Medizinrecht

Einstweiliger Rechtsschutz – Entziehung der Fahrerlaubnis bei Schizophrenie

Aktenzeichen  M 6 S 18.421

Datum:
15.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 30667
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 2, § 46 Abs. 1
Anlage 4 zur FeV  Nr. 7.6

 

Leitsatz

Im Rahmen der Interessabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO erscheint eine Anlehnung an die Wertung des Verordnungsgebers sachgerecht, die den Nummern 7.6.1 bis 7.6.3 der Anlage 4 zur FeV zugrunde liegt; danach kann, solange kein akuter Schub einer schizophrenen Psychose vorliegt, unter gewissen Voraussetzungen die Teilnahme des Betroffenen am Straßenverkehr mit solchen Kraftfahrzeugen verantwortet werden, für deren Führen eine Fahrerlaubnis der Gruppe 1 genügt, während die Eignung für Fahrerlaubnisse der Gruppe 2 nur unter besonders günstigen Umständen bejaht werden darf (ebenso BayVGH BeckRS 2007, 30632 Rn. 30). (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts NeuburgSchrobenhausen vom 2. Januar 2018 wird hinsichtlich der Nr. 1 des Bescheids insoweit wiederhergestellt, als dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A, B und BE entzogen wurde. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt zu 1/3 der Antragsteller und zu 2/3 der Antragsgegner.
III. Der Streitwert wird auf EUR 7.500,00 festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit eines Bescheids zur Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, B, BE, C1 und C1E.
Mit Schreiben vom … Mai 2017 teilte die Polizeiinspektion … dem Antragsgegner mit, dass der Antragsteller am heutigen Tag auf der Polizeiinspektion erschienen sei, um wieder einmal Anzeige zu erstatten, da sich angeblich eine unberechtigte Person Zutritt zu seiner Wohnung verschafft habe. Der „Einbrecher“ habe mehrere Schuhe in seiner Wohnung vertauscht und zudem den Herd angeschaltet. Auf Nachfrage, ob an der Türe Aufbruchspuren zu sehen seien, habe er geantwortet, dass „die“ ja nicht blöd seien und Spuren hinterlassen würden. Es gäbe Möglichkeiten in eine Wohnung zu gelangen, welche sich der aufnehmende Beamte gar nicht vorstellen könne. Der Antragsteller sei in der Vergangenheit bereits mehrfach durch ähnliche Schilderungen gegenüber der Polizei aufgefallen. Aus Sicht des Unterzeichners bestünden Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr.
Auf die Bitte des Antragsgegners hin mitzuteilen, ob sich aufgrund weiterer Sachverhalte Anhaltspunkte für Mängel an der Fahreignung des Antragstellers ergeben hätten, führte die Polizeiinspektion … unter dem 16. Juni 2017 ergänzend aus, dass der Antragsteller seit 2009 in … wohne. Seit dem Jahr 2014 teile er der hiesigen Polizeiinspektion immer wieder teils abstruse Sachverhalte mit, die größtenteils mit dem logischen Menschenverstand nicht in Einklang zu bringen seien. Die eingesetzten Polizeibeamten schilderten hierbei immer wieder übereinstimmend, dass der Antragssteller sich verfolgt fühle, und sie den Eindruck hätten, dass bei ihm eine psychische Krankheit vorliege. Die vom Antragsteller der Polizei mitgeteilten Sachverhalte ähnelten sich allesamt. Er habe in mehreren Fällen mitgeteilt, dass unberechtigte Personen in seiner Abwesenheit in seine Wohnung eingedrungen seien, um dort die Thermostate der Heizung zu verstellen, seinen Wasserhahn zu reparieren, Schuhe umzustellen, fernzusehen, die Temperatur am Kühlschrank zu verstellen, zu kochen. In keinem der mitgeteilten Fälle habe durch die Polizei auch nur die geringste Spur gefunden werden können, welche seine „Geschichten“ hätte bestätigen können. Zudem habe er in zwei Fällen angezeigt, dass jemand mit seinem PKW gefahren sei und diesen anschließend wieder auf den Tiefgaragenstellplatz zurückgestellt habe. Zudem sei einmal die Alarmanlage des PKW manipuliert worden. Auch in diesen Fällen hätten diesbezüglich keine entsprechenden Spuren gefunden werden können.
Daraufhin forderte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 26. Juni 2017 auf, ein ärztliches Gutachten über seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beizubringen. Die Begutachtung habe durch einen Facharzt für Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation, der nicht sein behandelnder Arzt sein dürfe, zu erfolgen. Zu klären seien insbesondere folgende Fragen: 1. Liegt bei dem Antragsteller eine Erkrankung vor, die nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung infrage stellt? a) Wenn ja: ist der Antragsteller (wieder) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 vollständig gerecht zu werden? 2. Liegt eine ausreichende Adhärenz (Compliance, z.B. Krankheitseinsichtigkeit, regelmäßige/überwachte Medikamenteneinnahme [Hinweise auf – ggf. selbstinduzierte – Unter- oder Überdosierung] usw.) vor? Unter dem … September 2017 teilte der sich inzwischen bestellte Bevollmächtigte des Antragstellers mit, dass die Begutachtung bei der Begutachtungsstelle für Fahreignung des … e.V. durchgeführt werden solle. Dem stimmte der Antragsgegner unter dem 18. September 2017 gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV zu.
