Medizinrecht

Beihilfe, Komplexbehandlung, Stationäre Krankenhausbehandlung, Begrenzung auf durchschnittliche Verweildauer, Kein Verstoß gegen höherrangiges Recht

Aktenzeichen  24 B 20.1990

Datum:
11.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8486
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV §§ 20, 28

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 18 K 18.1855 2019-11-14 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.706,11 Euro festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Gewährung von weiteren Beihilfeleistungen in Höhe von 2.706,11 Euro.
Sie befand sich vom 21. November bis 20. Dezember 2017 aufgrund einer Brustkrebserkrankung in stationärer Behandlung in der Hufeland Klinik für ganzheitliche immunbiologische Therapie (im Folgenden: Klinik). Die Klinik stellte der Klägerin für den Aufenthalt mit Rechnung vom 20. Dezember 2017 für 29 Tage mit einem Tagessatz von 285,- Euro einen Betrag in Höhe von 8.265,- Euro in Rechnung. Als Diagnose nannte die Klinik „C50.9“. Aus dem von einem Facharzt für Innere Medizin unterzeichneten Entlassungsbericht vom 9. Januar 2018 ergibt sich, dass der Klägerin im Rahmen eines Gesamtkonzepts unter anderem Eigenbluttherapie, Infusionen mit Vitaminen (hochdosiertes Vitamin C, B-Vitamine), Selen, Magnesium, Ornithinaspartat, pflanzliche Immunstimulantien und Homöopathica verabreicht worden seien und sie zur Verbesserung der psychovegetativen Reaktionslage Heilstromdurchflutungen von Leber und Milz, Biofeedback, Brainlightbehandlungen, Pneumatronbehandlungen, Fußreflexzonenmassagen, Kneippgüsse, Nordic Walking und manuelle Lymphdrainagen sowie zur Stimulation des Immunsystems eine aktive Heilfieberbehandlung erhalten habe. In der Patientenakte befindet sich eine Art Behandlungsübersicht, mit der die einzelnen Behandlungen mit einem Kürzel bestätigt werden. Daraus ergibt sich nicht, über welche Qualifikation der behandelnde Arzt (wohl M. Altenmüller) verfügt. Dass die Klägerin manuelle Lymphdrainagen und Nordic Walking erhalten hat, lässt sich der Übersicht nicht entnehmen, obwohl Nordic Walking im Therapieplan mit 2x wöchentlich angegeben ist. In der Motivationsabfrage für Erstbehandlungen hat die Klägerin angekreuzt, sie sei durch eine Heilpraktikerin oder einen Heilpraktiker auf die Klinik aufmerksam geworden und erwarte eine umfassende biologische Therapie mit allen Möglichkeiten.
Mit Bescheid vom 10. Januar 2018 setzte der Beklagte hinsichtlich dieser Rechnung eine zu erstattende Beihilfe in Höhe von 1.254,44 Euro fest. Im Widerspruchsverfahren holte der Beklagte eine Stellungnahme von Dr. med. D. Tokarski – Fachärztin für Chirurgie u.a. ein. Danach sei in den Unterlagen eine „Naturheilkundliche und anthroposophisch-medizinische Komplexbehandlung“ mit dem OPS 8-975.3 beschrieben, die ein krankenhausindividuelles vereinbartes Zusatzentgelt ausgelöst habe. Die Klinik müsse mitteilen, wie hoch das Zusatzentgelt sei, das dann noch zusätzlich zu zahlen sei. Mit Bescheid vom 21. August 2018 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Für die allgemeine Krankenhausleistung könne ein Betrag von 2.508,87 Euro angesetzt werden. Davon seien 50% erstattungsfähig.
