Medizinrecht

Ausnahmegenehmigung zur Durchführung einer Hochzeitsfeier

Aktenzeichen  M 26b E 21.2717

Datum:
25.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 14056
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
12. BayIfSMV § 5, § 28 Abs. 2 S. 1
GG Art. 6 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren vom Antragsgegner die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Durchführung einer Hochzeitsfeier.
Die Antragsteller beantragten beim Landratsamt R. mit E-Mail vom … Mai 2021 eine infektionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für ihre Hochzeitsfeier am … Mai 2021 auf der A…, B… in C…, bestehend aus einer freien Trauzeremonie mit anschließender Gratulation und einem Essen für die Hochzeitsgäste.
Veranstalter seien die Antragsteller. Geplant werde mit 38 bis 48 Gästen, wovon neun vollständig geimpft, neun einmalig seit mindestens acht Tagen geimpft seien. Es sei eine geschlossene Veranstaltung, Dritte würden abgewiesen. Die Kontaktdaten der Teilnehmer seien bekannt und erfasst. Die Feier solle so weit wie möglich im Außenbereich stattfinden. Bei schlechtem Wetter wolle man nach innen in die Festhalle ausweichen. Als Schutzmaßnahmen sei insbesondere ein PCR-Test aller Gäste vor Anreise vorgesehen. Eine entsprechende Zusage aller Gäste habe man bereits. Alle Gäste reisten individuell mit dem Auto an, vor Einlass sei verpflichtend eine Händedesinfektion und auf freiwilliger Basis eine Fiebermessung vorgesehen. Symptomatische Teilnehmer würden nicht eingelassen. Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung werde empfohlen. Die Festhalle, eine umgebaute Scheune, sei gut belüftet und für 150 Personen ausgelegt.
Dies lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20. Mai 2021 ab.
Der erste Teil der beantragten Veranstaltung, die freie Trauzeremonie, sei unter den Voraussetzungen des § 6 der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) als Zusammenkunft einer Glaubensgemeinschaft ohne weiteres zulässig. Die weiteren Teile seien als Veranstaltung im Sinne des § 5 der 12. BayIfSMV zu qualifizieren. Die Erteilung einer infektionsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung für eine Hochzeitsfeier komme wegen der vom Verordnungsgeber in § 5 Satz 1 der 12. BayIfSMV getroffenen fachlichen Regeleinschätzung nur unter außergewöhnlichen Umständen und bei Vorliegen einer besonderen Atypik in Betracht. Eine solche sei im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Die Vorkehrungen des vorgelegten, weitgehend schlüssigen Schutz- und Hygienekonzept könnten nach fachlicher Einschätzung des Gesundheitsamtes einer Verbreitung des Coronavirus nicht derart entgegenwirken, dass eine Atypik angenommen werden könnte. Die Umstände, unter denen die Veranstaltung stattfinde wie die lange Planungszeit, die finanzielle Belastung, die Verschiebung des Termins in der Vergangenheit, der abgegrenzte Personenkreis sowie die vorgesehenen Infektionsschutzmaßnahmen begründeten keinen infektionsschutzrechtlichen Einzelfall und würden auf anderen Hochzeiten ebenso vorliegen bzw. gewährleistet werden. Nach fachlicher Einschätzung des staatlichen Gesundheitsamtes R. sei eine Hochzeitsfeier mit 38 bis 48 Teilnehmern aufgrund der weiterhin erhöhten 7 Tages-Inzidenz von aktuell 62 im Landkreis R. infektionsschutzrechtlich nicht vertretbar. Die vollständige Belegung des Hotels mit Hochzeitsgästen trage im Übrigen nicht in einem derartigen Maß zu einer Minimierung des Infektionsrisikos bei, um die Veranstaltung im Einzelfall zuzulassen.
Veranstaltungen begründeten nach Einschätzung des Verordnungsgebers ein spezifisch hohes Infektionsrisiko. Hochzeits-, Geburtstags- und sonstige Familienfeiern zeichneten sich durch eine gesellige Stimmung, Ausgelassenheit und Herzlichkeit aus und seien auf physischen Kontakt ausgerichtet. Beim Feiern komme es typischerweise zu engeren infektiologisch riskanten Kontakten zwischen den Feiernden. Zusätzlich sei die Verweildauer relativ hoch. Es habe auch in der Vergangenheit zahlreiche Fälle von sogenannten „Superspreading-Events“ bei Familienfeiern und Hochzeiten gegeben.
