Medizinrecht

Bemessung des Schmerzensgeldes aufgrund einer Verletzung

Aktenzeichen  24 O 17/15

Datum:
11.8.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Amberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 287 Abs. 1
BGB BGB § 253 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Zur Höhe des Schmerzensgeldes bei einem drittgradig-offenen komplexen Fußtrauma mit Weichteilschaden dritten Grades bei offener komplexer Fußverletzung und weiteren Frakturen (u.a. Mittelfußknochenbruch, Sprungbein- und Fersenbeinbruch).
2. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes aufgrund einer Verletzung sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen und Leiden sowie im Sinne einer Objektivierung der Leiden insbesondere die Art der Verletzung, die Zahl der Operationen, die Dauer und Art der Behandlung, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und das Ausmaß des Dauerschadens zu berücksichtigen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger anlässlich des Verkehrsunfalls vom 14.05.2009 gegen 05:35 Uhr auf der …, Höhe km …, über den bereits bezahlten Betrag von 31.400,00 € hinaus einen weiteren Betrag in Höhe von 13.600,00 € als Schmerzensgeld zu bezahlen, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 03.10.2013.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 27% und die Beklagte 73% zu tragen.
IV. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Für die Beklagte ist es im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 18.600,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist weitgehend begründet.
Die Beklagte hat dem Kläger ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 13.600,00 € nebst Zinsen zu bezahlen. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
A.
– Schmerzensgeld
Die Beklagte ist dem Kläger zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet, § 11 S. 2 StVG, § 253 Abs. 2 BGB. Hiernach kann der Geschädigte bei einer Verletzung des Körpers auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld fordern.
Diese bemisst das Gericht gem. § 287 Abs. 1 ZPO unter umfassender Berücksichtigung aller für die Bemessung maßgebender Umstände, insbesondere der Art und Dauer der Verletzung, nach freier Überzeugung und erachtet insofern einen Gesamtschmerzensgeldbetrag in Höhe von 45.000,00 € als angemessen, aber auch ausreichend. Hiervon wurden beklagtenseits bereits 31.400,00 € bezahlt, so dass noch 13.600,00 € zur Zahlung offen stehen.
Hierbei hat das Gericht insbesondere Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen und Leiden berücksichtigt. Im Sinne einer Objektivierung der Leiden wurden vorliegend insbesondere die Art der Verletzung, die Zahl der Operationen, die Dauer und Art der Behandlung, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und das Ausmaß des Dauerschadens berücksichtigt (hierzu Slizyk, IMM-DAT-Kommentierung, 10. Aufl., 2014, Rn. 20).
I.
Dabei berücksichtigt das Gericht folgende Verletzungen und Behandlungen, denen sich der Kläger unterzogen hat, die auch unstreitig sind:
1. Der Kläger erlitt unfallbedingt eine Weichteilverletzung an der linken Ferse, einen Bruch des Mittelfußknochens links, einen Sprungbein- und Fersenbeinbruch rechts und eine Schnittwunde an der linken Hand. Speziell waren folgende Verletzungen gegeben: HP-offenes komplexes Fußtrauma links mit Weichteilschaden III. Grades bei offener komplexer Fußverletzung links; Pilon tibiale-Fraktur; Metatarsaletrümmerfraktur l-V; Fraktur Os cuneiforme intermedius; Lisfrank-Luxations-fraktur; Decollement Achillessehne links; Deglovement komplette Fersenregion links; l°-offene Fußverletzung rechts mit Weichteilschaden I. Grades bei offener komplexer Fußverletzung rechts; Calcaneusfraktur, Talusfraktur.
