Medizinrecht

Aufklärungspflichten der Behörde über Erkrankungsbild des Fahrerlaubnisinhabers vor Anordnung der Begutachtung

Aktenzeichen  11 CS 18.1809

Datum:
9.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 25000
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 2 S. 3, S. 5, Abs. 8, § 46 Abs. 1 S. 2, Abs. 3
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1

 

Leitsatz

Die sofortige Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens ohne vorherige Abklärung hinsichtlich Art und Schwere der Erkrankung kann rechtwidrig, weil unverhältnismäßig, sein (vorliegend bejaht). Bei der Prüfung der Frage, ob die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens hinsichtlich einer Erkrankung anzuordnen ist, die in einer Mehrzahl oder Vielzahl der Fälle eine Fahrungeeignetheit nicht begründet (hier: Schlafapnoe, Hypertonie, Diabetes mellitus), gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass sich die Fahrerlaubnisbehörde vorher Kenntnisse über Tatsachen verschafft, die ausreichende Anhaltspunkte dafür begründen können, ob eine Ungeeignetheit vorliegen könnte. Solche Tatsachen können vom Betroffenen erfragt werden, der nötigenfalls Unklarheiten zu beseitigen hat (hier: Umfang und Relevanz biloparer Störungen und burnout), bevor eine Gutachtensanordnung ergehen kann. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 S 18.665 2018-08-01 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Unter Änderung der Nr. 1 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 1. August 2018 wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Landratsamts Forchheim vom 18. Juni 2018 wiederhergestellt und gegen Nr. 3 des Bescheids angeordnet. Sollte das Landratsamt den Führerschein des Antragstellers bereits in Verwahrung genommen haben, wird der Antragsgegner angewiesen, dem Antragsteller den Führerschein bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache wieder auszuhändigen oder ihm im Falle der Unbrauchbarmachung des Führerscheins ein vorläufiges Ersatzdokument auszustellen.
II. Unter Änderung der Nr. 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts trägt der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entziehung seiner Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Abgabe seines Führerscheins.
Am 8. Juli 2015 kam der am … … 1965 geborene Antragsteller aufgrund einer Bewusstseinsstörung mit seinem Fahrzeug von der Fahrbahn ab und fuhr in den Straßengraben. Ein daraufhin vom Landratsamt Forchheim (im Folgenden: Landratsamt) angeordnetes fachärztliches Fahreignungsgutachten brachte der Antragsteller zunächst nicht fristgemäß bei, weshalb ihm das Landratsamt mit Bescheid vom 26. Januar 2016 die Fahrerlaubnis entzog. Ein vom Antragsteller im Rahmen des Wiedererteilungsverfahrens vorgelegtes fachärztliches Fahreignungsgutachten vom 4. August 2016 kam zu dem Ergebnis, der Antragsteller sei geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1. Für Fahrzeuge der Gruppe 2 sei eine Beobachtungs- und anfallfreie Zeit von zwei Jahren vorgeschrieben, die gegenwärtig noch nicht erfüllt sei. Außerdem sei zur Ursachenabklärung auch noch ein Schlafapnoe-Screening und – abhängig von dessen Ergebnis – unter Umständen eine Nachuntersuchung in einem Jahr durchzuführen.
Aufgrund der Diagnose eines schwergradigen obstruktiven Schlafapnoesyndroms durch das Klinikum Bamberg vom 22. August 2016 forderte das Landratsamt den Antragsteller zur Beibringung eines weiteren Facharztgutachtens auf. Dem daraufhin vom Antragsteller vorgelegten Gutachten vom 9. November 2016 zufolge ist grundsätzlich unter Verwendung der CPAP-Therapie (Schlafmaske) eine suffiziente Therapieeinstellung gegeben. Das setze allerdings die Compliance des Patienten voraus. Es werde die Vorlage eines Protokolls über die Betriebsstunden des verwendeten Geräts in vierteljährlichen Abständen und eine Nachuntersuchung in einem Jahr empfohlen.
Nach Vorlage eines Betriebsstundennachweises vom 6. Dezember 2016 erteilte das Landratsamt dem Antragsteller am 20. Dezember 2016 eine „vorläufige Fahrberechtigung“ der Klassen A und A1 (Schlüsselzahlen 79.03, 79.04), B, BE (Schlüsselzahl 79.06), C1 (Schlüsselzahl 171), C1E, CE (Schlüsselzahl 79), L (Schlüsselzahl 174, 175) und T unter der Auflage, die regelmäßige Verwendung des CPAP-Geräts vierteljährlich nachzuweisen und sich einer Nachuntersuchung nach einem Jahr zu unterziehen. Am 9. Februar 2017 zog das Landratsamt die vorläufige Fahrberechtigung ein und händigte dem Antragsteller einen Führerschein aus. In der Folgezeit legte der Antragsteller Nachweise vom 16. März 2017, vom 20. Juni 2017 und vom 15. September 2017 vor, wonach er das CPAP-Gerät nachts regelmäßig nutze.
