Medizinrecht

Befristete Quarantäneanordnung als Kontaktperson

Aktenzeichen  RO 14 S 20.2590

Datum:
28.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 28577
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 2 Nr. 3, § 4, § 16 Abs. 8, § 28 Abs. 1
BayVwVfG Art. 35 S. 1, Art. 41 Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,oo € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, vertreten durch ihre Eltern, wendet sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine zunächst auf 14 Tage (also bis zum Ablauf des 2.11.2020) befristete Quarantäneanordnung als Kontaktperson der Kategorie I.
Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat am 18.8.2020 eine Allgemeinverfügung zur Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie I, von Verdachtspersonen und von positiv auf das Coronavirus getesteten Personen (im Folgenden: Allgemeinverfügung) erlassen (GZ6ao8000o2020/572), die am 18.8.2020 im Bayerischen Ministerialblatt Nr. 464 veröffentlicht wurde und die nach deren Nr. 8 in der geänderten Fassung vom 29.9.2020 (G5ASzoG8000o2020/122o622) bis einschließlich 30.11.2020 gilt. Die Änderung vom 29.9.2020 wurde im BayMBL. Nr. 555 vom 29.9.2020 bekanntgemacht.
Die Antragstellerin ist 8 Jahre alt und besucht die Klasse 3 der …Grundschule. Am 22.10.2020 ging beim Gesundheitsamt … eine Labormeldung über einen CoronaoTest vom 20.10.2020 betreffend eine Mitschülerin der Antragstellerin ein. In der Labormeldung ist unter Krankheitserreger folgendes aufgeführt: „Coronavirus SARSoCoVo2: fraglich positiv, Ct-Werte: EoGen 37; RdPRPoGen nicht nachgewiesen“. Zeitgleich erhielt das Gesundheitsamt zwei weitere eindeutig positive Befunde von den Familienmitgliedern der Mitschülerin aus der häuslichen Gemeinschaft, nämlich vom Vater und dem Bruder der positiv getesteten Mitschülerin. Die Ermittlungen des Gesundheitsamtes ergaben, dass die Mitschülerin der Antragstellerin bereits ab 16.10.2020 Covidtypische Symptome (Halsschmerzen und im Verlauf Husten und Schnupfen) gezeigt hatte. Sie besuchte die Schule zuletzt am 19.10.2020.
Mit Schreiben vom 22.10.2020 teilte das Gesundheitsamt den Eltern der Antragstellerin mit, dass in der Klasse der Antragstellerin ein Kind nachweislich an COVIDo19 erkrankt sei. Der letztmalige Kontakt zu der Antragstellerin sei am 19.10.2020 gewesen. Die Antragstellerin müsse daher aufgrund der Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege für 14 Tage in Quarantäne. Die Antragstellerin habe „nachweislich“ Kontakt zu einem positiv getesteten Kind ihrer Klasse gehabt.
Die Antragstellerin wandte sich daraufhin am 27.10.2020 mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz an das Verwaltungsgericht. Sie führt aus, die Antragstellerin habe weder in der Klasse noch sonst im Gebäude Kontakt zu der Schülerin gehabt. Auf dem Pausenhof seien Masken getragen worden und der Abstand sei stets eingehalten worden. Am 22.10.2020 sei bei der Antragstellerin und allen anderen Schüler/innen der Klasse ein Abstrich genommen worden, alle Abstriche seien negativ gewesen. Auch das Testergebnis der betroffenen Schülerin sei laut Laborbefund nur „fraglich positiv“, der Bestätigungstest sei negativ ausgefallen.
Dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei stattzugeben, da bei einer summarischen Prüfung das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung das Vollzugsinteresse überwiege. Bereits die Bekanntmachung der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung sei rechtswidrig. Diese sei den Eltern der Antragstellerin nicht bekannt gemacht worden. Auf der Seite des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege sei die Allgemeinverfügung nicht zu finden. Selbst wenn man mit dem Aktenzeichen der Änderungsbekanntmachung suche, finde man die Quarantänevorschriften bei Einreisenden, welche ebenfalls am 29.9.2020 erlassen worden seien. Ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 28 IfSG erscheine angesichts der von der WHO mittlerweile mitgeteilten Sterblichkeitsrate von 0,23 durchaus problematisch, da es an der Notwendigkeit fehle, insbesondere, wenn man bedenke, dass Kinder das Virus kaum übertragen oder wenn nur in so milder Form, dass hiervon keine Gefahr ausgehe.