Er wurde deswegen am Unfalltag zunächst ins Klinikum … erbracht und dort nach der Erstversorgung am 14.05.2009 in das Universitätsklinikum … verbracht. Dort befand er sich bis 25.06.2009 stationär. Es wurden folgende medizinische Maßnahmen ergriffen: Transfixation des Lisfranc-Gelenkes, Transfixation des Sprungelenks linksseitig, Wundversorgung mit Anlage einer Gipsschiene, 16.06.2009 osteosynthetische Versorgung des linken Fußes, offene Reposition und Plattenosteosynthese und Reosteosynthese von Metatarsale II und III, Kirschner-Drahtosteosynthese des linken Innenknöchels, 20.05.2009 kanülierte Schraubenosteo Synthese, Epigardwechsel mit erneutem Debridement, nach Nekrose links am 27.05.2009 erneutes Debridement, Nekrosektomie und Vakuumversiegelung links, 04.09.2009 endgültige Nekrosektomie und freie Lappenplastik, im vaculären Anschluss A & V Tibialis posterior. Zu den Einzelheiten wird auf den Tatbestand Bezug genommen.
Nach der Entlassung wurde er ständig behandelt; er übte die Mobilisation mittels zweier Unterarmgehstützen und Teilbelastung. Vom 16.07.2009 bis 06.08.2009 befand er sich unfallbedingt in einer stationären Rehamaßnahme in der Klinik in .. Vom 07.10.2009 bis 16.10.2009 befand sich Kläger erneut stationär im Universitätsklinikum … wo eine Teilimplantatentfernung, Lappenausdünnung, Strecksehnenverlängerung und Beugesehnentenotomie, jeweils am linken Fuß, vorgenommen wurden.
Ein weiterer stationärer Aufenthalt im Universitätsklinikum … erfolgte im Zeitraum vom 12.11.2009 bis 30.11.2009 mit Debridement bei infizierter Weichteilnekrose des linken Fußes, Abnahme des Vakuumverbandes, Mobilisation des Lappens und Sekundärnaht. Nach erneuter Nekrotisierung im Wundbereich wurden Wundreinigungen und Wundverbände veranlasst. Zu den Einzelheiten wird auf den Tatbestand Bezug genommen.
Erneute stationäre Aufenthalte des Klägers im Universitätsklinikum … erfolgten im Zeitraum vom 29.06.2011 bis 05.07.2011, vom 12.03.2013 bis 15.03.2013 sowie im C-krankenhaus im Zeitraum vom 26.11.2013 bis 28.11.2013 sowie vom 29.10. bis 30.10.2014.
In den Jahren 2010, 2011, 2012 war er daneben 20 Mal auch zur ambulanten Behandlung im Universitätsklinikum … Die ärztliche unfallbedingte Behandlung dauert an.
Desweiteren war der Kläger in krankengymnastischer Behandlung in einem Umfang von etwa 100 Tagen jährlich. Er benötigt weiterhin Krankengymnastik und Lymphdrainage.
Auch in Zukunft werden immer wieder Klinikaufenthalte ambulant und stationär erforderlich werden.
2. Im Zuge der Beweisaufnahme hat sich weiter ergeben, dass der Kläger einen Dauerschaden erlitten hat und insbesondere seine Geh- und Stehfähigkeit deutlich eingeschränkt ist.
Das Gericht hat hierzu ein fachorthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten des dem Gericht seit vielen Jahren als sorgfältig und zuverlässig bekannten Sachverständigen Prof. Dr. … Universtiätsklinikum … eingeholt.
In seinem schriftlichen fachorthopädisch-unfallchirurgischen Gutachten vom 26.10.2015 führt der Sachverständige aus, dass der Kläger auf Grund der erlittenen Schäden unter einer eingeschränkten Belastbarkeit und Funktion des linken und teilweise auch des rechten Fußes leide. Dies führe zu einem pathologischen und eingeschränkten Gangbild, im Laufe der Zeit habe sich durch die Zunahme der posttraumatischen degerativen Veränderungen die Funktion und Beschwerdesymptomatik verschlechtert. Bei der letzten gutachterlichen Untersuchung sei ein Aufsetzen der linken Ferse nicht möglich gewesen. Auf Grund der eingeschränkten Funktion der Füße seien gehende oder gehende Tätigkeiten nicht mehr in relevantem Maße durchführbar. Betrachte man die Einschränkungen beider Füße, wobei die Funktionseinschränkung der linken Seite führend sei, sie zum Zeitpunkt der letzten gutacherlichen Untersuchung von einer Gesamt-MdE von 35% entsprechend den Vorgaben der gesetzlichen Unfallversicherung auszugehen. Auf Grund der Zunahme der posttraumatischen Arthrose mit resultierender, zunehmender Funktionseinschränkung sei auf Dauer mit einerweiteren Verschlechterung zu rechnen.
