Medizinrecht

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Aktenzeichen  M 26b S 21.1478

Datum:
18.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6315
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
IfSG § 28 Abs. 1 S. 1
IfSG § 30 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung häuslicher Quarantäne als Kontaktperson der Kategorie 1.
Der Antragsteller ist sechs Jahre alt und besucht eine Kindertagesstätte. Mit Schreiben des Landratsamts des Antragsgegners vom 11. März 2021 wurden die Eltern des Antragstellers darüber informiert, dass in der Kita-Gruppe des Antragstellers ein bestätigter COVID-19-Fall aufgetreten sei und der Antragsteller sich umgehend bis voraussichtlich 23. März 2021 in Quarantäne zu begeben habe. Grundlage für die Maßnahme sei die Allgemeinverfügung „Quarantäne von Kontaktpersonen der Kategorie 1 und von Verdachtspersonen, Isolation von positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getesteten Personen“ (AV Isolation) vom 25. Februar 2021. Gemäß Nr. 6.1.1 der AV Isolation ende die Quarantäne, wenn ein frühestens 14 Tage nach dem letzten relevanten Kontakt durchgeführter Test (Antigenschnelltest oder PCR-Test) ein negatives Ergebnis zeige, mit dem Vorliegen des negativen Ergebnisses. Der Termin für diese Testung sei der 23. März 2021 (Tag 14 nach Kontakt). Aufgrund der beobachteten Zunahme der besorgniserregenden SARS-CoV-2-Varianten komme eine Verkürzung der Quarantänedauer durch eine frühere Testung nicht in Betracht.
Am 17. März 2021 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht München. Er beantragt im Wortlaut:
1. „Es wird festgestellt, dass aufschiebende Wirkung der Quarantäneanordnung wiederhergestellt wird, soweit es Kinder im Kindergarten betrifft.
2. Es wird festgestellt, dass bezüglich der Anordnung des in der AV Isolation angeordneten PCR-Tests die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt wird, soweit es Kinder im Kindergarten betrifft.“
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, eine zweiwöchige Quarantäne für sechsjährige Kindergartenkinder sei nicht angemessen. Die möglichen Gesundheitsrisiken für Kinder seien gering. Zudem trügen Kinder nicht maßgeblich zur Pandemie bei. Die Folgen der Quarantäne für Kinder und deren Eltern seien jedoch beträchtlich. Sobald ein Kind der Gruppe auch ohne Symptome positiv getestet werde, müssten alle 15 Kinder und drei Betreuer für zwei Wochen in Quarantäne. Ein normaler Betrieb sei so nicht möglich. Der Antragsteller leide unter einer sogenannten Regulationsstörung und einer starken motorischen Unruhe, welche durch die Quarantäneanordnung geradezu ins Absurde getrieben wäre. Er bedürfe als Integrationskind einer erhöhten Aufmerksamkeit und Unterstützung in einer Kinderbetreuungseinrichtung. Es seien bereits jetzt in Bezug auf die Vorbereitung auf die Schule sowie die heilpädagogischen Maßnahmen herbe Rückschläge zu verzeichnen. Unter dem Rückschritt in der Entwicklung leide die ganze Familie, das familiäre Zusammenleben sei nur noch von Konfliktsituationen bestimmt. Angesichts einer nichtexistierenden Gefahr würden Eltern und Kinder schikaniert. Es sei noch nicht einmal klar, ob der Indexfall symptomlos positiv oder gar falsch positiv gewesen sei.
Die Anordnung eines PCR-Tests sei eine unnötige Tortur, da Kinder im Kindergartenalter keine gefährdete Gruppe seien. Abgesehen davon sei der PCR-Test nicht in der Lage, zweifelsfrei festzustellen, ob die Positivität tatsächlich eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus entspreche. Die Zuverlässigkeit der Tests hängen nämlich von der Anzahl der verwendeten Zyklen ab. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf den Antragsschriftsatz Bezug genommen.
Der Antragsgegner äußerte sich nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
Das Gericht legt den Antrag im wohlverstandenen Interesse des Antragstellers dahingehend aus (§§ 88, 122 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO), dass beantragt wird, die aufschiebende Wirkung einer gegen die AV Isolation noch zu erhebenden Klage des Antragstellers als Kindergartenkind anzuordnen (§ 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Aus der Antragsbegründung, die insbesondere auf die konkrete Situation des Antragstellers und seiner Familie abstellt, wird deutlich, dass sich die Anordnung auf den Antragsteller persönlich bezieht. Einer Auslegung dahingehend, dass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch zugunsten anderer Kindergartenkinder beantragt sein soll, steht entgegen, dass ein solcher Antrag im Hinblick auf andere Kinder unzulässig wäre, da es hinsichtlich anderer Kinder an der Antragsbefugnis fehlt.