Die Antragstellerin sei keine Kontaktperson der Kategorie I. Sie erfülle keines der Kriterien des RKIs (RKI), die für die Eingruppierung in die Kategorie I herangezogen werden. Die Antragstellerin sitze mit der betroffenen Schülerin im gleichen Klassenraum, jedoch in ausreichender Entfernung. Im Klassenraum werde weder gesungen noch geschrien. Auch entfalle derzeit Gruppenarbeit, um enge Kontakte während des Unterrichts zu vermeiden. Die Schüler/innen hätten fest zugewiesene Plätze, die sie nicht ohne Aufforderung verlassen dürften. Beim Verlassen des Platzes sei ein MundoNasenschutz zu tragen und es müssten die Hände gewaschen werden. Zudem sei ein Hygieneo und Lüftungskonzept in Zusammenarbeit mit zwei Medizinern erarbeitet worden, welches ein häufiges Lüften vorsehe. Die Pausen würden im Freien und mit Maske abgehalten. Ein enger Kontakt habe selbst in dieser Zeit nicht stattgefunden. Die vom RKI festgelegten Merkmale, welche die Kategorie I erfüllen würden, lägen demnach nicht vor. Eine relativ beengte Raumsituation oder eine schwer zu überblickende Kontaktsituation mit dem bestätigten COVIDo19oFall liege gerade nicht vor. Es sei bereits streitig, ob die betroffene Schülerin tatsächlich positiv getestet worden sei. Das Testergebnis der betroffenen Schülerin sei laut Laborbefund nur „fraglich positiv“ gewesen. Der Bestätigungstest sei negativ ausgefallen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Test falschpositiv gewesen sei.
Zudem sei darauf hinzuweisen, dass Kinder unter 10 Jahren das Virus kaum übertragen würden. Ziel sei auch seitens des RKI, den Schulbetrieb kontinuierlich und dauerhaft aufrecht zu erhalten. Dies sei mit solch unbestimmten Quarantäneanordnungen nicht möglich. Eine Reihe von Studien besage einstimmig, dass Kinder unter 10 Jahren keine relevanten Überträger des Virus seien. Maßnahmen wie zum Beispiel eine Quarantäneanordnung gegenüber Grundschulkindern seien unverhältnismäßig. Es gebe selten Übertragungen innerhalb der Schule und wenn, dann fänden sie meist durch Erwachsene statt. Im Übrigen sei auch die Gefährlichkeit des Virus durch die WHO relativiert worden. Die Sterblichkeitsrate liege im Durchschnitt bei 0,23. Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen sei daher nicht mehr gegeben. Die Quarantäneanordnung der Antragstellerin als Kontaktperson I sei offensichtlich rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Die Allgemeinverfügung sei daher aufzuheben und die aufschiebende Wirkung anzuordnen und die Antragstellerin sei wieder zu beschulen.
Für die Antragstellerin wird sinngemäß beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Allgemeinverfügung vom 18.8.2020, geändert durch Bekanntmachung vom 29.9.2020, anzuordnen,
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO sei bereits unzulässig, da bisher keine Anfechtungsklage erhoben worden sei. Es sei nicht ersichtlich, dass bereits eine Klage erhoben worden sei, deren aufschiebende Wirkung angeordnet werden könnte. Dies wäre jedoch erforderlich, um die Zulässigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO bejahen zu können. Auch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebiete in diesem Fall nicht, dass das Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO eine Sachentscheidung treffe.
Der Antrag sei auch unbegründet. Die Allgemeinverfügung Isolation sei rechtmäßig; in diesem Zusammenhang sei auf diverse verwaltungsgerichtliche Beschlüsse zu dieser Frage hinzuweisen, die bereits in der näheren Vergangenheit erlassen worden seien.
Schüler seien im Regelfall minderjährig, sodass ihnen gegenüber eine besondere Schutzpflicht des Staates bestehe, auch wenn sie im Hinblick auf eine akute COVIDo19o Erkrankung medizinisch betrachtet nicht generell zur Risikogruppe gehörten. Es sei allerdings darauf hinzuweisen, dass sich diese Einordnung auf die Schwere des akuten Verlaufs beziehe, es könne aber auch bei leichtesten akuten Verläufen zu Folgewirkungen einer COVID-19-Infektion kommen. Im Übrigen könnten Schüler unabhängig von ihrer vor allem im jüngeren Alter geringeren Infektiosität das Virus ohne Quarantänemaßnahmen in die Allgemeinbevölkerung hineintragen. Schließlich könnten Quarantänemaßnahmen dazu beitragen, generelle Schulschließungen als eingreifendere Maßnahmen zu vermeiden.
Die Allgemeinverfügung Isolation sei auch ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Sie sei unter Einhaltung von Art. 41 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG, Nr. 5 Veröff Bek im BayMBl. 2020 Nr. 464, ihre Verlängerung im BayMBl. 2020 Nr. 555 bekannt gemacht worden. Der Vortrag der Antragstellerseite, die Allgemeinverfügung sei auf der Internetseite des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege nicht zu finden, sei nicht nachvollziehbar.
Trete ein bestätigter COVIDo19oFall bei einer Schülerin oder einem Schüler in einer Klasse auf, so werde die gesamte Klasse für 14 Tage vom Unterricht ausgeschlossen sowie eine Quarantäne durch das zuständige Gesundheitsamt angeordnet. Dies gelte gemäß den Empfehlungen des RKIs für Schulen vom 12.10.2020 aufgrund der Aerosolaufsättigung bei langer Aufenthaltsdauer im Klassenzimmer in relativ beengten Raumsituationen oder schwer zu überblickenden Kontaktsituationen in der Schule auch dann, wenn alle Personen im Raum eine MundoNasenoBedeckung getragen haben. Die gesamte Klasse bzw. der Kurs o also alle Personen, zu denen eine relevante Exposition (mehr als 30 Minuten in einem nicht ausreichend belüfteten Raum) bestand, sei gemäß der Empfehlung des RKIs als Kontaktperson der Kategorie I zu betrachten.
