Medizinrecht

Ausnahmegenehmigung nach § 13 Abs. 2 15. BayIfSMV für Geburtstagsfeier (75. Geburtstag) mit ungeimpften und Nichtgenesenen (abgelehnt)/keine Ermessenreduzierung auf Null

Aktenzeichen  AN 18 E 22.00472

Datum:
24.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3263
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayIfSMV § 13 15.
VwGO § 123

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Eilrechtschutz eine Ausnahmegenehmigung von Regelungen nach der Fünfzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmeverordnung (15. BayIfSMV) für eine Geburtstagsfeier.
Der am … 1947 geborene Antragsteller beantragte beim Landratsamt …mit undatiertem Schreiben, seiner Aussage nach versendet am 8. Februar 2022, eine Ausnahme „gemäß § 16 Abs. 2“ 15. BayIfSMV für eine „Familienversammlung“ am 26. Februar 2022 in einer Gaststätte in …, Landkreis … für sich und elf Familienangehörige, die seine Brüder oder seine Abkömmlinge oder deren Ehegatte oder sein Lebenspartner seien, sowie für den Gastwirt und dessen Personal. Es würden Ausnahmen von der Kontaktbeschränkung, Maskenpflicht, Abstandspflicht und Zugang ohne Nachweis von Impfung, Genesung oder Test zu nicht privaten Räumlichkeiten (Nebenzimmer, Flur, Toilette des Gasthofes) bzw. von der Pflicht zur Überprüfung des Zugangs und der Aufbewahrung der entsprechenden Nachweise beantragt.
Zur Begründung trug er vor, dass der Personenkreis miteinander verwandt sei und sich privat, jedenfalls getrennt, treffen dürfe und eine Ausnahmegenehmigung deshalb infektionsschutzrechtlich vertretbar sei. Am 21. Februar 2022 habe ein Telefonat des Antragstellers mit dem Gesundheitsamt stattgefunden, in dem – einer vom ihm vorgelegten Email an das Gesundheitsamt vom 21. Februar 2022, 13:35 Uhr nach – eine Ausnahmegenehmigung abgelehnt bzw. nicht in Aussicht gestellt worden sei, aber auf die Möglichkeit eines ärztlichen Gutachtens hingewiesen worden sei.
Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2022, per Telefax eingegangen am gleichen Tag um 17:14 Uhr, beantragte der Antragsteller im Wege einer einstweiligen Anordnung sinngemäß die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung von den o.g. Beschränkungen nach der 15. BayIfSMV für den o.g. Personenkreis zum Zweck einer Familienversammlung am 26. Februar 2022 von 15 bis 22 Uhr im …gasthof …, …, … Zur Begründung verwies er auf seinen runden Geburtstag, den er nur einmal im Leben feiern könne, auf den Umstand, dass er sich wegen einer schweren Erkrankung nicht impfen lassen könne und auf die telefonische Auskunft des Gesundheitsamts vom 21. Februar 2022 und eine (nicht vorgelegte) Email des Gesundheitsamtes vom 21. Februar 2022, in der mitgeteilt worden sei, dass es einer Ausnahmegenehmigung nicht bedürfe, wobei aber fälschlicher weise wohl zu Grunde gelegt worden sei, dass alle seine Kinder und Enkel genesen oder geimpft seien und der Antragsteller ein ärztliches Attest erlangen könne, was aber von seinem Hausarzt abgelehnt worden sei. Es sei mitgeteilt worden, dass kein Härtefall und keine außergewöhnlichen Umstände ersichtlich seien, die den Fall von anderen abhebe. Der gerichtliche Eilantrag sei wegen der behördlichen Ablehnung deshalb veranlasst. Eine infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit sei gegeben, außergewöhnliche Umstände oder eine solche Härte verlange das Gesetz nicht. Die Ausnahmeregelung sei auch zu unbestimmt und deshalb verfassungswidrig.
Der Antragsgegner äußerte sich innerhalb der gesetzten Frist nicht zum Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist zulässig, aber unbegründet und deshalb abzulehnen.
1. Dem Antragsteller steht die geltend gemachte Ausnahmegenehmigung nach § 13 Abs. 2 15. BayIfSMV der Sache nach nicht zu.
Da der Antragsteller selbst und jedenfalls ein Teil seiner Gäste weder gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft noch genesen i.S.v. § 4 Abs. 1 15. BayIfSMV i.V.m. § 2 Nr. 2 und 4 SchAusnahmV sind, ist ihnen der Zugang zur Gastronomie nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 15. BayIfSMV bzw. – wollte man eine geschlossene Veranstaltung in einer Gastwirtschaft als solche einordnen – zu einer privaten Veranstaltung in nichtprivaten Räumlichkeiten grundsätzlich verwehrt und nur mit einer Ausnahmegenehmigung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV möglich. Die geplante Familienfeier wäre auch in privaten Räumlichkeiten nach § 3 Satz 1 15. BayIfSMV unzulässig, weil private Zusammenkünfte bei Anwesenheit nicht genesener und nicht geimpfter Personen nur mit Angehörigen des eigenen Hausstandes und maximal zwei weiteren Angehörigen eines weiteren Hausstandes stattfinden dürfen. Die genaue Einordnung einer Privatfeier als geschlossene Veranstaltung im Nebenraum einer Gastwirtschaft in die Kategorien der 15. BayIfSMV kann somit dahinstehen; eine Ausnahmegenehmigung ist in jedem Fall erforderlich. Eine solche kann der Antragsteller jedoch nicht beanspruchen.