Gemäß § 28 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG entfalten Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Gegen die Antragstellung vor Klageerhebung bestehen keine rechtlichen Bedenken (vergleiche § 80 Abs. 5 VwGO, Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, § 80 Rn. 139).
2. Der Antrag ist unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Dabei trifft das Gericht im Rahmen einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage eine eigene, originäre Ermessensentscheidung unter Abwägung des von der Behörde geltend gemachten Interesses an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides und des Interesses des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung einer Klage. Wesentliches Element dieser Entscheidung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, bleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Im vorliegenden Fall hat die in der Hauptsache zu erhebende Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg, so dass das öffentliche Interesse am Vollzug der Anordnung das private Interesse der Antragstellerin überwiegt.
2.1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Sach- und Rechtsage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da es sich bei der Quarantäneanordnung um einen Dauerverwaltungsakt handelt. Maßgeblich ist die AV Isolation vom 25. Februar 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 151) in der Fassung vom 9. März 2021 (ByMBl. 2021 Nr. 176).
2.2. Rechtsgrundlage für die Quarantäneanordnung ist § 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde unter anderem dann, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Sie kann gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG insbesondere die Absonderung von Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern anordnen (vergleiche zur Anwendung von § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG auf die häusliche Quarantäne: BayVGH, B.v. 6.11.2020 – 20 CS 20.2573 – beck online Rn. 14; OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Oktober 2020 – 13 ME 386/20 -, Rn. 5, juris; Johann/Gabriel in BeckOK, Infektionsschutzrecht, Stand 1.7.2020, § 30 Rn. 5.1; a.A. Lindner in Schmidt, COVID-19, 2. Aufl. 2020, § 17 Rn. 79).
2.3. Formelle Mängel der Allgemeinverfügung wurden weder vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich.
2.4. Die Anordnung der Quarantäne als Kontaktperson der Kategorie 1 sowie die Durchführung eines PCR-Tests am 14. Tag der Quarantäne begegnet auch materiellrechtlich keinen Bedenken.
2.4.1. Das Virus SARS-CoV-2 ist ein Krankheitserreger im Sinne von § 2 Nr. 1 IfSG, der zur Lungenkrankheit COVID-19, einer übertragbaren Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 3 IfSG führen kann und rechtfertigt daher grundsätzlich die Anordnung einer Quarantäne als Schutzmaßnahme. Insoweit folgt das Gericht der zutreffenden Begründung der AV Isolation (BayMBl. 2021 Nr. 151, S. 5 f.) und sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
2.4.2. Gemäß Nr. 1. 1 und 2.1.1 der AV Isolation haben sich Kontaktpersonen, d. h. Personen, denen vom Gesundheitsamt mitgeteilt wurde, dass sie aufgrund eines engen Kontakts zu einem bestätigten Fall von COVID-19 nach den jeweils geltenden Kriterien des Robert Koch-Instituts Kontaktpersonen der Kategorie 1 sind, unverzüglich nach der Mitteilung des Gesundheitsamtes in Quarantäne zu begeben, sofern keine andere Anordnung der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erfolgt.
Kontaktpersonen der Kategorie 1 nach der geltenden Einstufung des Robert Koch-Instituts sind Ansteckungsverdächtige im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG und daher richtige Adressaten einer Schutzmaßnahme. Nach § 2 Nr. 7 IfSG ist ein Ansteckungsverdächtiger eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Letzteres anzunehmen, wenn der Betroffene mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer infizierten Person oder einem infizierten Gegenstand hatte. Dafür ist es nicht erforderlich, dass sich die Aufnahme von Krankheitserregern „geradezu aufdrängt“; eine bloß entfernte Wahrscheinlichkeit genügt aber nicht. Erforderlich und ausreichend ist, dass die Annahme, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil (vgl. grundsätzlich BVerwG, Urt. v. 22.3.2012, 3 C 16/11, BVerwGE 142, 205, juris Rn. 31). Für die vorzunehmende Risikoprognose gilt der allgemeine Grundsatz des Gefahrenabwehrrechts, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Bei der Risikoabschätzung ist also das Gewicht des drohenden Schadens bzw. des zu schützenden Rechtsguts wertend einzubeziehen.
