Medizinrecht

Beihilfetätigkeit von zahnärztlichen Leistungen

Aktenzeichen  B 5 K 19.782

Datum:
12.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 48386
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV § 7 Abs.1 S. 1
GOZ § 5 Abs.2 1
VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 5 S. 1,  § 117 Abs. 3 S. 2
GOÄ § 5 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Mit Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO über die Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
I.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet und hat daher keinen Erfolg. Die Ablehnung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 255,84 € durch Bescheid vom 03.08.2017 und Widerspruchsbescheid vom 13.11.2017 war rechtmäßig und hat die Klägerin somit auch nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), weil die Klägerin keinen Anspruch diesbezüglich hat.
Die Begründungen des Zahnarztes für die Gebührenpositionen Nr. 5000 GOÄ und Nr. 2210 GOZ aus der Rechnung vom 24.07.2017 genügen nämlich nicht den Anforderungen für einen über dem jeweiligen Schwellenwert liegenden Gebührensatz.
1. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Bei der Behandlung durch Ärzte beurteilt sich gemäß Satz 2 der Vorschrift die Angemessenheit der Honorarforderung ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der maßgebenden ärztlichen Gebührenordnung, hier der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) und der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Die Beihilfevorschriften verzichten insoweit auf eine eigenständige Umschreibung des Begriffs der Angemessenheit und verweisen auf die Vorschriften der ärztlichen und zahnärztlichen Gebührenordnungen (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.1988 – 2 C 39.87 – juris Rn. 14). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GOZ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Innerhalb des Gebührenrahmens sind nach § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen, wobei nach Satz 2 der Vorschrift die Schwierigkeit der einzelnen Leistung auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein kann. Grundsätzlich bildet der 2,3-fache Gebührensatz nach § 5 Abs. 2 Satz 4 Hs. 1 GOZ die nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche Leistung ab, den sog. Schwellenwert. Ein Überschreiten dieses Schwellenwertes ist nach § 5 Abs. 2 Satz 4 Hs. 2 GOZ nur zulässig, wenn Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ genannten Bemessungskriterien, also die Schwierigkeit und der Zeitaufwand der einzelnen Leistung sowie die Umstände bei der Ausführung, dies rechtfertigen. Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, haben hierbei außer Betracht zu bleiben (§ 5 Abs. 2 Satz 3 GOZ). Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 und 2 GOZ hat der Zahnarzt eine Überschreitung des Schwellenwertes auf die einzelne Leistung bezogen verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen und auf Verlangen näher zu erläutern.
Eine entsprechende Regelung enthält § 5 GOÄ. Abweichend von § 5 GOZ beträgt der Schwellenwert für Leistungen nach den Abschnitten A, E und O allerdings gem. § 5 Abs. 3 GOÄ 1,8 anstatt 2,3. Zu den Bemessungskriterien und der erforderlichen Begründung gilt das oben Gesagte.
2. Zwar ist dem Arzt oder Zahnarzt bei der Bestimmung des Steigerungsfaktors durch § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ bzw. § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ ein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbares Ermessen eingeräumt (vgl. NdsOVG, B.v. 14.11.2011 – 5 LA 237/10 – juris Rn. 21). Dieses besteht jedoch nur auf der Rechtsfolgenseite. Das Vorliegen von „Besonderheiten“ im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 4 Hs. 2 GOZ bzw. § 5 Abs. 2 Satz 4 Hs. 2 GOÄ auf der Tatbestandsseite unterliegt dagegen der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit (BVerwG, U.v. 17.02.1994 – 2 C 10/92 – NJW 1994, 3023 [3024]; VG München, U.v. 23.05.2013 – M 17 K 11.4984). Die in der Regel einzuhaltende Spanne zwischen dem einfachen Gebührensatz und dem jeweils geltenden Schwellenwert ist vom Verordnungsgeber nicht nur für einfache oder höchstens durchschnittlich schwierige Behandlungsfälle, sondern für die große Mehrzahl aller Behandlungsfälle zur Verfügung gestellt und deckt in diesem Rahmen auch die Mehrzahl der schwierigen und aufwendigeren Behandlungsfälle ab. Eine Überschreitung des Schwellenwerts hat nach dem sachlichen Zusammenhang der Vorschrift den Charakter einer Ausnahme und setzt voraus, dass Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sind. Dem Ausnahmecharakter des Überschreitens des Schwellenwertes widerspräche es, wenn schon eine vom Zahnarzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegenden Schwierigkeiten angewandte Verfahrensweise bei der Ausführung einer im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung als eine das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigende Besonderheit angesehen würde. Diese Betrachtungsweise ergibt sich aus der Gegenüberstellung der „in der Regel“ einzuhaltenden Spanne zwischen dem einfachen Gebührensatz und dem Schwellenwert einerseits und dem zulässigen Überschreiten dieses Wertes wegen Besonderheiten der Bemessungskriterien andererseits sowie aus der Anordnung einer schriftlichen Begründung des Überschreitens des Schwellenwertes, die auf Verlangen näher zu erläutern ist. Für eine nähere Erläuterung ist sinnvoll nur Raum, wenn Besonderheiten gerade des vorliegenden Einzelfalls darzustellen sind; könnte schon eine bestimmte vom Einzelfall unabhängige Art der Ausführung der im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen, so wäre dies mit einem kurzen Hinweis auf die angewandte Ausführungsart abschließend dargelegt. Auch soweit es üblich geworden sein und hingenommen werden sollte, dass Ärzte überwiegend ohne Rücksicht auf den Einzelfall den Schwellenwert ansetzen, ändert dies nichts an der Rechtslage, insbesondere nicht daran, dass auch die Mehrzahl schwieriger und aufwendigerer Behandlungsfälle im Rahmen der Regelspanne abzugelten ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.02.1994 – 2 C 10/92 – juris Rn. 21f.).