Die gegen den Bescheid vom 10. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2018 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 14. November 2019 abgewiesen. § 20 BayBhV sei nicht anwendbar, da es sich nicht um eine Komplexleistung i.S.d. Vorschrift gehandelt habe. Im Übrigen seien die Aufwendungen nicht angemessen. Nach der zum Zeitpunkt der Leistungserbringung gültigen Beihilfeverordnung seien für stationäre Krankenhausbehandlungen in Privatkliniken nur die Kosten für die jeweilige mittlere Verweildauer zu erstatten. Unter Zugrundelegung dieser Vorschriften sei die Erstattung zutreffend berechnet worden. Es sei nicht ersichtlich, dass § 28 BayBhV gegen höherrangiges Recht verstoße.
Mit ihrer vom zuvor zuständigen 14. Senat wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend, § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV in der zum Zeitpunkt der Leistungserbringung geltenden Fassung stehe mit Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 BV und Art. 33 Abs. 5 GG nicht in Einklang. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Aufwendungen für Behandlungen in Privatkrankenhäusern auf die Höhe der Aufwendungen in nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser beschränkt würden. Hier werde allerdings mit der Begrenzung auf die durchschnittliche Verweildauer wesentlich weniger ersetzt, als bei einer Behandlung in einem anderen Krankenhaus. Dafür gebe es keinen sachlichen Grund. Dies führe zu einer ungerechtfertigten Schlechterstellung der Klägerin und widerspreche der Pflicht aus Art. 96 BayBG, die angemessenen Kosten einer Krankenbehandlung zu erstatten. Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2021 teilte die Klägerin auf Nachfrage mit, es sei bei ihr keine Komplextherapie durchgeführt worden. Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2021 legte sie einen Patientenplan vor und führte aus, es hätten doch Komplexleistungen stattgefunden. Zuletzt machte sie geltend, die Klinik sei nicht bereit, zu bestätigen, dass eine Komplexbehandlung stattgefunden habe, sondern verweise auf den Entlassungsbericht. Daraus ergebe sich, dass die Voraussetzungen des OPS 8-975.3 erfüllt seien. Auch die Beratungsärztin sei davon ausgegangen, dass eine solche Komplexbehandlung stattgefunden habe. Es sei mit dem Untersuchungsgrundsatz unvereinbar, wenn die Berufung nur deshalb als unbegründet zurückgewiesen werde, weil die Klägerin eine vom Gericht geforderte Bestätigung nicht vorlegen könne. Es müsse die hier bereits mit der Materie befasste Belegärztin als Zeugin vernommen werden. Für das Vorliegen einer Komplexbehandlung dürfe es nicht darauf ankommen, ob eine solche ausdrücklich genannt werde oder der OPS 8-975.3 in der Rechnung aufgeführt sei. Die private Krankenversicherung habe den Rechnungsbetrag im vereinbarten Versicherungsumfang übernommen. Auch aus der vorgelegten Patientenakte ergebe sich eine solche Behandlung.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. November 2019 und unter teilweiser Aufhebung des Beihilfebescheids vom 10. Januar 2018 in Form des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2018 weitere Beihilfe in Höhe von 2.706,11 Euro zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
§ 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV in der zum Zeitpunkt der Leistungserbringung gültigen Fassung und der darin enthaltenen Begrenzung auf die mittlere Verweildauer sei weder mit dem Recht auf Gleichbehandlung noch mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn unvereinbar und daher anzuwenden. Zur Abmilderung der Deckelung werde anstelle des Landesbasisfallwerts auf den höheren Bundesbasisfallwert und dabei auch noch auf die obere Korridorgrenze abgestellt. Es sei auch nicht ersichtlich, dass im vorliegenden Fall medizinisch notwendige Maßnahmen ausschließlich in einer Privatklinik hätten durchgeführt werden können.