Nachdem bis dahin das angeforderte Gutachten beim Antragsgegner nicht eingegangen war, hörte dieser den Antragsteller mit Schreiben vom 10. November 2017 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an.
Hierauf legte der Antragsteller dem Antragsgegner das Gutachten des … e.V. vom … Oktober 2017 vor, das die Fragen des Antragsgegners wie folgt beantwortet: „1. Bei [dem Antragsteller] liegt wohl eine Erkrankung (paranoide Schizophrenie DD anhaltend wahnhafte Störung) vor, die nach Nr. 7.6.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung vom Frage stellt. Eine weitergehende psychiatrische Abklärung ist erforderlich. a) [Der Antragsteller] ist derzeit nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 vollständig gerecht zu werden. 2. Eine ausreichende Adhärenz […] liegt nicht vor.“ Unter „fragestellungsbezogene gesundheitliche Vorgeschichte“ wird u.a. ausgeführt, der Antragsteller wohne seit 2009 in der Wohnung. Seit 2011 würde er regelmäßig Veränderungen in seiner Wohnung sehen. Es seien immer wieder die Türen von außen beschädigt worden. Auch sein Anwalt denke, dass es der Hausmeister sei. Es seien Möbelstücke zerkratzt worden. Er habe einen Disput mit dem Hausmeister in der Tiefgarage gehabt. Er habe zu keinem Mitbewohner Kontakt. Von 2002 bis 2009 habe er in der Nähe von … … … … gelebt, da sei es ähnlich gewesen, aber nicht so gravierend. Es sei wohl der Eigentümer der Wohnung gewesen. Er sei halt kein Bayer und lebe zurückgezogen. Er sei hauptsächlich mit der Schule beschäftigt. Im Abschnitt „soziale Anamnese und psychischer Befund“ heißt es, der Antragsteller habe angegeben, dass er als …lehrer arbeite. Der Denkverlauf sei „klar und geordnet“ erschienen. Es habe „einen“ Anhalt gegeben, eine Einschränkung der Kritik- oder Urteilsfähigkeit anzunehmen. Der Untersuchte sei zu Zeit, Ort, Person und Situation voll orientiert gewesen. Es hätten sich „Anzeichen eines Verfolgungswahns“ gezeigt. Unter „zusammenfassende Befundwürdigung“ wird nach Darstellung der Kriterien für das Vorliegen einer Schizophrenie nach ICD-10 ausgeführt, dass beim Antragsteller „ein Beziehungswahn (Verfolgungswahn), Wahnwahrnehmungen oder optische Halluzinationen“ vorlägen, so dass entsprechend der ICD-10 die Diagnose einer Schizophrenie gestellt werden „könnte“. Eine weitergehende psychiatrische Abklärung sei notwendig. Im Folgenden werden die Symptome der paranoiden Schizophrenie aufgeführt und als Differentialdiagnose (DD) die anhaltend wahnhafte Störung genannt. Abschließend heißt es, beim Antragsteller sei aufgrund der zutreffenden ICD-10 Kriterien von einer unbehandelten paranoiden Schizophrenie „DD“ wahnhaften Störung auszugehen. Er sei derzeit aufgrund „der akuten schizophrenen Psychose DD der anhaltenden wahnhaften Störung“ entsprechend der Nr. 7.6.1 der Anlage 4 zur FeV nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden.
Mit Schreiben vom … November 2017 äußerte der Bevollmächtigte des Antragstellers Zweifel an der Qualität des Gutachtens. Der Antragsteller sei bereit, sich einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen.
Der Antragsgegner wies das Gutachten vom … Oktober 2017 mit Schreiben vom 28. November 2017 als nicht schlüssig und nachvollziehbar zurück, u.a. weil die Fragen nicht ausreichend (Frage 1) bzw. überhaupt nicht (Frage 3 bis 6) beantwortet worden seien. Es werde gebeten, das Gutachten zur Nachbesserung dem … e.V. vorzulegen.
Hierauf wurde dem Antragsgegner eine Stellungnahme der begutachtenden Ärztin vom … Dezember 2017 vorgelegt, in der ausgeführt wird, dass sich beim Antragsteller im Rahmen der Begutachtung „deutliche Hinweise auf das Vorliegen einer wahnhaften Störung oder paranoiden Schizophrenie finden“. Jedoch sei die psychische Störung nicht vordiagnostiziert. Die sichere Stellung einer Diagnose bedürfe einer weit umfangreicheren Diagnostik als dies im Rahmen der Begutachtung durchgeführt werden könne. Wie in der zusammenfassenden Befundwürdigung erläutert, fänden sich sowohl Kriterien für das Vorliegen einer wahnhaften Störung als auch für das Vorliegen einer paranoiden Schizophrenie. Eine psychiatrische Behandlung sei nicht angegeben worden, sodass von einer unbehandelten akuten psychischen Störung auszugehen sei. Daher sei eine weitergehende psychiatrische Abklärung und Diagnostik empfohlen worden. Krankheitseinsicht sei krankheitsbedingt nicht gegeben gewesen. Auf die Beantwortung der Fragen 3-6 sei aufgrund der negativ zu beantworteten Fragen 1 und 2 verzichtet worden. Die der Stellungnahme vom … Dezember 2017 beigefügte „zusammenfassende Befundwürdigung“ ist mit derjenigen in dem Gutachten vom … Oktober 2017 identisch.