Entsprechend der erhobenen Untersuchungsbefunde sei die linke Ferse mit dem hypertrophen Lappen mit Defektbildung und resultierenden teils schmerzhaften Empfindungsstörungen nur sehr eingeschränkt belastbar. Auch am rechten Fuß bestünden unfallbedingte Schäden mit Einschränkung der Beweglichkeit des oberen Sprunggelenkes und Schmerzhaftigkeit. Der Kläger könne auf Grund dieser Verletzungen keine Sportarten betreiben, welche eine Belastung der Füße erfordern würden. Auch müsse er im Bereich des linken Fußes auf Grund des hypertrophen Lappens und der immer wieder bestehenden Defektbildung spezielles Schuhwerk zur Entlastung der linken Ferse tragen.
Die Beinmuskulatur links sei gegenüber rechts relevant durch die verminderte Belastbarkeit und resultierende Entlastung verschmächtigt.
Im Bereich des unteren linken Sprunggelenks bestehe eine Bewegungseinschränkung.
Zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung habe nach der letzten Operation eine noch nicht verheilte Wunde bestanden. Es liege immer noch ein hypertropher Lappen vor. Insofern seien möglicherweise noch weitere operative Eingriffe erforderlich.
Der Kläger leide unter Schwierigkeiten beim Stehen und Gehen. Es seien bereits mehrfach Lappenausdünnungen am linken Fuß durchgeführt worden. Es seien möglicherweise auch weitere Lappenausdünnungen im Bereich des linken Fußes und der Ferse erforderlich. Am rechten Fuß seien keine Lappenausdünnungen erforderlich; dort sei auch keine Lappentransplantation erfolgt.
Auf Grund der pathologischen Hautsituation im Bereich des Lappens mit Deformierung des Fußes komme es vermehrt zu störenden pathologischen Hornhautbildungen, welche wiederholt eine entsprechende Behandlung auch in Zukunft erfordern würden.
Beim Kläger liege unfallbedingt ein relevanter Dauerschaden vor.
In seinem fachorthopädisch-unfallchirurgischen Ergänzungsgutachten vom 04.01.2016, Bl. 111 ff d.A., führt der Sachverständige weiter aus, dass auf Grund der erhobenen Befunde eine Muskelminderung des linken Beines belegt sei, welche zu einem Funktionsdefizit des linken Beines führe. Am linken Fuß sei im Vergleich zum rechten Fuß eine Einschränkung der Fußhebung und der Fußsenkkung gegeben. Auch die Hebung des Außenrandes und die Hebung des innenrandes des Fußes sei gegenüber dem rechten Fuß eingeschränkt. Anhand der gutachterlichen Untersuchungsbefunde seien die vom Kläger angegebenen Beschwerden (Schmerzen bei Belastung am Großzehenballen, Stiche im oberen Sprunggelenk beim Laufen, Probleme mit dem Schuhwerk am linken Fuß, Klumpgefüh! und Stechen bei längerem Stehen im linken Fuß, stechende Schmerzen beim Laufen im rechten oberen Sprunggelenk ab ca. 500 m Gehstrecke) nachvollziehbar. Speziell die Muskelminderung müsse auch als Hinweis auf eine schmerzbedingte Minderbelastung gewertet werden. Insgesamt erscheine damit dem Kläger nur ein kontinuierliches Stehen über ca. 15 Minuten möglich, wobei er hierbei hauptsächlich das rechte Bein belasten müsse. Die kontinuierliche Gehstrecke beschränke sich auf ca. 500 m; anschließend leide der Kläger unter Schmerzen. Beim Kläger lägen wegen der Transplantation des Hautlappens an der Ferse freie Nervenendigungen vor, welche bei Berührung eine Schmerzsymptomatik auslösen würden. Zusätzlich bestehe durch die Deformierung auf Grund des Lappens eine verminderte Passung im Schuh und ein pathologisches Belastungsmuster. Beim Aufkommen der Ferse oder bei Kontakt im Schuh würden Schmerzsensationen ausgelöst. Es erscheine insgesamt nicht möglich, durch spezielles Schuhwerk eine Entlastung der linken Ferse so zu erreichen, dass hierdurch eine Alltagstauglichkeit des Klägers wiederhergestellt werde könne.