Die Tatsache, dass der spätere Bestätigungstest bei der ursprünglich positiv getesteten Schülerin negativ ausgefallen sei, könne dem vorliegenden Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Ein Test stelle stets eine Momentaufnahme dar, die sich auf den Zeitpunkt der Abstrichentnahme beziehe. Das Gesundheitsamt habe im Hinblick auf den Infektionsverlauf (Test mit hohem CToWert einige Tage nach dem Beschwerdegipfel) und unter Berücksichtigung der Epidemiologie (Positivtestung weiterer Familienmitglieder) keinen Anlass gehabt, das als fraglich positiv bezeichnete Testergebnis anzuzweifeln. Die Mitschülerin der Antragstellerin habe bereits ab 16.10.2020 Covidtypische Symptome gezeigt. Eine sofortige Testwiederholung hätte keinen weiteren Informationsgewinn gebracht, da dieser Test zum Erkrankungsende hin vorhersehbar negativ gewesen wäre. Auch eine Testwiederholung hätte aber nicht bewiesen, dass um den 16.10.2020 herum keine Infektiosität bestanden hätte. Die positiv getestete Mitschülerin habe die Schule zuletzt am 19.10.2020 besucht.
In den Grundschulen habe es zu diesem Zeitpunkt keine Maskenpflicht im Unterricht gegeben, eine Lüftung der Schulräume sei aufgrund der Witterung nur stündlich möglich und die Fenster seien nicht dauerhaft geöffnet gewesen. Laut den Lehrkräften habe eine Unterschreitung der Abstandsregeln aller Schüler untereinander nicht ausgeschlossen werden können.
Die Antragstellerin sei zu Recht als Kontaktperson der Kategorie I eingeordnet worden. Nach den Vorgaben des RKIs „KontaktpersonenoNachverfolgung bei Infektionen durch SARSoCoVo2, Stand: 19.10.2020“ seien Personen in relativ beengter Raumsituation oder schwer zu überblickender Kontaktsituation mit dem bestätigten COVIDo19oFall (z.B. Schulklassen) unabhängig von der individuellen Risikoermittlung als Kontaktpersonen der Kategorie I zu klassifizieren. Die Lehrer hätten verständlicherweise nicht mehr genau mitteilen können, wer mit wem Kontakt hatte. In einer Grundschulklasse sei dies im Nachhinein schwer zu ermitteln. Aufgrund der Raumsituation, der mangelnden Belüftung und der zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestehenden Maskenpflicht im Unterricht in Grundschulen, sei die Quarantäne richtigerweise für die ganze Klasse angeordnet werden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, insbesondere auf die zwischen den Beteiligen gewechselten Schriftsätze, Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
1. Statthaft zur Verfolgung des Begehrens der Antragstellerin ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Die Pflicht, sich als Kontaktperson der Kategorie I in häusliche Quarantäne zu begeben, ergibt sich unmittelbar aus der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18.8.2020, ohne dass es eines weiteren Verwaltungsaktes seitens der Kreisverwaltungsbehörde bedarf (VG Regensburg, B. v. 3.9.2020 o RN 14 S 20.1917 o juris; VG Würzburg, B. v. 18.9.2020o W 8 S 20.1326 o juris). Die Mitteilung des Gesundheitsamtes vom 22.10.2020 stellt dementsprechend keinen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar, da es an einer Regelungswirkung fehlt.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, wenn also die aufschiebende Wirkung der Klage kraft Gesetzes entfällt, ganz oder teilweise anordnen. Die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18.8.2020 ist gemäß § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Der Antrag kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO auch schon vor Erhebung der Anfechtungsklage eingereicht werden. Im vorliegenden Fall, in dem aufgrund der Eilbedürftigkeit der Entscheidung von vorneherein absehbar ist, dass eine Entscheidung in der Hauptsache nicht rechtzeitig ergehen kann, ist ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auch unabhängig von einer Klageerhebung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts zulässig.
2. Der Antrag war gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, zu richten, nachdem sich die Verpflichtung zur Isolation unmittelbar aus der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18.8.2020 ergibt. Es bedarf dazu keines weiteren Verwaltungsaktes seitens der Kreisverwaltungsbehörde.
3. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene, originäre Ermessensentscheidung. Es hat zwischen dem in der gesetzlichen Regelung o hier § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG o zum Ausdruck kommenden Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes und dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der zugrunde liegende Bescheid bei dieser Prüfung hingegen als rechtswidrig und das Hauptsacheverfahren damit voraussichtlich als erfolgreich, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig zu verneinen. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, kommt es zu einer allgemeinen Abwägung der widerstreitenden Interessen.