In seinem Begleitschreiben zu der gutachterlichen Stellungnahme vom … Dezember 2017 äußerte der Bevollmächtigte des Antragstellers erneut Zweifel an der Schlüssigkeit des Gutachtens. Es würden leidglich die Ausführungen des ersten Gutachtens wiederholt. Der Antragsteller sei nach wie vor bereit, sich von einem Facharzt für Psychiatrie untersuchen zu lassen. Er habe aber erst für den … Februar 2018 einen Termin erhalten.
Mit Bescheid vom 2. Januar 2018, zugestellt am 3. Januar 2018, entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheids), forderte ihn unter Fristsetzung auf, den Führerschein beim Antragsgegner abzuliefern (Nr. 2) und ordnete die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 dieses Bescheids an (Nr. 3). Für den Fall der nicht fristgerechten Ablieferung des Führerscheins wurde ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 500,00 angedroht (Nr. 4). Die Nr. 5 des Bescheids enthält die Kostenentscheidung. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Fahrerlaubnisbehörde das Gutachten des … e.V. einer eingehenden Prüfung unterzogen habe und zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Ausführungen in sich schlüssig und überzeugend seien. Sie sehe keine Veranlassung, an den getroffenen sachkundigen Feststellungen zu zweifeln. Dem Antragsteller sei daher die Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 StVG zu entziehen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde damit begründet, dass der Antragsteller nach dem fachärztlichen Gutachten der … entsprechend der Nr. 7.6.1 der Anlage 4 zur FeV nicht in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden. Im Interesse der Verkehrssicherheit und zum Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer müsse daher der sofortige Vollzug angeordnet werden.
Hiergegen ließ der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom … Januar 2018 Widerspruch erheben. Es könne nicht nachvollzogen werden, warum das Gutachten der … seitens der Fahrerlaubnisbehörde zunächst zurückgewiesen worden sei und jetzt für schlüssig und nachvollziehbar gehalten werde, obwohl es sich im Wesentlichen auf die Wiederholung der Ausführungen des Erstgutachtens beschränke.
Mit weiterem Schriftsatz vom … Januar 2018, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht am selben Tag, beantragte der Bevollmächtigte für den Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom … Januar 2018 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 2. Januar 2018 hinsichtlich der Nr. 1 wiederherzustellen und hinsichtlich der Nr. 2 anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das private Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse überwiege. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei bereits formell rechtswidrig, da die im Bescheid gegebene Begründung formelhaft und nicht einzelfallbezogen sei. Sie sei aber auch materiell rechtswidrig, da keine konkreten Anhaltspunkte für eine akute schizophrene Psychose DD der anhaltenden Störung vorlegen. Eine abschließende Diagnose sei im Gutachten nicht getroffen worden. Im Rahmen der abschließenden Stellungnahme werde angegeben, dass beim Antragsteller „wohl“ eine Erkrankung vorliege, die die Fahreignung infrage stelle. Eine weitergehende psychiatrische Abklärung sei erforderlich Seitens der Fahrerlaubnisbehörde sei nicht ausermittelt worden, inwiefern beim Antragsteller tatsächlich eine Schizophrenie vorliege bzw. in welcher Form. Das Gutachten gehe zudem fälschlicherweise davon aus, dass Polizeibeamte die Wohnung des Antragstellers untersucht und keine Einbruchsspuren gefunden hätten.
Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2018 legte der Antragsgegner die Akten vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aus der ergänzenden Stellungnahme der … vom … Dezember 2017 hervorgehe, dass beim Antragsteller eine unbehandelte paranoide Schizophrenie, differenzialdiagnostisch eine wahnhafte Störung und damit eine Erkrankung nach Nr. 7.6.1 der Anlage 4 zur FeV vorliege. Der Antragsteller sei daher nicht in der Lage, den Anforderungen und Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden. Tippfehler, Grammatikfehler und weitere sprachliche Unzulänglichkeiten hätten keinen Einfluss auf die Verwertbarkeit des Gutachtens.