3. Für eine Überschreitung des Schwellenwertes ist damit gerade eine in der Person des Betroffenen liegende Besonderheit erforderlich. Der den Ausschlag für die Schwellenwertüberschreitung gebende vermehrte Aufwand muss auf eine beim betreffenden Patienten bestehende außergewöhnliche Konstitution zurückzuführen sein, rein verfahrensbezogene Besonderheiten genügen dagegen nicht (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2011 – 14 ZB 10.1544 – juris Rn. 4; VG Stuttgart, U.v. 28.1.2011 – 3 K 2870/10; VG München, U.v. 23.5.2013 – M 17 K 12.59; U.v. 23.5.2003 – M 17 K 11.4984). Zwar sollte es nicht so sein, dass der Arzt bzw. Zahnarzt für die Begründung der Schwellenwertüberschreitung mehr Zeit aufwenden muss als für die eigentliche Behandlung. Ausführliche ärztliche Berichte oder gar Gutachten können daher nicht verlangt werden. Allerdings muss sich der gegebenen Begründung entnehmen lassen, weshalb bei dem Patienten eine von der Masse der behandelnden Fälle abweichende Besonderheit vorlag und insbesondere, worin diese Besonderheit bestand (VG Hannover, GB v. 07.12.2009 – 13 A 2981/09 – juris Rn. 165). Hierbei ist auch zu beachten, dass die Begründung allein vom behandelnden Zahnarzt selbst gegeben werden kann. Die Klagepartei ist dazu als Adressat der Begründung weder berechtigt noch im Stande (VG Stuttgart, U.v. 21.09.2009 – 12 K 6383/07 – juris Rn. 64).
4. In Anwendung dieses Maßstabes ergibt sich vorliegend, dass weder hinsichtlich Nr. 5000 GOÄ noch Nr. 2100 GOZ die der Rechnung angefügten Begründungen genügen, um eine Überschreitung des Schwellenwertes zu rechtfertigen.
a) Im Rahmen der Rechnung vom 24.07.2017 wurde die Abrechnung des 2,5-fachen Satzes für die GOÄ-Nr. 5000 (Röntgen) unter Nummer 1) mit dem Hinweis begründet: „erschwerende Umstände aufgrund wegen digitaler Bildtechnik – hieraus resultierten ein deutlich erhöhter Mehraufwand bei der digitalen Bildbearbeitung“. Eine ergänzende Begründung wurde seitens des behandelnden Arztes nicht abgegeben. Der Schwellenwert für Nr. 5000 GOÄ beträgt gem. § 5 Abs. 3 Satz 2 GOÄ 1,8.
Die digitale Bildbearbeitung, aus der der Mehraufwand hier resultieren soll, ist aber ein Verfahren, das nicht – jedenfalls ist dies nicht aus der Begründung ersichtlich – spezifisch für die Klägerin und abweichend vom Regelfall eingesetzt wird. Vielmehr ist die digitale Bilderfassung und Verarbeitung ein gängiges Verfahren, das die Verwendung von Röntgenbetrachter und Lupe zunehmend ablöst und regelmäßig zum Einsatz kommt. Damit scheidet eine Überschreitung des Schwellenwertes deshalb aus, weil ein spezifisches Verfahren allein keine tragfähige Begründung sein kann (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2011 – 14 ZB 10.1544 – juris Rn. 4). Voraussetzung für die Überschreitung des Schwellenwertes ist nach ständiger Rechtsprechung, dass die besonderen Schwierigkeiten nicht allein in der angewandten Behandlungsmethode begründet sind, sondern auf den individuellen Verhältnissen des konkret behandelten Patienten beruhen (vgl. VG Saarland, U.v. 07.07.2016 – 6 K 967/14 – juris; U.v. 26.05.2017 – 6 K 468/16 – juris; OVG NW, B.v. 20.10.2004 – 6 A 215/02 – juris; BayVGH, B.v. 15.04.2011 – 14 ZB 10.1544 – juris). Ob digitale Radiografie oder analoge Bildbearbeitung Anwendung findet, mag je nach Praxis unterschiedlich sein, ist aber unabhängig von besonderen Behandlungserfordernissen im Einzelfall. Nur letztere aber können die Überschreitung des Schwellenwertes rechtfertigen.
