Medizinrecht

Asyl, Kosovo: Antrag auf Zulassung einer Berufung in Asylverfahren- behandlungsbedürftige psychische Erkrankung

Aktenzeichen  15 ZB 17.31137

Datum:
28.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 21860
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, 3, Abs. 4 S. 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
VwGO § 86 Abs. 2, § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Die Frage, ob fehlende finanzielle Mittel für die Behandlung einer schweren Erkrankung iRv § 60 Abs. 7 S. 1 AsylG zu berücksichtigen sind, ist weder klärungsbedürftig noch einer grundsätzlichen Klärung zugänglich, weil diese bereits in der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt und bejaht ist. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Beweisantrag zur Frage, dass die Klägerin zu 2 im Kosovo keine Behandlung und keine notwendige Medikamente erhalte, beinhaltet kein entscheidungserhebliches bzw. hinreichend substantiiertes Beweisthema. Entscheidungserheblich ist ausschließlich, ob im Kosovo unter Einsatz entsprechender Bemühungen die Möglichkeit einer Behandlung, die eine Gefahr iSv § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG ausschließt, besteht. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 4 K 16.30500 2017-07-19 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

I.
Die Kläger – Staatsangehörige der Republik Kosovo – wenden sich gegen den Bescheid des Bundesamts für … (Bundesamt) vom 11. Dezember 2015, mit dem ihre Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurden, ihre Anträge auf subsidiären Schutz abgelehnt wurden, ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, und ihnen die Abschiebung in den Kosovo oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde.
Im behördlichen Verfahren sowie auch im Anschluss wurde für die Klägerin zu 2 unter Vorlage diverser ärztlicher Atteste / Befundberichte der behandelnden Ärztin für Psychiatrie Dr. med. S … R … eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung vorgetragen (vgl. z.B. Attest vom 18.1.2017 – Diagnose: schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen; posttraumatische Belastungsstörung; vgl. auch den Bericht des Klinikums Bamberg vom 21.12.2016 über einen stationären Aufenthalt der Klägerin zu 2 im Dezember 2016).
Hinsichtlich der für die Klägerin zu 2 geltend gemachten psychischen Erkrankung führt der Bescheid vom 11. Dezember 2015 aus, dass keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde, vorliege. Nach der Erkenntnislage, die auf Seiten 11 und 12 des Bescheides ausführlich unter Bezugnahme auf konkret benannte Erkenntnisquellen – (1) Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo vom 25. November 2014; (2) IOM, Länderinformationsblatt Kosovo, Juni 2014 – dargestellt wird, sei davon auszugehen, dass psychische Erkrankungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen im Kosovo – wenn auch nicht optimal – grundsätzlich behandelt werden können. Aus der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung und den Informationen, die dem Bundesamt zur Behandelbarkeit von Erkrankungen im Kosovo vorlägen, sei nicht erkennbar, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin zu 2 bei Rückkehr in den Kosovo wesentlich oder lebensbedrohlich verschlechtern würde. Insbesondere sei auch nicht ersichtlich, dass eine erforderliche medizinische Behandlung im Kosovo aus finanziellen Gründen scheitern könnte. Insofern weist der angegriffene Bescheid auf Seite 12 unter Rekurs auf den Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 25. November 2014 darauf hin, dass freiwillige Rückkehrer sowie Zurückgeführte aus allen Bundesländern Deutschlands bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung/Traumatisierung unmittelbar nach ihrer Ankunft kostenlos die Hilfs- und Unterstützungsleistungen des Kosovo-Rückkehrprojektes „URA 2“ in Anspruch nehmen könnten. Speziell hierfür in Deutschland geschulte Psychologen böten eine professionelle Behandlung für psychisch erkrankte Rückkehrer an und / oder seien bei der Vermittlung von qualifizierten Behandlungsplätzen behilflich.