Nach Aufforderung des Landratsamts legte der Antragsteller ein Gutachten des DEKRA e.V. vom 13. Februar 2018 vor. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, der Antragsteller sei trotz Vorliegens der schwergradigen obstruktiven Schlafapnoe-Erkrankung in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 gerecht zu werden. Es werde eine Nachuntersuchung nach Ablauf von zwölf Monaten empfohlen. Dem Gutachten zufolge hat der Antragsteller angegeben, bei ihm liege mit Medikamenten behandelter Bluthochdruck und eine nicht insulinpflichtige Zuckerkrankheit vor. Außerdem leide er an bipolaren Störungen und einem Burnout-Syndrom, weswegen er im Juli 2016 stationär behandelt worden sei. Es erfolge eine neurologische halbjährliche Nachsorge. Das Gutachten führt aus, die Dauermedikation könne auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das Reaktionsvermögen so weit verändern, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr beeinträchtigt werde.
Daraufhin forderte ihn das Landratsamt mit Schreiben vom 7. März 2018 zur Vorlage eines weiteren ärztlichen Gutachtens bis 20. Mai 2018 hinsichtlich der arteriellen Hypertonie, des Diabetes mellitus, der bipolaren Störungen sowie der neurologischen Nachsorgen und der Dauermedikation auf. Nachdem der Antragsteller hierzu zwei Stellungnahmen der ihn behandelnden Ärzte, nicht aber das geforderte Fahreignungsgutachten vorlegte, entzog ihm das Landratsamt unter Anordnung des Sofortvollzugs mit Bescheid vom 18. Juni 2018 die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn zur Abgabe des Führerscheins.
Über den hiergegen eingelegten Widerspruch hat die Widerspruchsbehörde, soweit ersichtlich, bisher noch nicht entschieden. Einer Mitteilung des Landratsamts an das Verwaltungsgericht Bayreuth vom 24. Juli 2018 zufolge hatte der Antragsteller den Führerschein bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegt. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 1. August 2018 abgelehnt. Das Landratsamt habe vom Antragsteller zu Recht ein ärztliches Gutachten zur Klärung bestehender Fahreignungszweifel gefordert. Die Beibringungsanordnung leide weder an formellen noch an materiellen Mängeln. Das Landratsamt habe den Hinweisen im DEKRA-Gutachten auf weitere, bisher nicht bekannte Mängel nachgehen und, nachdem der Antragsteller das daraufhin geforderte Gutachten nicht fristgemäß vorgelegt habe, auf seine Nichteignung schließen dürfen. Die vorgelegten Arztberichte seien kein Ersatz für das angeforderte Gutachten. Sie würden die vom Landratsamt gestellten Fragen nicht beantworten. Außerdem solle der Gutachter nicht zugleich der behandelnde Arzt sein.
Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, lässt der Antragsteller im Wesentlichen vortragen, der Fahrerlaubnisbehörde hätten bei ihrer Entscheidung „mildere Mittel“ zur Verfügung gestanden. Der Antragsteller habe sich seit 2016 zahlreichen Anordnungen zur Vorlage medizinischer Untersuchungen, Gutachten und erneuter Überprüfungen unterzogen. Im Februar 2018 habe ihm die DEKRA bestätigt, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 gerecht zu werden. Die von ihm nachgereichten ärztlichen Atteste würden bestätigen, dass seine Reaktionszeiten auch durch eine einfache Messung überprüft werden könnten, dass kein Bluthochdruck mehr bestehe und dass er bezüglich des Diabetes mellitus keine Medikamente mehr einnehmen müsse. Diese Expertisen könnten nicht ohne weiteres infrage gestellt werden. Das Landratsamt habe auf die Belange des Antragstellers keine Rücksicht genommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Landratsamts Forchheim vom 18. Juni 2018 (Entziehung der Fahrerlaubnis und Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins) wiederherzustellen sowie hinsichtlich der Nr. 3 des Bescheids (Zwangsgeldandrohung) anzuordnen.