Mit Schriftsatz vom … März 2018 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Gericht einen Arztbrief des Dr. med. B., eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, vom 8. März 2018 vor. Darin heißt es, der Antragsteller habe am … Februar 2018 berichtet, dass er am … Mai 2017 und … Juni 2017 Einbrüche in seiner Wohnung erlitten habe. Er mache sich jetzt keine Gedanken mehr wegen der Einbrüche. Er wisse, dass der Hausmeister etwas gegen ihn habe. In dem vorgelegten Gutachten der … werde berichtet, dass der Antragsteller an einer schizophrenen Psychose leide und deshalb keine Fahrzeuge führen könne in akuten Stadien der Krankheit. Dies betreffe aber nicht die Fähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen nach akuter Psychose, außer in der Gruppe 2. Aufgrund der Untersuchung des Antragstellers vom … Februar 2018 sei festzustellen, „dass keine hirnorganischen Störungen festzustellen sind, keine dementiellen Symptome, keine Depression oder Manieren, kein Hinweis für Substanzabhängigkeit oder Missbrauch, kein Hinweis für akute, traumatische Störungen oder massive Intelligenzminderung.“ Es handele sich hier nicht um ein akutes Stadium einer schizophrenen Psychose mit Warnwahrnehmungen, Halluzinationen und weiteren kognitiven und emotionalen Störungen, sondern um „eine beziehungswahnhafte Symptomatik mit Beeinträchtigungswahn ohne Hinweise für Halluzinationen, Wahnwahrnehmungen oder Ausbreitung des Wahnes ohne typisches Wahnsystem, ohne Zeichen einer Gefährdung des sozialen Verhaltens im Sinne von aggressivem oder psychotischem Agieren oder Reagieren“. Therapeutische Maßnahmen wie Gesprächstherapie, eventuell auch Psychopharmaka in niedriger Dosierung könnten erwogen werden. Jedenfalls liege aufgrund der Untersuchung vom … Februar 2018 kein Hinweis für eine akute schizophrene Erkrankung vor oder eine chronische Störung mit deutlichen Einbußen in der Kognition oder im Sozialverhalten, sodass die Voraussetzung zum Führen von Fahrzeugen der Gruppe 1 ohne Gefährdung an Menschen und Sachen vorliege.
Am 23. März 2018 bat das Gericht den Bevollmächtigten des Antragstellers angesichts der auch aus Sicht des Gerichts bestehenden Zweifel an dem Gutachten der … telefonisch, mit diesem zu klären, ob er zu einer erneuten Begutachtung durch einen Facharzt mit entsprechender verkehrsmedizinischer Qualifikation bereit sei. Am … April 2018 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Gericht mit, dass dieser mit einer erneuten Begutachtung nicht einverstanden sei. Es werde um Schriftsatzfrist bis 20. April 2018 gebeten.
Mit Schriftsatz vom … April 2018 wies der Bevollmächtigte des Antragstellers das Gericht darauf hin, dass Dr. med. B. zwar keine verkehrsmedizinische Qualifikation habe, aber Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie sei. Er komme klar zu dem Ergebnis, dass kein Hinweis für eine akute schizophrene Erkrankung oder eine chronische Störung mit deutlichen Einbußen in der Kognition oder im Sozialverhalten vorliege. Die Ausführungen im Gutachten der … vom … Oktober 2017, wonach der Antragsteller an einer schizophrenen Psychose leide, seien damit widerlegt. Die im Gutachten der … für erforderlich gehaltene weitergehende psychiatrische Abklärung sei durch die Untersuchung des Dr. Med. B. am … Februar 2018 erfolgt, die bestehende Unsicherheit dadurch beseitigt.
Am 19. April 2018 teilte die begutachtende Ärztin des … e.V. dem Gericht auf dessen Nachfrage telefonisch mit, dass sie keine Facharztausbildung habe. Sie habe ein Medizinstudium absolviert, das auch Psychiatrie umfasse. Sie sei als Ärztin der Begutachtungsstelle zugelassen. Eine abschließende Diagnose im Fall des Antragstellers scheitere nicht an ihrer fehlenden Facharztausbildung, sondern daran, dass hierfür mangels einer Vordiagnose mehrere Sitzungen nötig gewesen wären Dies sei im Rahmen einer Begutachtung der Fahreignung nicht zu leisten. Bei dem Antragsteller sei eine paranoide Schizophrenie bzw. differenzialdiagnostisch eine wahnhafte Störung festzustellen gewesen. Es habe sich um einen Grenzfall gehandelt. Zum Ergebnis, dass der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei, sei sie deshalb gekommen, weil nicht auszuschließen sei, dass ein weiterer Wahn hinzukomme, der zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer führe.
Auf den den Beteiligten übersandten Aktenvermerk des Gerichts über das mit der Gutachterin am 19. April 2018 geführte Telefonat hin äußerte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers dahingehend, dass das vorgelegte Gutachten schon deshalb völlig ungeeignet sei, weil die Anforderungen an einen medizinischen Gutachter nach Anlage 14 zu § 66 Abs. 2 FeV nicht erfüllt seien. Die Gutachterin verfüge offensichtlich über eine deutlich geringere Qualifikation als Herr Dr. med. B.
Mit Beschluss vom 8. Mai 2018 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ist zulässig und überwiegend begründet.
1. Der Antrag ist insoweit zutreffend gestellt, als der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom … Januar 2018 gegen die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 2. Januar 2018 enthaltene Entziehung der Fahrerlaubnis begehrt. Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs hinsichtlich der in Nr. 2 des Bescheids enthaltenen, fristmäßig konkretisierten, Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins begehrt, ist der Antrag gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auszulegen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV; BayVGH, B.v. 22.9.2015 – 11 CS 15.1447 – juris Rn. 23; B.v. 6.10.2017 – 11 CS 17.953 – juris Rn. 9).