Im erstinstanzlichen Klageverfahren wurde von den Bevollmächtigten der Kläger schriftsätzlich geltend gemacht, die zwischenzeitlich in den Kosovo abgeschobene Klägerin zu 2 habe dort bislang keine Therapie erhalten und es sei auch keine Aufnahme ins Gesundheitssystem nach den vom Bundesamt angenommenen kosovarischen Standards vorbereitet worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 18. Juli 2017 legte die Klägerbevollmächtigte eine von dem Kläger zu 1 und der Klägerin zu 2 unterschriebene „eidesstattliche Versicherung“ vom 11. Juli 2017 mit deutscher Übersetzung vor, in der erklärt wird, dass die Klägerin zu 2 keinerlei therapeutische Weiterbehandlung wegen ihrer psychischen Erkrankung habe durchführen lassen können, seit sie aus Deutschland in den Kosovo abgeschoben worden seien, und dass die Mindestversorgung mit Medikamenten im Kosovo nicht gewährleistet sei; dafür fehlten ihnen die notwendigen finanziellen Mittel. Die Bevollmächtigte der Kläger trug in der mündlichen Verhandlung hierzu vor, dass die Klägerin zu 2 im Kosovo keine ärztliche Behandlung und zudem nicht die erforderlichen Medikamente erhalte. Sie stellte in der mündlichen Verhandlung den Beweisantrag, die Ärztin für Psychiatrie Dr. med. S … R … als präsente Zeugin zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass das Leben der Klägerin zu 2 im Kosovo akut in Gefahr sei durch drohenden Suizid, weil diese dort keine Behandlung und keinerlei notwendige Medikamente erhalte. In diesem Beweisantrag wurde weiter in das Wissen der benannten Zeugin gestellt, dass die massive Antriebshemmung, an der die Klägerin zu 2 leide, ohne Behandlung und Medikation umzuschlagen drohe und sie massiv suizidgefährdet sei, sowie ferner, dass die notwendige Behandlung in Deutschland durchgeführt werden könne.
Diesen Beweisantrag lehnte das Verwaltungsgericht durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung ab. Das Verwaltungsgericht begründete die Ablehnung des Beweisantrags laut Niederschrift über die mündliche Verhandlung damit, dass eine Behandlungsbedürftigkeit der Klägerin zu 2 – insbesondere mit Blick auf eine Suizidgefahr – nicht in Frage gestellt werde; die vorliegenden Erkenntnisquellen seien ausreichend, um die Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo zu beurteilen. Dies gelte – so das Verwaltungsgericht weiter – umso mehr, als sich die diesbezügliche Aussage der benannten Zeugin nicht auf eigene Wahrnehmung, sondern nur auf die fernmündliche Auskunft eines Sohnes der Klägerin zu 2 stützen könne.
Mit Urteil vom 19. Juli 2017 stellte das Verwaltungsgericht Bayreuth die von den Klägern gegen den Bescheid erhobene Verpflichtungsklage, soweit diese zurückgenommen wurde, ein und wies die Klage im Übrigen – d.h. hinsichtlich der verbleibenden Anträge, die Beklagte zur Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sowie hilfsweise zu der Feststellung zu verpflichten, dass die mit Bescheid vom 11. Dezember 2015 getroffene Feststellung hinsichtlich des Nichtvorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtswidrig gewesen sei – ab. In den Entscheidungsgründen des Urteils wird ausgeführt, die psychische Erkrankung der Klägerin zu 2 stelle auch unter der Prämisse, dass ohne psychiatrische Behandlung und Medikation eine Suizidgefahr bestehe, keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtere, im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dar. Eine lebensbedrohliche Verschlechterung könne auch im Kosovo durch entsprechende fachärztliche Behandlung verhindert werden. Insoweit werde der Begründung des Bescheids gefolgt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Auch aus dem aktuellen Bericht des Auswärtigen Amts im Hinblick auf die Einstufung der Republik Kosovo als sicheres Herkunftsland vom 7. Dezember 2016 (Stand: September 2016) ergebe sich, dass im Kosovo ausreichende Behandlungsmöglichkeiten bestünden. Danach würden psychische Erkrankungen im öffentlichen Gesundheitssystem in diversen regionalen Gesundheitszentren behandelt. Für eine stationäre Behandlung gebe es Abteilungen für stationäre Psychiatrie sowie die Psychiatrische Klinik der Universitätsklinik Pristina. Diese Einrichtungen verfügten jeweils über eine angeschlossene psychiatrische Ambulanz mit ambulanter fachärztlicher Betreuung. Darüber hinaus könnten freiwillige Rückkehrer sowie Zurückgeführte aus Deutschland bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung unmittelbar nach ihrer Ankunft kostenlos die Hilfs- und