Medizinrecht

Corona-Pandemie (“4. Welle”): Ausschluss von Zuschauern bei Sportveranstaltungen

Aktenzeichen  3 EN 801/21

Datum:
10.1.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Oberverwaltungsgericht 3. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGTH:2022:0110.3EN801.21.00
Normen:
§ 29 Abs 1 CoronaVInfSchV TH 2
§ 47 Abs 6 VwGO
Art 3 Abs 1 GG
Art 20 Abs 3 GG
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1. Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Corona-Pandemie und damit die Gefahr der Verbreitung von COVID-19 trotz des Auslaufens der vom Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite weiterhin bestehen.(Rn.33)

2. Der Verordnungsgeber verfolgt mit der Thüringer SARS-CoV-2-InfektionsschutzMaßnahmenverordnung vom 24. November 2021 (juris: CoronaVInfSchV TH 2) Ziele des Gesundheitsschutzes, insbesondere die Abwendung einer – teilweise bereits eingetretenen – Überlastung des Gesundheitssystems.(Rn.40)

3. Der in § 29 Abs 1 S 2 ThürSARS-CoV-2-IfS MaßnVO (juris: CoronaVInfSchV TH 2) geregelte Zuschauerausschluss bei Sportveranstaltungen stellt sich nach einer summarischen Bewertung als verhältnismäßig dar.(Rn.35)

4. Die Klärung der Frage der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zwischen Sportveranstaltungen und vergleichbaren Veranstaltungen muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Eine Rechtfertigung der vom Verordnungsgeber vorgenommenen Differenzierung ist jedenfalls nicht ausgeschlossen.(Rn.63)

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die Außervollzugsetzung des § 29 Abs. 1 Satz 2 der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung, mit dem die Durchführung von Sportveranstaltungen mit Zuschauern untersagt wird.
Die Antragstellerin organisiert und vermarktet Sportveranstaltungen im Volleyballsport. Mit ihrer Damenmannschaft ist sie in der ersten Volleyball-Bundesliga im Bereich des Profisports tätig.
Der Antragsgegner erließ am 24. November 2021 durch die Thüringer Landesregierung in Ablösung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 30. Juni 2021 (GVBl. S. 279), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 29. Oktober 2021 (GVBl. S. 537) eine erneute Thüringer Verordnung zur Regelung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung – ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO -), die zunächst im Wege einer Notveröffentlichung nach § 9 des Thüringer Verkündungsgesetzes – ThürVerkG – noch am selben Tag auf der Internetseite des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (https://www.tmasgff.de/COVID-19/rechtsgrundlage) und sodann am 2. Dezember 2021 im Gesetz- und Verordnungsblatt (S. 565 ff.) veröffentlicht wurde. Nach § 39 Abs. 1 trat diese Verordnung am 24. November 2021 um 23:59 Uhr in Kraft und mit Ablauf des 21. Dezember 2021 außer Kraft. Nach einer Änderung durch Art. 2 der Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Thüringer Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem Infektionsschutzgesetz sowie der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 14. Dezember 2021 (GVBl. S. 586) wurde die Rechtsverordnung durch die – im Wege der Notveröffentlichung nach § 9 ThürVerkG veröffentlichten – 1. Verordnung zur Änderung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 17. Dezember 2021 (GVBl. S. 614) und 2. Verordnung zur Änderung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 23. Dezember 2021 (GVBl. S. 1) – jeweils erlassen durch die Thüringer Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie mit Einverständnis des Thüringer Ministers für Bildung, Jugend und Sport – novelliert. Sie hat nunmehr, soweit im vorliegenden Streit erheblich, folgenden Wortlaut:
„§ 18 Besondere Schutzmaßnahmen
…       
(2) Die Anwendung der 2G-Zugangsbeschränkungen gilt verpflichtend:
1. in geschlossenen Räumen oder Fahrzeugen
…,    
b) bei öffentlichen, frei oder gegen Entgelt zugänglichen Veranstaltungen mit der Maßgabe, dass Veranstaltungen mindestens zehn Tage vor Veranstaltungsbeginn der zuständigen Behörde anzuzeigen sind und eine maximale Kapazitätsauslastung mit bis zu 40 Prozent der zulässigen Gesamtauslastung zulässig ist; die Personenobergrenze liegt bei gleichzeitig 500 teilnehmenden Personen,
…       
i) bei kulturellen Veranstaltungen, wie Lesungen, Theater-, Kino- oder Opernaufführungen mit der Maßgabe, dass eine maximale Kapazitätsauslastung mit bis zu 40 Prozent der zulässigen Gesamtauslastung zulässig ist; die Personenobergrenze liegt bei gleichzeitig 500 teilnehmenden Personen,
…       
Soweit nicht ausdrücklich in Satz 1 bestimmt, besteht keine Anzeigepflicht gegenüber der zuständigen Behörde. Ergänzend zu § 6 Abs. 3 Satz 1 ist eine qualifizierte Gesichtsmaske bei der verpflichtenden Anwendung der 2G-Zugangsbeschränkung zu verwenden, § 6 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt.
(3) Die 2G-Plus-Zugangsbeschränkung gilt in geschlossenen Räumen:
…       
Abweichend von Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b gilt die 2G-Plus-Zugangsbeschränkung in geschlossenen Räumen für öffentliche, frei oder gegen Entgelt zugängliche Veranstaltungen, soweit mehr als 50 Personen teilnehmen.
…       
§ 29 Veranstaltungen der Freizeitgestaltung sowie Kongresse, Ausstellungen und Messen
(1) Volks-, Dorf-, Stadt-, Schützen- oder Weinfeste, Weihnachtsmärkte, Kirmes, Festivals und vergleichbare Veranstaltungen sind untersagt. Sportveranstaltungen dürfen nur ohne Zuschauer durchgeführt werden.
…       
§ 39 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
(1) Diese Verordnung tritt am 24. November 2021 um 23:59 Uhr in Kraft und mit Ablauf des 24. Januar 2022 außer Kraft.“
Am 20. Dezember 2021 hat die Antragstellerin beim Thüringer Oberverwaltungsgericht einen Normenkontrollantrag betreffend § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO erhoben (Az.: 3 N 800/21) und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – beantragt.