Das Vorhandensein eines Hygienekonzepts mit Infektionsschutzmaßnahmen sei nach der Wertung des Verordnungsgebers nicht ausreichend, den Infektionsgefahren zu begegnen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung werde das Konzept von den beteiligten Personen, sei es absichtlich oder unabsichtlich, sei es mit oder ohne Alkohol, nicht immer eingehalten. Erst recht gelte das für eine Hochzeitsfeier mit ihren besonderen Umständen. Es sei zweifelhaft, ob sich alle Hochzeitsgäste über die gesamte Dauer einer derartigen Veranstaltung hinweg streng an die Infektionsschutzregeln halten würden. Eine vorherige Testung aller Teilnehmer könne das Infektionsrisiko nicht in ausreichendem Maße reduzieren. Abgesehen von der möglichen Fehlerrate der Tests verleiteten diese oft zu sorglos im Verhalten und zur Missachtung von Abstandsund Hygieneregeln. Vom Gesetzgeber werde deshalb ein pauschales Freitesten von Beschränkungen sehr restriktiv gehandhabt. Die Impfungen von zehn der Teilnehmer senke das Risiko nicht derart, dass ein atypischer Fall angenommen werden könne.
Das Interesse der Antragsteller an der Durchführung der Veranstaltung trete hinter das allgemeine Interesse des Schutzes von Leib und Leben zurück. Die Antragsteller müssten sich gleich anderen Hochzeitsfeiern behandeln lassen. Selbst bei Abzug der geimpften Teilnehmer der Feier würde die geplante Teilnehmerzahl von mindestens noch 28 Personen die verordnungsrechtliche Begrenzung der Kontakte auf 5 Personen um ein Vielfaches übersteigen. Die Versagung der Ausnahmegenehmigung sei geeignet, erforderlich und angemessen, das Ziel, der Ausbreitung des Corona Virus samt entgegenzuwirken, zu erreichen. Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz sei nicht eröffnet. Der Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung werde daher im pflichtgemäßen Ermessen abgelehnt.
Am … Mai 2021 erhoben die Antragsteller hiergegen Klage zur Niederschrift zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und stellten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes sinngemäß folgenden Antrag:
Der Antragsgegner wird im Wege der Anordnung gemäß § 123 Verwaltungsgerichtsordnung verpflichtet, den Antragstellern die Ausnahmegenehmigung zur Durchführung der Hochzeitsfeier am …5.2021 auf der A…, B… in C… im Rahmen des Hygienekonzeptes Anlage 4 zu erteilen. Hilfsweise wird das Landratsamt verpflichtet, die Ausnahmegenehmigung nur für den Außenbereich oder für mindestens 20 Gäste zu erteilen.
Zur Begründung wird vorgetragen, im vorliegenden Fall sei das Ermessen hinsichtlich der Erteilung der Genehmigung für die Hochzeitsfeier aufgrund des vorgelegten und gutgeheißenen Hygienekonzepts auf Null reduziert. Als Sperrzeit sei 21:00 vorgeschlagen worden mit dem Angebot, auch abzukürzen, falls erforderlich.
Der Schutzbereich der Ehe und Familie aus Art. 6 Grundgesetz sei durch die Versagung der Genehmigung tangiert, eine Hochzeitsfeier könne nicht mit beliebigen Familienfesten, Geburtstagsfeiern oder Karnevalsveranstaltung gleichgesetzt werden. Dies habe das Landratsamt bei der Ausübung seines Ermessens verkannt. Die Abwägung zwischen dem Recht der Antragsteller und ihrer Familien, an einer Hochzeitsfeier teilzunehmen, mit dem Gesundheitsschutz der Allgemeinheit habe das Landratsamt nicht korrekt vorgenommen. Auch die Gewerbefreiheit, Berufsfreiheit und Eigentumsfreiheit der Dienstleister sei nicht berücksichtigt worden.
Aus dem Infektionsschutzgesetz ergebe sich, dass bei einem Inzidenzwert über 100 Ausnahmegenehmigungen restriktiv zu handhaben seien. Liege der Inzidenzwert aber unter 100, seien zusätzliche Parameter wie der R-Wert, das Auftreten neuer Virusmutationen im Landkreis und die Auslastung des Gesundheitssystems in den Blick zu nehmen. Der Inzidenzwert liege nach Auskunft des Landratsamts bei 62 und falle konstant. Auch die anderen Parameter stellten sich als günstig dar. Insofern sei es nicht nachvollziehbar, dass das Gesundheitsamt die Feier aus infektionsschutzrechtlicher Sicht für nicht vertretbar halte.