Im vorliegenden Fall ist die Einordnung des Antragstellers als Kontaktperson der Kategorie 1 und damit als Ansteckungsverdächtiger rechtlich nicht zu beanstanden. Nach den derzeit gültigen Kriterien des Robert Koch-Instituts, dem der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat, werden Kontaktpersonen der Kategorie 1 (höheres Infektionsrisiko) zugeordnet, wenn entweder (A) ein enger Kontakt (< 1,5 m, Nahfeld) länger als 15 Minuten ohne adäquaten Schutz, d. h. Quellfall und Kontaktperson tragen durchgehend und korrekt einen Mund-Nasen-Schutz oder eine Mund-Nasen-Bedeckung, bestand, oder wenn (B) ein Kontakt unabhängig von Abstand mit wahrscheinlich hoher Konzentration infektiöse Aerosole im Raum für einen Zeitraum von mehr als 30 Minuten bestand. Unter den beispielhaften Konstellationen für Kontaktpersonen der Kategorie 1 sind optional, d.h. nach Ermessen des Gesundheitsamtes, auch im Hinblick auf die Praktikabilität, genannt: Personen mit Aufenthalt mit dem bestätigten COVID-19-Fall in relativ beengter Raumsituation oder schwer zu überblickender Kontaktsituation, zum Beispiel Schulklassen, gemeinsames Schulessen, Gruppenveranstaltungen) unabhängig von der individuellen Risikoermittlung (A, B) (Robert Koch-Institut, Kontaktpersonen-Nachverfolgung bei SARS-CoV-2-Infektionen, Stand 5.3.2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html).
Die Situation einer Kindergartengruppe lässt sich unter die bespielhaft genannte Kategorie einer Gruppe in relativ beengter Raumsituation oder schwer zu überblickender Kontaktsituation subsumieren. Dies gilt insbesondere deswegen, weil Kindergartenkinder noch nicht in der Lage sind, sich zuverlässig an Hygieneregeln zu halten. Der einschlägige Rahmenhygieneplan sieht für Kinder im Kindergartenalter keine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vor, sondern statuiert diese Pflicht lediglich für Erwachsene.(vgl. Rahmenhygieneplan zur Umsetzung des Schutz- und Hygienekonzepts für die Kindertagesbetreuung und Heilpädagogische Tagesstätten des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 11. März 2021“, abrufbar unter: https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_inet/rahmenhygieneplan.pdf). Im Rahmenhygieneplan heißt es außerdem, dass sich das Distanzgebot in der Arbeit mit Kindern im Alter bis zur Einschulung im pädagogischen Alltag nicht durchgängig umsetzen lässt. Es liegt auf der Hand, dass Kinder beim Spiel und bei der pädagogischen Arbeit nicht durchgängig und mit Erfolg dazu angehalten werden können, Mindestabstände einzuhalten. Dazu kommt, dass sich die Kinder in der kalten Jahreszeit häufig im Innenraum aufhalten und damit bei einer Gruppengröße von 15 Kindern und 3 Betreuern von einer beengten Raumsituation ausgegangen werden kann.
Insgesamt durfte das Gesundheitsamt daher davon ausgehen, dass in der Kindergartengruppe des Antragstellers die vom Robert Koch-Institut beschriebene beengte Raumsituation bzw. schwer zu überblickende Kontaktsituation herrschte, die eine Einstufung als Kontaktperson der Kategorie 1 auch ohne individuelle Risikoermittlung im Einzelfall rechtfertigt.
2.4.3. Zu Recht hat das Gesundheitsamt angenommen, dass angesichts eines positiven PCR-Tests davon auszugehen war, dass sich eine mit SARS-CoV-2 infizierte Person in der Kindergartengruppe befunden und somit ein Ansteckungsverdacht bestanden hat.
Das Gericht teilt nicht die Zweifel des Bevollmächtigten des Antragstellers an der Aussagekraft des PCR-Tests. Solange keine zuverlässigere Testmethode vorhanden und anerkannt ist, stellt der PCR-Test ein geeignetes Instrument zur Einschätzung der Übertragungsgefahr von SARS-CoV-2 dar (BayVGH, B.v. 8.9.2020 – 20 NE 20.2001 – juris Rn. 28; OVG NW, B.v. 30.11.2020 – 13 B 1658/20.NE – juris Rn. 32 f.) Der PCR-Test wird vom Robert-Koch-Institut als auch von der Weltgesundheitsorganisation auch bei SARS-CoV-2 als geeigneter Test zum Nachweis einer Infektion angesehen.