Zur Begründung des Antrags nach § 47 Abs. 6 VwGO führt sie aus, dass die ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO bereits formell rechtswidrig sei. Die Lesefassung der Verordnung weise als Datum des Inkrafttretens den 24. November 2021 auf. Ausweislich der Internetseite des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie trete die Verordnung jedoch am 20. Dezember 2021 in Kraft. Aufgrund des falschen Datums des Inkrafttretens benenne die Verordnung zudem nicht sämtliche Ermächtigungsgrundlagen, auf welchen diese beruhe. Dies stelle einen Verstoß gegen das Zitiergebot dar. Darüber hinaus sei die Verordnung aber auch materiell rechtswidrig. Bereits im Rahmen einer summarischen Überprüfung spreche Überwiegendes für einen Verstoß der Bestimmungen gegen den Parlamentsvorbehalt, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das allgemeine Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG -. Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit sei zu berücksichtigen, dass die Untersagung von Sportveranstaltungen mit Zuschauern zur Erreichung der mit der Verordnung beabsichtigten Ziele, die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, nicht erforderlich sei. Es sei nicht verlässlich und nachvollziehbar festgestellt, dass es durch Zuschauer bei Sportveranstaltungen zu einem erhöhten Infektionsgeschehen komme und diesem Umstand tatsächlich Infektionsrelevanz beigemessen werden könne. Die Anordnung zum Tragen einer FFP2- oder KN 95-Maske sowie die von ihr bereits vor Inkrafttreten der Verordnung durchgeführte 2G-Plus-Zugangsbeschränkung bei Sportveranstaltungen könnten weiterhin als mildere Mittel gegenüber der vollständigen Untersagung von Zuschauern angesehen werden. Mangels Differenzierung hinsichtlich der Inzidenzen in dem jeweiligen Gebiet sei die Regelung auch unangemessen. Schließlich verletze die Regelung des § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil Zuschauer lediglich von Sportveranstaltungen ausgeschlossen seien. Für Konzerte oder mit Sportveranstaltungen vergleichbare Veranstaltungen bliebe es hingegen bei den allgemeinen Zugangsbeschränkungen der Verordnung. Auch dürften im sportlichen Bereich weiterhin Fitnessstudios geöffnet bleiben, obwohl deren Infektionsgefahr als wesentlich höher einzustufen sei. Angesichts dieses erheblichen Grundrechtseingriffs und auch des offensichtlich nicht rechtzeitig zu erlangenden Rechtsschutzes in der Hauptsache wiege ihr Interesse an der Außervollzugsetzung des § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO schwerer. Außerdem drohten ihr durch das Zuschauerverbot erhebliche Einnahmeeinbußen, die gegenwärtig nicht durch finanzielle Hilfen des Staates ausgeglichen werden könnten.
Die Antragstellerin beantragt,
den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, durch die § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO in der Fassung vom 17. Dezember 2021 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache über den Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO außer Vollzug gesetzt wird, soweit Sportveranstaltungen ohne Zuschauer stattzufinden haben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zweifel bestünden bereits hinsichtlich der Antragsbefugnis und damit der Zulässigkeit des gestellten Antrags. Jedenfalls aber sei der Antrag der Antragstellerin unbegründet. § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO beruhe mit den §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 1 Nr. 8, Abs. 3 und 8 des Infektionsschutzgesetzes – IfSG – auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage und sei formell rechtmäßig erlassen worden. Da die Stammverordnung vom 24. November 2021 und die sich darauf beziehende Änderungsverordnung vom 17. Dezember 2021 als eine Einheit zu betrachten seien, sei eine Änderung des Zeitpunkts des Inkrafttretens der Stammverordnung vom 24. November 2021 nicht geboten gewesen. Maßgeblich für das Inkrafttreten der Anpassungen in Artikel 1 der Änderungsverordnung sei allein Artikel 2 der Änderungsverordnung bzw. der darin benannte Zeitpunkt des 20. Dezember 2021. Dementsprechend läge auch kein Verstoß gegen das Zitiergebot vor. Die der Änderungsverordnung vom 17. Dezember 2021 vorangestellte Eingangsformel erfülle alle Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG. Die angegriffene Regelung sei auch materiell rechtmäßig. Insbesondere sei sie verhältnismäßig. Die Untersagung von Sportveranstaltungen in physischer Anwesenheit von Zuschauern sei zur Erreichung des Ziels, die Infektionslage kontrollieren und insbesondere der drohenden Überlastung des Gesundheitswesens entgegenwirken zu können, geeignet. Üblicherweise handele es sich bei derartigen Veranstaltungen um Anlässe, die eine große Zahl von Zuschauern mobilisieren und zusammenbringen. Auch wenn der Anstieg der Corona-Fallzahlen nicht allein auf das jeweilige Sportereignis zurückgeführt werden könne, sei von einem erheblichen Beitrag dieser Ereignisse zur Verbreitung des Coronavirus auszugehen. Selbst bei Zweifeln hinsichtlich geeigneter einzelner Maßnahmen müsse gelten, dass die Strategie zur Eindämmung der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus bzw. der COVID-19-Erkrankung aus einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen bestehe. Keine Maßnahme allein verspreche hinlänglich Erfolg, zumal allgemein davon ausgegangen werde, dass eine hochwirksame Maßnahme wie ein vollständiger und strengstmöglicher Lockdown über Wochen wirtschaftlich und gesellschaftlich nicht vertretbar sei. Daher könne eine sinnvolle, die Unvollkommenheiten jeder einzelnen Maßnahme berücksichtigende Strategie immer nur das Ziel verfolgen, die Zahl der Virusübertragungen, die nur durch Kontakte zwischen den Menschen möglich seien, zu verringern, nicht aber sie zu 100 % zu unterbinden. Folglich komme es immer auf eine Kombination verschiedener, grundsätzlich gut geeignet erscheinender Maßnahmen an, die Virusübertragungen zu reduzieren. Für das Kriterium der Geeignetheit spiele es entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine Rolle, in welchem Umfang die Maßnahme den beabsichtigten Erfolg bewirke, sondern nur, dass die angeordnete Maßnahme auch dazu beitrage, das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen. Die Maßnahme sei auch erforderlich. In Thüringen entwickle sich die SARS-CoV-2-Pandemie in den letzten Wochen zunehmend dynamisch und habe inzwischen wieder in vielfacher Hinsicht bedrohliche Ausmaße angenommen. So habe am 13. Dezember 2021 die 7-Tage-Inzidenz in Thüringen den Wert 1.032,6 und die Hospitalisierungsinzidenz den Wert 19,9 erreicht. Dies belege, dass Hygienemaßnahmen und auch die vor dem Inkrafttreten der Änderungsverordnung vom 17. Dezember 2021 geltenden Maßnahmen allein nicht mehr ausgereicht hätten, die weitere Verbreitung des Virus zu stoppen. Darüber hinaus sei den Meldungen zu entnehmen gewesen, dass eine durchgemachte COVID-19-Infektion möglicherweise nicht gegen die Omikron-Variante des SARS-CoV-2-Virus schütze und die Wirksamkeit derzeitiger Impfstoffe ebenfalls erheblich eingeschränkt sei. Mildere, zur Erreichung der dargelegten Zielsetzung gleichermaßen geeignete Schutzmaßnahmen seien nicht ersichtlich. Weder die von der Antragstellerin angeführte Verpflichtung der Zuschauer zum Tragen von qualifizierten Mund-Nasen-Bedeckungen während des Aufenthalts in der Sporthalle noch eine 2G-Plus-Zugangsbeschränkung böten einen vollständigen Schutz. Abgesehen davon müsse angesichts von Fangesängen, Anfeuerungsrufen o. ä. davon ausgegangen werden, dass