Die Antragsteller, die bereits standesamtlich nur im kleinsten Kreise geheiratet und ihren Sohn nur im engsten Familienkreis getauft hätten, hätten ihre Hochzeitsfeier bereits verschoben und so lange gewartet, bis alle Teilnehmer der Risikogruppen 1 und 2 vollständig geimpft seien und auch die meisten Teilnehmer der Gruppe 3 zumindest bereits eine Impfung hätten. Über ein Drittel der Teilnehmer sei bereits geimpft. Die einzigen beiden sehr alten Teilnehmer, die Eltern des Antragstellers, seien seit mindestens 2 Monaten vollständig geimpft.
Das Landratsamt habe seiner Entscheidung nicht die geplante und beantragte Veranstaltung, sondern eine fiktive typische Hochzeitsfeier zugrunde gelegt. Viele der Gäste seien Eltern von kleinen Kindern, die ohnehin nicht länger auf der Feier verweilen könnten.
Es sei nicht nachvollziehbar, warum ein gemeinsames Hochzeitsessen nicht zulässig sei, ein gemeinsamer Saunagang oder ein Essen in einer Gaststätte oder einem Hotel aber schon. Die Hotelübernachtung der meisten Teilnehmer und auch die Bewirtung im Außenbereich und im Innenbereich bei Übernachtung in demselben Hotel sei nach der Allgemeinverfügung des Landratsamts R. (vom 19. Mai 2021) ausdrücklich zulässig.
Soweit im Bescheid eine atypische Hochzeit als Voraussetzung für eine Genehmigung verlangt werde, gehe dies am Gesetz vorbei. Das Landratsamt gehe ohnehin ohne Prüfung des Einzelfalles von einer Musterhochzeit aus, die es pauschal für nicht genehmigungsfähig halte. Für Hochzeitsfeiern mit Beschränkungen könne nichts Anderes gelten als für das Treffen von Theatergruppen, Gesangsvereinen oder Saunagänge, welche allesamt wegen der guten Infektionslage vom Antragsgegner per Allgemeinverfügung erlaubt worden seien. Ein längeres Zuwarten mit der Abhaltung der Hochzeitsfeier sei nicht zumutbar.
Der Antragsgegner hat sich zu dem Antrag nicht geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Gemäß § 5 Satz 1 der 12. BayIfSMV sind vorbehaltlich speziellerer Regelungen in dieser Verordnung Veranstaltungen, Versammlungen, soweit es sich nicht um Versammlungen nach § 7 handelt, Ansammlungen sowie öffentliche Festivitäten landesweit untersagt.
Die Anträge haben keinen Erfolg. Sie sind zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Der Hauptantrag, den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig die Ausnahmegenehmigung zur Durchführung der Hochzeitsfeier am … Mai 2021 auf der A…, B… in C… im Rahmen des vorgelegten Hygienekonzeptes zu erteilen, ist zulässig, aber unbegründet.
1.1 Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft, weil die in der Hauptsache erhobene Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung durch den Antragsgegner statthafte Klageart ist.
1.2 Der Antrag ist aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist mit anderen Worten, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft macht.
Ferner besteht hier die Besonderheit, dass im Falle der Gewährung von Eilrechtschutz die Hauptsache vorweggenommen würde, was grundsätzlich dem Wesen des vorläufigen Rechtsschutzes widerspricht. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 13 m.w.N. aus Rspr. und Lit.). In einem solchen Falle ist anerkannt, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache, dann möglich ist, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (vgl. BVerfG, B.v 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – juris = BVerfGE 79, 69; BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 9.12 – juris = BVerwGE 146, 189; BVerwG, B.v. 13.8.1999 – 2 VR 1.99 – juris = BVerwGE 109, 258; Schoch in: Schoch/Schneider, VwGO, § 123, Rn. 145, EL Juli 2020; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 14).
Maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht.
1.2.1 Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 der Zwölften Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) vom 5. März 2021 (BayMBl. Nr. 171, BayRS 2126-1-16-G), die zuletzt durch §§ 1 und 2 der Verordnung vom 19. Mai 2021 (BayMBl. Nr. 351) geändert worden ist, können Ausnahmegenehmigungen von den Verboten der 12. BayIfSMV im Einzelfall auf Antrag von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde erteilt werden, soweit dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist und Bundesrecht nicht entgegensteht.