2. Der Antrag ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet.
2.1 Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 3 des Bescheids vom 2. Januar 2018 genügt zwar den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in: Eyermann, VwGO – Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43).
Dem genügt die ersichtlich auf den vorliegenden Einzelfall abstellende Begründung auf der Seite 4 im Bescheid vom 2. Januar 2018. Die Fahrerlaubnisbehörde hat dargelegt, warum sie konkret im Fall des Antragstellers im Interesse der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs die sofortige Vollziehung anordnet. Sie hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Wesentlichen mit der sich aus dem fachärztlichen Gutachten des … e.V. ergebenden Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründet. Die Frage, ob die Begründung inhaltlich richtig ist, der Antragsgegner den Antragsteller also zu Recht als ungeeignet erachtet hat, spielt insoweit keine Rolle.
Im Übrigen ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im Bereich des Sicherheitsrechts regelmäßig – so auch hier -gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren.
2.2 Dennoch war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom … Januar 2018 gegen den Bescheid vom 2. Januar 2018 hinsichtlich der Nr. 1 insoweit wiederherzustellen, als dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A, B und BE entzogen wurde.
2.2.1 Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.
2.2.2 Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war dem Antrag in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang stattzugeben, weil die Erfolgsaussichten in der Hauptsache im Ergebnis als offen anzusehen sind und die dann vorzunehmende Interessenabwägung zu dem Ergebnis führt, die aufschiebende Wirkung nur hinsichtlich der Nr. 1 des Bescheids wiederherzustellen und diesen Ausspruch zusätzlich auf die Fahrerlaubnisklassen A, B und BE zu beschränken.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, weil das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen ist.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Nach Nr. 7.6.1 der Anlage 4 zur FeV ist bei einer akuten schizophrenen Psychose die Eignung weder für die Klassen A, A1, B, BE, M, L und T (Gruppe 1) noch für die Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E und FzF (Gruppe 2) gegeben. Nach Ablauf einer akuten schizophrenen Psychose ist die Eignung für die Gruppe 1 dann gegeben, wenn keine Störungen nachweisbar sind, die das Realitätsurteil erheblich beeinträchtigen; bei der Gruppe 2 ist die Eignung hingegen nur ausnahmsweise unter besonders günstigen Umständen anzunehmen (Nr. 7.6.2 der Anlage 4 zur FeV; Nr. 3.12.5 der Beurteilungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach, Stand 14.8.2017, https://www…de/BASt_2017/DE/Verkehrssicherheit/Fachthemen/BLL/Beg utachtungsleitlinien-2017.pdf? blob=publicationFile& v=12).
Zur Begründung wird in Nr. 3.12.5 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung ausgeführt, dass schwere psychotische Krankheitserscheinungen das Realitätsurteil eines Menschen in so erheblichem Ausmaß beeinträchtigen könnten, dass selbst die Einschätzung normaler Verkehrssituationen gestört werde. Schwere psychotische Körpermissempfindungen könnten die Aufmerksamkeit absorbieren und die Leistungsfähigkeit senken. Antriebs- und Konzentrationsstörungen könnten den situationsgerechten Einsatz der psychophysischen Leistungsfähigkeit mindern. Derartige psychotische Krankheitserscheinungen könnten also zu Fehlleistungen führen und die allgemeine Leistungsfähigkeit unter das notwendige Maß herabsetzen. In jedem Einzelfall müsse – auch abhängig vom Krankheitsstadium – die Bedeutung aller einzelnen Symptome für die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen beurteilt werden.