die für die Wirksamkeit dieser Schutzmaßnahme erforderliche Disziplin ebenso wie das starre Verharren auf den Plätzen nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden könnten. Die mit dem Ausschluss der Zuschauer für die Antragstellerin verbundenen Nachteile seien im Hinblick auf die Folgen eines weiteren Anstiegs von Ansteckungen und Erkrankungen für die Rechtsgüter Leib und Leben einer Vielzahl Betroffener und im Hinblick auf die drohende Überlastung des Gesundheitswesens auch angemessen. Dies gelte umso mehr, als die neue Omikron-Variante des Virus, die nach ersten Erkenntnissen um ein Vielfaches ansteckender als die Delta-Variante sein solle, mittlerweile auch in Deutschland angekommen sei. Soweit die Antragstellerin erhebliche Einnahmeeinbußen seitens der Zuschauer und Sponsoren anführe, sei nicht ersichtlich, warum diese nicht durch die kostenpflichtige Übertragung der Spiele ausgeglichen werden könnten. Aus § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO folge auch keine sachwidrige Ungleichbehandlung. Anders als die passive Teilnahme als Zuschauer an Sportveranstaltungen dienten die von der Antragstellerin angeführten Fitnessstudios der Erhaltung der Gesundheit und damit auch der Vorbeugung von Krankheiten. Fitnessstudios und auch kulturelle Veranstaltungen in Theatern und Konzerthäusern ließen zudem – anders als insbesondere überregionale Sportveranstaltungen – in der Regel keine weiten Anreisen aus dem gesamten Bundesgebiet erwarten. Ein dem Geschehen in einem Sportstadion oder in einer Sporthalle vergleichbares Verhalten sei in einem Konzert auch nicht üblich. Schließlich habe der Verordnungsgeber die Durchführung von Sportveranstaltungen nicht gänzlich untersagt, sondern mit dem Ziel der Verringerung der Kontakte lediglich die Anwesenheit von Zuschauern ausgeschlossen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
Im Sinne der Gewährung eines effektiven und zügigen Rechtsschutzes bezieht der Senat die – § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO in der Sache inhaltlich nicht ändernde, jedoch zeitlich verlängernde – Novellierung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung durch die Verordnung vom 23. Dezember 2021 in das vorliegende Verfahren mit ein.
Die Statthaftigkeit des Antrags ergibt sich aus § 47 Abs. 6 VwGO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 4 ThürAGVwGO. Danach entscheidet das Oberverwaltungsgericht auch außerhalb des Anwendungsbereiches des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über die Gültigkeit von – wie hier – im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften.
Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 VwGO. Danach kann den Antrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsverordnung oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. An die Geltendmachung der Rechtsverletzung sind dabei keine höheren Anforderungen zu stellen als an die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Dementsprechend genügt es, wenn ein Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem eigenen subjektiven Recht verletzt wird. Die Antragsbefugnis fehlt nur dann, wenn die Rechte des Antragstellers unter Zugrundelegung seines Vorbringens offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können (s. jüngst BVerwG, Urteil vom 18. März 2021 – 7 CN 1/20 – juris Rn. 10 m. w. N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Antragstellerin antragsbefugt. Es ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Antragstellerin als gewerbliche Veranstalterin von Sportveranstaltungen durch den in der streitgegenständlichen Verordnung geregelten Ausschluss von Zuschauern bei Sportveranstaltungen jedenfalls in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG betroffen ist, was sie gemäß Art. 19 Abs. 3 GG als juristische Person auch geltend machen kann. Darüber hinaus ist nach ihrem Vortrag eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht ausgeschlossen.
2. Der Antrag ist aber unbegründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
Ob dies der Fall ist, beurteilt sich in Anlehnung an die Regelung in § 32 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes – BVerfGG – (vgl. auch § 26 des Thüringer Verfassungsgerichtshofsgesetzes – ThürVerfGHG -). An die vorläufige Aussetzung einer bereits in Kraft gesetzten Norm, an deren Vollzug ein erhebliches Allgemeininteresse besteht, ist deshalb ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Insoweit sind die Folgen, die einträten, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, ein Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO) aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die aufträten, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind bei der Entscheidung über den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO nur dann als Bestandteil der Folgenabwägung in die Bewertung einzubeziehen, wenn sich schon bei summarischer Prüfung im Anordnungsverfahren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Normenkontrollantrag unzulässig, offensichtlich unbegründet oder offensichtlich begründet ist (st. Rspr. des Senats, vgl. nur Beschluss vom 23. August 2011 – 3 EN 77/11 – LKV 2011, 472 m. w. N.).
Die begehrte einstweilige Anordnung ist trotz offener Erfolgsaussichten der Normenkontrolle in der Hauptsache nicht auf Grund der nach den genannten Maßgaben erforderlichen Folgenabwägung geboten.
a. Die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Normenkontrolle sind – allenfalls – offen.
aa. Die Rechtsgrundlage für die hier streitige Verordnungsbestimmung des § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO ist § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. §§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 6 IfSG vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie vom 10. Dezember 2021 (BGBl. I S. 5162), das nach dessen Art. 23 mit seiner Verkündung im BGBl. am 11. Dezember 2021 in Kraft trat. Danach sind die Landesregierungen bzw. die von ihnen bestimmten Stellen ermächtigt, unabhängig von einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG festzustellenden epidemischen Lage von nationaler Tragweite als notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG die Beschränkung der Anzahl von Personen bei Sportveranstaltungen anzuordnen, soweit sie zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich sind.
Durchgreifende evidente Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. §§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 6 IfSG drängen sich nicht auf.
Soweit die Antragstellerin Zweifel im Hinblick auf das verfassungsrechtlich begründete Wesentlichkeitsprinzip und den darauf gründenden Parlamentsvorbehalt vorträgt (vgl. zu diesen Grundsätzen eingehend: Thüringer VerfGH, Urteil vom 1. März 2021 – 18/20 – juris Rn. 378 ff., 385 ff.), zeigt sie damit keine bereits im Eilverfahren zwingend feststellbaren Mängel der Ermächtigungsgrundlage auf. Der Senat hat bereits nach Inkrafttreten des § 28a IfSG entsprechende Bedenken nicht geteilt (vgl. Beschluss vom 25. November 2020 – 3 EN 746/20 – juris).
bb. Für den Senat ergeben sich auch keine Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit des § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO.
Die Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 24. November 2021 ist von den hierzu ordnungsgemäß ermächtigten Verordnungsgebern erlassen worden; dies gilt auch für die Änderungsverordnungen (vgl. ausführlich hierzu der Beschluss des Senats vom 30. Dezember 2021 – 3 EN 775/21 – juris).