Die begehrte Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV steht im Ermessen der Behörde. Ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung besteht also nur dann, wenn dies infektionsschutzrechtlich vertretbar ist und darüber hinaus eine Ermessensreduzierung auf null vorliegt. Allerdings kann die grundrechtlich verbürgte Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG den Erlass einer einstweiligen Anordnung ausnahmsweise auch jenseits einer solchen Ermessensverdichtung notwendig machen, wenn ansonsten eine schwere und irreversible Grundrechtsverletzung droht, die Ablehnung der begehrten Entscheidung als ermessensfehlerhaft anzusehen ist und eine erneute – fachgerechte – Ausübung des Ermessens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zugunsten der Antragsteller ausgehen wird (BayVGH, B. v. 6.5.2013 – 22 CE 13.923 – beckonline Rn. 22; VGH BW, B. v. 24.11.1995 – 9 S 3100/95 – juris Rn. 3; B. v. 15.9.1999 – 9 S 2178/99 – juris Rn. 4; NdsOVG, B. v. 11.6.2008 – 4 ME 184/08 – juris Rn. 5; Schoch/Schneider/Bier/Schoch, 37. EL Juli 2019, VwGO, § 123 Rn. 161b).
1.2.2 Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe fehlt es an einem Anordnungsanspruch, da es bereits an der infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit und somit an der tatbestandlichen Voraussetzung fehlt, um die auf der Rechtsfolgenseite vorgesehene Ermessensentscheidung zu eröffnen. Die Erfolgsaussichten der Verpflichtungsklage in der Hauptsache sind bei summarischer Prüfung nicht gegeben.
a) Bundesrecht steht der Ausnahmegenehmigung nicht entgegen. Die Maßnahmen des § 28b Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) (sog. Notbremse), unter ihnen das vorliegend einschlägige grundsätzliche Verbot von privaten Zusammenkünften im öffentlichen oder privaten Raum nach § 28b Abs. 1 Nr. 1, finden nach § 28b Abs. 2 IfSG im Landkreis R. keine Anwendung mehr, da die 7-Tage-Inzidenz im Landkreis den Schwellenwert von 100 seit dem 13. Mai 2021 unterschritten hat (vgl. Amtsblatt für den Landkreis R., Nr. 24, 167. Jg., Seite 174).
b) Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV setzt weiter tatbestandlich voraus, dass die Genehmigung aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Da es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, ist eine enge Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals erforderlich, um die mit den Regelungen der 12. BayIfSMV verfolgten Ziele einer effektiven Pandemiebekämpfung nicht zu gefährden (zur gebotenen engen Auslegung einer ähnlichen Ausnahmevorschrift (§ 4 Abs. 2 Satz 3 der BayIfSMV) vgl. BayVGH, B.v. 14.4.2020 – 20 CE 20.725 – juris Rn. 8; B.v. 4.2.2021 – 20CS 21.109 – juris Rn. 31; B.v. 4.3.2021 – 20 CE 21.550 – juris Rn. 16). Die Ausnahmevorschrift ist daher auf atypische Fälle zu beschränken, insbesondere auf Fälle, die derart vom Regelfall abweichen, dass sie der Verordnungsgeber nicht im Blick hatte, und bei denen die strikte Anwendung des verordnungsrechtlichen Regelungsregimes zu unverhältnismäßigen Grundrechtseingriffen führen würde (vgl. VG München, B.v. 3.2.2021 – M26b E 21.407 – bisher unveröffentlicht; VG Regensburg, B.v. 24.2.2021 – RO 5 E 21.170 – beck-online). Insbesondere auch die Einführung eines abgestuften und differenzierten Systems der inzidenzabhängigen Öffnung von Einrichtungen und Lockerung von Kontaktbeschränkungen durch den Verordnungsgeber spricht für das Erfordernis eines vom abstrakt-generellen Regelungszweck der Norm abgegrenzten atypischen Einzelfalls für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 der 12. BayIfSMV (vgl. VG Bayreuth, B.v. 10.3.2021 – B 7 E 21.246 – juris Rn. 32), da der Verordnungsgeber nunmehr selbst weitere Differenzierungskriterien eingeführt hat, die mit einer Ausnahmegenehmigung nicht unterlaufen werden dürfen.