Das Gericht macht sich diese nachvollziehbaren, plausiblen Ausführungen des Sachverständigen in eigener Würdigung zu eigen und zum Gegenstand der Beurteilung.
3. Insgesamt ist also festzustellen, dass es sich beim Kläger hier um eine deutliche, beeinträchtigende Schädigung handelt, welche beträchtliche Verletzungsfolgen hervorgerufen hat und die zahlreiche Behandlungen erfordert hat und noch erfordern wird. Es war ein komplizierter Heilungsverlauf gegeben. Der Kläger musste sich wegen dieser vom Ausmaß und den Folgen her gravierenden Beeinträchtigung, maßgeblich der Füße, insbesondere des linken Fußes, über einen längeren Zeitraum stationär und ambulant ärztlich und physiotherapeutisch behandeln lassen; er musste insbesondere mehrere Operationen vornehmen lassen und hat noch heute mit den Folgen zu kämpfen und wird dies aller Voraussicht nach auch auf Dauer tun müssen. Er befand sich insgesamt an 88 Tagen in stationärer Behandlung, von 2010-2012 war er noch 20 Mal in ambulanter Behandlung im Universtitätsklinikum. Er musste und muss an 100 Tagen im Jahr Krankengymnastik absolvieren. 22 Tage befand er sich auf Rehabilitation. Damit waren die durch die Gesundheitsbeeinträchtigung notwendig gewordenen Behandlungsmaßnahmen auch sehr belastend für den Kläger.
Der 1967 geborene Kläger, zum Unfallzeitpunkt in der Mitte seines Lebens stehende Kläger, wird einen großen Teil seines Lebens mit den Folgen des Unfalls belastet sein. Es liegt ein pathologisches, eingeschränktes Gangbild vor. Sein linker Fuß ist nur einschränkt belastbar und verursacht Schmerzen. Auch der rechte Fuß ist in der Beweglichkeit eingeschränkt und schmerzhaft. Insbesondere wird er auch ein spezielles Schuhwerk am linken Fuß tragen müssen, was seine Beschwerden aber voraussichtlich nicht zufriedenstellend mindern können wird. Es ist mit einer weiteren Verschlechterung zu rechnen.
II.
Ausgehend hiervon ergeben sich auch Auswirkungen auf das Berufs- und Privatleben des Klägers.
Der Kläger wurde auf Grund der Folgen des Unfalls in den Ruhestand versetzt, ausgehend von seinem Geburtsjahr 1967 zu einem recht frühen Zeitpunkt in seinem Berufsleben. Es liegt eine MdE von 35 vor.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann hier auch die Berufsaufgabe berücksichtigt werden, da im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung auch die psychischen Belastungen auszugleichen sind, welche aus der Berufsaufgabe resultieren (Slizyk, Schmerzensgeldtabelle IMMDAT plus, 2d „Berufsaufgabe, berufliche Schwierigkeiten, Berufswunschvereitelung“). Besonders gravierend ist die unfallbedingte Beendigung des Berufslebens, da hiermit häufig eine Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls und ein allgemeines Gefühl der Nutzlosigkeit verbunden ist (Slizyk, Schmerzensgeldtabelle IMMDAT plus, 2d „Berufsaufgabe, berufliche Schwierigkeiten, Berufswunschvereitelung“).