Die – nunmehr auch im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündeten – Stamm- und Änderungsverordnungen verfügen über die von § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG vorgesehene amtliche Begründung (siehe unter https://www.tmasgff.de/covid-19/rechtsgrundlage) und überschreiten mit ihrer Befristung bis zum 24. Januar 2022 auch nicht die in § 28a Abs. 5 Satz 2 IfSG vorgegebene Geltungsdauer von vier Wochen.
Schließlich ist auch das Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG gewahrt. Soweit die Antragstellerin rügt, dass angesichts des in der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 24. November 2021 nicht geänderten Datums des Inkrafttretens der Verordnung die in dieser Verordnung angegebenen Gesetzesgrundlagen maßgeblich seien und dementsprechend nicht alle Ermächtigungsgrundlagen benannt seien, auf denen die Verordnung in ihrer aktuellen Fassung beruhe, verkennt sie maßgebliche Grundsätze des Verordnungsgebungsverfahrens.
Dieses ist im Falle der Rechtssetzung durch eine Änderungsverordnung zwar dadurch gekennzeichnet, dass die Änderungsverordnung die bestehende Stammverordnung im Umfang der in ihr geregelten Änderungsbefehle abändert. Das Inkrafttreten der neuen Rechtslage wird dabei aber allein durch das in der Änderungsverordnung zu regelnde Inkrafttreten der Änderungsverordnung bestimmt. Mit dem Inkrafttreten der Änderungsverordnung werden die Änderungen geltendes Recht im Rahmen der (geänderten) Stammverordnung. Eine Anpassung der Inkrafttretensbestimmung der Stammverordnung findet nicht statt. Maßgeblich für eine Überprüfung der formellen Voraussetzungen der geänderten Rechtslage ist mithin stets der aktuelle Stand der Verordnung.
Ausgehend hiervon ist vorliegend die Vereinbarkeit der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 24. November 2021 sowie der Änderungsverordnungen vom 14., 17. und 23. Dezember 2021 mit dem Zitiergebot daran zu messen, ob die Verordnungen zum Zeitpunkt ihres Erlasses dem Zitiergebot gerecht werden. Anhaltspunkte für eine Unvollständigkeit dieser für den jeweiligen Erlasszeitpunkt maßgeblichen Ermächtigungsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
cc. Nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung bestehen auch keine Bedenken hinsichtlich des Vorliegens der zum Erlass der streitgegenständlichen Bestimmung des § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen.
Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Corona-Pandemie und damit die Gefahr der Verbreitung von COVID-19 trotz des Auslaufens der vom Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite weiterhin bestehen. Aktuell sind insbesondere aufgrund des Auftretens und der raschen Verbreitung der Omikron-Variante sehr hohe Inzidenzen zu verzeichnen. Auch die Zahl schwerer Erkrankungen an COVID-19, die im Krankenhaus aufgenommen und ggf. auch intensivmedizinisch behandelt werden müssen, sowie die Zahl der Todesfälle befinden sich weiterhin auf einem hohen Niveau. Erste epidemiologische Analysen aus anderen Ländern deuten zwar bei Infektionen mit der Omikron-Variante auf einen im Vergleich zur Delta-Variante des Virus milderen Krankheitsverlauf. Die gegenüber früheren Varianten deutlich höhere Übertragbarkeit der Omikron-Variante sowie eine reduzierte Effektivität und Dauer des Impfschutzes gegen die Omikron-Variante drohen jedoch den Vorteil der milderen Krankheitsverläufe quantitativ aufzuwiegen und zu einer erneuten erheblichen Belastung des Gesundheitssystems und anderer Bereiche der kritischen Infrastruktur zu führen (s. Risikobewertung des Robert Koch-Instituts mit Stand 5. Januar 2022, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html; 2. Stellungnahme des Expertenrates der Bundesregierung zu COVID-19 vom 6. Januar 2022, veröffentlicht auf der Internetseite der Bundesregierung, https://www.bundesregierung.de).
Nach der Rechtsgrundlage ist der Antragsgegner mithin berechtigt, Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, wie hier den streitigen Zuschauerausschluss bei Sportveranstaltungen, zu erlassen.
dd. Der Senat vermag im Eilverfahren auch nicht zwingend die Unverhältnismäßigkeit des Zuschauerausschlusses bei Sportveranstaltungen zu erkennen.
(1) Die Feststellung einer übertragbaren Krankheit bedingt, dass die zuständige Stelle – sei es die zuständige Behörde im Wege des Erlasses von Verwaltungsakten oder die Landesregierung bzw. die von ihr ermächtigte Stelle im Wege des Erlasses einer Rechtsverordnung – zum Handeln verpflichtet ist. Die Stelle hat lediglich ein Ermessen hinsichtlich der Auswahl der anzuwendenden Schutzmaßnahmen.
Die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, lässt sich nicht im Vorfeld bestimmen. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet und in § 28a IfSG bestimmte in Betracht kommende Schutzmaßnahmen benannt.
Die Entscheidung, welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden, wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige“ Schutzmaßnahmen handeln muss, d. h. Maßnahmen, „soweit“ sie zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit „erforderlich“ sind. Weiterhin betont das Gesetz den zeitlichen Aspekt: Maßnahmen dürfen nur getroffen werden, „solange“ sie erforderlich sind. Insgesamt sind der Maßnahmenauswahl damit durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 24 unter Bezugnahme auf die Gesetzgebungsmaterialien: Bundestag Drs. 8/2468, S. 27). Dies bringt nunmehr § 28a Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG auch für die hier in Streit stehende Maßnahme zum Ausdruck. Danach muss diese zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich sein.
Hierbei ist zu beachten, dass dem Verordnungsgeber des Landes – ähnlich wie dem Bundesgesetzgeber bei Erlass des Infektionsschutzgesetzes – ausgehend von der Bestimmung des legitimen Zwecks der Maßnahme hinsichtlich der Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme Entscheidungsspielräume zukommen (vgl. hierzu entsprechend: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 3 BvR 781/21 – u. a. juris Rn. 167 ff.).
(2) Es besteht für den Senat kein Zweifel dahingehend, dass der Verordnungsgeber mit der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 24. November 2021 und auch mit der hier streitigen Maßnahme legitime Ziele des Gesundheitsschutzes verfolgt, die insbesondere der Abwendung einer Überlastung des Gesundheitssystems dienen.
(a) Die vom Infektionsschutzgesetz in den §§ 28a ff. IfSG selbst grundlegend angenommene Gefährlichkeit von COVID-19 besteht weiterhin. Die Verbreitung dieser Krankheit konkret in Thüringen ist dramatisch, was bereits jetzt das Gesundheitssystem an seine Grenzen bringt. Diese der Verordnung zu Grunde liegende Einschätzung des Verordnungsgebers ist nicht zu beanstanden.