Unterstützungsleistungen des Kosovo-Rückkehrer-Projektes URA II in Anspruch nehmen. Bei dieser Sachlage erscheine es nicht glaubhaft, dass der Klägerin zu 2 eine notwendige psychiatrische Behandlung im Kosovo vorenthalten werde, wenn sie sich ernsthaft darum bemühe und alle gebotenen Möglichkeiten ausschöpfe. Dass fehlende finanzielle Mittel eine Behandlung nicht ausschlössen, ergebe sich bereits aus den Angaben des Klägers zu 1 gegenüber dem Bundesamt am 14. Januar 2015 und anlässlich seiner Vorsprache bei der Regierung von Oberfranken (ZAB) am 25. Juli 2016. Danach sei die Klägerin zu 2 schon im Kosovo in psychiatrischer Behandlung gewesen, obwohl die Familie von Sozialleistungen gelebt habe. Die eidesstattliche Versicherung vom 11. Juli 2017 sei nicht geeignet, die auf eine zuverlässige Erkenntnisquelle und die Aussage des Klägers zu 1 gestützte Annahme der Verfügbarkeit ausreichender Behandlungsmöglichkeiten zu widerlegen. Insbesondere fehle eine Darlegung konkreter Bemühungen um eine psychiatrische Behandlung auch mit erforderlicher Medikation. Für das Verwaltungsgericht stehe daher fest, dass im Kosovo für die Klägerin zu 2 keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben bestehe.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung machen die Kläger neben der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) einen Verfahrensmangel gem. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG (Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) geltend. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor bzw. ist von den Klägern nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 15 ZB 17.31475 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die Zulassungsbegründung nicht gerecht. Die Kläger lassen diesbezüglich lediglich vorbringen, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es nicht alleine auf die Möglichkeit einer Verschlimmerung der Krankheit im Heimatstaat wegen unzureichender Behandlungsmöglichkeiten ankomme, sondern dass vorliegend Grund für die Verschlimmerung auch die fehlenden finanziellen Mittel als ungünstiger Faktor für die Krankheit in Betracht zu ziehen sei. Hierbei handele es sich um eine Frage, die grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG habe. Unabhängig davon, dass mit diesem Vortrag schon nicht substantiiert die vorgenannten Voraussetzungen dargelegt werden, ist die von der Klägerseite in der Sache als grundsätzlich angesehene Frage, ob fehlende finanzielle Mittel für die Behandlung einer schweren Erkrankung im Rahmen von § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG zu berücksichtigen sind, schon deshalb weder klärungsbedürftig noch einer grundsätzlichen Klärung zugänglich, weil diese bereits in der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt ist: Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine Gefahr in diesem Sinne kann auch bestehen, wenn der Ausländer an einer Erkrankung leidet, die sich aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat voraussichtlich verschlimmern wird. Erforderlich ist dann aber, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – BVerwGE 127, 33 = juris Rn. 15; OVG NRW, B.v. 5.5.2017 – 13 A 198/17.A – juris Rn. 8; vgl. auch nunmehr § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Dies kann dann der Fall sein, wenn in dem Abschiebezielstaat dringend erforderliche Behandlungsmöglichkeiten fehlen oder wenn solche Behandlungsmöglichkeiten zwar vorhanden, für den betreffenden Ausländer aber aus f i n a n z i e l l e n oder sonstigen persönlichen Gründen nicht erreichbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – DVBl. 2003, 463 = juris Rn. 9; zum Ganzen vgl. auch BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 15 ZB 18.30851 – juris Rn. 13 m.w.N.).
2. Soweit die Kläger der Meinung sind, das Verwaltungsgericht habe diese – höchstrichterlich geklärten – Rechtsgrundsätze im vorliegenden Einzelfall nicht richtig umgesetzt, vermögen sie hierauf eine Berufungszulassung nicht zu stützen. Mit dem Vortrag einer als fehlerhaft empfundenen Sachbehandlung wird kein Berufungszulassungsgrund gem. § 78 Abs. 3, Abs. 4 Satz 4 AsylG geltend gemacht. Insbesondere kann im Asylrecht ein Zulassungsantrag nicht auf ernstliche Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützt werden, da nach der eindeutigen Regelung des § 78 Abs. 3 AsylG dieser Zulassungsgrund in asylrechtlichen Streitigkeiten nicht zur Verfügung steht (BayVGH, B.v. 20.9.2017 – 15 ZB 17.31105 – juris Rn. 5 m.w.N.).