Weiterhin sind die unfallbedingten Einschränkungen im Freizeitbereich zu berücksichtigen (Slizyk, Schmerzensgeldtabelle IMMDAT plus, 2e „Verlust von Sportmöglichkeiten und Freizeitvereitelung; Einschränkung bei der Ausübung von Hobbys“). Dem Kläger sind, wie ausgeführt, nur Sportarten möglich, welche keine Belastung der Füße erfordern. Auch in seinen Freizeitaktivitäten ist der Kläger eingeschränkt. Er kann nur noch vergleichsweise kurze Strecken gehen und vergleichsweise kurze Zeit stehen. Mit diesen Einschränkungen wird er in Anbetracht seines Alters voraussichtlich noch etliche Jahre leben müssen.
Damit ist der erlittene Dauerschaden auch mit einer konkreten Beschwernis für das Leben des Klägers verbunden.
III.
Der Versicherte der Beklagten ist auf einem übersichtlichen, geraden Streckenabschnitt auf die Gegenfahrbahn geraten, wo es zur Kollision kam. In einer solchen Konstellation ist von einem Anscheinsbeweis für einen schuldhaften Verstoß gegen § 2 Abs. 1 StVO durch den Beklagten zu 1) auszugehen (OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 04.03.2014,15 U 144/12, BeckRS 2015, 04854). Zudem ist auch unstreitig, dass der Unfall von verschuldet wurde und dieser gegen die straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen der §§ 1 Abs. 2, 2 StVO verstoßen hat. Regelmäßig handelt es sich bei einem Verlassen der rechten Fahrbahnseite und dem Geraten auf die Gegenfahrbahn um ein grob fahrlässiges Verhalten des Fahrzeugführers. Umstände, welche den Verkehrsverstoß hier als leichte Fahrlässigkeit qualifizieren würden, sind beklagtenseits nicht vorgetragen.
Damit war hier ein grob fahrlässiges Verhalten des Versicherten der Beklagten zu berücksichtigen (Slizyk, Schmerzensgeldtabelle IMMDAT plus, 3a „Verschulden des Schädigers“), allerdings gleichermaßen auch, dass von vornherein nur der Schadensumfang streitig war; insbesondere war die Unvermeidbarkeit für den Kläger von Anfang an unstreitig.
Ferner hat die Beklagte bereits außergerichtlich einen Großteil des Schmerzensgeldes, nämlich 31.400,00 €, bezahlt, was also mehr als zwei Dritteln des zustehenden Betrages entspricht.
Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten ist auszuführen, dass es sich beklagtenseits um eine Haftpflichtversicherung handelt (hierzu: Slizyk, Schmerzensgeldtabelle IMMDAT plus, 2g „Wirtschaftliche Verhältnisse der Beteiligten“; BeckOK-Spindler, 38. Ed., Stand: 1.11.2013, § 253 Rn. 43). Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers ist nur bekannt, dass es sich um einen mittlerweile pensionierten JVA-Beamten handelt.
IV.
Unter Berücksichtigung all dieser vorstehenden Umstände kommt das Gericht in einer Gesamtabwägung hier zu der Entscheidung, dass ein Gesamtschmerzensgeldbetrag in Höhe von 45.000,00 € angemessen, aber auch ausreichend ist.
Hierbei ist dem Gericht bewusst, dass bei der Bemessung von Schmerzensgeldern eine gewisse Vergleichbarkeit gewährleistet werden muss und sich das Gericht deswegen an Vergleichsfällen orientieren muss und hierbei auch die Geldentwertung seit Erlass der Entscheidung berücksichtigt werden muss (hierzu Slizyk, IMMDAT plus, 1. Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes).