Vorliegend steht zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht zu dessen Überzeugung fest, dass der Antragsteller aufgrund einer psychischen Störung, insbesondere einer schizophrenen Psychose im Sinne von Nr. 7.6.1 der Anlage 4 zur FeV, ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Allerdings erscheint es aus Sicht des Gerichts auch nicht als ausgeschlossen, dass sich der Antragsteller im Widerspruchsverfahren als in diesem Sinne ungeeignet erweist. Denn das Gutachten des … e.V. vom … Oktober 2017 leidet – auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des … e.V. vom … Dezember 2017 – jedenfalls derzeit an mehreren Mängeln:
Am Ergebnis des Gutachtens vom … Oktober 2017, der Antragsteller sei derzeit nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 und 2 vollständig gerecht zu werden, bestehen schon deshalb Zweifel, weil die von der Fahrerlaubnisbehörde gestellte Frage 1, ob beim Antragsteller eine Erkrankung vorliege, die nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stelle, nicht eindeutig beantwortet wird. So wird in dem Gutachten im Rahmen der abschließenden Stellungnahme unter 1. ausgeführt, dass bei dem Antragsteller „wohl“ eine Erkrankung (paranoide Schizophrenie DD anhaltende wahnhafte Störung) vorliege, die nach Nr. 7.6.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stelle. Eine weitergehende psychiatrische Abklärung sei erforderlich. Die begutachtende Ärztin bringt damit zum Ausdruck, dass sie hinsichtlich der von ihr gestellten Diagnose nicht letzte Gewissheit erlangen konnte. Hierfür spricht auch die gegenüber dem Gericht telefonisch geäußerte Einschätzung, bei dem Antragsteller habe es sich um einen „Grenzfall“ gehandelt. Auch der ergänzenden Stellungnahme vom … Dezember 2017 lässt sich insoweit keine eindeutige Antwort entnehmen. Vielmehr wird auf die bereits im Gutachten vom … Oktober 2017 enthaltene zusammenfassende Befundwürdigung verwiesen und ausgeführt, dass sich beim Antragsteller im Rahmen der Begutachtung „deutliche Hinweise“ auf das Vorliegen einer wahnhaften Störung oder einer paranoiden Schizophrenie fänden. Die sichere Stellung einer Diagnose bedürfe einer weit umfangreicheren Diagnostik als diese im Rahmen der Begutachtung durchgeführt werden könne. Daher sei eine weitergehende psychiatrische Abklärung und Diagnostik empfohlen worden. Selbst wenn diese Äußerungen – entgegen ihrem Wortlaut – dahingehend zu verstehen sein sollten, dass beim Antragsteller jedenfalls eine der beiden alternativ in Betracht kommenden Erkrankungen sicher zu diagnostizieren sei, und sich nur nicht eindeutig feststellen lasse, welche der beiden Erkrankungen vorliege, hätte aus Sicht des Gerichts näher dargelegt werden müssen, warum der Antragsteller auch für den Fall, dass er nicht an einer paranoiden Schizophrenie, sondern „nur“ einer wahnhaften Störung leidet, zum Führen von Kraftfahrzeugen beider Gruppen ungeeignet ist. Wie oben bereits dargestellt, ist nach Nr. 7.6.1 der Anlage 4 zur FeV in der Regel ungeeignet, wer an einer akuten schizophrenen Psychose leidet. Die ICD-10 nennt im Kapitel F2 neben der Schizophrenie (F20) eine Reihe anderer psychotischer Störungen, die von den eigentlichen schizophrenen Psychosen abzugrenzen sind (Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Beurteilungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 2. Aufl. 2005, S. 77). Dazu gehören etwa die anhaltenden wahnhaften Störungen (F22). Zwar mögen auch diese zum Verlust der Fahreignung führen können, allerdings hätte es hierzu mangels einer in der Anlage 4 zur FeV enthaltenen Regelvermutung einzelfallbezogener Ausführungen durch die begutachtende Ärztin bedurft. Die Zweifel an der Verwertbarkeit des Gutachtens rühren also nicht primär daher, dass hier eine Differentialdiagnose („paranoide Schizophrenie DD anhaltende wahnhafte Störung“) gestellt wurde, sondern sind dem Umstand geschuldet, dass zum einen nicht klar wird, ob die gestellten Diagnosen zumindest alternativ als gesichert gelten können, und dass zum anderen nicht näher dargelegt wird, ob und -wenn ja – aus welchen Gründen die von der Gutachterin gezogene Schlussfolgerung, dass der Antragsteller ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppen 1 und 2 sei, auch für den Fall gilt, dass der Antragsteller an einer anhaltenden wahnhaften Störung leidet. Allein die telefonisch erteilte Auskunft, dass ein weiterer Wahn nicht ausgeschlossen werden könne, genügt hierfür nicht. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass es in dem Gutachten auch an nachvollziehbaren Darlegungen dazu fehlt, warum vorliegend von einer akuten schizophrenen Psychose ausgegangen wird. In der Stellungnahme vom … Dezember 2017 wird zwar ausgeführt, dass eine psychiatrische Behandlung nicht angegeben worden sei, „so dass von einer unbehandelten akuten psychischen Störung auszugehen ist“. Offenbar wird allein aus der fehlenden psychiatrischen Behandlung zum Zeitpunkt der Untersuchung darauf geschlossen, dass es sich um eine akute psychische Störung handelt. Dies erscheint dem Gericht als zu kurz gegriffen.
Vor allem aber sind das Gutachten vom … Oktober 2017 und die Stellungnahme vom … Dezember 2017 fachlich defizitär. Die begutachtende Ärztin verfügt nach ihren eigenen Angaben nur über ein abgeschlossenes Medizinstudium, nicht aber über eine Facharztausbildung. Damit soll weder in Abrede gestellt werden, dass sie als begutachtende Ärztin der Begutachtungsstelle für Fahreignung des … e.V. zugelassen ist, noch bezweifelt werden, dass der … e.V. die in der Anlage 14 zur FeV genannten Voraussetzungen für die Anerkennung als Träger von Begutachtungsstellen für Fahreignung grundsätzlich erfüllt. Allerdings hätte die Gutachterin das Gutachten nicht allein erstellen dürfen, sondern hätte hierzu einen Konsiliararzt mit einschlägiger fachärztlicher Qualifikation hinzuziehen müssen.
Eine Behebung dieses Defizits und eine Nachbesserung des Gutachtens im Hinblick auf die übrigen, oben dargestellten Mängel erscheinen dem Gericht im laufenden Widerspruchsverfahren allerdings als nicht ausgeschlossen. So lässt sich die Hinzuziehung eines Konsiliararztes mit einschlägiger fachärztlicher Qualifikation – etwa eines Facharztes für Psychiatrie der Begutachtungsstelle für Fahreignung des … e.V. – nachholen. Möglicherweise kann das Defizit – bei entsprechender nachvollziehbarer Begründung – auch ohne Hinzuziehung eines Konsiliararztes dadurch behoben werden, dass der vom Antragsteller im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Arztbrief des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. B. vom … März 2018 herangezogen und ausgewertet wird. Laut Arztbrief lag Dr. med. B. bei der Untersuchung des Antragstellers am … Februar 2018 das Gutachten des … e.V. vom … Oktober 2017 vor, das auf den Seiten 1 und 2 eine Zusammenfassung des wesentlichen Akteninhalts, insbesondere der polizeilichen Mitteilungen vom … Mai und … Juni 2017 enthält. Ob ihm das Gutachten des … e.V. tatsächlich vollständig vorgelegen hat, wäre allerdings im Widerspruchverfahren noch zu klären. Zur Vorbeugung eines weiteren Rechtsstreits sei zudem darauf hingewiesen, dass auch für den Fall der Heranziehung des Arztbriefes des Dr. med. B vom … März 2018 die Frage, welche Konsequenzen aus der (dann) gegebenenfalls beim Antragsteller diagnostizierten Erkrankung für dessen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu ziehen sind, von der begutachtenden Ärztin der Begutachtungsstelle der … e.V. zu beantworten sein wird. Zwar kommt Dr. med. B. in seinem Arztbrief zu dem Ergebnis, dass aufgrund der Untersuchung vom … Februar 2018 kein Hinweis für eine akute schizophrene Erkrankung oder eine chronische Störung mit deutlichen Einbußen in der Kognition oder im Sozialverhalten vorliege, so dass die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 vorlägen. Für die Beurteilung der Fahreignung fehlt Dr. med. B. jedoch auch nach den Angaben des Bevollmächtigten des Antragstellers die erforderliche verkehrsmedizinische Qualifikation.
Der Annahme, dass sich das Gutachten des … e.V. im Widerspruchsverfahren nachbessern lässt, steht auch der Umstand nicht entgegen, dass es hierfür möglicherweise der (erneuten) Mitwirkung des Antragstellers bedarf, indem dieser ggf. für eine (erneute) Untersuchung durch den hinzugezogenen Konsiliararzt zur Verfügung steht. Aufgrund des im verwaltungsbehördlichen Verfahren gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG allgemein geltenden und in §§ 11 bis 14 FeV näher ausgestalteten Amtsermittlungsgrundsatzes ist es zwar Sache der Behörde, Zweifel an der Fahreignung zu klären. Allerdings geht das Verwaltungsverfahrensrecht davon aus, dass den Beteiligten insoweit eine Mitwirkungslast obliegt (vgl. Art. 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayVwVfG). Diese kann zwar weithin nicht erzwungen werden (und ist deshalb eine bloße Obliegenheit). Kommt ein Beteiligter dieser Obliegenheit jedoch nicht nach, darf die Behörde und ggf. auch das Gericht daraus die gebotenen Schlüsse ziehen (vgl. § 11 Abs. 8 FeV und BayVGH, B.v.16.9.2010, 11 ZB 09.2002 – juris, Rn. 14 ff.).
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers lässt sich gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens hingegen nicht mit Erfolg einwenden, dass die Gutachterin von einem falschen Sachverhalt ausgegangen und die Diagnose schon deshalb fehlerhaft sei. Ausweislich der polizeilichen Mitteilung vom … Juni 2017 konnten durch die Polizei nicht die geringsten Spuren gefunden werden. Die begutachtende Ärztin konnte und durfte daher davon ausgehen, dass die Polizei vor Ort gewesen und die Wohnung bzw. Eingangstür auf Einbruchspuren hin untersucht hat. Im Übrigen ließe sich auch diese Frage im Widerspruchsverfahren durch Nachfrage bei der Polizeiinspektion klären.
Zu welchem Ergebnis die Nachbesserung des Gutachtens führen wird, lässt sich nicht absehen. Über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist daher anhand einer allgemeinen Interessenabwägung zu entscheiden. Sie hat sich maßgeblich daran zu orientieren, ob es im Lichte der staatlichen Schutzpflicht für die Güter Leben, Gesundheit und Eigentum der übrigen Verkehrsteilnehmer, verantwortet werden kann, dem Antragsteller bis zur endgültigen Klärung seiner Fahreignung die weitere motorisierte Teilnahme am Straßenverkehr zu erlauben.