Eine Komplextherapie sei nicht abgerechnet worden. Beihilfe werde nur für tatsächlich entstandene Aufwendungen gewährt. Maßgeblich sei dafür, was seitens des Krankenhauses in Rechnung gestellt werde. Anhaltspunkte dafür, dass eine anthroposophisch-medizinische Komplexbehandlung durchgeführt worden sei, seien der Rechnung nicht zu entnehmen. Auch dass die Beratungsärztin von einer solchen Behandlung ausgegangen sei, führe zu keinem anderen Ergebnis, denn den vorgelegten Unterlagen lasse sich nicht entnehmen, ob die durchgeführte Behandlung der OPS 8-975.3 entspreche. Die Abrechnung einer vollstationären Komplextherapie setze darüber hinaus eine Einheit zwischen klinisch stationärer Behandlung und Rehabilitationsmaßnahme voraus. Hier sei die Klägerin aber lediglich zur akut-stationären Behandlung aufgenommen worden. Zudem fehle es an Vereinbarungen mit den gesetzlichen Krankenkassen oder den Rentenversicherungsträgern bzw. Verträgen nach § 7 Abs. 3 BayBhV. Auch bei einer entsprechenden Behandlung in einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus ergäbe sich kein höherer Beihilfeanspruch, da eine anthroposophisch-medizinische Komplexbehandlung dort nicht gesondert berechnet werden könne. Es bestehe lediglich die Möglichkeit über einen OPS-Code ein Zusatzentgelt (hier: ZE2017-26) auszulösen. Das Zusatzentgelt bemesse sich nach der krankenhausindividuell vereinbarten Entgelthöhe. Eine solche Vereinbarung sei hier nicht vorhanden. Selbst bei Berücksichtigung des OPS-Code 8-975.3 bei der Groupierung ergäbe sich hier aber auch kein anderes Ergebnis.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Der Senat konnte nach § 130a VwGO durch Beschluss entscheiden, da er die Berufung einstimmig für unbegründet hält und die Beteiligten dazu angehört worden sind. Einwände gegen eine solche Vorgehensweise wurden nicht erhoben.
2. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen, da das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Der Klägerin steht kein Anspruch auf weitere Beihilfeleistungen zu. Der Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Klägerin ist nach Art. 96 Abs. 1, Abs. 5 des Bayerischen Beamtengesetzes in der Fassung vom 29. Juli 2008 (BayBG, GVBl S. 500), zum Zeitpunkt der Leistungserbringung zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2017 (GVBl S. 362) und § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen vom 2. Januar 2007 (Bayerische Beihilfeverordnung – BayBhV, GVBl S. 15), zum Zeitpunkt der Leistungserbringung zuletzt geändert durch Verordnung vom 24. Juli 2017 (GVBl S. 794) beihilfeberechtigt, es stehen ihr aber keine weiteren Leistungen nach Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG i.V.m. §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 20, 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 29 Abs. 1 Nr. 3 BayBhV zu.
2.1 Der Klägerin können keine weiteren Beihilfeleistungen zur Erstattung einer stationären Komplextherapie nach § 20 BayBhV gewährt werden, denn eine solche Komplexbehandlung ist ihr gegenüber von der Klinik nicht erbracht worden.