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung), oder – was hier in Betracht kommt – nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn diese Regelung nötig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden (Regelungsanordnung). Die Begründetheit des Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO setzt voraus, dass ein Antragsteller sowohl das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. seine materielle Anspruchsberechtigung, als auch eines Anordnungsgrundes, d.h. eine besondere Dringlichkeit, glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO. Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht regelmäßig nur vorläufige Entscheidungen treffen und einem Antragsteller noch nicht in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erstreiten könnte. Im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG gilt dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache jedoch nicht, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile des Antragstellers unzumutbar und in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und wenn weiter ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für den Erfolg in der Hauptsache spricht, der Antragsteller dort also schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, bloß summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erkennbar Erfolg haben würde (vgl. etwa BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – juris Rn. 5, 7).
Dies zu Grunde gelegt dringt der Antragsteller mit seinem Begehren nicht durch. Er hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 15. BayIfSMV können im Einzelfall auf Antrag von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, wenn dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Nach Satz 2 dürfen Ausnahmegenehmigungen, die einen generellen Personenkreis oder eine allgemeine Fallkonstellation betreffen, nur im Einvernehmen mit der zuständigen Regierung erteilt werden. Die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit stellt dabei einen auslegungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Ist diese zu bejahen, woran hier bereits Zweifel bestehen, ist der Behörde ein Ermessen eingeräumt. Für den Erfolg im Verfahren nach § 123 VwGO genügt nach herrschender Meinung, der das erkennende Gericht folgt, ein gegebenenfalls vorliegender Ermessensfehler, auch ein Ausfall der Ermessensübung, jedoch noch nicht, vielmehr hat der Antrag eine Ermessensreduzierung auf Null hin zu einem Anspruch glaubhaft zu machen (BayVGH B.v. 3.6.2002 – 7 CE 02.637 – NVwZ-RR 2002, 839; a.A. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 123 Rn. 158 ff. m.w.N.). Dies ist dem Antragsteller nicht gelungen. Eine solche Ermessensreduzierung auf Null ist hier nicht erkennbar; es ist dem Antragsteller für die geplante Veranstaltung kein über das regelmäßig bestehende Interesse aller von den Beschränkungen der 15. BayIfSMV Betroffenen hinausgehendes, herausgehobenes Interesse zuzuerkennen.
Die derzeit und seit rund zwei Jahren in ähnlicher Weise geltenden Beschränkungen von Privatveranstaltungen nach der BayIfSMV trifft sämtliche Bürger gleichermaßen. Ziel der Beschränkungen ist die Verhinderung von Kontakten zur Vermeidung von Infektionen, gerade für die ältere, bei einer Infektion wegen der erheblichen Folgen einer Erkrankung besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppe, zu der Antragsteller auch selbst gehört, da er – wie er selbst schreibt – schwer erkrankt und nicht geimpft ist. Vom Verordnungstext umfasst sind dabei bewusst und gerade auch Geburtstagsfeiern und Veranstaltungen aus einem ähnlichen, einmaligen oder nur selten wiederkehrenden Anlass. Der Antragsteller ist damit im Vergleich keineswegs besonders herausgehoben und außergewöhnlich betroffen oder in einer Weise betroffen, die der Verordnungsgeber nicht im Blick hatte. Zu einer Ermessensreduzierung auf Null genügt der Anlass des „runden“ 75. Geburtstag nicht. Es ist dem Antragsteller zumutbar, nicht oder nur in einer von der 15. BayIfSMV zugelassenen Art und Weise (z. B. mit dem eigenen Hausstand und maximal zwei weiteren Personen zuzüglich Kinder bis 14 Jahren) oder zu einem späteren Zeitpunkt zu feiern. Da weitere Lockerungen im Hinblick auf die Pandemiebeschränkungen derzeit bereits für Mitte März angekündigt und absehbar sind, ist insbesondere eine Verschiebung auf diese Zeit zumutbar.
Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt in dieser Situation nicht vor. Eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilrechtschutz ist hier nicht veranlasst.
2. Die Kostenentscheidung des damit erfolglosen Antrags folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach dessen Ziffer 1.5 beträgt in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes der Streitwert in der Regel ½. Allerdings kann auch in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, welche die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben werden. Hiervon wurde vorliegend Gebrauch gemacht.


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