3. Die Kläger haben auch keinen Verfahrensmangel dargetan, der eine Zulassung der Berufung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3; Abs. 4 Satz 4 AsylVfG i.V. mit § 138 VwGO rechtfertigen würde.
Der von den Klägern ausdrücklich gerügte Verfahrensmangel eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Der durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, soweit es entscheidungserheblich ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.11.1995 – 4 C 10.95 – NVwZ 1996, 378 = juris Rn. 13 m.w.N.). Diese Verfahrensgarantie gewährleistet nicht, dass die angefochtene Entscheidung frei von einfach-rechtlichen materiellen Rechtsfehlern oder sonstigen Verfahrensfehlern ist, sondern sie soll nur sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Rechtsfehlern ergeht, die ihren Grund gerade in der unterlassenen Kenntnisnahme oder in der Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben (OVG Saarl., B.v. 16.5.2015 – 2 A 197/14 – juris Rn. 8 m.w.N.). Das verfassungsrechtlich verankerte Gehörsgebot schützt einen Verfahrensbeteiligten auch nicht vor jeder nach seiner Meinung sachlich unrichtigen Ablehnung eines von ihm in einer mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags. Die Ablehnung von Beweisanträgen i.S.v. § 86 Abs. 2 VwGO verstößt nur dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerwG, B.v. 10.8.2015 – 5 B 48.15 – juris Rn.10 m.w.N.; BayVGH, B.v. 15.2.2016 – 11 ZB 16.30012 – juris Rn. 23; OVG Saarl., B.v. 16.5.2015 – 2 A 197/14 – juris Rn. 12).
Dass ein solcher Fall hier vorliegt, haben die Kläger nicht in einer dem Darlegungsgebot gem. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Weise substantiiert aufgezeigt. In der Zulassungsbegründung wird die Ablehnung des Beweisantrags mit der Argumentation als verfahrensmangelhaft angesehen, das Verwaltungsgericht habe ausschließlich allgemeine Berichte seiner Entscheidung zu Grunde gelegt, obwohl eine auf die Klägerin zu 2 bezogene spezifische fachärztliche Entscheidung möglich gewesen wäre. Diesen Beweis zu erheben habe das Verwaltungsgericht unter Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie unter Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung und gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) rechtswidrig unterlassen. Insofern habe sich das Gericht seine Meinung ohne ausreichende Erforschung des Sachverhalts gebildet.
a) Soweit es den Klägern mit der beantragten Vernehmung der benannten (sachverständigen) Zeugin um die Klärung des fachlichen Beweisthemas ging, dass die Klägerin zu 2 tatsächlich an einer psychischen Krankheit leidet, die mit einer massiven Antriebshemmung einhergeht und die sich ohne Behandlung und Medikation verschlimmere und mit Suizidgefahr verbunden ist, verwies das Verwaltungsgericht in der Begründung zur Ablehnung des Beweisantrags darauf, dass eine Behandlungsbedürftigkeit der Klägerin zu 2 und insbesondere auch eine Suizidgefahr gerichtlicherseits tatsächlich nicht in Frage gestellt werde. In der Sache wurde die Beweisbedürftigkeit des genauen Krankheitsbildes in Form einer Wahrunterstellung bzw. wegen mangelnder Entscheidungserheblichkeit verneint, weil das Gericht von hinreichenden Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo ausging, um die Situation für die Klägerin zu 2 unter die Gefahrenschwelle des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu bringen.
Die Ablehnung eines Beweisantrags findet eine hinreichende Stütze im Prozessrecht, wenn sich der behauptete Sachverhalt, als gegeben unterstellt, nicht auf die Entscheidung auswirken kann (§ 86 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO entspr.), weil es nach dem Rechtsstandpunkt des Tatsachengerichts für den Ausgang des Rechtsstreits darauf nicht ankommt (vgl. BVerwG, B.v. 10.8.2015 – 5 B 48.15 – juris Rn.10 m.w.N.; BayVGH, B.v. 15.2.2016 – 11 ZB 16.30012 – juris Rn. 25; OVG NRW, B.v. 17.5.2017 – 11 A 682/16.A – juris Rn. 7 ff.; Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 86 Rn. 42). Mit der Argumentation in der Zulassungsbegründung wird nicht in einer dem Darlegungsgebot (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) genügenden Weise substantiiert aufgezeigt, warum – gemessen an den vorgenannten Maßstäben – trotz vom Verwaltungsgericht unterstellter Annahme einer behandlungsbedürftigen Erkrankung eine fachliche Aussage der benannten (sachverständigen) Zeugin dennoch geboten gewesen sein soll.
b) Auch soweit vom Beweisthema des Beweisantrags die aus Sicht der Klägerbevollmächtigten aufzuklärende Frage umfasst war, dass die Klägerin zu 2 im Kosovo keine Behandlung und keine notwendige Medikamente erhalte, ist durch die Ablehnung des Beweisantrags auf Vernehmung der benannten Ärztin als Zeugin das rechtliche Gehör der Kläger nicht versagt worden.