Nach § 20 BayBhV sind Aufwendungen für Leistungen nach §§ 8 bis 12 und 19 BayBhV, die in Form von ambulanten oder voll- oder teilstationären Komplextherapien erbracht und pauschal berechnet werden, abweichend von § 7 Abs. 1 und § 19 BayBhV unter den Voraussetzungen und bis zur Höhe der Vergütungen, die von gesetzlichen Krankenkassen oder Rentenversicherungsträgern auf Grund entsprechender Vereinbarungen auf Bundes- oder Landesebene für medizinische Leistungen oder auf Grund von Vereinbarungen und Verträgen im Sinn des § 7 Abs. 3 BayBhV zu tragen sind, beihilfefähig. Eine Komplextherapie wird dabei von einem berufsgruppenübergreifenden Team von Therapeuten erbracht. Diesem müssen auch Ärztinnen bzw. Ärzte, Psychotherapeutinnen bzw. Psychotherapeuten oder Angehörige von Gesundheits- und Medizinalfachberufen im Sinn von § 19 Abs. 1 Satz 3 BayBhV angehören (§ 20 Satz 2 BayBhV). Nach Nr. 1 Satz 1 der Verwaltungsvorschriften zu § 20 BayBhV vom 26. Juli 2007 (VV-BayBhV, Az. 25 – P 1820 – 1075 – 26 929/07) sind Komplextherapien fachgebietsübergreifende Behandlungen eines einheitlichen Krankheitsbildes, die gemeinsam durch ärztliches und ggf. nichtärztliches Personal durchgeführt werden. Die Beteiligung einer Ärztin bzw. eines Arztes muss dabei sichergestellt werden. Zu den Komplextherapien gehören nach Nr. 1 Satz 3 VV-BayBhV zu § 20 u. a. Asthmaschulungen, ambulante Entwöhnungstherapien, ambulante Tinnitustherapien (Pauschalabrechnung), ambulante Chemotherapien nach dem Braunschweiger Modell, ambulante kardiologische Therapien und Diabetikerschulungen. Eine stationäre Komplextherapie liegt nach Nr. 3 VV-BayBhV zu § 20 vor, wenn eine Einheit zwischen klinisch stationärer Behandlung und Rehabilitationsmaßnahme besteht. Ob es sich bei den erbrachten Leistungen tatsächlich um eine erstattungsfähige Komplextherapie handelt, ist dabei unter Berücksichtigung der Vorgaben des jeweils anwendbaren Operationen- und Prozedurenschlüssels – Internationale Klassifikation der Prozeduren in der Medizin (OPS, hier: Version 2017, veröffentlicht unter https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/ops/kode-suche/opshtml2017/) anhand vom Beihilfeberechtigten vorzulegenden aussagekräftigen Unterlagen über die durchgeführte Behandlung zu ermitteln.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die Patientenakte vorgelegt, die Therapiepläne für die Zeit ihres Krankenhausaufenthalts, einen Abschlussbericht vom 9. Januar 2018, einen Verlängerungsantrag der Klinik vom 5. Dezember 2017, eine Übersicht von ICD-10-Codes vom 11. Dezember 2017 und weitere Unterlagen enthält. Zudem ist eine Stellungnahme der Beratungsärztin in der Beihilfeakte. Aus allen diesen Unterlagen ergibt sich nicht, dass bei der Klägerin eine Komplextherapie stattgefunden hat, deren Kosten vom Beklagten erstattet werden müssten.
Es kommt daher auf die aufgeworfenen Fragen, in welchem Umfang die Kosten für eine stationäre Komplextherapie während eines stationären Krankenhausaufenthalts in einer Privatklinik erstattet werden können, nicht entscheidungserheblich an. Es spricht jedoch manches dafür, dass die in § 20 BayBhV ausdrücklich als erstattungsfähig genannten teilstationären oder stationären Komplextherapien nicht den Beschränkungen des § 28 BayBhV unterliegen, solange sie Nr. 3 der VV-BayBhV § 20 entsprechen. Käme nur eine Erstattung nach § 28 BayBhV in Betracht, wäre nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen in § 20 BayBhV unter bestimmten Voraussetzungen eine Erstattungsfähigkeit für stationäre Komplextherapien festgelegt worden ist.