Nach einer zuletzt rückläufigen Corona-Inzidenz ist die aktuelle Situation in Thüringen wieder von einem zunehmenden Infektionsgeschehen gekennzeichnet. Die 7-Tage-Inzidenz (Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) betrug am 7. Januar 2022 353,5 und liegt damit weiter über dem Bundesdurchschnitt von 303,4. Dieses überdurchschnittliche Infektionsgeschehen zeigt sich auch an der 7-Tage-Inzidenz der Hospitalisierung. Der Gesamtwert für Thüringen liegt bei 9,01 gegenüber einem Bundesdurchschnitt von 3,15. Die Anzahl der durch COVID-19-Patienten belegten Betten (ITS-Belegungsquote) beträgt 30,5 % (bundesweit: 15,4 %). Bis zum 7. Januar 2022 mussten zudem 30 intensivmedizinisch betreute Patienten in andere Bundesländer verlegt werden. Auch die Zahl der Todesfälle liegt mit 285 je 100.000 Einwohner deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 137 Fällen je 100.000 Einwohnern (s. Täglicher Lagebericht des RKI zur Corona-Virus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 7. Januar 2022, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html; Lage-Flyer der Stabsstelle – Krisenstab Corona des TMASGFF vom 7. Januar 2022, https://corona.thueringen.de/).
Die Anzahl der Erstimpfungen liegt nach Angaben des Robert Koch-Instituts in Thüringen bei 1.447.777 (68,3 %), die der Zweitimpfungen bei 1.399.858 (66,0 %) und die der Auffrischungsimpfungen bei 769.294 (36,3 %) (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquotenmonitoring.html).
In der Bewertung des Infektionsgeschehens ist weiterhin zu berücksichtigen, dass bei der Ausbreitung der neuen Omikron-Variante derzeit noch große regionale Unterschiede bestehen. So sind in Thüringen bislang seit der Meldewoche 46/2021 lediglich 132 Omikronfälle nachgewiesen, wohingegen andere Bundesländer bereits fast 20.000 Fälle zu verzeichnen haben (siehe die Tägliche Übersicht des Robert Koch-Instituts zu Omikron-Fällen, vom 7. Januar 2022, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Omikron-Faelle/Omikron-Faelle.html?__blob=publicationFile).
(b) Ausgehend von diesem zum Erlasszeitpunkt bereits feststellbaren zusätzlichen Infektionsgeschehen und der bereits bestehenden Gefahr der Überlastung der Krankenhäuser, insbesondere der Intensivstationen, sowie der Ergebnisse der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 2. Dezember 2021 hat sich der Verordnungsgeber entschieden, weitergehende Kontaktbeschränkungen anzuordnen. Neben einem System von kontaktreduzierenden Maßnahmen auf der Basis von 3G-, 2G- und 2G-Plus-Regelungen hat er Kontakte vollständig ausschließende Maßnahmen in von ihm als besonders infektionsgefährdend erscheinenden Situationen beschlossen. Zu diesen Maßnahmen gehört auch, dass der Verordnungsgeber – entsprechend Ziffer 9 des Beschlusses der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 2. Dezember 2021, der vorsah, dass in Ländern mit einem hohen Infektionsgeschehen Veranstaltungen nach Möglichkeit abgesagt und Sportveranstaltungen ohne Zuschauer durchgeführt werden – in § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO den Ausschluss von Zuschauern bei Sportveranstaltungen geregelt hat.
(c) Der Verordnungsgeber will mit diesen Maßnahmen seiner in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wurzelnden Schutzpflicht nachkommen, nämlich für den Schutz vor sämtlichen mit einer SARS-CoV-2-Infektion einhergehenden Gesundheits- und Lebensgefahren zu sorgen. Sowohl der Lebens- und Gesundheitsschutz als auch die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems sind bereits für sich genommen überragend wichtige Gemeinwohlbelange und daher verfassungsrechtlich legitime Gesetzeszwecke. Aus Art. 2 Abs. 2 GG, der den Schutz des Einzelnen vor Beeinträchtigungen seiner körperlichen Unversehrtheit und seiner Gesundheit umfasst, kann zudem eine Schutzpflicht des Staates folgen, die eine Vorsorge gegen Gesundheitsbeeinträchtigungen umfasst (BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 – u. a. juris Rn. 174 ff.).
(3) Hiervon ausgehend erweist sich die angegriffene Maßnahme des Ausschlusses von Zuschauern bei Sportveranstaltungen als geeignetes Mittel zur Eindämmung der Pandemie und zur Erreichung der damit verfolgten Zwecke des Gesundheitsschutzes.
Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 – u. a. juris Rn. 185 f. m. w. N.) hat zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben anknüpfend an seine ständige Rechtsprechung zuletzt ausgeführt, dass für die Eignung bereits die Möglichkeit genügt, durch die gesetzliche Regelung den Gesetzeszweck zu erreichen. Bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung steht dem Gesetzgeber ein Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die etwa erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel bezieht, um die Ziele des Gesetzes zu erreichen. Dieser Spielraum reicht nicht stets gleich weit. Insoweit hängt sein Umfang vielmehr einzelfallbezogen etwa von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter ab. Für Letzteres kann auch das Eingriffsgewicht in Bezug auf die Eigenart des vom Eingriff betroffenen Rechts eine Rolle spielen. Auch hier gilt, dass bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen tatsächliche Unsicherheiten grundsätzlich nicht ohne weiteres zu Lasten der Grundrechtsträger gehen dürfen. Erfolgt aber der Eingriff zum Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die gerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt. Liegen der gesetzlichen Regelung prognostische Entscheidungen zugrunde, kann die Eignung nicht nach der tatsächlichen späteren Entwicklung, sondern lediglich danach beurteilt werden, ob der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass die Maßnahme zur Erreichung des gesetzten Ziels geeignet, ob seine Prognose also sachgerecht und vertretbar war. Erweist sich eine Prognose nachträglich als unrichtig, stellt dies jedenfalls die ursprüngliche Eignung des Gesetzes nicht in Frage. Die Eignung setzt also nicht voraus, dass es zweifelsfreie empirische Nachweise der Wirkung oder Wirksamkeit der Maßnahmen gibt. Allerdings kann eine zunächst verfassungskonforme Regelung später mit Wirkung für die Zukunft verfassungswidrig werden, wenn ursprüngliche Annahmen des Gesetzgebers nicht mehr tragen.
Vorliegend ist das Zuschauerverbot des § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO ersichtlich geeignet, das Infektionsgeschehen einzudämmen. Auch wenn nicht eindeutig bestimmt werden kann, welchen konkreten Beitrag zum Infektionsgeschehen das Zusammenkommen im Rahmen von Sportveranstaltungen leistet, so ist doch unbestreitbar, dass ein Zuschauerverbot die Möglichkeiten des unmittelbaren Kontakts von Personen sowohl bei als auch auf dem Weg von und zu den Sportveranstaltungen begrenzt. Wie jede andere Einschränkung von Kontakten wirkt damit auch die Regelung des § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus durch Tröpfchen und Aerosole entgegen. Gleichzeitig führt die Kontaktbeschränkung zu einem Absinken der Zahl an COVID-19-Erkrankten und damit auch zu einer Verringerung der intensivmedizinisch zu behandelnden Patienten (zu diesem Zusammenhang vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 – u. a. juris Rn. 195 ff.). Dies gilt umso mehr, als die sich im Vormarsch befindliche Omikron-Variante des Virus eine deutlich stärkere Infektionsdynamik aufweist.
