchermarkts der Antragstellerin, so dass auch dieser Bereich das rechtliche Schicksal der übrigen „Non-Food-Bereiche“ des Marktes teilt.
Sofern das Einzelhandelsgeschäft zu den Betrieben zählt, die nach § 12 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV geöffnet sein können, ist hinsichtlich des zulässigen Warenangebots lediglich die Einschränkung in § 12 Abs. 1 Satz 3 der 11. BayIfSMV zu beachten, wonach der Verkauf von Waren untersagt ist, die über das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts hinausgehen. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts in § 12 Abs. 1 Satz 3 der 11. BayIfSMV wird dabei ausschließlich auf das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts abgestellt. Es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass bezüglich der zulässigerweise angebotenen Sortimente ausschließlich auf den Verkauf der den einzelnen Geschäftstypus kennzeichnenden Ware (hier: Verkauf von Lebensmitteln) abzustellen ist. Angesichts der breiten Angebotspalette in den größeren Supermärkten und den anderen in § 12 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV genannten Geschäftstypen wäre eine derartige Beschränkung des Warensortiments auch nicht umsetzbar.
Die von der Antragsgegnerin vertretene Auffassung, die sie auf die Ausführungen des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege in den als „FAQ Corona-Krise und Wirtschaft“ bezeichneten Erläuterungen stützt, findet in der Verordnung keine Stütze. In den „FAQ Corona-Krise und Wirtschaft“ (Stand: 15.1.2021) wird zu § 12 Abs. 1 der 11. BayIfSMV bezüglich des Warensortiments ausgeführt, grundsätzlich sei (nur) der Verkauf von Waren, die über das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts hinausgehen, untersagt. Hinsichtlich Mischbetrieben des Einzelhandels wird darauf hingewiesen, dass maßgeblich auf den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen sei. Soweit dieser zu mehr als 50% im erlaubten Bereich (Beispiel Verkauf von Lebensmitteln) liege, sei es zulässig, auch die übrigen Sortimente zu verkaufen. Diese Regelung gelte jedoch nicht für „Großbetriebsformen des Handels wie insbesondere SB-Warenhäuser, Verbrauchermärkte und großflächige Drogeriemärkte“. Hier sei der Verkauf nicht-erlaubter Sortimente untersagt, wenn diese in gut abgrenzbaren Abteilungen angeboten würden. Abweichend zu der ausdrücklichen Regelung in § 12 Abs. 1 der 11. BayIfSMV wird in der oben genannten FAQ für Großbetriebsformen somit eine Sonderregelung geschaffen, die über die klare Regelung in § 12 Abs. 1 der 11. BayIfSMV hinausgeht und für die der Wortlaut keinen Anhaltspunkt bietet. Davon abgesehen, dass für den Normanwender völlig unklar ist, wann ein Einzelhandelsgeschäft unter die Kategorie „Großbetriebsform des Handels“ fällt und unter welchen Voraussetzungen die Waren in einem gut abgrenzbaren Bereich angeboten werden, ist in § 12 Abs. 1 der 11. BayIfSMV kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, dass es für die Frage der Zulässigkeit einer Betriebsöffnung und das zulässige Warenangebot auf die Betriebsgröße ankommt. Auch ist nicht nachvollziehbar, welche infektionsschutzrechtliche Rechtfertigung das Kriterium der Abgrenzbarkeit des Warenangebots hat.