2.1.1 Es hat bei der Klägerin keine stationäre „anthroposophisch-medizinische Komplextherapie“ gemäß OPS-Code 8-975.3 stattgefunden, denn die behandelnde Klinik arbeitet nicht nach anthroposophischen Gesichtspunkten. Die anthroposophische Medizin ist eine ganzheitliche komplementärmedizinische Richtung auf der Grundlage der Anthroposophie Rudolf Steiners (1861-1925) und ist in Deutschland als eine besondere Therapierichtung im Sinne des Sozialgesetzbuches und des Arzneimittelgesetzes anerkannt. Dabei können Ärztinnen und Ärzte die Zusatzqualifikation zum Anthroposophischen Arzt/Ärztin absolvieren (vgl. insgesamt zur anthroposophischen Medizin den Internetauftritt des „Dachverbands Anthroposophische Medizin in Deutschland“ unter www.damid.de). Eine stationäre „anthroposophisch-medizinische Komplextherapie“ kann nach Ansicht des Senats deshalb nur in einer Einrichtung erbracht werden, die nach anthroposophischen Grundsätzen arbeitet, und kann nicht als eine Art Auffangtatbestand für vermeintliche Komplextherapien angesehen werden, bei denen die Voraussetzungen anderer OPS-Codes, z.B. der Nrn. 8-975.2 oder 8-974, nicht einschlägig sind.
Dieses Ergebnis wird auch durch die Systematik der genannten OPS-Codes gestützt. In den OPS-Codes 8-975.2 oder 8-974 wird im Gegensatz zur „anthroposophisch-medizinischen Komplextherapie“ jeweils die Leitung der Therapie durch einen speziellen Facharzt oder eine spezielle Fachärztin gefordert. Daran lässt sich erkennen, dass eine Komplextherapie hohen Anforderungen an die medizinische Leitung und Koordination genügen muss. Dies erscheint darüber hinaus auch deshalb erforderlich, da die Leistungen der §§ 8 bis 12 und 19 BayBhV regelmäßig nur erstattungsfähig sind, wenn sie auf ärztliche Anordnung hin erbracht werden. Es ist daher auch im Rahmen einer Komplextherapie erforderlich, dass ein für die spezielle Komplexbehandlung ausreichend qualifizierter Arzt die Behandlung mit den übrigen Leistungserbringern ausarbeitet, überwacht und koordiniert. Es kann deshalb nicht angenommen werden, dass bei einer „anthroposophisch-medizinischen Komplextherapie“ die Anforderungen wesentlich geringer wären und diese praktisch unter der Leitung eines jeden Arztes erfolgen könnte. Die Beschreibung im OPS-Code 8-975.3 muss demgegenüber so verstanden werden, dass jedenfalls eine stationäre „anthroposophisch-medizinische Komplextherapie“ nur in einer Einrichtung erbracht werden kann, die nach anthroposophischen Grundsätzen arbeitet und es sich damit von selbst versteht, dass dort auch Ärztinnen und Ärzte mit der Zusatzqualifikation zum anthroposophischen Arzt/Ärztin tätig sind und damit eine medizinische Leitung und Koordination unter den Gesichtspunkten der anthroposophischen Medizin erfolgt.
Um eine solche Einrichtung handelt es sich bei der Hufeland Klinik unstreitig nicht. Weder gehört sie zu einem der anthroposophischen Krankenhäuser in Deutschland (s. dazu www.anthro-kliniken.de) noch wird im Internetauftritt der Klinik oder in den von der Klägerin vorgelegten Behandlungsunterlagen in irgendeiner Art und Weise auf eine anthroposophische Ausrichtung der Klinik hingewiesen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass dort nach anthroposophischen Grundsätzen gearbeitet wird. Eine stationäre „anthroposophisch-medizinische Komplextherapie“ kann in dieser Klinik deshalb nicht erbracht werden. Dass ggf. teilweise Therapien angewendet worden sind, die sich im OPS-Code 8-975.3 wiederfinden und die aus der anthroposophischen Medizin stammen, führt nicht dazu, dass die gesamte Behandlung als „anthroposophisch-medizinische Komplextherapie“ angesehen werden müsste.
Es braucht daher der Frage nicht weiter nachgegangen werden, ob nach Anlage 2 zur BayBhV ausgeschlossene Leistungen bei der Beurteilung, ob eine „anthroposophisch-medizinische Komplextherapie“ vorliegt, zu berücksichtigen sind oder nicht.