(4) Dem Senat drängt sich weiterhin nicht die mangelnde Erforderlichkeit der angegriffenen Maßnahme auf.
Nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 a. a. O. juris Rn. 203 f. m. w. N.) ist das Merkmal der Erforderlichkeit so zu verstehen, dass Grundrechtseingriffe nicht weitergehen dürfen, als es der Schutz des Gemeinwohls erfordert. Daran fehlt es, wenn ein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlziels zur Verfügung steht, das den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen. Dem Gesetzgeber steht grundsätzlich auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit ein Einschätzungsspielraum zu. Der Spielraum bezieht sich unter anderem darauf, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen auch im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren. Der Spielraum kann sich wegen des betroffenen Grundrechts und der Intensität des Eingriffs verengen. Umgekehrt reicht er umso weiter, je höher die Komplexität der zu regelnden Materie ist. Auch hier gilt, dass bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen tatsächliche Unsicherheiten grundsätzlich nicht ohne weiteres zu Lasten der Grundrechtsträger gehen dürfen. Dient der Eingriff dem Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die gerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt.
Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin ist bei der hier allein möglichen summarischen Prüfung nicht feststellbar, dass der Verordnungsgeber den ihm insoweit zustehenden Einschätzungsspielraum überschritten hat.
Auch die Anordnung zum Tragen einer qualifizierten Mund-Nasen-Bedeckung oder die Anwendung einer 2G-Plus-Zugangsbeschränkung bleiben erkennbar hinter dem Schutzniveau des vollständigen Unterbleibens der Kontakte zurück.
Für die 2G-Plus-Zugangsbeschränkung trifft dies schon deshalb zu, weil ein negatives Testergebnis nicht sicher den Schluss darauf zulässt, dass eine Person nicht mit dem Coronavirus infiziert ist (Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2021 – 3 EN 752/21 – juris). Dies kann sich vor allem darauf stützen, dass auf dem deutschen Markt lediglich Antigentests mit in unabhängigen Validierungsstudien bestimmten klinischen Sensitivitäten von 40 – 80 % verfügbar sind (vgl. Robert Koch-Institut, Antigentests als ergänzendes Instrument in der Pandemiebekämpfung in Epidemiologisches Bulletin Nr. 17/2021, S. 16, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/17_21.pdf?__blob=publicationFile). Insbesondere bei asymptomatisch oder präsymptomatisch Infizierten ist die Aussagekraft eines negativen Befundes bei Antigentests limitiert (vgl. Robert Koch-Institut, Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2-Antigennachweise – Leistungsfähigkeit und Aussagekraft, 9. Dezember 2021, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html;jsessionid=3F69EFBE796B5CEC345FA3CD1BBECB4C.internet081?nn=13490888#doc13490982bodyText24). Abgesehen davon gilt dies aber auch, weil nach den aktuellen Erkenntnissen auch Geimpfte und Genesene – zumindest, wenn deren Infektion oder Impfung schon einige Monate zurückliegen – Überträger des Coronavirus sein können (vgl. Robert Koch-Institut, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Transmission.html).
Auch die Pflicht zum Tragen einer qualifizierten Mund-Nasen-Bedeckung stellt kein dem weitgehenden Ausschluss von Infektionen durch Unterbindung von Kontaktmöglichkeiten gleich wirksames Mittel dar (vgl. hierzu bereits BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 a. a. O. juris Rn. 210 und Beschluss des Senats vom 30. Dezember 2021 – 3 EN 775/21 – juris).
(5) Bei summarischer Prüfung ist auch nicht zwingend anzunehmen, dass die Regelung unter Abwägung der gegenläufigen verfassungsrechtlichen Positionen unangemessen ist.
Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordert, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen (vgl. hierzu wie zum Folgenden: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 – juris Rn. 216 f. m. w. N.). Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Umgekehrt wird gesetzgeberisches Handeln umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die bei gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können. Auch bei der Prüfung der Angemessenheit besteht grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers. Die verfassungsrechtliche Prüfung bezieht sich dann darauf, ob der Gesetzgeber seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat. Bei der Kontrolle prognostischer Entscheidungen setzt dies wiederum voraus, dass die Prognose des Gesetzgebers auf einer hinreichend gesicherten Grundlage beruht.
Der Vortrag der Antragstellerin zeigt jedenfalls nicht auf, dass das von ihr angegriffene Verbot von Zuschauern bei Sportveranstaltungen offensichtlich außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs steht.
Die Maßnahme führt zwar zu Grundrechtseinschränkungen. So sind gewerbliche Sportveranstalter vorrangig in Bezug auf das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) betroffen; ein Eingriff in das von der Eigentumsgarantie erfasste Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (Art. 14 Abs. 1 GG) ist hingegen eher zu verneinen, weil die durch die Maßnahme eingeschränkten Umsatz- und Gewinnchancen von der Eigentumsgarantie nicht umfasst werden (vgl. jüngst: BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2020 – 1 BvR 1679/17 – u. a. juris Rn. 86). Eingegriffen wird ferner in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der von dem Ausschluss erfassten potenziellen Zuschauer sowie der sonstigen, nicht gewerblichen Sportveranstalter.
Diese Rechte – wie auch andere Grundrechtspositionen – werden jedoch nicht unbeschränkt gewährt, sondern unterliegen einem Gesetzesvorbehalt. Dass den hier betroffenen Grundrechten im Ergebnis ein unbedingter Vorrang gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gebührt, ist nicht festzustellen. Die Berufsausübung und selbst die existenzsichernde Erzielung von Einnahmen in einem Bereich von gefahrerhöhender Tätigkeit sowie die allgemeine Handlungsfreiheit können vorübergehend gegenüber der Durchsetzung überragend gewichtiger Gemeinwohlbelange zurückzustehen haben. Ungeachtet dessen, ob die Maßnahmen überhaupt existenzbedrohende Folgen haben, zeigt der Vortrag der Antragstellerin jedoch angesichts einer in Thüringen besorgniserregenden pandemischen Lage mit hohen Infektions-, Krankheits- und Todesraten und den mit der Omikron-Variante zu erwartenden Verschärfungen dieser Situation den unbedingten Vorrang dieser Rechte vor dem staatlichen Auftrag zum Schutz von Leib, Leben und Gesundheit der Bevölkerung nicht auf.
ee. Soweit die Antragstellerin mit ihrem Vortrag im Wesentlichen eine grundrechtswidrige Ungleichbehandlung zwischen Sportveranstaltungen und den von § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO nicht betroffenen vergleichbaren Veranstaltungen behauptet, führt dies nicht zwingend zur Annahme der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme.