Gemäß § 5 Satz 1 der 12. BayIfSMV sind vorbehaltlich speziellerer Regelungen in dieser Verordnung Veranstaltungen, Versammlungen, soweit es sich nicht um Versammlungen nach § 7 handelt, Ansammlungen sowie öffentliche Festivitäten landesweit untersagt.
Zur ratio legis dieser Verbotsnorm, von der eine Ausnahme beantragt ist, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, B.v. 8.6.2020, 20 NE 20.1316 – juris) bezüglich einer Vorgängervorschrift ausgeführt, dass das Verbot von Veranstaltungen und Feiern zum einen auf der nachvollziehbaren Einschätzung des Verordnungsgebers beruhe, dass Veranstaltungen ein spezifisch hohes Infektionsrisiko begründen. Diese Wertung sei bereits in der Entscheidung des Gesetzgebers angelegt, u.a. diesen Typus von physischen Kontakten eigens beispielhaft zu erwähnen (s.o.) und damit das Infektionsrisiko hervorzuheben.
Dies gelte insbesondere auch für Familienfeiern wie Hochzeitsfeiern, Geburtstagsfeiern und sonstige Familienfeiern, die sich durch eine Stimmung der Geselligkeit, Ausgelassenheit und Herzlichkeit auszeichneten und damit auf physischen Kontakt ausgerichtet seien. Beim Feiern komme es typischerweise zu engeren, aus Gründen des Infektionsschutzes riskanteren und deshalb eher zu unterbindenden Kontakten zwischen zahlreicheren Personen als bei anderen Anlässen (vgl. zu Feiern im öffentlichen Raum nach § 2 Abs. 2 der 4. BayIfSMV: BayVerfGH, E.v.15.5.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 12). Dazu sei die Verweildauer relativ hoch.
Zum anderen ist § 5 der 12. BayIfSMV sowie der Gesamtkonzeption der 12. BayIfSMV die Wertung des Verordnungsgebers zu entnehmen, dass die Durchführung von privaten Veranstaltungen und Feiern unter Auflagen bzw. mit dem von den Antragstellern vorgeschlagenen Hygienekonzept kein gleich effektives Mittel ist, diesem spezifischen Infektionsrisiko zu begegnen. Ausweislich der Regelung des § 27 in Teil 7 der 12. BayIfSMV über inzidenzabhängige Maßnahmen sind weitere Öffnungsschritte ab dem 8. März bzw. dem 21. Mai 2021 bei 7-Tage-Inzidenzen von 100 bzw. 50 und stabilem oder rückläufigen Infektionsgeschehen vorgesehen, wobei insbesondere regelmäßig ein Nachweis einer negativen Testung auf das Coronavirus erforderlich ist. Veranstaltungen und Feiern sind von diesen Erleichterungen weiterhin bewusst und planmäßig ausgenommen. (vgl. die Begründung zur Änderung der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 19. Mai 2021, BayMBl. 2021 Nr. 352, S. 2.:
„Vor dem Hintergrund der kontinuierlich sinkenden Zahl der Neuinfektionen, dem Fortschreiten des Impfprogramms und der nunmehr flächendeckenden Verfügbarkeit von PCR-, POC-Antigentests und Selbsttests erscheinen weitere Öffnungsschritte unter strengen Auflagen vertretbar.“
Nach diesen Maßstäben haben die Antragsteller das Vorliegen einer atypischen Veranstaltung in ihrem Falle nicht glaubhaft gemacht.