2.1.2 Ebenso ist nicht ersichtlich, dass bei der Klägerin eine „naturheilkundliche Komplextherapie“ nach OPS-Code 8-975.2 oder eine „Komplextherapie bei chronischer Erkrankung“ nach OPS-Code 8-974.2 durchgeführt worden ist. Dafür wäre es erforderlich, dass ein entsprechender Facharzt oder eine entsprechende Fachärztin die Therapie geleitet hat. Dafür ist nichts ersichtlich. Weder hat die Klinik in ihrer Rechnung eine solche Therapie abgerechnet noch ist im Verlängerungsantrag oder Entlassbericht von einer solchen Therapie die Rede. Auch den vorgelegten Behandlungsunterlagen lässt sich nichts dafür entnehmen, dass die Voraussetzungen dieser OPS-Codes erfüllt sind. Zwar steht unter dem Entlassbericht auch der Namen eines Facharztes für Naturheilkunde. Es fehlt jedoch eine Unterschrift und dieser Arzt war nach den vorgelegten Unterlagen auch nicht in die Behandlung der Klägerin eingebunden. Die Klinik ist offensichtlich auch im Nachgang nicht bereit, zu bestätigen, dass eine Komplextherapie stattgefunden hat. Es spricht daher alles dafür, dass eine solche auch nicht erbracht worden ist.
2.1.3 Soweit die Klägerin geltend macht, der Senat müsse den Sachverhalt weiter aufklären und eine „Belegärztin“ als Zeugin vernehmen, kann dies ihrer Berufung nicht zum Erfolg verhelfen, denn es ist schon nicht ersichtlich, wer mit der Bezeichnung „Belegärztin“ gemeint sein soll und welche Tatsache durch deren Einvernahme bewiesen werden soll. Ein Zeugenbeweis wird nach § 98 VwGO i.V.m. § 373 ZPO durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über die die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten. Der Antrag muss dabei den Zeugen namentlich benennen und eine ladungsfähige Anschrift (s. § 377 ZPO) angeben (vgl. Damrau/Weinland in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 373 Rn. 20). Ein hinreichend substantiierter Beweisantrag setzt zudem voraus, dass er sich auf eine konkrete und individualisierte Tatsache bezieht und das bezeichnete Beweismittel muss – abstrakt – geeignet sein, für den entsprechenden Umstand Beweis zu erbringen. Das erfordert etwa bei einem angebotenen Zeugenbeweis, dass in nachvollziehbarer Weise dargelegt wird, weshalb die betreffende Person Kenntnis von der in ihr Wissen gestellten Tatsache haben kann (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 55). Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Klägerin die Beratungsärztin Dr. T. als Zeugin anbieten möchte, ist weder dargelegt noch ersichtlich, welche Tatsachen die Zeugin bestätigen soll. Die Beratungsärztin war an der Behandlung nicht beteiligt und hat nur die ihr übersandten Unterlagen ausgewertet.
Es war auch nicht von Amts wegen weiter aufzuklären, ob bei der Klägerin eine stationäre Komplextherapie erbracht worden ist. In tatsächlicher Hinsicht sind Aufklärungsmaßnahmen im Rahmen der Amtsermittlungspflicht in der Regel nur dann veranlasst, wenn sich diese nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen (vgl. Schübel-Pfister a.a.O. Rn. 33). Aus den vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass eine Komplexbehandlung i.S.d. § 20 BayBhV stattgefunden hat. Solche hat die Klägerin auch nicht aufgezeigt, sondern mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2021 selbst vorgetragen, es habe keine Komplexbehandlung stattgefunden. Dann wurde zwar noch die Patientenakte und der Entlassbericht vorgelegt, es wurde jedoch nicht konkret dargelegt, woraus sich ergeben soll, dass mit der durchgeführten Behandlung die Anforderungen des OPS-Codes 8-975.3 oder eines anderen OPS-Codes erfüllt seien.