Die Frage, ob eine ansteckende Person zum Zeitpunkt der Übertragung bereits erkrankt (symptomatisch) war, ob sie noch keine Symptome entwickelt hatte (präsymptomatisches Stadium) oder ob sie auch später nie symptomatisch wurde (asymptomatische Infektion) spielt für die Beurteilung keine Rolle. Zur Verminderung des Übertragungsrisikos sind in allen drei Konstellationen die schnelle Isolierung von positiv getesteten Personen, die Identifikation und die frühzeitige Quarantäne enger Kontaktpersonen erforderlich, da von infizierten Personen eine Ansteckungsgefahr bereits ein bis zwei Tage vor Ausbruch der Symptome ausgeht (Robert Koch-Institut, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand 25.2.2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html).
Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Quarantäneanordnung liegen daher im vorliegenden Fall vor.
2.4.5. Die Anordnung der Quarantäne steht im Ermessen der Behörde, welches gemäß § 114 VwGO gerichtlich überprüfbar ist. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, insbesondere verstößt die Anordnung nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist auch deren Länge nicht zu beanstanden.
Das Gericht verkennt nicht, dass die Anordnung einer Isolation (Quarantäne) erheblich in die Grundrechte des Antragstellers, insbesondere in die Bewegungsfreiheit, die allgemeine Handlungsfreiheit und die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Grundgesetz – GG) eingreift und zudem den Familienfrieden einer erheblichen Belastung aussetzt. In Anbetracht des gewichtigen Ziels der Pandemiebekämpfung und des damit verfolgten Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung und des Funktionierens des staatlichen Gesundheitssystems erweist sich die Quarantäneordnung dennoch als verhältnismäßig.
Die Quarantäneanordnung dient einem legitimen Zweck. Das Isolieren von Erkrankten und die Nachverfolgung von Kontaktpersonen ist seit Beginn des Corona-Geschehens in Deutschland eine zentrale Säule der Bekämpfungsstrategie. Die Quarantäneanordnung ist geeignet, Infektionsketten zu unterbrechen und der Ausbreitung der Pandemie entgegenzuwirken. Sie ist auch erforderlich, dieses Ziel zu erreichen. Da die Nachverfolgung und Isolation von Kontaktpersonen eine wesentliche Säule der Pandemiebekämpfung darstellt, ist ein milderes, aber ebenso wirksames Mittel in der derzeitigen Situation nicht ersichtlich. Die getroffene Anordnung ist auch angemessen. Dem Eingriff in die Rechte des Antragstellers steht der Schutz von Gesundheit und Leben der Allgemeinheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), insbesondere demjenigen von Risikopatienten, sowie der Schutz des öffentlichen Gesundheitssystems vor einer Überlastung bei ungehinderter Ausbreitung des Infektionsgeschehens gegenüber. Angesichts der hochwertigen Rechtsgüter Leib und Leben, der möglichen gravierenden, teils irreversiblen Folgen eines möglichen erneuten Anstiegs von Infektionen und Erkrankungen einer Vielzahl von Personen ist der Eingriff trotz seiner Intensität als angemessen zu bewerten.
Der Einwand des Antragstellers, von Kindern gehe kein signifikantes Ansteckungsrisiko aus und diese zeigten meist keine oder nur milde Symptome, so dass im Fall von Kindergartenkindern in Wahrheit keine Gefahr bestehe, die eine Quarantäne rechtfertige, trifft nicht zu.
Nach der aktuellen Risikobewertung des Robert Koch-Instituts vom 15.3.2021 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) steigen die Fallzahlen im Bundesgebiet seit Februar 2021 wieder an und beschleunigen sich aktuell in allen Altersgruppen unter 65 Jahren. Ein besonders rascher Anstieg ist bei Kindern und Jugendlichen zu verzeichnen. Zahlreiche Häufungen werden vor allem in Privathaushalten, in Kitas und Schulen sowie dem beruflichen Umfeld beobachtet. Dabei spielt auch die Verbreitung einiger neuer Varianten von SARS-CoV-2, sogenannte besorgniserregende Varianten (VOC) eine Rolle, die noch leichter von Mensch zu Mensch übertragbar sind und daher die Notwendigkeit einer konsequenten Einhaltung der Kontakt reduzierende Maßnahmen unterstreichen. Insbesondere die VOC B. 1.1.7 (sogenannte britische Variante) ist bereits relativ weit in Deutschland verbreitet.