Bei summarische Prüfung spricht alles dafür, dass eine Anfechtungsklage der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren erfolglos bleiben wird und die Antragstellerin aufgrund von Nr. 2.1.1 i.V.m. Nr. 1.1 der Allgemeinverfügung mindestens bis zum Ablauf des 2.11.2020 zur Isolation verpflichtet ist. Jedenfalls bei einer allgemeinen Abwägung der widerstreitenden Interessen ist vorliegend dem Interesse der Allgemeinheit am Sofortvollzug der Quarantäneanordnung der Vorzug zu geben gegenüber dem Interesse der Antragstellerin, vorzeitig aus der Quarantäne entlassen zu werden. Daher ist der Antrag auf jeden Fall unbegründet.
a) Voraussetzung für die Anordnung der Isolation nach der Allgemeinverfügung ist die Eröffnung von deren Anwendungsbereich. In personeller Hinsicht gilt die Allgemeinverfügung gemäß deren Nr. 1.1 insbesondere für Personen, denen vom Gesundheitsamt mitgeteilt wurde, dass sie aufgrund eines engen Kontakts zu einem bestätigten Fall von COVIDo19 nach den jeweils geltenden Kriterien des RKIs (RKI) Kontaktpersonen der Kategorie I sind.
aa) Bei der Mitschülerin der Antragstellerin handelt es sich bei der Betrachtung der Gesamtumstände des Einzelfalles zweifellos um einen bestätigten Fall von COVIDo19, auch wenn das Testergebnis nach der Abstrichentnahme vom 20.10.2020 das Ergebnis als „fraglich positiv“ bezeichnet.
Die Mitschülerin der Antragstellerin zeigte bereits mehrere Tage vor der Abstrichentnahme deutliche Symptome einer Covido19oErkrankung. Mehrere Familienangehörige der Mitschülerin wurden ebenfalls positiv auf das Coronavirus getestet. Der PCRoTest wird mittels des sogenannten CtoWerts durchgeführt. Dieser gibt einen Hinweis darauf, welche Virusmenge ein Patient in sich trägt. Die Viruslast fällt aber nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bereits wenige Tage nach dem Auftreten der ersten Symptome wieder ab. Die Sensitivität des direkten Infektionsnachweises mit der PCR geht bereits ab dem 7. Tag signifikant zurück. Wenn man dazu noch berücksichtigt, dass die Viruslast bereits einige Tage im Körper besteht, bis die ersten Symptome auftreten, dann besteht für das Gericht kein Zweifel daran, dass die Mitschülerin der Antragstellerin, die bereits ab dem 16.10.2020 Covidtypische Symptome gezeigt hat und deren Familienmitglieder ebenfalls positiv auf das Coronavirus getestet wurden, das Coronavirus in sich trug und das Testergebnis vom 20.10.2020 nur deshalb nur „fraglich positiv“ war, weil dieser Test erst gegen Ende der akuten Erkrankung durchgeführt wurde.
Zudem sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass nach Punkt B. 2. der Falldefinition des RKIs eine klinischoepidemiologisch bestätigte Erkrankung auch bei einem spezifischen oder unspezifischen klinischen Bild von COVIDo19 im Falle des Kontakts zu einem bestätigten Fall auch ohne einen labordiagnostischen Nachweis anzunehmen ist (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Falldefinition.pdf? blob=publicationFile).
bb) Es ist auch davon auszugehen, dass es sich bei der Antragstellerin um eine Kontaktperson der Kategorie I zu ihrer Mitschülerin handelt. Die Kriterien, nach denen die Einordnung von Kontaktpersonen erfolgt, stellt das RKI allgemein zugänglich auf seiner Homepage dar („KontaktpersonenoNachverfolgung bei Infektionen durch SARSoCoVo2, Stand: 19.10.2020; https://www.rki.de/DE/COntent/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirsu/Kontaktperson/Management/html). Das RKI weist bei der Vorbeugung übertragbarer Krankheiten und der Verhinderung der Verbreitung von Infektionen eine besondere Sachkunde auf (§ 4 IfSG).
Das Gesundheitsamt ordnet die tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall nach diesen Kriterien ein. Danach ist die Einordnung der Antragstellerin als Kontaktperson der Kategorie I zu ihrer positiv getesteten Mitschülerin durch das Gesundheitsamt voraussichtlich nicht zu beanstanden.
Die aktuellen Empfehlungen des RKIs definieren in Nr. 2.1. die Kontaktpersonen der Kategorie I (höheres Infektionsrisiko). Das RKI gruppiert Kontaktpersonen in 2 unterschiedlichen Situationen in die Kategorie I ein: zum einen, wenn zwischen einer Kontaktund einer infektiösen Person ein enger Kontakt unter 1,5 m Abstand im „Nahfeld“ stattgefunden hat (im Folgenden Kategorie I A) und zum anderen, wenn ein Kontakt unabhängig vom Abstand mit einer hohen Konzentration infektiöser Aerosole im Raum stattgefunden hat (im Folgenden I B). In die zweite Kategorie fallen Situationen, in denen sich Viruspartikel in Aerosolen bei mangelnder Frischluftzufuhr in Innenräumen anreichern. In solchen Situationen mit hoher Konzentration infektiöser Viruspartikel im Raum sind nach Angaben des RKI auch Personen gefährdet, die sich weit vom Quellfall entfernt aufhalten.