Zugunsten des Antragstellers ist zu berücksichtigen, dass dieser, soweit aus den Akten ersichtlich, bislang noch nicht nachteilig im Straßenverkehr in Erscheinung getreten ist. Die bei der Polizei aktenkundig gewordenen Vorfälle stehen mit dem Straßenverkehr nur insofern in Zusammenhang, als der Antragsteller zwei Fälle zur Anzeige gebracht hat, in denen jemand mit seinem Pkw gefahren sei und diesen wieder in der Tiefgarage abgestellt habe. Zu seinen Gunsten fällt auch ins Gewicht, dass die schizophrenen Psychosen -sollte ein solche beim Antragsteller vorliegen – für die Verkehrsdelinquenz keine herausragende Bedeutung haben (Schubert/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 2. Aufl. 2015, S. 77). Ebenfalls zu seinen Gunsten zu berücksichtigen ist die auf einer Untersuchung des Antragstellers beruhende Feststellung des Dr. med. B. in seinem Arztbrief vom … März 2018, dass zwar eine beziehungswahnhafte Symptomatik mit Beeinträchtigungswahn vorliege, allerdings ohne Zeichen einer Gefährdung des sozialen Verhaltens im Sinne von aggressivem oder psychotischen Agieren oder Reagieren. Hinweise für eine chronische Störung mit deutlichen Einbußen in der Kognition oder im Sozialverhalten lägen nicht vor. Auch aus den vorliegenden Akten ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat der Antragsteller die angeblichen Einbrüche in seiner Wohnung jeweils bei der Polizei angezeigt und damit den von der Rechtsordnung vorgesehenen Weg eingeschlagen. Abgesehen von einem vom Antragsteller selbst geschilderten Disput mit dem Hausmeister in der Tiefgarage, sind bislang Vorfälle, in denen der Antragsteller durch aggressives Verhalten aufgefallen wäre, nicht aktenkundig geworden. Für die Annahme, dass von dem Antragsteller derzeit keine extreme Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs ausgeht, spricht auch der Umstand, dass laut Arztbrief vom … März 2018 eine Behandlung der beim Antragsteller diagnostizierten beziehungswahnhaften Symptomatik lediglich erwogen, also offenbar nicht zwingend für erforderlich gehalten wird.
Auf der anderen Seite ist zu seinen Lasten zu berücksichtigen, dass sich unter Umständen auch die von Dr. med. B. beim Antragsteller diagnostizierte beziehungswahnhafte Symptomatik mit Beeinträchtigungswahn auf die Fahreignung auswirken kann, zumal Dr. med. B. lediglich festgestellt hat, dass keine Hinweise auf eine chronische Störung mit deutlichen Einbußen in der Kognition oder im Sozialverhalten vorliegen, umgekehrt derartige Einbußen aber auch nicht völlig ausgeschlossen hat. Zudem besteht keine Gewähr dafür, dass es beim Antragsteller nicht zu einer Entwicklung kommt, die durch die für eine schizophrene Psychose maßgeblichen und die Fahreignung ausschließenden Symptome gekennzeichnet ist.
Angesichts dieser ambivalenten Situation erscheint es in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 22.10.2007 – 11 CS 07.2170 – juris Rn. 30) sachgerecht, die Interessenabwägung in Anlehnung an die Wertung des Verordnungsgebers vorzunehmen, die den Nummern 7.6.1 bis 7.6.3 der Anlage 4 zur FeV zugrunde liegt. Danach kann, solange kein akuter Schub einer schizophrenen Psychose vorliegt, unter gewissen Voraussetzungen die Teilnahme des Betroffenen am Straßenverkehr mit solchen Kraftfahrzeugen verantwortet werden, für deren Führen eine Fahrerlaubnis der Gruppe 1 genügt, während die Eignung für Fahrerlaubnisse der Gruppe 2 nur unter besonders günstigen Umständen bejaht werden darf. Für eine Beschränkung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auf die Fahrerlaubnisklassen, die in der Gruppe 1 zusammengefasst werden, spricht neben der geringeren Gefährlichkeit der Fahrzeuge, die mit derartigen Fahrerlaubnissen gelenkt werden dürfen, dass der Antragsteller nicht dargetan hat, auf eine Fahrerlaubnis der Klassen C1 und C1E notwendig angewiesen zu sein.
Verbleibt es demnach bei der sofortigen Vollziehbarkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen C1 und C1E, so kann der Antragsteller nicht verlangen, dass ihm sein bisheriger Führerschein zurückgegeben wird, da diese Urkunde ihn in Widerspruch zu der in diesem Beschluss getroffenen Regelung als Inhaber auch dieser Klassen ausweist. Soweit der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auch auf die in Nr. 2 des Bescheids enthaltenen Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins gerichtet war, war der Antrag daher ebenfalls abzulehnen. Da die öffentliche Gewalt verpflichtet ist, die Folgen der Verwirklichung eines Verwaltungsakts rückgängig zu machen, dessen sofortige Vollziehbarkeit gerichtlich (teilweise) suspendiert wurde, hat das Landratsamt dem Antragsteller vielmehr für die Geltungsdauer dieses Beschlusses unentgeltlich ein Dokument auszustellen, aus dem sich der aktuelle Umfang seine Befugnis ergibt, erlaubnispflichtige Fahrzeuge im Straßenverkehr zu führen (so BayVGH, B.v. 22.10.2007 – 11 CS 07.2170 – juris Rn. 31).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. den Empfehlungen in den Nrn. 1.5 Satz 1, 46.1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).


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