Medizinrecht

Bescheid, Leistungen, Altersrente, Versicherungspflicht, Erkrankung, Pflegeversicherung, Unfallversicherung, Regelaltersrente, Anerkennung, Gesundheitszustand, Ablehnung, Widerspruch, Neufeststellung, Betreuung

Aktenzeichen  S 5 R 282/19

Datum:
1.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 48973
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 09.04.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung weiterer Versicherungszeiten wegen der Pflege seines Sohnes.
Der Gesetzgeber hat mit Wirkung vom 01. April 1995 durch das Pflegeversicherungsgesetz eine Versicherungspflicht von nichterwerbstätigen Pflegepersonen eingeführt. So sind ab diesem Zeitpunkt gemäß § 3 S. 1 Nr. 1 a SGB VI Personen versicherungspflichtig in der Zeit, in der sie einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen, wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat. In der geänderten, seit dem Jahr 2012 geltenden, Neufassung bedarf es der Pflege einer Person mit mindestens Pflegegrad 2 und eines Pflegeaufwandes von mindestens 10 Wochenstunden.
Vorliegend hat der Kläger zwar angegeben, seinen Sohn in der Zeit ab dem Jahr 2000 aufgrund dessen Erkrankungen über das normale Maß der Kindererziehung hinaus betreut zu haben.
Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Beitragszeit ist jedoch gemäß § 3 S. 1 Nr. 1a SGB VI, dass die Pflegebedürftigkeit festgestellt worden ist, sei es durch einen Pflegeleistungsanspruch aus der sozialen oder privaten Pflegeversicherung oder nach anderen Vorschriften, wie etwa der Unfallversicherung, des Sozialhilfeträgers oder der Kriegsopferfürsorge. Ein Pflegeleistungsanspruch hätte folglich dem Grunde nach bestehen müssen.
Der Sohn hatte unstreitig während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraumes keinen Anspruch auf Pflegeleistungen.
Der Kläger gab, nachdem er bereits im schriftlichen Verfahren trotz Aufforderung keine Nachweise zur Pflegebedürftigkeit vorgelegt hatte, in der mündlichen Verhandlung am 01.03.2021 an, dass zu keiner Zeit ein Anspruch auf Pflegeleistungen für seinen Sohn geltend gemacht worden seien.
Im Übrigen konnte der Kläger auch nicht nachweisen, seinen Sohn tatsächlich krankheits- bzw. behinderungsbedingt in einem zeitlichen Umfang von mindestens 14 Stunden wöchentlich gepflegt zu haben. Der Kläger selbst erklärte, dass sein Sohn altersentsprechend sich selbst habe an- und auskleiden, Nahrung zu sich nehmen oder sich allein körperlich pflegen können. Er habe nur über das normale Maß hinaus beaufsichtigt, angeleitet und motiviert werden müssen.
Im streitgegenständlichen Zeitraum der Jahre 2000 bis 2003 war der Sohn 9 bis 12 Jahre alt, so dass ohnehin noch eine vollumfassende Aufsicht und Betreuung erforderlich gewesen ist und damit kein krankheitsbedingter Mehraufwand, jedenfalls nicht im Umfang von mindestens 14 Stunden festgestellt werden kann. Sicherlich hatte der Kläger aufgrund der sich damals bereits abzeichnenden Erkrankungen einen größeren Betreuungsaufwand, als Erziehende eines psychisch gesunden Kindes. Es liegen dennoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesundheitszustand des Sohnes in den Jahren 2000 bis 2003 einen Pflegeaufwand von 14 Stunden und mehr wöchentlich erforderlich machte.
Auf eine Entscheidung, ob bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß § 3 S. 1 SGB VI der Begriff der Pflege in einem ganzheitlichen Sinne aufzufassen und bei der Ermittlung der Mindeststundenzahl neben der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung auch die Zeit der ergänzenden Pflege und Betreuung mit zu rechnen ist, kommt es mangels Nachweises eines solchen erheblichen, weiteren Aufwandes und ohnehin bereits aufgrund des fehlenden Anspruchs auf Pflegeleistungen im vorliegenden Fall nicht an. In Rechtsprechung und Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, dass auch der zeitliche Aufwand für familiäre Pflege und Betreuung zu berücksichtigen sei, der nicht aus Mitteln der Pflegeversicherung finanziert werde. Dazu zählte z.B. die Zeit, die die Pflegeperson für die notwendige Beförderung bzw. Begleitung des Pflegebedürftigen von der Wohnung zur Schule und zurück zur Wohnung aufwendet.
Auch die ärztliche Stellungnahme der Frau Dr. R. vom I. A. – Klinikum D. vom 23.08.2018 bringt keinen weiteren Aufschluss über die hier streitgegenständliche Zeit. Sie beschreibt allein die Entwicklung der psychischen Erkrankung seit der Kindheit des Sohnes und bestätigt das Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit in den Jahren 2010 bis 2013.
Selbst wenn in diesem ärztlichen Attest versehentlich falsche Jahreszahlen angegeben worden sein sollten (2010 bis 2013 anstatt 2000 bis 2003) und der Kläger nunmehr noch den Nachweis eines entsprechend hohen Pflegeaufwandes rückwirkend erbringen könnte, ergebe sich dennoch kein Anspruch auf Versicherungspflicht. Denn Beiträge, die trotz Versicherungspflicht nicht durch die Pflegekasse gezahlt worden sind, unterliegen der vierjährigen Verjährung gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV). Anhaltspunkte, dass die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden sind, § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV, und eine dreißigjährige Verjährung eintritt, liegen nicht vor.
Nach alledem war die Klage abzuweisen. Die Voraussetzungen des § 3 S. 1 Nr. 1a SGB VI in seiner bis zum Jahr 2012 geltenden Fassung sind nicht erfüllt, weil keine Pflegebedürftigkeit des Sohnes festgestellt wurde und er im maßgeblichen Zeitraum keinen Anspruch auf Pflegeleistungen hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).


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