Die Situation gemeinsamen Unterrichts in einem Klassenzimmer ist grundsätzlich geeignet, einen Kontakt der Kategorie I B zu begründen. So nennt das RKI als Regelbeispiel für Kontaktsituationen der Kategorie I unter anderem: „Optional: Personen in relativ beengter Raumsituation oder schwer zu überblickender Kontaktsituation mit dem bestätigten COVIDo19oFall (z.B. Schulklassen, Gruppenveranstaltungen) unabhängig von der individuellen Risikoermittlung als Kontaktpersonen der Kategorie I“. Als Management empfiehlt das RKI: „War der Kontakt in relativ beengter Raumsituation oder gab es eine schwer zu überblickende Kontaktsituation, kann eine Quarantäneanordnung für alle Personen unabhängig von der individuellen Risikobewertung sinnvoll sein (zum Beispiel Schulklassen)“. Hieraus ergibt sich, dass Unterrichtssituationen grundsätzlich geeignet sind, Kontakte der Kategorie I B zu begründen. Dass im Einzelfall ein Einschätzungsspielraum bestehen kann, ergibt sich aus der Formulierung („optional“, „kann sinnvoll sein“). Das RKI gibt zur Entscheidung im Einzelfall tabellarische Kriterien zur Einstufung von Kontaktpersonen in die Kategorie I vor. Demnach sind namentlich die Dauer, die Räumlichkeit und die Aerosolemission des Kontaktes zu berücksichtigen.
Dies zugrunde gelegt ist es voraussichtlich nicht zu beanstanden, die Antragstellerin als Kontaktpersonen der Kategorie I zu ihrer Mitschülerin anzusehen. Denn nach den erwägungsleitenden Kriterien zur Beantwortung der Frage, ob eine hohe Konzentration infektiöser Aerosole vorgelegen hat, zählt nach RKI auch eine Dauer des gemeinsamen Aufenthalts im Raum von 30 Minuten oder mehr. Bei einer Regeldauer eines Schulvormittags von 8:00 Uhr bis 13:00 Uhr und einer Schulstunde von 45 Minuten, in dem sich die infektiöse Mitschülerin durchgehend im gleichen Raum wie die Antragstellerin aufgehalten hat, erscheint bereits aus diesem Aspekt heraus die Annahme, dass es sich bei der Antragstellerin um eine Kontaktsituation der Kategorie I B handelt, sachgerecht. Bei Klassenzimmern handelt es sich typischerweise um Räume mit einer „relativ beengten Raumsituation“.
Anhaltspunkte, die den Aspekt der Dauer in anderer Weise (übero) kompensieren würden (zum Beispiel besondere Raumgröße, Lüftungsanlage o. ä.) sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Allein die Tatsache, dass nach dem vorliegenden Hygieneund Lüftungskonzept ein häufiges Lüften vorgesehen sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Nach III. 4.3.2. des Rahmenhygieneplans zur Umsetzung des Schutzo und Hygienekonzept für Schulen nach der jeweils geltenden Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 2.10.2020 (Rahmenhygieneplan Schulen) ist mindestens alle 45 Minuten eine Stoßlüftung bzw. Querlüftung durch vollständig geöffnete Fenster über mehrere Minuten vorzunehmen. Auch dieses Lüftungskonzept verhindert nicht, dass die Mitschüler sich gemeinsam 30 Minuten in einem Klassenraum aufhalten, ohne dass zwischenzeitlich ein vollständiger Luftaustausch stattfindet.
Auch die von der Antragstellerin sonst vorgetragenen Abstandso und Hygienevorgaben sind hierfür nicht entscheidend. Diese unterbinden zwar die Gefahr einer Übertragung durch engen Kontakt in Form von Tröpfcheno oder Schmierinfektionen. Ebenso wie der MundoNasenschutz verhindern sie aber in erster Linie Übertragungssituationen der Kategorie I A, sind aber weniger geeignet, einer Übertragungsgefahr unabhängig vom Abstand gemäß Kategorie I B vorzubeugen.
Abgesehen davon erscheint es dem Gericht durchaus möglich, dass entgegen dem Wissen der Eltern der Antragstellerin tatsächlich doch ein infektionsschutzrechtlich relevanter Kontakt der 8ojährigen Antragstellerin mit der positiv getesteten Mitschülerin stattgefunden hat, den die Antragstellerin aufgrund des in diesem Alter noch nicht so ausgereiften „Problembewusstseins“ o beispielsweise im Spiel o nicht für erwähnenswert hielt.
Der gemeinsame Aufenthalt einer Schulklasse im Klassenraum wird durch das RKI, das nach § 4 IfSG zur wissenschaftlichen Beratung der Bundeso und Landesbehörden berufen ist, gerade als Beispiel für die Bejahung eines Ansteckungsverdachts im Sinne einer Qualifizierung als Kontaktperson der Kategorie I genannt, und zwar unabhängig von der individuellen Risikoermittlung. Dass im vorliegenden Fall ganz besondere Maßnahmen zur Verhinderung der Ansteckungsgefahr durch den gemeinsamen Aufenthalt in einem Klassenraum ergriffen worden wären, wurde selbst von der Antragstellerin nicht vorgetragen. Die von der Antragstellerin zitierten Maßnahmen o kein Singen und Schreien im Klassenraum, keine Gruppenarbeit, fest zugewiesene Plätze, Tragen von MundoNasenschutz beim Verlassen des Platzes, Hände waschen, häufiges Lüften o gelten momentan in allen Schulklassen und sind in dem R2. Schule vom 2.10.2020 entsprechend aufgelistet. Es ist zwar richtig, dass Singen und lautes Sprechen eine höhere Aerosolemmission verursacht als normales Sprechen und Atmen, aber auch dabei wird eine relevante Aerosolmenge ausgestoßen. Diese Maßnahmen sind nicht geeignet, eine Abweichung bei der Einstufung der Antragstellerin als Kontaktperson der Kategorie I zu ihrer in der gleichen Klasse befindlichen Mitschülerin zu rechtfertigen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine Einordnung der Antragstellerin in die Kontaktgruppe der Kategorie I durch das Gesundheitsamt nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden ist.