Das Landratsamt war nicht berechtigt, aufgrund der erst durch das DEKRA-Gutachten bekannt gewordenen weiteren Erkrankungen des Antragstellers ohne vorherige weitere Aufklärungsmaßnahmen die Beibringung eines ärztlichen Fahreignungsgutachtens anzuordnen und aus dessen Nichtbeibringung auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zu schließen (1.). Die Interessenabwägung ergibt, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis trotz der noch nicht vollständig ausgeräumten Zweifel hinsichtlich seiner Fahreignung zunächst belassen werden kann (2.).
1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl I S. 3202), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Mai 2018 (BGBl I S. 566), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen (§ 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV). Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 FeV). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn sie ihn hierauf bei der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens hingewiesen hat (§ 11 Abs. 8 FeV).
a) Zu den Erkrankungen und Mängeln, die die Fahreignung beeinträchtigen können, zählen u.a. Hypertonie (Anlage 4 Nr. 4.2), Diabetes mellitus (Anlage 4 Nr. 5), psychische (geistige) Störungen (Anlage 4 Nr. 7) sowie die Dauerbehandlung mit Arzneimitteln, wenn diese die Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß beeinträchtigt (Anlage 4 Nr. 9.6.2). Allerdings kann die sofortige Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens ohne vorherige Abklärung hinsichtlich Art und Schwere der Erkrankung unverhältnismäßig sein. Bei der Prüfung der Frage, ob die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens hinsichtlich einer Erkrankung anzuordnen ist, die in einer Mehrzahl oder Vielzahl der Fälle eine Fahrungeeignetheit nicht begründet, gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass sich die Fahrerlaubnisbehörde vorher Kenntnisse über Tatsachen verschafft, die ausreichende Anhaltspunkte dafür begründen können, ob eine Ungeeignetheit vorliegen könnte. Solche Tatsachen können vom Betroffenen erfragt werden, zumal eine Anhörung vor Erlass der Gutachtensbeibringungsanordnung entsprechend Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ohnehin geboten sein dürfte. Dabei kann auch Gelegenheit gegeben werden, Bescheinigungen oder Atteste der behandelnden Ärzte vorzulegen. Eine solche Vorabklärung hat nichts damit zu tun, dass nach § 11 Abs. 2 Satz 5 FeV der das Gutachten erstellende Arzt nicht zugleich der den Betroffenen behandelnde Arzt sein soll. Denn diese Auskünfte des Betroffenen und der behandelnden Ärzte stellen keine gutachterliche Beurteilung dar, sondern sind nur Grundlage für die Entscheidung, ob die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens einer in § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV genannten Stelle notwendig ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.5.2017 – 11 CS 17.312 – juris Rn. 16 ff.).
b) Im Fall des Antragstellers erscheint die Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Fahreignungsgutachtens ohne vorherige Aufklärungsmaßnahmen unverhältnismäßig. Die Fragen im Schreiben des Landratsamts vom 26. Oktober 2017 bezogen sich auf die Abklärung der Fahreignung im Zusammenhang mit der Schlafapnoe-Erkrankung des Antragstellers. Die Ausführungen im DEKRA-Gutachten zu den bis dahin nicht bekannten weiteren Erkrankungen und Mängeln beruhen ausschließlich auf den eigenen Angaben des Antragstellers. Danach leide er an Bluthochdruck und einer nicht insulinpflichtigen Diabetes. Die eingenommenen Medikamente (Metoprolol, Metformin, Xelevia, Pantoprazol) würden gut vertragen. Wegen bipolarer Störungen und eines Burnout-Syndroms sei er im Juli 2016 stationär behandelt worden; es erfolge eine halbjährliche neurologische Nachsorge.
Aufgrund dieser vagen Erkenntnisse hätte es dem Landratsamt vor der Entscheidung, ob die Beibringung eines weiteren ärztlichen Gutachtens anzuordnen ist, oblegen, den Antragsteller zunächst zu seinen Erkrankungen zu befragen und von ihm ggf. Bescheinigungen der ihn behandelnden Ärzte und den Entlassungsbericht der Klinik anzufordern. Hypertonie (zu hoher Blutdruck) führt nur bei zerebraler Symptomatik und/oder Sehstörungen automatisch zur Fahrungeeignetheit (Anlage 4 Nr. 4.2.1 zur FeV). Ansonsten ist erst ab Blutdruckwerten über 180 mmHg systolisch und/oder 110 mmHg diastolisch eine fachärztliche Untersuchung erforderlich (Anlage 4 Nr. 4.2.2 zur FeV; vgl. auch Nr. 3.4.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Bundesanstalt für Straßenwesen, Stand 24.5.2018). Dem DEKRA-Gutachten ist zu entnehmen, dass beim Antragsteller am Tag der Untersuchung unproblematische Blutdruckwerte von 120 und 80 mmHg festgestellt wurden.