Hierbei ist schon zweifelhaft, ob und inwieweit der Vorwurf gleichheitswidriger Behandlung zu anderen Veranstaltungen, die lediglich den allgemeinen Zugangsbeschränkungen unterfallen, überhaupt im Eilverfahren auf eine Außervollzugsetzung der angegriffenen Bestimmungen führen muss (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 27. April 2020 – 20 NE 20/793 – juris Rn. 26 ff.). Wird ein solcher Rechtsverstoß unterstellt, ist dem Verordnungsgeber – soweit nicht andere rechtserhebliche Gesichtspunkte Anderes gebieten (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 1996 – 3 C 29/96 – juris Rn. 36; auch: zuletzt Beschluss des Senats vom 30. Dezember 2021 – 3 EN 775/21 -) – dann nämlich erneut ein Entscheidungsspielraum eröffnet, den betreffenden Gleichheitsverstoß zu beseitigen. Dies würde vorliegend insbesondere nicht ausschließen, im Interesse des Infektionsschutzes und der Vermeidung weiterer Infektionen auch bei anderen Veranstaltungen, die nicht dem strengen Regime des § 29 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO unterfallen, die Anwesenheit von Zuschauern zu untersagen.
Ungeachtet dessen muss die Klärung der Frage der Legitimität der von der Antragstellerin angesprochenen Ungleichbehandlung ersichtlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat zu den Anforderungen des insoweit im Bundes- und Landesrecht inhaltlich nicht wesentlich divergierenden allgemeinen Gleichheitssatzes im Hinblick auf infektionsschutzrechtliche Regelungen ausgeführt (Thüringer VerfGH, Urteil vom 1. März 2021 – 18/20 – juris Rn. 511 ff.):
„Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 2 Abs. 1 ThürVerf gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Hierbei verbleibt ihm grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum, dessen Grenzen erst überschritten sind, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Differenzierung nicht mehr auf sachlichen Erwägungen beruht und willkürlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1985 – 2 BvL 17/83 – BVerfGE 69, 150 [160] = juris Rn. 39). Es ist insoweit nicht Sache eines Verfassungsgerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hat, sondern lediglich, ob die äußersten Grenzen gewahrt sind (zur entsprechenden Beschränkung seines Prüfungsumfangs siehe auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 1981 – 2 BvR 1067/80, BVerfGE 58, 68 [79] = juris Rn. 27). Dieser aus Art. 2 Abs. 1 ThürVerf für den parlamentarischen Gesetzgeber resultierende Maßstab gilt für die normsetzende Exekutive entsprechend, allerdings ist der dem Verordnungsgeber zukommende Gestaltungsspielraum enger, da ein solcher von vornherein nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen besteht (vgl. insoweit zu den Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 GG: BVerfGE 58, 68 [79] = juris Rn. 27; BVerfGE 69, 150 [160] = juris Rn. 39). Der Verordnungsgeber darf keine Differenzierungen vornehmen, die über die Grenzen einer formell und materiell verfassungsmäßigen Ermächtigung hinaus eine Korrektur der Entscheidungen des Gesetzgebers bedeuten würden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1963 – 1 BvR 265/62 -, BVerfGE 16, 332 [339] = juris Rn. 22), sondern muss vielmehr den Zweckerwägungen folgen, die im ermächtigenden Gesetz angelegt sind (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 1 S 3405/20 , juris Rn. 18). In den Grenzen des ihm zustehenden Ermessens muss er nach dem Gleichheitssatz im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und sich von sachfremden Erwägungen freihalten (vgl. BVerfGE 16, 332 [339] = juris Rn. 22; BVerfGE 58, 68 [79] = juris Rn. 27; BVerfGE 69, 150 [160] = juris Rn. 39).
Dies hat zur Folge, dass sich die Regelungen an den Zwecken dieser bundesgesetzlichen Verordnungsermächtigung auszurichten haben, wenn durch diese Ungleichbehandlungen erfolgen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 – 1 S 3405/20 – juris, Rn. 19). Ungleichbehandlungen dürfen somit grundsätzlich allein aus infektionsschutzrechtlichen Gründen erfolgen, da nur zu diesem Zweck die Verordnungsermächtigung erteilt ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 1 S 3405/20, juris Rn. 19). Über diese infektionsschutzrechtlichen Gründe hinaus kommen allenfalls noch andere überragend wichtige Gründe des Gemeinwohls in Betracht, um Ungleichbehandlungen rechtfertigen zu können (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 – 1 S 3405/20 -, juris Rn. 20).“
Dass nach diesen Maßstäben die vom Verordnungsgeber vorgenommene Differenzierung zu rechtfertigen ist, ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen.
Der mit der Regelung des § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO eingeführte Zuschauerausschluss bei Sportveranstaltungen knüpft zunächst erkennbar an die vom Antragsgegner differenziert eingeschätzten Infektionsgefahren an. In der Amtlichen Begründung zur Einfügung des § 29 Abs. 1 Satz 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO führt der Antragsgegner aus:
„§ 29 Abs. 1 Satz 2 wurde vor dem Hintergrund der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 2. Dezember 2021 (dortige Ziffer 8). Thüringen weist gegenwärtig ein entsprechend hohes Infektionsgeschehen aus.“
Damit bezieht sich der Antragsgegner wohl auf Ziffer 9 des im Rahmen der Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 2. Dezember 2021 getroffenen Beschlusses, in dem sich diese bewusst für eine weitergehende Einschränkung von Sportveranstaltungen ausgesprochen haben:
„9. Überregionale Sport-, Kultur- und vergleichbare Großveranstaltungen werden deutlich eingeschränkt. Es werden Begrenzungen der Auslastung und eine absolute Obergrenze von Zuschauenden festgelegt. Bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen darf nur 30 bis 50 Prozent der Kapazität genutzt werden bis zu einer maximalen Gesamtzahl von 5.000 Zuschauenden. Bei Veranstaltungen im Freien darf nur 30 bis 50 Prozent der Kapazität genutzt werden bis zu einer maximalen Gesamtzahl von 15.000 Zuschauenden. Es sind medizinische Masken zu tragen. Es gilt wie auch sonst, dass nur Geimpfte oder Genesene Zugang haben (2G). Ergänzend kann für die Teilnehmenden ein aktueller Test vorgeschrieben werden (2GPlus). In Ländern mit einem hohen Infektionsgeschehen müssen Veranstaltungen nach Möglichkeit abgesagt und Sportveranstaltungen ohne Zuschauer durchgeführt werden.“
Eine derartige Rechtfertigung der vom Verordnungsgeber vorgenommenen Differenzierung erscheint nicht ausgeschlossen. So ist zu berücksichtigen, dass das Verhalten der Zuschauer von Sportveranstaltungen – einschließlich der Beachtung von Abstands- und Hygieneregeln – jedenfalls bei generalisierender Betrachtung weniger zuverlässig einschätzbar sein dürfte als bei anderen Veranstaltungen. Sowohl die typischerweise unter den regelmäßigen Besuchern bestehenden Bekanntschaften als auch der bei Sportveranstaltungen ausgeprägte Wettbewerbsgedanke begünstigen eine erhöhte Emotionalität der Zuschauer und bedingen damit zwangsläufig eine gesteigerte Infektionsgefahr (hierzu Bayerischer VGH, Beschluss vom 16. September 2020 – 20 NE 20/1994 – juris Rn. 18).