b) Bei Vorliegen eines KategorieoIoKontaktes ergibt sich die Pflicht der Antragstellerin zu einer 14otägigen Quarantäne zwingend aus Nummer 2.1.1 der Allgemeinverfügung. Nachdem der letzte Kontakt zwischen der Antragstellerin und ihrer Mitschülerin am 19.10.2020 stattfand, ist die Antragstellerin mindestens bis zum Ablauf des 2.11.2020 zur Isolation verpflichtet.
Die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18.8.2020 sieht für Kontaktpersonen der Kategorie I keine Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung der Quarantäne wegen eines negativen Testergebnisses vor. Die bisher vorliegenden negativen Ergebnisse der durchgeführten Reihentestung haben daher keinen Einfluss auf die Quarantänedauer. Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand kann die Inkubationszeit bis zu 14 Tage betragen. Es ist davon auszugehen, dass bis zum 14. Tag nach dem letzten direkten Kontakt noch eine (geringe) Wahrscheinlichkeit für eine Infektion besteht. Auch eine Person, die in den Tagen davor noch negativ auf das Virus getestet wurde, kann also bis zum 14. Tag noch eine Infektion entwickeln, so dass ein Test erst zu einem späteren Zeitpunkt positiv anschlägt. Erst nach dem Ablauf von 14 Tagen ist sichergestellt, dass sich diese Person nicht bei der ursprünglich positiv getesteten Person angesteckt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Quarantäne daher zwingend. Ein zu einem früheren Zeitpunkt gewonnenes negatives Testergebnis ist lediglich eine Momentaufnahme, schließt aber noch nicht mit der erforderlichen Gewissheit aus, dass sich die Kontaktperson der Kategorie I nicht doch angesteckt hat. Schon aus diesem Grund muss sich die Antragstellerin daher mindestens bis zum Ablauf des 2.11.2020 in häuslicher Quarantäne aufhalten, bei einem nachfolgenden positiven Testergebnis entsprechend länger.
c) Die streitgegenständliche Allgemeinverfügung ist im streitgegenständlichen Fall auch anwendbar.
Die Allgemeinverfügung wurde entgegen der Ausführungen der Antragstellerin ordnungsgemäß bekannt gemacht. Nach Art. 41 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG erfolgt die Bekanntgabe von Allgemeinverfügungen durch öffentliche Bekanntgabe, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Für die öffentliche Bekanntgabe der Staatsministerien und der Staatskanzlei sieht Nr. 5.1 der Veröffentlichungsbekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 15.12.2015 (Az. B II 2oG 48/13o6), zuletzt geändert durch Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 10.3.2020 ((Az. B II 2oG 48/13o7), die Bekanntmachung im Bayerischen Ministerialblatt vor. Die Allgemeinverfügung zur Isolation von Kontaktpersonen der Kategorie I, von Verdachtspersonen und von positiv auf das Coronavirus getesteten Personen (GZ6ao8000o2020/572) wurde am 18.8.2020 im Bayerischen Ministerialblatt Nr. 464 veröffentlicht. Die Änderungsbekanntmachung vom 29.9.2020 (G5ASzoG8000o2020/122o622) wurde im BayMBL. Nr. 555 vom 29.9.2020 bekanntgemacht. Richtig ist, dass in dieser Bekanntmachung zugleich die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 7.8.2020 betreffend die Testpflicht von Einreisenden aus Risikogebieten geändert wurde. Es ist aber nicht ersichtlich, aus welchem Grund dies nicht möglich sein sollte. Beide Veröffentlichungen sind im Internet aufrufbar. Die zu beachtenden Vorgaben wurden dadurch erfüllt.
Die Allgemeinverfügung findet bei summarischer Prüfung auch in § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG eine ausreichende Rechtsgrundlage und ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
Es bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei der Infektion mit dem SARSoCoVo2, die zur Lungenkrankheit COVIDo19 führen kann, um eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG handelt, sodass der Anwendungsbereich des 5. Abschnitts des Infektionsschutzgesetzes, der sich mit der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten befasst, eröffnet ist.
Die Antragstellerin ist Ansteckungsverdächtige im Sinne des § 2 Nr. 7 IfSG und gehört damit zum Kreis der von §§ 28 Abs. 1 S. 1 IfSG erfassten Personen.
Die von der Antragstellerin zitierten Studien sind nicht geeignet, nachzuweisen, dass Kinder unter 10 Jahren keine relevanten Überträger des Virus sind und damit keine Ansteckungsverdächtigen im Sinne des § 2 Nr. 7 IfSG.