Zwar ist gerade bei einer abstrakt generellen Verordnungsregelung, die ohne einen konkretisierenden Vollzugsakt unmittelbare Geltung beansprucht, nicht jeder Einzelfall ausdrücklich regelbar. Auch sind die konkreten Anforderungen an die Bestimmtheit von Normen nicht generell abstrakt festlegt, sondern bestimmen sich jeweils nach dem geregelten Lebenssachverhalt. Die Regelungen sind aber so zu fassen, wie es nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Zudem darf die Auslegung der betreffenden Bestimmung nicht über deren eindeutigen Wortlaut hinausgehen, da andernfalls für den Normadressaten nicht mehr erkennbar ist, welches Verhalten von ihm verlangt wird und welche Handlungsformen zulässig sind. Diesen Anforderungen an die Bestimmtheit und Transparenz von Rechtsnormen würde § 12 Abs. 1 der 11. BayIfSMV bei Anwendung der von der Antragsgegnerin vertretenen Auffassung nicht gerecht. Nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 und 3 der 11. BayIfSMV ist der Lebensmittelhandel zulässig, soweit er nicht über das übliche Sortiment des jeweiligen Geschäfts hinausgeht. Eine Differenzierung zwischen Verbrauchermärkten, Großbetrieben und Lebensmitteleinzelhandelsmärkten sowie der Abgrenzbarkeit des Warenangebots ist in der Vorschrift nicht zu finden. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Größe des Geschäfts bezüglich der Möglichkeit der Öffnung aus Gründen des Infektionsschutzes eine Rolle spielt. Die Größe eines Marktes hat nach § 12 Abs. 1 Satz 4 der 11. BayIfSMV lediglich für die zulässige Kundenzahl Bedeutung.
Das von der Antragsgegnerin herangezogene Kriterium der Wettbewerbsverzerrung ist als Begründung für die Schließung der einzelnen Warenbereiche der Antragstellerin nicht geeignet. Die Schließung des Einzelhandels bzw. die Einschränkung des Handels auf die für die tägliche Versorgung unverzichtbaren Waren bzw. Geschäfte dient der Reduzierung der Kontakte durch Einschränkung des Kundenverkehrs. Maßgeblich für die Regelung ist die Absicht, das Kundenaufkommen bzw. die Mobilität der Bevölkerung einzuschränken, um weitere Infektionen zu verhindern, nicht jedoch das Bemühen die einzelnen Gewerbezweige vor anderweitiger Konkurrenz zu schützen. Diese Zielrichtung wäre von der Ermächtigungsgrundlage des § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG auch nicht gedeckt, da notwendige Schutzmaßnahmen nur angeordnet werden können, solange und soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Der Schutz vor Wettbewerb ist insoweit kein zulässiges Kriterium.
Aus Gründen des Infektionsschutzes spricht vielmehr einiges dafür, den Kunden zu ermöglichen, in einem Einkaufsgang alle für den täglichen Bedarf notwendigen Besorgungen, die auch den von der Schließungsaufforderung betroffenen Non-Food-Bereich der Antragstellerin betreffen können, zu erledigen. Welche Waren für die tägliche Versorgung unverzichtbar sind, ist abstrakt-generell nicht regelbar, wie auch die Öffnungsklausel in § 12 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV belegt. Welche Waren unverzichtbar sind, richtet sich auch danach, wie lange die Schließung des Einzelhandels bereits dauert und wie lange sie noch zu erwarten ist – aktuell gilt sie seit dem 16. Dezember 2020, eine Verlängerung bis zum 14. Februar 2021 ist vorgesehen. Je länger der Handel geschlossen ist, desto mehr Warenkategorien werden für die tägliche Versorgung notwendig sein. Es spricht auch einiges dafür, dass die in einem Lebensmittelgroßmarkt angebotenen, in § 12 Abs. 1 Satz 2 der 11. BayIfSMV nicht ausdrücklich aufgeführten Warenkategorien in der Regel ein gegenüber dem Fachhandel sehr eingeschränktes Angebot darstellen und dazu dienen, den notwendigen Lebensbedarf zu erfüllen. Auch gilt es zu berücksichtigen, dass nicht jeder über die Möglichkeit und Fähigkeit verfügt, notwendige Geschäfte über den online-Handel abzuwickeln. Anhaltspunkte dafür, dass im Einzelhandelsbetrieb der Antragstellerin zusätzlich der Verkauf von Waren, die über das übliche Sortiment hinausgehen, erfolgt, bestehen nicht und werden von der Antragsgegnerin auch nicht behauptet.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 und Nr. 54.2.1 analog des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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