Eine individuelle Begründung liegt auch nicht, wie in der Stellungnahme des Zahnärzlichen Bezirksverbandes angeführt, allein in der Adressierung der Rechnung an die Klägerin. Der gerügte Mangel liegt nicht darin, dass die Person, auf die sich die Begründung bezieht, nicht erkennbar wäre, sondern darin, dass nicht ersichtlich ist, worin sich die Adressatin von anderen Patienten unterscheidet.
Eine Kürzung des Rechnungspostens auf den 1,8-fachen Gebührensatz war daher geboten und ist rechtlich fehlerfrei erfolgt.
b) Auch Nr. 2210 GOZ wurde zurecht bei der Berechnung der Beihilfe nur mit dem 2,3-fachen Regelsatz angesetzt.
Hinsichtlich der GOZ-Nr. 2210 (Versorgung eines Zahns mit einer Vollkrone) wurde der 3,2-fache Gebührensatz in der Rechnung unter Nummer 6) begründet mit dem Hinweis „erschwerende Umstände, aufgrund indiv. Farbanpassung des Befestigungskomposits bei der adhäsiven Befestigung im ästhetisch anspruchsvollen Bereich“ und unter Nummer 11) begründet mit dem Hinweis „überdurchschnittlicher Zeitaufwand, aufgrund erhöhtem Zeitaufwand und aufwendiger Technik bei der Präparation und Eingliederung der Zirkon/Vollkeramik-Krone/Teilkrone“.
Die Begründung unter Nummer 6 genügt insofern nicht, als im ästhetisch anspruchsvollen, weil einsehbaren Bereich eine Farbanpassung in allen Behandlungsfällen üblich und erforderlich ist (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.1999 – 12 A 2889/99 – juris Rn. 44). Hierin unterscheidet sich die Behandlung der Klägerin nicht vom Regelfall. Jedenfalls geht aus der Begründung nicht hervor, warum sich bei der Farbanpassung gerade der Klägerin besondere Schwierigkeiten ergeben hätten.
Die Begründung unter Nummer 11) genügt ebenfalls nicht. Zum einen wird „überdurchschnittlicher Zeitaufwand“ geltend gemacht. Zwar kann erhöhter Zeitbedarf grundsätzlich einen erhöhten Gebührensatz rechtfertigen. Allerdings muss dafür plausibel nachgewiesen werden, in welchem konkreten Umfang die durchschnittliche Behandlungszeit überschritten wurde. Der pauschale Verweis „überdurchschnittlich“ ist zu allgemein und undifferenziert, weil weder klar wird, was der Durchschnitt ist, noch, inwiefern sich die konkrete Behandlung davon abhob. Es fehlt also an einem Tatsachengehalt diesbezüglich (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.1999 – 12 A 2889/99 – juris Rn. 41). Zudem wird der höhere Gebührensatz mit „aufwendiger Technik bei der Präparation und Eingliederung der Zirkon/Vollkeramik-Krone/Teilkrone“ begründet. Auch dies trägt nicht, weil kein tatsächlicher Umstand genannt wird, der die Behandlung der Klägerin von der Mehrzahl aller Fälle abheben würde. Allein die Tatsache, dass eine Zirkon/Vollkeramik-Krone/Teilkrone gesetzt wurde, genügt hierfür insbesondere nicht. Aus der Anmerkung nach Nr. 2220 GOZ geht nämlich klar hervor, dass zu den Kronen nach den Nummern 2200 bis 2220 Voll- und Teilkronen jeder zahntechnischen Ausführung gehören. Damit ist auch die Präparation einer Zirkon/Vollkeramik-Krone/Teilkrone mit dem Regelsatz abgegolten, soweit nicht konkrete Tatsachen einen Ausnahmefall nahelegen. Hieran fehlt es wiederum, weil nur die wertende Angabe „aufwendige Technik“ in der Begründung enthalten ist, aber keine Angaben, warum die verwendete Technik sich von der üblicherweise verwendeten unterscheiden sollte und weshalb ihr Einsatz im Hinblick auf patientenspezifische Anforderungen gerade der Klägerin notwendig war.
Die Klägerin hat nach alldem keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe.
II.
Die Klägerin hat als unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch den Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.


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