Es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Beweisantrag auch insofern ein entscheidungserhebliches bzw. hinreichend substantiiertes Beweisthema beinhaltete. Denn entscheidungserheblich ist nicht, ob die Klägerin zu 2 im Kosovo im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rein tatsächlich eine medizinische Behandlung erhielt oder nicht, sondern ausschließlich, ob im Kosovo unter Einsatz entsprechender Bemühungen für die Klägerin zu 2 die M ö g l i c h k e i t einer Behandlung, die eine Gefahr i.S. von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausschließt, besteht. Zu dieser Frage verhält sich aber das im Beweisantrag genannte Beweisthema nicht. Auch schweigt die Zulassungsbegründung hierzu. Im Übrigen muss das bezeichnete Beweismittel geeignet sein, für den entsprechenden Umstand Beweis zu erbringen. Bei einem Beweisantrag zur Vernehmung eines (sachverständigen) Zeugen muss zur Substantiierung in nachvollziehbarer Weise dargelegt werden, weshalb die betreffende Person Kenntnis von der in ihr Wissen gestellten Tatsache haben kann und welche rechtlich erheblichen Bekundungen über ihre konkreten Wahrnehmungen zu erwarten sind (vgl. BVerwG, B.v. 27.3.2000 – 9 B 518.99 – InfAuslR 2000, 412 = juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 20.11.2017 – 11 ZB 17.31318 – juris Rn. 5; B.v. 8.12.2017 – 11 ZB 17.31712 – juris Rn. 5; Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 86 Rn. 27).
Auch insofern ist weder im Rahmen des Beweisantrags noch im Zulassungsverfahren substantiiert von der Klägerseite dargelegt worden, warum die als Zeugin benannte Ärztin aufgrund eigenen Wissens oder Wahrnehmung zur Aufklärung der Frage beitragen kann, ob die psychische Erkrankung der Klägerin zu 2 im Kosovo in einer Art und Weise behandelbar ist, die der Annahme einer dortigen erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit entgegensteht. Es steht daher schon infrage, ob die Vernehmung der als Zeugin benannten Ärztin überhaupt ein taugliches Mittel zur Wahrheitsfindung sein kann (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2017 – 11 ZB 17.31712 – juris Rn. 6). Das Verwaltungsgericht ist damit rechtlich vertretbar zu dem Ergebnis gekommen, dass die Einvernehme von Frau Dr. med. S … R … als Zeugin auch nicht zu dem Thema geboten war, dass die Klägerin zu 2 im Kosovo keine Behandlung und keine notwendige Medikamente erhalte. Auch im Übrigen – d.h. unabhängig vom Beweisantrag – wurde weder nach dem Klagevorbringen noch nach dem Vorbringen im Zulassungsverfahren von der Klägerseite unter diesem Gesichtspunkt ein tatsächlicher Anlass zu weiteren Sachaufklärung gem. § 86 Abs. 1 VwGO durch die beantragte Vernehmung der Ärztin dargelegt (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.1989 – 9 B 405.89 – NVwZ-RR 1990, 379 = juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 20.11.2017 – 11 ZB 17.31318 – juris Rn. 6). Insbesondere ist von den Klägern nicht substantiiert aufgezeigt worden, warum die zu den im Kosovo bestehenden Behandlungsmöglichkeiten psychischer Erkrankungen vorliegenden amtlichen Auskünfte bzw. gutachtlichen Stellungnahmen ungenügend seien resp. erkennbare Mängel aufwiesen (z.B. Unvollständigkeit, Widersprüchlichkeit, mangelnde Überzeugungskraft; mangelnde Sachkunde des Gutachters) oder nicht mehr aktuell seien (vgl. BayVGH, B.v. 25.7.2017 – 13a ZB 17.30727 – juris Rn. 4 m.w.N.).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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