Das RKI schreibt dazu in seinem Steckbrief zur CoronavirusoKrankheit 2019: “ Die Infektiosität im Alltag wurde bisher selten untersucht und kann daher nicht abschließend bewertet werden. Die Ansteckungsrate durch Kinder war in Studien ähnlich hoch oder höher als bei erwachsenen Primärfällen. Studien zur Viruslast bei Kindern zeigen keinen wesentlichen Unterschied zu Erwachsenen.“ (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html). Das Coronavirus SARSoCoVo2 wird nach derzeitigen Erkenntnissen vor allem direkt von Mensch zu Mensch übertragen, zum Beispiel beim Sprechen, Husten oder Niesen. Bei der Übertragung spielen Tröpfchen wie auch Aerosole, die längere Zeit in der Luft schweben können, eine Rolle. Nachdem auch Kinder das Virus in sich tragen können, spricht daher vieles dafür, dass sie dieses auch verbreiten können.
Die Empfehlungen des RKIs für Schulen vom 12.10.2020 (SARSoCoVo2oTestkriterien für Schulen während der COVIDo19oPandemie) gehen unter anderem von folgenden infektionsepidemiologischen Grundannahmen und Beobachtungen zu Schulen aus:
– Schülerinnen und Schüler sind prinzipiell empfänglich für eine Infektion mit SARSoCoVo2 und können andere infizieren.
– Kinder und jüngere Jugendliche sind jedoch seltener betroffen als Erwachsene und nicht Treiber der Pandemie.
– Mit zunehmendem Alter ähneln Jugendliche hinsichtlich Empfänglichkeit und Infektiosität den Erwachsenen.
– Kinder und Jugendliche zeigen häufig keine oder nur eine milde Symptomatik.
– Die anerkannten Infektionsschutzmaßnahmen sind auch im Kindesund Jugendalter wirksam und ein wichtiger Baustein bei der Bewältigung der Pandemie.
– Das Ausmaß einer Übertragung innerhalb der Schulen und von den Schulen in die Familien/haushalte ist weitgehend unklar und Gegenstand der Forschung.
– H2.weg ist die respiratorischen Aufnahme von Viruspartikeln (Tröpfchen und A Aerosole) im unmittelbaren Umfeld der infektiösen Person (…) Oder jenseits des Nahfeldes über sich (unter ungünstigen Bedingungen) aufsättigende infektiöse Aerosole („Fernfeld“). Das Risiko einer Übertragung über das Fernfeld erhöht sich bei besonders starker Partikelemission (singen oder schreien), besonders langem Aufenthalt der infektiösen Person (en) in einem gegebenen Raum und unzureichender Lüftung/Frischluftzufuhr.
und ziehen daraus folgende Schlüsse für das Vorgehen bei nachgewiesener Infektion:
„Ist ein Fall unter Schülerinnen und Schülern nachgewiesen worden, so ist die gesamte Klasse/Kurs/Lernverband o also alle Personeno(Gruppen), zu denen eine relevante Exposition (mehr als 30 Minuten, in einem nicht ausreichend belüfteten Raum) bestand, als Kontaktpersonen der Kategorie I zu betrachten und entsprechend zu verfahren, d. h. sofortige Quarantäne, bzw. Isolierung bei bestehender Symptomatik.“
Es kann daher anhand der bisher vorliegenden Erkenntnisse nicht gesichert davon ausgegangen werden, dass Kinder unter 10 Jahren keine relevanten Überträger des Virus sind. Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen scheint klar, dass sich Kinder anstecken können und das Virus weitergeben können. Unklar scheint nur, ob sich Kinder genauso häufig wie Erwachsene infizieren und wie effektiv sie die Infektion auf andere übertragen. Anhand der bisher vorliegenden Erkenntnisse kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin als 8ojährige keine Ansteckungsverdächtige im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG wäre.
Nach § 28 Abs. 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten (Satz 1).
Es handelt sich bei der Bestimmung des § 28 Abs. 1 Satz 1 1. HS IfSG n.F. um eine Generalklausel, die die zuständigen Behörden zum Handeln verpflichtet. Nur hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen o„wie“ des Eingreifens o ist der Behörde ein Ermessen eingeräumt. Die Behörde muss ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermessensermächtigung im Interesse des effektiven Schutzes des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausüben. Daran bestehen vorliegend keine Zweifel.
Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der verfügten Maßnahmen ist der im allgemeinen Polizeio und Sicherheitsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist.
Da nach wie vor weder ein Impfstoff noch eine wirksame Therapie gegen eine COVIDo19o Erkrankung vorhanden sind, besteht insbesondere bei älteren Menschen und bei Menschen mit Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko eines schweren Verlaufs der Erkrankung mit erheblichen Folgen für Leben und Gesundheit der Bevölkerung und einer Überforderung des Gesundheitssystems. Selbst bei jüngeren und gesunden Menschen ohne relevante Vorerkrankungen kann eine COVIDo19oErkrankung einen schweren und im schlimmsten Fall tödlichen Verlauf nehmen. Nach der Risikobewertung des RKIs handelt es sich weltweit und in Deutschland nach wie vor um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation, die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland ist nach wie vor insgesamt als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch einzuschätzen. Angesichts teilweise schwerer und lebensbedrohlicher Krankheitsverläufe muss es Ziel sein, durch geeignete Maßnahmen eine Ausbreitung der Infektion mit SARSoCoVo2 einzudämmen und so weit wie möglich zeitlich zu verlangsamen. Nur so können die vorgenannten Risikogruppen ausreichend geschützt werden. Die häusliche Isolation von Kontaktpersonen ist dabei aus infektionsmedizinischer Sicht eine entscheidende Maßnahme zur Unterbrechung möglicher Infektionsketten. Dabei geht es vor allem um die Verhinderung der Weiterverbreitung des Virus in die Familien und in die sonstige Bevölkerung. Die Maßnahme ist daher nicht zu beanstanden.