Zur Rolle von Kindern im Rahmen der Pandemie stellt das Robert Koch-Institut in seinem Epidemiologischen Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19 vom 25.2.2021 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html) Folgendes fest: Zwar liegt die auf der PCR-Testung basierende Prävalenz (Häufigkeit) als Ausdruck eines aktiven Infektionsgeschehens Kindern in den meisten Studien niedriger als bei Erwachsenen. Da die Studien meist während oder im Anschluss an Kontaktbeschränkungen bzw. Lockdown-Situationen durchgeführt wurden, ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Alltag allerdings begrenzt. Im Hinblick auf die Empfänglichkeit für eine Infektion hat sich gezeigt, dass Kinder im Kindergartenalter weniger empfänglich für eine Infektion waren als solche im Schulalter. Studien zur Viruslast bei Kindern zeigen keinen wesentlichen Unterschied zu Erwachsenen. Die Mehrzahl der Kinder zeigt nach bisherigen Studien einen asymptomatischen oder milden Krankheitsverlauf, jedoch benötigt ein sehr kleiner Teil auch intensiv medizinische Versorgung und wird beatmungspflichtig. Angesichts dieser Erkenntnislage mögen Kinder zwar nicht der vielzitierte „Treiber der Pandemie“ sein, doch tragen sie jedenfalls auch zum Infektionsgeschehen bei. Nachdem Kinder im Falle einer Infektion das Virus auch an Erwachsene (Eltern, Erzieher, Verwandte, sonstige Bezugspersonen) weitergeben können, ist die konsequente Umsetzung von Quarantänemaßnahmen zur Unterbrechung von Infektionsketten auch bei Kindern im Kindergartenalter geboten.
Im Hinblick auf Kindertagesstätten empfiehlt das Robert Koch-Institut außerdem im täglichen Situationsbericht vom 17.3.2021 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-17-de.pdf? blob=publicationFile): Um einen möglichst kontinuierlichen Betrieb von Kitas und Schulen gewährleisten zu können, erfordert die aktuelle Situation den Einsatz aller organisatorischer uns individueller Maßnahmen zur Infektionsprävention (siehe u. a. Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen – Lebende Leitlinie). Darüber hinaus muss der Eintrag von SARS-CoV-2 in die Einrichtungen möglichst verhindert werden, d. h. Familien und Beschäftigte sollten ihr Infektionsrisiko außerhalb der Kita oder Schule entsprechend der Empfehlungen des RKI (AHA + L) minimieren und bei Zeichen einer Erkrankung 5-7 Tage zuhause bleiben. Falls es zu Erkrankungen in einer oder mehreren Gruppen kommt sollte eine frühzeitige reaktive Schließung der Einrichtung aufgrund des hohen Ausbreitungspotenzials der neuen SARS-CoV-2 Varianten erwogen werden, um eine weitere Ausbreitung innerhalb der Kita und in die betroffenen Familien zu verhindern.
Nach alledem bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Quarantäneanordnung.
2.4.6. Auch die voraussichtliche Dauer der Quarantäne von 14 Tagen und die Erforderlichkeit eines negativen Testergebnisses ist nicht zu beanstanden. Nach Nr. 6.1.1 der AV Isolation endet die häusliche Quarantäne, wenn der enge Kontakt zu einem bestätigten COVID-19-Fall mindestens 14 Tage zurückliegt, während der Isolation keine für COVID-19 typischen Krankheitszeichen aufgetreten sind und eine frühestens 14 Tage nach dem letzten Kontakt durchgeführte Testung (PCR-Test oder Antigentest, durchgeführt durch medizinische Fachkräfte oder vergleichbare, hierfür geschulte Personen) ein negatives Ergebnis zeigt, mit dem Vorliegen des negativen Testergebnisses. In anderen Fällen entscheidet die zuständige Kreisverwaltungsbehörde über das Ende der Quarantäne.
Der Bemessung der Quarantänedauer liegt die Inkubationszeit von in den meisten Fällen maximal 14 Tagen zugrunde (Robert-Koch-Institut, Kontaktpersonennach Verfolgung bei SARS-CoV-2 Infektionen, Stand 5.3.2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html). Die Forderung eines negativen Testergebnisses am Ende der Quarantänezeit findet seine Rechtfertigung in der Überlegung, dass damit ausgeschlossen werden kann, dass ein Betroffener etwa gegen Ende der Quarantänezeit – ggf. auch asymptomatisch – an COVID-19 erkrankt, nach Ablauf der Quarantänezeit unerkannt infektiös ist und so die Gefahr der Ansteckung weiterer Personen besteht.
Die Durchführung eines PCR-Tests oder Antigentests ist auch Kindern zumutbar. Der mit der Vornahme des Tests verbundene vorübergehende Eingriff in das körperliche Wohlbefinden des Kindes ist angesichts des gewichtigen Ziels der effektiven Unterbrechung von Infektionsketten hinzunehmen.
Nachdem sich die Quarantäneanordnung einschließlich der voraussichtlichen Dauer und der bestehenden Testpflicht am Ende der Quarantänezeit somit aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweist, war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes und Ziffer 1.5 Satz 2 das Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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