2.2 Die für die Behandlung der Klägerin angefallenen Kosten können auch nicht als Kosten für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nach § 29 BayBhV erstattet werden (vgl. BVerwG, U.v. 16.7.2020 a.a.O. Rn. 19), denn die Voraussetzungen dafür liegen nicht vor. Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit von Kosten für Rehabilitationsmaßnahmen in sonstigen Rehabilitationseinrichtungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BayBhV ist nach § 29 Abs. 5 Satz 3 BayBhV, dass es sich nicht um eine Anschlussheilbehandlung handelt und nach einem begründeten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachten die Art und Schwere der Erkrankung die stationäre Behandlung und die vorgesehene Dauer medizinisch notwendig macht und ambulante Behandlungen oder eine Kur nicht ausreichend sind. Ein solches Gutachten liegt hier nicht vor und es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin ein solches Gutachten vor Antritt des Krankenhausbesuchs hat erstellen lassen.
2.3 Der Klägerin stehen auch keine weiteren Leistungen auf Grundlage des § 28 BayBhV zu. Die Erstattung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV ist auf die mittlere Verweildauer beschränkt und bei Anwendung dieser Beschränkung ergibt sich kein höherer Erstattungsbetrag. Dies hat die Klägerin nicht bestritten, sondern nur geltend gemacht, die Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV in der zum Zeitpunkt der Behandlung geltenden Fassung sei verfassungswidrig.
Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV verstößt nicht gegen höherrangiges Recht und ist deshalb anzuwenden. Der Senat schließt sich diesbezüglich der Rechtsprechung des 14. Senats zur Fassung des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV vom 1. Oktober 2014 (vgl. BayVGH, U.v. 22.2.2019 – 14 BV 17.1251 – juris) und zu § 26 Abs. 2 Satz 1 BBhV in der Fassung vom 20. September 2012 (vgl. BayVGH, U.v. 25.2.2019 – 14 B 17.2493 – juris) an.
2.3.1 § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV verletzt nicht Art. 33 Abs. 5 GG. Danach ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln. Die Beihilfe gehört dabei aber nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (BVerfG, B.v. 7.11.2020 – 2 BvR 1053/98 – BVerfGE 106, 225/232) und auch die zu den hergebrachten Grundsätzen gehörende Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebietet keine lückenlose Erstattung aller Aufwendungen (BVerfG a.a.O. S. 233). Der Dienstherr ist insbesondere nicht verpflichtet, die Beihilfevorschriften so auszugestalten, dass die Wahl des Krankenhauses für den Beamten immer wirtschaftlich neutral ausfällt (vgl. BayVGH, U.v. 25.2.2019 a.a.O. Rn. 54). Nur wenn es sich um eine medizinisch notwendige Maßnahme handeln würde, die ausschließlich in einer Privatklinik erbracht werden kann, wäre eine Deckelung möglicherweise unzulässig (vgl. BayVGH a.a.O. Rn. 55). Dass es sich bei der von der Klägerin in Anspruch genommenen Behandlung um eine solche Maßnahme handeln könnte, ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, sondern die durchgeführten Behandlungen können grundsätzlich auch ambulant erbracht werden.
2.3.2 Auch der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG steht einer Deckelung der von Privatkliniken in Rechnung gestellten Kosten im Rahmen der Beihilfe nicht entgegen (vgl. BayVGH, U.v. 25.2.2019 a.a.O. Rn. 56 ff.). Im Beihilferecht ist bei der Prüfung des Gleichheitssatzes auch die Fürsorgepflicht in ihrem Kernbereich zu beachten (BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 5 C 3.12 – ZBR 2013, 249 Rn. 29), wobei aber bereits sachliche Gründe ausreichen können, um einen Ausschluss von Leistungen zu rechtfertigen (BVerwG, U.v. 13.12.2012 a.a.O. Rn. 30 ff.).
So liegt es hier. Der Beklagte hat vornehmlich Aspekte der Verwaltungsvereinfachung geltend gemacht (BayVGH, U.v. 22.2.2019 – 14 BV 17.1251 – juris Rn. 33). Diese Motive sind im Ausgangspunkt angesichts der Komplexität sowohl des DRG-Fallpauschalensystems als auch des Pflegesatzsystems nach der Bundespflegesatzverordnung legitim. Denn Privatkliniken sind gerade nicht verpflichtet, Leistungsdokumentationen und entsprechende Klassifikationen nach diesen Systemen vorzunehmen, was dazu führt, dass „hypothetische“ Vergleichsüberlegungen für die Festsetzungsstellen nicht nur mit erheblichem Verwaltungsaufwand, sondern auch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sein können. Demgegenüber bleibt bei Krankenhäusern i.S.v. § 28 Abs. 1 BayBhV diese Klassifikation und Dokumentation eben diesen Krankenhäusern überlassen. Darin liegt ein sachlicher Differenzierungsgrund für die – mit der in § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV vorgesehenen Pauschalierung und Deckelung einhergehende – Ungleichbehandlung solcher Beihilfeberechtigter, die sich in nicht unter § 28 Abs. 1 BBhV fallenden Privatkliniken behandeln lassen.
Diese Ungleichbehandlung erscheint dabei im Ergebnis hinreichend sachlich gerechtfertigt, wobei mehrere Aspekte ineinandergreifen. Zum einen bleibt den Beihilfeberechtigten stets die Möglichkeit, durch Wahl eines Krankenhauses i.S.v. § 28 Abs. 1 BayBhV die pauschalierende Deckelungsregelung des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV zu vermeiden. Knüpft eine Ungleichbehandlung an freiwillige Entscheidungen der Betroffenen an, spricht dies für einen entsprechenden normgeberischen Spielraum (vgl. BVerwG, U.v. 17.4.2014 – 5 C 40.13 – BVerwGE 149, 279 Rn. 11). Dabei ist unter spezifisch gleichheitsbezogenem Blickwinkel zu berücksichtigen, dass § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV nicht die Erstattung von Aufwendungen für eine stationäre medizinische Leistung als solche ausschließt (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 5 C 3.12 – ZBR 2013, 249 Rn. 13 ff.), sondern lediglich einen Teil des Spektrums möglicher Anbieter solcher Leistungen für Beihilfeberechtigte unattraktiver macht. Denn im Bereich der Krankenhäuser i.S.v. § 28 Abs. 1 BayBhV findet anders als bei Privatkliniken keine Deckelung statt. Außerdem geht es selbst bei den nicht unter § 28 Abs. 1 BayBhV fallenden Privatkliniken nicht um einen kompletten Ausschluss, sondern nur um eine Deckelung der Beihilfefähigkeit. Damit wird die im Beihilfesystem angelegte Sachgesetzlichkeit, dass notwendige und angemessene Aufwendungen beihilfefähig sind (BVerwG, U.v. 17.4.2014 – 5 C 40.13 – BVerwGE 149, 279 Rn. 11 a.E.), nicht verlassen. Außerdem wird für diejenigen Beihilfeberechtigten, die sich gleichwohl für eine Privatklinik entscheiden, die mit § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV verbundene Deckelung durch den Beihilfeverordnungsgeber gemildert. Zu berücksichtigen ist, dass gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV nicht bloß der bundesweit einheitliche Basisfallwert im Sinne der Vereinbarung gemäß § 10 Abs. 9 Satz 1 KHEntgG, sondern die obere Korridorgrenze des bundesweit einheitlichen Basisfallwertkorridors (vgl. § 10 Abs. 9 Satz 1 und 5 KHEntgG) anzuwenden ist, worin eine zugunsten der Beihilfeberechtigten wirkende Pauschalierung zu sehen ist.
3. Daher war die Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 und § 63 Abs. 2 GKG.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.


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