Es ist voraussichtlich auch nicht zu beanstanden, dass die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 18.8.2020 für Kontaktpersonen der Kategorie I keine Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung der Quarantäne wegen eines negativen Testergebnisses vorsieht. Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand kann die Inkubationszeit bis zu 14 Tage betragen. Es ist davon auszugehen, dass bis zum 14. Tag nach dem letzten direkten Kontakt noch eine (geringe) Wahrscheinlichkeit für eine Infektion besteht. Auch eine Person, die in den Tagen davor noch negativ auf das Virus getestet wurde, kann also bis zum 14. Tag noch eine Infektion entwickeln, so dass ein Test erst zu einem späteren Zeitpunkt positiv anschlägt. Daher müssen alle Personen, die in den letzten 14 Tagen einen engen Kontakt im Sinne der Empfehlungen des RKIs mit einem COVIDo19oFall hatten, abgesondert werden. Erst nach dem Ablauf von 14 Tagen ist sichergestellt, dass sich diese Person nicht bei der ursprünglich positiv getesteten Person angesteckt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Quarantäne daher zwingend. Ein zu einem früheren Zeitpunkt gewonnenes negatives Testergebnis ist lediglich eine Momentaufnahme, schließt aber noch nicht mit der erforderlichen Gewissheit aus, dass sich die Kontaktperson der Kategorie I nicht doch angesteckt hat. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass auch eine Kontaktperson der Kategorie I mit einem negativen Testergebnis die vollen 14 Tage in Quarantäne verbleiben muss. Nur dann ist eine Verbreitung des Virus gesichert ausgeschlossen.
Soweit die Eltern der Antragstellerin eine Ungleichbehandlung darin sehen, dass in der Vergangenheit zum Beispiel Fußballspieler und deren Kontaktpersonen trotz eines ursprünglich positiven Testergebnisses nach einem negativen Test nicht bzw. nicht weiter unter Quarantäne gestellt wurden, so hat das Gericht hinsichtlich der genannten Fallkonstellationen keine Detailkenntnisse, die aber notwendig wären, um daraus belastbare rechtliche Schlüsse ziehen zu können. Nach den bisherigen Erkenntnissen sind die sog. PCRoTests extrem zuverlässig. Ein falsch positives Testergebnis ist daher sehr unwahrscheinlich. Aufgrund des Funktionsprinzips von PCRoTests und hohen Qualitätsanforderungen liegt die analytische Spezifität bei korrekter Durchführung und Bewertung bei nahezu 100%. Im Rahmen von qualitätssichernden Maßnahmen nehmen diagnostische Labore an Ringversuchen teil. Die bisher erhobenen Ergebnisse spiegeln die sehr gute Testdurchführung in deutschen Laboren wider (siehe www.instandoev.de). Die Herausgabe eines klinischen Befundes unterliegt einer fachkundigen Validierung und schließt im klinischen Setting Anamnese und Differentialdiagnosen ein. In der Regel werden nicht plausible Befunde in der Praxis durch Testwiederholung oder durch zusätzliche Testverfahren bestätigt bzw. verworfen (siehe auch: www.rki.de/covido19odiagnostik). Bei korrekter Durchführung der Teste und fachkundiger Beurteilung der Ergebnisse geht das RKI demnach von einer sehr geringen Zahl falsch positiver Befunde aus, die die Einschätzung der Lage nicht verfälscht (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Diagnostik.html). Zum anderen würde aber selbst dann, wenn eine Quarantäneanordnung in den genannten Fällen zu Unrecht unterblieben wäre, die Antragstellerin ihrerseits keinen Anspruch daraus ableiten können. Denn es gibt keine Gleichheit im Unrecht.
Die durch die Quarantäneverpflichtung zwangsweise eintretenden Einschränkungen der Grundrechte der Antragstellerin und ihrer Eltern sind voraussichtlich auch in Abwägung mit den Grundrechten der Allgemeinheit angemessen. Das Coronavirus stellt eine ernste Bedrohung für Leben und Gesundheit einzelner, insbesondere älterer und kranker Menschen, sowie auch für das Gesundheitssystem und die medizinische Versorgung als Ganzes dar. In der Abwägung der privaten Interessen der Antragstellerin mit den Interessen der Allgemeinheit an einer effektiven Eindämmung des Virus ist den Interessen der Allgemeinheit im konkreten Fall der Vorrang einzuräumen. Die vergleichsweise geringen Einschränkungen der Grundrechte des Einzelnen durch die Allgemeinverfügung sind verhältnismäßig.
d) Selbst wann man die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache zu erhebenden Klage als offen einstufen würde, führt eine Folgenabwägung gerade vor dem Hintergrund der aktuell exponentiell steigenden Infektionszahlen zu einem Überwiegen des Gesundheitsschutzes für dritte Personen gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an einer Verschonung von der vorübergehenden Quarantäne.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abrufbar auf der Homepage des BVerwG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben