Medizinrecht

Berücksichtigung geänderter Tatsachen nach Eintritt der Entscheidungsreife eines Prozesskostenhilfeantrags

Aktenzeichen  W 3 K 16.440

Datum:
22.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SGB VIII SGB VIII § 41
ZPO ZPO § 114
VwGO VwGO § 166

 

Leitsatz

Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind Tatsachen, die nach Eintritt der Entscheidungsreife hinzutreten und die Erfolgsaussichten der Klage positiv verändern, nicht zu berücksichtigen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin … … … wird abgelehnt.

Gründe

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die dabei anzustellende Prognose über die hinreichenden Erfolgsaussichten verlangt keine Gewissheit, sondern lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Tatsächliche und rechtliche Streitfragen können auf der Grundlage des bisherigen Vortrags der Beteiligten nur summarisch beurteilt und deshalb nicht abschließend entschieden werden.
Hiervon ausgehend kann dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 10.8.2001 – 2 BvR 569/01 – DVBl. 2001, 1748) nicht stattgegeben werden, da die Klage zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags) nicht Erfolg versprechend war.
Der Prozesskostenhilfeantrag wurde mit der Klageschrift am 21. April 2016 eingereicht und war nach Eingang der Behördenakten und der Stellungnahme des Beklagten am 17. Mai 2016 entscheidungsreif.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Verpflichtungsklage auf Übernahme der Kosten der Unterbringung der Klägerin „in einer therapeutischen Jugendhilfeeinrichtung“ bei summarischer Überprüfung keine Aussicht auf Erfolg. Dass die Beklagte letztendlich nach erneuter Prüfung und Vorliegen eines aktuellen Arztbriefes mit Schreiben vom 22. August 2016 die Kostenübernahme für die Einrichtung Le* … erklärt hat, steht dieser Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage nicht entgegen.
Nach § 41 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) soll einem jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist. Für die Ausgestaltung gelten § 27 Abs. 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 SGB VIII entsprechend. Die Verweisungen und die Zuordnung der Hilfe für junge Volljährige zum SGB VIII verdeutlichen, dass es sich um Hilfesituationen handeln muss, die gerade mit dem Instrumentarium der Jugendhilfe zu bewältigen sind, auch wenn es sich bei über 18- jährigen jungen Menschen nicht mehr um „Erziehungshilfen“ im engeren Sinne handelt.
Hinsichtlich der Beurteilung, welche Hilfe konkret geeignet und notwendig ist, steht dem Jugendamt ein Spielraum zu, der nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2003 – 12 CE 03.842 – juris; BayVGH, B.v. 17.6.2004 – 12 CE 04.578 – juris; VG Würzburg, B.v. 11.4.2012 – W 3 E 12.161 -). Für den Erfolg des Prozesskostenhilfeantrages wäre es daher erforderlich, dass die Klägerin glaubhaft machen kann, dass allein die von ihr beantragte Hilfeform notwendig und geeignet ist, ihre Persönlichkeitsentwicklung und ihre Fähigkeiten zur eigenverantwortlichen Lebensführung zu fördern (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 5 C 26/98 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 10.10.2011 – 12 CE 11.2215 – juris).
Zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfebeschlusses war zum einen gar nicht absehbar, welche „therapeutische Jugendhilfeeinrichtung“ überhaupt für die Klägerin in Betracht käme. Vor allem war aber nicht absehbar, ob der aufgrund der Schwere des Krankheitsbildes erforderliche psychiatrische und therapeutische Bedarf überhaupt von einer Jugendhilfeeinrichtung erbracht werden kann oder vielmehr eine weitere psychiatrische Behandlung erforderlich war. Deshalb hat die Beklagte eine stationäre Jugendhilfeeinrichtung als ungeeignet angesehen und befürchtet, der Krankheitsverlauf könne sich verschlechtern, weil die Maßnahme die Klägerin in jeglicher Hinsicht überfordern würde. Diese Einschätzung des Beklagten ist aufgrund der in den Akten vorliegenden ärztlichen Befundberichte durchaus nachvollziehbar. Insbesondere war zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs nicht nachgewiesen, dass mittlerweile eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin eingetreten ist. Erst diese Besserung des Gesundheitszustandes, die das Krankenhaus für P* …, P* … und P* … M* … L* … in der ärztlichen Bescheinigung vom 2. August 2016 bescheinigt hat, konnte diese Zweifel (des Jugendamts) zwar nicht ausräumen, aber lässt zumindest die Prognose zu, dass eine Jugendhilfemaßnahme geeignet sein kann, die Ziele des § 41 SGB VIII zu erreichen.
Aus diesem Grund konnte dem Prozesskostenhilfeantrag nicht stattgegeben werden.


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