Medizinrecht

Beihilfe zu Aufwendungen der Ehefrau für zahnärztliche Versorgung – Gleichwertigkeit von Beihilfeansprüchen

Aktenzeichen  B 5 K 15.843

Datum:
14.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG BayBG Art. 96 Abs. 2
BayBhV BayBhV § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 5 Abs. 3 S. 2, Abs. 5 S. 1, § 6 Abs. 1 S. 2, S. 3, § 8 S. 1, §§ 14 ff.
GKG GKG § 52 Abs. 3 S. 1
VwGO VwGO § 88, § 101 Abs. 2, § 154 Abs. 1, § 167 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
ZPO ZPO § 708 Nr. 11

 

Leitsatz

Der tarifrechtlich eingeräumte „eigene Beihilfeanspruch“ der Ehefrau eines Beamten gegen die Bayerische Beamtenkrankenkasse (BBK) ist hinsichtlich der Zahnarztleistungen kein dem beamtenrechtlichen Beihilfeanspruch für berücksichtigungsfähige Angehörige gleichwertiger Anspruch (§ 5 Abs. 5 S. 1 BayBhV), da er sich nur im Rahmen der von der gesetzlichen Krankenkasse anzuerkennenden Aufwendungen bewegt. (Rn. 18 – 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Beihilfeantrag des Klägers vom 15.06.2015 bezüglich der dort geltend gemachten Aufwendungen seiner Ehefrau unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Der Beihilfebescheid vom 24.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2015 wird insoweit aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht konnte aufgrund der Einverständniserklärungen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Auslegung des Klagebegehrens (§ 88 VwGO) ergibt, dass sich der Kläger nur insoweit gegen den streitgegenständlichen Bescheid wenden will, als mit diesem Beihilfeleistungen für seine Ehefrau für die eingereichte Zahnarztrechnung vom 27.05.2015 abgelehnt werden. Nur hierauf bezieht sich die Klagebegründung. Im Übrigen wurde dem Beihilfeantrag des Klägers auch entsprochen, so dass auch insoweit für den Kläger kein Anlass besteht, sich gegen den streitgegenständlichen Beihilfebescheid zur Wehr zu setzen.
Die so verstandene, zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf Beihilfeleistungen zu den streitgegenständlichen Aufwendungen seiner Ehefrau. Der angefochtene Beihilfebescheid war daher insoweit aufzuheben und der Beklagte zur erneuten Verbescheidung des diesbezüglichen Antrags des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 VwGO).
1. Nach Art. 96 Abs. 1, Abs. 5 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) i.V.m. den Vorschriften der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV) werden Beihilfen zu den beihilfefähigen Aufwendungen der beihilfeberechtigten Personen selbst und ihrer Angehörigen gewährt.
a) Der Kläger ist als Beamter gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BayBhV beihilfeberechtigt. Seine Ehefrau ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BayBhV eine berücksichtigungsfähige Angehörige.
b) Die Berücksichtigungsfähigkeit der Ehefrau des Klägers entfällt nicht aufgrund von § 5 Abs. 3 Satz 2 BayBhV. Nach dieser Bestimmung geht die Beihilfeberechtigung nach anderen als beamtenrechtlichen Vorschriften der Berücksichtigungsfähigkeit als Angehöriger vor. Eine solche Beihilfeberechtigung nach anderen als beamtenrechtlichen Vorschriften i.S.d. § 5 Abs. 3 Satz 2 BayBhV liegt aber im Falle der Ehefrau des Klägers nicht vor.
aa) Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 BayBhV ist eine Beihilfeberechtigung nach anderen als beamtenrechtlichen Vorschriften gegeben, wenn ein Anspruch auf Beihilfen auf Grund privatrechtlicher Rechtsbeziehungen nach einer dieser Verordnung im Wesentlichen vergleichbaren Regelung besteht. Dies beurteilt sich anhand eines wertenden Vergleichs der Rechtspositionen zwischen den Ansprüchen aus der Beihilfeberechtigung des Angehörigen einerseits und den Ansprüchen des Beamten aus der Beihilfeberechtigung für Aufwendungen eines Angehörigen andererseits. Zu vergleichen sind Voraussetzungen, Umfang sowie die Art der jeweiligen Beihilfeberechtigung. Unerheblich ist, ob die im konkreten Einzelfall zu beanspruchenden Beträge gleich groß sind (vgl. BVerwG, U.v. 17.6.2004 – Az. 2 C 50/02 – juris, Rn. 24 m.w.N.).
bb) Gemessen an diesen Kriterien handelt es sich bei dem tarifrechtlich eingeräumten „eigenen Beihilfeanspruch“ der Ehefrau des Klägers gegenüber der BBK nicht um einen insgesamt gleichwertigen Anspruch zu dem Beihilfeanspruch, welchen der Kläger für seine Ehefrau gegenüber dem Beklagten hat.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass es an der Gleichwertigkeit unterschiedlicher Beihilfeberechtigungen mangelt, wenn eine wesentliche Aufwendungsart von der konkurrierenden Beihilferegelung generell ausgeschlossen wird, indem der grundsätzlich Beihilfeberechtigte allein auf die ihm zustehenden Sachleistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung verwiesen wird (BVerwG, U.v. 17.12.1981 – Az. 2 C 15/81 – juris, Rn. 11, 14 m.w.N.).