Bei Diabetes mellitus ohne Komplikationen und medikamentöser Therapie ist ebenfalls in der Regel die Fahreignung zu bejahen (Anlage 4 Nr. 5.1 bis 5.6 zur FeV). Gut eingestellte und geschulte Menschen mit Diabetes können Fahrzeuge beider Gruppen sicher führen (Nr. 3.5 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung). Liegen hierzu keine weiteren Erkenntnisse vor, muss die Fahrerlaubnisbehörde den Betroffenen hierzu zunächst befragen, bevor sie die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens anordnet. Im Fall des Antragstellers gilt dies umso mehr, als es sich nach dem DEKRA-Gutachten um eine nicht insulinpflichtige, also wohl weniger gravierende Zuckerkrankheit handelt.
Schließlich rechtfertigt auch die vom Antragsteller eingeräumte stationäre Behandlung wegen bipolarer Störungen und Burnouts nicht ohne Weiteres die Anordnung der Beibringung eines Fahreignungsgutachtens. Das Krankheitsbild kann zwar einen Mangel i.S. der Anlage 4 Nr. 7 zur FeV darstellen (vgl. auch Nr. 3.12 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung). Auch hier sind aber die vorliegenden Erkenntnisse so vage und diffus, dass es dem Landratsamt oblegen hätte, vom Antragsteller zunächst den Entlassungsbericht der Klinik anzufordern, um auf dessen Grundlage etwaige weitere Maßnahmen zu prüfen.
2. Die Interessenabwägung zwischen den Belangen des Antragstellers und den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit fällt zugunsten des Antragstellers aus.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis kann nicht gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichtvorlage des Gutachtens gestützt werden, weil sich die Beibringungsanordnung aus den dargelegten Gründen als rechtswidrig erweist. Trotz der noch nicht vollständig ausgeräumten Zweifel hinsichtlich seiner Fahreignung erscheint es vertretbar, den Antragsteller vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit Kraftfahrzeugen am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Er hat an der Klärung seiner Eignungszweifel hinsichtlich der Schlafapnoe-Erkrankung bisher ausreichend mitgewirkt und die insoweit bestehenden Bedenken zuletzt durch das vorgelegte DEKRA-Gutachten ausgeräumt. Er ist bisher seit der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis auch nicht negativ im Straßenverkehr aufgefallen. Die im DEKRA-Gutachten erwähnten weiteren Erkrankungen führen ebenso wie die Dauermedikation nicht per se, sondern nur unter besonderen Voraussetzungen, zum Ausschluss der Fahreignung. Weder aus dem DEKRA-Gutachten noch aus den vom Antragsteller vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen hier erfüllt wären. Das Attest vom 12. April 2018 bestätigt, dass der Antragsteller hinsichtlich der bipolaren Störung seit der Entlassung aus der Klinik „komplient“ und stabil sei. Dem weiteren Attest vom 26. April 2018 zufolge muss der Antragsteller bezüglich des Diabetes mellitus nach „gewollter Gewichtsabnahme“ keine Medikamente mehr einnehmen und es bestehe auch kein Bluthochdruck mehr. Auch wenn der behandelnde Arzt grundsätzlich keine Fahreignungsbegutachtung durchführen soll (§ 11 Abs. 2 Satz 5 FeV), kann jedenfalls nicht ohne Weiteres von der Unrichtigkeit der vorgelegten Bescheinigungen ausgegangen werden.
Mangels gegenteiliger Erkenntnisse erscheint daher die vorläufige weitere Verkehrsteilnahme des Antragstellers vertretbar. Der Antragsteller wird jedoch darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung nach Maßgabe von § 80 Abs. 7 VwGO bei Vorliegen neuer Erkenntnisse durch das Gericht der Hauptsache geändert werden kann. Gleiches gilt, wenn der Antragsteller an den weiterhin notwendigen Aufklärungsmaßnahmen nicht ausreichend mitwirkt.
3. Der Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Herausgabe des Führerscheins bzw. zur Ausstellung eines Ersatzdokuments beruht auf § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht der Festsetzung des Verwaltungsgerichts (Fahrerlaubnis der früheren Klasse 3, vgl. insoweit BayVGH, B.v. 30.1.2014 – 11 CS 13.2342 – BayVBl 2014, 373).
4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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