Ausgehend von der Schmerzensgeldtabelle von Slizyk lässt sich vorliegend als Anhaltspunkt die Ziffer 4794, Urteil des OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.01.2014,1-9 U 103/13, anführen. Dort ist von einer komplizierten Sprunggelenksverletzung mit bleibenden Narben, Muskelverschmächtigung, Schwellneigung, Bewegungseinschränkungen sowie Schmerzen im Bereich des linken Sprunggelenks die Rede. Der betreffende Mann war 157 Tage stationär in Behandlung, davon 4 Tage mit künstlicher Beamtmung. Er bildete eine somatoforme Schmerzstörung aus. Als Dauerschaden waren Schmerzen vorhanden, die die Einnahme von Schmerzmitteln erfordern; die Hobbys, insbesondere Sport, waren beeinträchtigt. Auch war ein Dauerschaden in Form einer Arthrose vorhanden; eine weitere Verschlechterung des Gesundheitszustandes ließ sich nicht ausschließen. Die Haftung ist mit 100% angegeben, die MdE mit 0. Hierfür sprach das OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.01.2014,1-9 U 103/13 einen Betrag von 40.000,00 € zu.
Diese Entscheidung exemplarisch als Vergleichsmaßstab zugrundegelegt, auch unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der Entscheidung (2014) und der Art und des Ausmaßes der Gesundheitsbeeinträchtigung, erachtet das Gericht in einer Gesamtabwägung hier einen Gesamtbetrag in Höhe von insgesamt 45.000,00 € als angemessen, von denen 31.400 € bereits bezahlt wurden. Die stationäre Aufentshaltsdauer war beim Kläger etwas geringer; bei ihm kommen aber zahlreiche ambulante und krankengymnastische Behandlungen hinzu. Der Kläger musste sich auch einer Hauttransplantation unterziehen, welche große Schwierigkeiten im Heilungsverlauf machte. Weitere Operationen stehen an. Auch ist beim Kläger eine höhere MdE gegeben. In einer Gesamtabwägung aller erläuterter Umstände sind dem Kläger hier deswegen 45.000,00 € zuzusprechen.
Die klägerseits aufgeführte Entscheidung bei Slizyk, Schmerzensgeldtabelle, Nr. 1399, Urteil des OLG München vom 26.09.1991, 24 U 697/88, rechtfertigt kein höheres Schmerzensgeld. Dort war nicht „nur“ der Fuß, sondern neben dem Fuß der Ober- und Unterschenkel betroffen; es wurden drei Hauttransplantationen vorgenommen und als Dauerschaden waren neben einer Gehbeinderung auch ein Harndauerkatheder und Schienenhülsenapparat nötig; die MdE betrug 50.
– Zinsen
Der Kläger hat gegen die Beklagte wegen des Restbetrages in Höhe von 13.600,00 € auch einen Zinsanspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 BGB seit 03.10.2013. Der Beklagten wurde mit Schreiben vom 16.09.2013 Zahlungsfrist bis 02.10.2013 gesetzt. Die Mahnung war dabei auch nicht weit übersetzt und konnte mithin einen Verzug auslösen. Verzug trat damit am 03.10.2013 ein. Die Zinsen wurden beklagtenseits im Übrigen auch nicht angegriffen.
– Rechtsanwaltskosten
Ein Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht demgegenüber nicht. Die vom Kläger bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vorgenommene Berechnung war unschlüssig.
Das Gericht wies den Klägervertreter mit Verfügung vom 11.07.2016 darauf hin, dass es die Bedenken der Beklagtenpartei in Bezug auf die Berechnung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten teile und die beklagtenseits aufgezeigte Berechnung auch nach Auffassung des Gerichts die richtige Berechnungsweise darstelle. Im Termin vom 14.07.2016 nahm der Klägervertreter auf Nachfrage des Gerichts keine Änderung bei den Rechtsanwaltskosten vor. Eine Schriftsatzfrist wurde nicht beantragt. Daraufhin wurde die mündliche Verhandlung geschlossen.
Mit Schriftsatz vom 20.07.2016 berechnete der Klägervertreter die Rechtsanwaltskosten neu. Er stellt insofern aber schon gar keinen konkreten Antrag. Zudem erfolgte der Vortrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung und war damit gem. § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 ZPO bestand nicht.
D.
– Kosten, vorläufige Vollstreckbarkeit
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 92 ZPO (Feststeller wird hierbei beim Obsiegen mit 5.000 € angesetzt).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach für den Kläger § 709 S. 1, S. 2 ZPO und für die Beklagte nach § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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