Bei Zahnarztleistungen handelt es sich um eine wesentliche Aufwendungsart im Sinne der BayBhV. Nach § 8 Satz 1 BayBhV sind aus Anlass einer Krankheit die Aufwendungen für ärztliche Leistungen und Heilpraktikerleistungen (Nr. 1), für ambulante psychotherapeutische Leistungen mittels wissenschaftlich anerkannter Verfahren nach den Abschnitten B und G des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen der GOÄ nach Maßgabe der §§ 9 bis 13 (Nr. 2) und zahnärztliche und kieferorthopädische Leistungen nach Maßgabe der §§ 14 bis 17 (Nr. 3) beihilfefähig. Daraus folgt, dass die BayBhV Aufwendungen für Zahnarztleistungen – neben den Aufwendungen für Arztleistungen und psychotherapeutischen Leistungen – als eine dritte, eigene und wesentliche Aufwendungsart ansieht, für deren Beihilfefähigkeit auch in den §§ 14 bis 17 BayBhV ein eigenes Regelungsregime besteht.
Der Beihilfeanspruch der Ehefrau des Klägers bezüglich Zahnarztleistungen, den sie auf Grund des für sie geltenden Tarifvertrags gegen die BBK hat, kann nicht als im Wesentlichen gleichwertig mit dem Leistungsumfang angesehen werden, den der Kläger gegen den Beklagten als Beihilfeanspruch bezüglich Aufwendungen für Zahnarztleistungen seiner Ehefrau hat. Denn ausweislich des auf der Abrechnung der BBK vom 11.06.2015 angebrachten Hinweises Nr. 1181 erkennt die BBK nur erstattungsfähige Aufwendungen insoweit an und legt diese ihrer Beihilfeberechnung zu Grunde, als diese auch seitens der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung anerkannt werden. Von den von der gesetzlichen Krankenkasse anerkannten Aufwendungen erstattet diese – je nach Eintragung im Bonusheft – einen Anteil von 50, 60 oder 65 v. H.. Die BBK erstattet der Klägerin dann noch zusätzlich die Hälfte der von der gesetzlichen Krankenkasse dem Grunde nach anerkannten aber nicht durch ihren Zuschuss abgedeckten Aufwendungen, wobei die BBK immer einen prozentualen Erstattungsanteil von 65 v. H. seitens der gesetzlichen Krankenkasse fingiert. Mithin erhält die Klägerin also neben dem Zuschuss der AOK – in ihrem Fall 60 v. H. – noch einen weiteren Zuschuss der BBK von 17,5 v. H. (die Hälfte von 35 v. H.) auf den von AOK und BBK übereinstimmend zu Grunde gelegten erstattungsfähigen Aufwand.
Nach Auffassung der Kammer kann diese zusätzliche Beihilfe seitens der BBK aber nicht als der Beihilfeleistung des Beklagten im Wesentlichen vergleichbar angesehen werden, da sich diese immer nur im Rahmen des auch von der gesetzlichen Krankenkasse als erstattungsfähig eingestuften Aufwands bewegt, wenn auch dadurch der Zuschuss insgesamt erhöht wird und im konkreten Fall dann 77,5 v. H. statt nur 60 v. H. beträgt. Dennoch bleibt die Gesamtleistung, welche die Ehefrau des Klägers von AOK und BBK insgesamt erhalten kann, nur im Rahmen der von der gesetzlichen Krankenkasse zu berücksichtigenden Aufwendungen und damit wesentlich hinter dem Leistungsanspruch gegen den Beklagten zurück. Letzteres ergibt sich schon aus der vom Gesetzgeber vorgenommenen Wertung bei Betrachtung der Regelungen des Art. 96 Abs. 2 Satz 3 und Satz 5 BayBG. Nach Art. 96 Abs. 2 Satz 3 BayBG werden nämlich grundsätzlich die Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse als ausreichend angesehen, wobei im Falle von Leistungen für Zahnersatz hiervon abgewichen und gem. Art. 96 Abs. 2 Satz 5 BayBG den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkasse ein Beihilfeanspruch zuerkannt wird. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber im Falle von Leistungen für Zahnersatz die Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse nicht als ausreichend ansieht und daher für derartige Aufwendungen den Beihilfeanspruch – freilich unter Anrechnung der bereits erhaltenen Zuschüsse (Art. 96 Abs. 2 Satz 4 BayBG, § 6 Abs. 1 Satz 2 und 3 BayBhV) gewähren will.
Damit kann die Beihilferegelung der BBK im Vergleich zur Beihilferegelung des Beklagten nicht als gleichwertig angesehen werden, weil erstere die nach Art. 96 Abs. 2 Satz 5 BayBG grundsätzlich allein verbleibenden Leistungsbereiche für Zahnersatz, der von der gesetzlichen Krankenkasse nicht bezuschusst wird, ebenfalls ausklammert. Denn dann ist für die Ehefrau des Klägers beihilferechtlich in diesem Bereich gerade nicht gesorgt.
cc) Demnach kann die Berücksichtigungsfähigkeit der Ehefrau des Klägers aufgrund § 5 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 BayBhV nicht entfallen. Hinsichtlich des Umfangs der Beihilfeberechtigungen bestehen derart große Unterschiede, dass es an einem insgesamt vergleichbaren Beihilfeanspruch mangelt.
c) Der streitgegenständliche Bescheid war daher insoweit aufzuheben, als er die Beihilfefähigkeit der streitgegenständlichen Aufwendungen der Ehefrau des Klägers für zahnprothetische Leistungen ablehnt und der Beklagte hat hierüber unter Beachtung der dargelegten Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.


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