Abgesehen davon kann der Verordnungsgeber hinsichtlich der Bestimmung der Bereiche, in denen ein Zusammenkommen von Zuschauern verboten wird, – wie oben bereits dargelegt – aber auch nach der spezifischen Relevanz des jeweiligen Lebensbereichs für die Allgemeinheit unterscheiden. Eine solche Differenzierung ermöglicht ihm auch § 28a Abs. 6 IfSG, der vorliegend nach § 28a Abs. 7 Satz 3 IfSG Anwendung findet. Danach sind bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 vereinbar ist. Einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, können von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht zwingend erforderlich ist.
Kommen insoweit verschiedene Lösungen in Betracht, steht dem Normgeber über rein infektionsschutzrechtliche Überlegungen hinaus ein Gestaltungsspielraum offen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz kann für solche Situationen nicht gefordert werden, die über die Infektionsschutzgründe hinaus beachtlichen Unterschiede zu nivellieren. Auch ist es nicht geboten, dass der Normgeber hinsichtlich mehrerer möglicher Lösungen die zweckmäßigste oder gar die „vernünftigste“ wählt. Eine strikte Beachtung eines Gebots innerer Folgerichtigkeit kann insoweit nicht eingefordert werden (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 30. Dezember 2021 – 3 B 451/21 – Rn. 83; OVG Hamburg, Beschluss vom 26. März 2020 – 5 Bs 48/20 – juris Rn. 13; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 27. April 2020 – 13 MN 98/20 – juris Rn. 64; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. April 2020 – 1 S 1101/20 – juris Rn. 52). Insbesondere im Falle von Massenerscheinungen, die sich wie das vorliegende weltweite Infektionsgeschehen auf eine Vielzahl von Lebensbereichen auswirken, ist dem Normgeber zuzugestehen, dass er auch generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen kann, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen (vgl. Bayerischer VerfGH, Entscheidung vom 21. Oktober 2020 – Vf. 26 VII 20 – juris Rn. 24).
Auch der Vergleich mit dem Betrieb von Fitnessstudios führt nicht zwingend auf eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Ungeachtet dessen, ob hier überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen, ergeben sich ersichtlich tatsächliche Umstände, die eine differenzierte Regelung bedingen können. So regelt die hier streitige Norm ein kaum kontrollierbares und auf Emotionen angelegtes Massenverhalten, während die Regularien für Fitnessstudios typischer Weise wesentlich individualisierbarer und kontrollierbarer sind.
b. Verbleibt es mithin bei offenen Erfolgsaussichten, gebietet eine Folgenabwägung nicht, die einstweilige Anordnung zu erlassen. Dies legt weder der Vortrag der Antragstellerin nahe, noch ist dies ansonsten erkennbar. Bei der Folgenabwägung sind angesichts der Allgemeinverbindlichkeit der Entscheidung die Auswirkungen auf alle von der angegriffenen Regelung Betroffenen zu berücksichtigen, nicht nur die Folgen für die Antragstellerin.
Würde der Aussetzungsantrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt, erwiese sich im Ergebnis des Hauptsacheverfahrens die Verordnung aber als rechtswidrig, wären zwar alle Sportveranstalter und auch der ausgeschlossene potenzielle Zuschauerkreis in ihren (Grund-)Rechten beeinträchtigt. Dies wirkt umso schwerwiegender, als infolge der Dauer der Pandemie und deren wellenmäßigem Verlauf die betroffenen Veranstalter bereits mehrfach in ihrer wirtschaftlichen Betätigung beschränkt waren und daraus existenzielle Nachteile resultieren können. Entgegen dem Vortrag des Antragsgegners ist dabei nicht davon auszugehen, dass diese Nachteile durch die kostenpflichtige Übertragung der Sportveranstaltungen ausgeglichen oder annähernd aufgefangen werden könnten. Eine derartige Annahme übersieht nicht nur die Struktur des Sports im Freistaat, sondern auch die mit einer entgeltlichen Übertragung der Sportveranstaltungen notwendig werdenden Investitionen.
Würde hingegen dem Aussetzungsantrag stattgegeben, erwiese sich die Verordnung im Hauptsacheverfahren aber als rechtmäßig, träte damit eine konkrete – wie durch die Fallzahlenentwicklung in Thüringen, Deutschland und der Welt belegte – Steigerung der Risiko- und Gefährdungslage ein, die auch im Hinblick auf die erheblich gesteigerte Ansteckungsgefahr durch die neue Virusvariante Omikron wesentlich erhöht ist. Auch nur eine vorläufige Außervollzugsetzung kann eine konkrete Gefahr für Gesundheit, Leib und Leben einer unüberschaubaren Vielzahl von Menschen begründen.
Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Außervollzugsetzung aufgrund der Allgemeinverbindlichkeit weit über den Fall der Antragstellerin hinaus wirken würde; dies wäre hier auch umso bedeutender, als bei Außervollzugsetzung der gesamte Sportbereich in Thüringen für den Publikumsverkehr geöffnet werden würde. Ein wesentliches Element der komplexen Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners würde in seiner Wirkung reduziert (vgl. zur Berücksichtigung dieses Aspekts in der Folgenabwägung: BVerfG, Beschluss vom 1. Mai 2020 – 1 BvQ 42/20 – juris Rn. 10), und dies zu einem Zeitpunkt mit einem weiterhin dynamischen Infektionsgeschehen. Die Möglichkeit, eine geeignete und erforderliche Schutzmaßnahme zu ergreifen und so die Verbreitung der Infektionskrankheit zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang, effektiver zu verhindern, bliebe zumindest zeitweise bis zu einer Reaktion des Verordnungsgebers (irreversibel) ungenutzt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG -. Der Senat bemisst das Interesse der Antragstellerin in Anlehnung an gewerberechtliche Untersagungsverfahren auf einen geldwerten Betrag in Höhe von 15.000,00 € (vgl. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d. F. der am 31. Mai 2005 / 1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen), der hier im Hinblick auf die mit dem Zuschauerverbot einhergehende nur teilweise Beschränkung des Geschäftsbetriebs sowie auf die vorübergehende Dauer der Maßnahme zu halbieren ist. Eine weitere Halbierung ist wegen der faktischen Vorwegnahme der Hauptsache hingegen nicht angezeigt.
Hinweis:
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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