Die Hochzeitsfeier der Antragsteller erfüllt alle Merkmale, die den durch § 5 verbotenen Feiern und Veranstaltungen typischerweise anhaften. Bei der geplanten Feierlichkeit handelt es sich um eine Veranstaltung, bei der Verwandte und Freunde der Antragsteller zur Feier der Hochzeit der Antragsteller persönlich zusammenkommen. Die Teilnehmerzahl wird mit 38 bis 48 angegeben, darunter auch viele Kinder. Mutmaßlich haben sich viele der Teilnehmer länger persönlich nicht gesehen. Es soll gegessen und Wein angeboten werden. Die Feier soll von vormittags bis 21:00 Uhr, jedenfalls aber bis in den Abend hinein dauern. Dass nach Angaben der Antragsteller über ein Drittel der Teilnehmer bereits einmal oder vollständig geimpft sind, stellt in Anbetracht der Tatsache, dass dies in etwa dem bayernweiten Durchschnitt (40,8 Impfquote mit begonnener Impfserie) entspricht (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquoten-Tab.html), keinen außergewöhnlichen Umstand dar
Auch das vorgelegte Rahmenhygienekonzept der Antragsteller begründet keine Atypik der geplanten Veranstaltung. Auf das Vorhandensein und die Einhaltung von Hygienekonzepten kommt es dem Verordnungsgeber bei der Untersagung von Veranstaltungen gerade nicht an. Es liegt auf der Hand, dass sich eine sehr große Anzahl von Personen, denen das Begehen von u.U. bereits mehrfach verschobenen Veranstaltungen wie Hochzeitsfeiern, Kommunionen, Geburtstagen, Jahrestagen etc. nunmehr ein dringendes Bedürfnis ist, gleichfalls auf ein ausgereiftes Hygienekonzept berufen würden, so dass der vermeintlich atypische Ausnahmefall der Untersagung solcher Veranstaltungen entgegen dem Willens des Verordnungsgebers zur Regel werden würde, würde das Vorhalten eines Hygienekonzepts zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung führen. Insbesondere auch die vorgesehenen PCR-Testungen aller Teilnehmern auf das Coronavirus sind nach geltender Rechtslage Standardvoraussetzungen für die Öffnung verschiedener Lebensbereiche und die Zulässigkeit verschiedener Aktivitäten. Mithin begründen auch sie keine Atypik der vorgesehenen Veranstaltung.
Im Übrigen hängt die Effektivität des Hygienekonzepts maßgeblich von dem Verhalten der Betroffenen ab. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass bereits in einer alltäglichen Situation ein gewisser Anteil der betroffenen Personen sich, sei es absichtlich oder unabsichtlich, sei es mit oder ohne Alkohol, nicht an die AHA-Regeln halten, sondern ein abweichendes Verhalten an den Tag legen wird. Dies muss erst Recht für eine Sondersituation wie einer Hochzeitsfeier aufgrund der speziellen Umstände und der speziellen Stimmung gelten (so auch der BayVGH, B.v. 8.6.2020, 20 NE 20.1316 – juris).
Der aktuelle 7-Tages-Inzidenzwert für den Landkreis R. von 51,3 begründet jedenfalls schon deshalb keine Atypik, weil er sich nur wenig unterhalb des bayerischen Durchschnitts (59,22) und oberhalb des oberbayerischen Durchschnitts (47,70) hält. Auch bezüglich der anderen sich positiv entwickelnden Parametern der Pandemie ist nicht dargelegt, dass diese Entwicklung sich im Landkreis R. in besonderer atypischer Weise positiv von den Entwicklungen in den übrigen Landkreisen abheben würde. Im Übrigen hat der Verordnungsgeber in § 27 der 12. BayIfSMV, wie bereits erwähnt, weitere zunächst behutsam begrenzte Öffnungsschritte vorgesehen, die durch Ausnahmegenehmigungen wie die beantragte nicht vorweggenommen werden dürfen.
Folglich ist mangels Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 2 Satz 1 der 12. BayIfSMV ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung bereits nicht eröffnet.
1.2.3 Abgesehen davon, dass damit schon die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht vorliegen, ist nicht ersichtlich, dass eine Erteilung einer Ausnahmegenehmigung bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen zwingend vorzunehmen wäre. Vielmehr wäre eine Ermessensentscheidung zu treffen. Etwaige Ermessensfehler sind hier ebenso wenig ersichtlich, wie eine Ermessensreduzierung auf Null. Das Landratsamt hat im Bescheid vom 20. Mai 2021 nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht in Betracht kommt und weshalb die Ablehnung pflichtgemäßem Ermessen entspricht und verhältnismäßig ist. Auf diese Ausführungen wird verwiesen.
1.2.4 Der Eingriff in betroffene Grundrechte der Antragsteller ist bei summarischer Prüfung gerechtfertigt. Eine Abwägung zwischen den betroffenen Grundrechten der Antragsteller aus Art. 2 Abs. 1 GG mit dem Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG einer Vielzahl von Menschen ergibt den Vorrang des Schutzes von Leben und Gesundheit (vgl. statt vieler BayVGH, B.v. 25.11.2020 – 20 NE 20.2588 – juris Rn. 16). Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz liegt durch die Versagung der Ausnahmegenehmigung ebenfalls nicht vor, da eine Ungleichbehandlung von wesentlich gleichen Sachverhalten durch den Antragsgegner zum Nachteil der Antragsteller nicht gegeben ist. Die Antragsteller müssen sich insoweit mit anderen Menschen gleichbehandeln lassen, denen vom Antragsgegner eine Hochzeits- oder sonstige Familienfeier in gleicher Weise aufgrund der aktuell geltenden infektionsschutzrechtlichen Vorschriften untersagt und denen eine Ausnahmegenehmigung gleichfalls nicht erteilt wird. Eine von den Antragstellern geforderte Gleichbehandlung etwa mit der Außengastronomie, Hotelübernachtung oder Saunagängen und anderen Aktivitäten, welche aufgrund der Regelung des § 27 der 12. BayIfSMV durch den Antragsgegner im Landkreis R. bei Erfüllung der festgelegten Voraussetzungen wieder erlaubt sind, ist nicht geboten, weil zwischen der Veranstaltung der Antragsteller und diesen Tatbeständen ein sachlicher Differenzierungsgrund besteht. Der Verordnungsgeber durfte das gemeinsame Feiern untereinander bekannter Personen über viele Stunden unter Infektionsschutzgesichtspunkten anders bewerten ist als das zeitlich begrenztes Zusammentreffen einander unbekannter Hotelgäste im Speisesaal, von Menschen im Rahmen der Außengastronomie oder bei Saunabesuchen. Sachlicher Differenzierungsgrund ist hier die besondere Geselligkeit einer Feier, an welchen anknüpfend der Verordnungsgeber den ihm eingeräumten Einschätzungsspielraum nicht überschritten hat.
Der Schutzbereich des Grundrechts der Antragsteller aus Art. 6 Abs. 1 GG ist im vorliegenden Fall entgegen den Ausführungen der Antragsteller nicht berührt.
Art. 6 Abs. 1 GG stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Für den Einzelnen folgt daraus in puncto Ehe die Freiheit, die Ehe mit einem selbst gewählten Gatten einzugehen; aus dieser sogenannten Eheschließungsfreiheit erwächst für den Einzelnen wiederum das Recht auf ungehinderten Zugang zur Ehe und damit zur Abwehr staatlicher Behinderungen (Maunz/Dürig/Badura, GG, 93. EL Oktober 2020, Art. 6 Rn. 47). Das Grundrecht auf Familie schützt grundsätzlich das Beziehungsverhältnis zwischen Eltern und Kindern (BVerfGE 57, 170/178; 92, 158/176 ff.).
Diese verfassungsmäßigen Rechtspositionen der Antragsteller werden durch die Versagung der Genehmigung, eine Hochzeitsfeier in weltlichem Rahmen mit Verwandten und Freunden abzuhalten, solange dies infektionsschutzrechtlich nicht vertretbar ist, nicht berührt.
Die Antragsteller haben bereits im Herbst 2020 standesamtlich geheiratet. Eine religiöse Trauungszeremonie unter den Bedingungen des § 6 der 12. BayIfSMV ist nach den Ausführungen des Landratsamts nicht genehmigungspflichtig und wird den Antragstellern nicht streitig gemacht. Diese Veranstaltungen sind vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz erfasst. Eine sich hieran anschließende weltliche Hochzeitsfeier und ihre inhaltliche Ausgestaltung nehmen jedoch am Schutzbereich der Eheschließungsfreiheit und der Freiheit der inhaltlichen Ausgestaltung der Ehe nicht mehr teil. Es steht den Antragstellern frei, wie alle anderen Betroffenen auch, eine weltliche Feier in Erinnerung der Eheschließung dann anzuberaumen, wenn dies die Pandemielage wieder zulässt.
Der Hauptantrag war daher abzulehnen.
2. Der Hilfsantrag, den Antragsgegner zu verpflichten, die Ausnahmegenehmigung nur für den Außenbereich oder für mindestens 20 Gäste zu erteilen, ist aus den oben unter 1. dargelegten Gründen ebenfalls unbegründet. Diese hilfsweise beantragten Konditionen begründen ebenfalls keine Atypik der beantragten Veranstaltung, sodass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchsnorm bereits nicht erfüllt sind.
3. Die Anträge sind nach alldem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz i. V. m. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Angesichts der Vorwegnahme der Hauptsache erachtet es das Gericht für sachgerecht, den Streitwert auf die Höhe des für ein Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben.


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