Medizinrecht

Endgültiges Nichtbestehen der Magisterprüfung

Aktenzeichen  M 3 K 14.1790

Datum:
12.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 144775
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
MagPO § 5 Abs. 3
MagPO § 11 Abs. 2 S. 3

 

Leitsatz

1. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn in Regelungen für die Ablegung oder Wiederholung von Prüfungen Fristen vorsehen sind (wie BVerfGE 80, 1 = NVwZ 1989, 850). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist rechtlich unbedenklich, wenn als Folge der Fristversäumung eine Prüfung als nicht bestanden behandelt wird (wie BayVerGH BeckRS 1994, 21488). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ärztliche Atteste, die in Prüfungsverfahren erst nach Ablauf einer Frist vorgelegt werden, sind nur in besonderen Härtefällen zu berücksichtigen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Im Fall der kranheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit hat ein ärztliches Attest die Funktion, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Prüflings zu beschreiben und anzugeben, welche Auswirkungen sich daraus für das Leistungsvermögen in der konkreten Prüfung ergeben, um eine sachgerechte Beurteilung der Prüfungsbehörde über die Prüfungsfähigkeit zu ermöglichen (wie BVerwG BeckRS 1996, 31224917). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26. März 2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Fristverlängerung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die Beklagte hat zu Recht das endgültige Nichtbestehen der Magisterprüfung festgestellt und dies auf § 11 Abs. 2 Satz 3 der Magisterprüfungsordnung vom 25. Juni 1986, zuletzt geändert durch Satzung vom 6. Oktober 2008 – MagPO – gestützt.
Mit dem Wechsel ihres Hauptfachs „… an der Fakultät für Geschichtsund Kunstwissenschaften hin zu „… an der Fakultät für Sprach-und Literaturwissenschaften nahm die Klägerin ein neues Studium auf, für das sie unter Anrechnung von Kompetenzen in das 5. Fachsemester eingestuft wurde. Die Fortführung ihrer bisherigen Nebenfächer ändert hieran nichts.
2. Gemäß § 11 Abs. 2 MagPO muss eine nicht bestandene oder als nicht bestanden geltende Prüfung nach Mitteilung des Prüfungsergebnisses zum nächsten regulären Prüfungstermin wiederholt werden (Satz 1). Bei Versäumung der Frist gilt die Prüfung als endgültig nicht bestanden, es sei denn der Student hat die Gründe nicht zu vertreten (Satz 3). Die maßgeblichen Prüfungs- und Meldefristen sind in § 5 MagPO geregelt. Nach § 5 Abs. 2 MagPO findet die Anmeldung zur Prüfung in der Regel zu Beginn des letzten Semestermonats des jeweiligen Fachsemesters statt (Satz 1). Der Meldetermin wird jeweils rechtzeitig durch Anschlag am Schwarzen Brett bekannt gegeben (Satz 2).
Derartige Regelungen finden sich in vergleichbarer Weise in anderen Prüfungsordnungen und sind rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Regelungen geklärt, die für die Ablegung oder Wiederholung von Prüfungen Fristen vorsehen (vgl. etwa BVerfG, B.v. 14.03.1989 – 1 BvR 1033/82 – juris; BVerwG, B.v. 7.3.1991 -7 B 178/90 – juris, bestätigt durch BVerfG, B.v. 6.12.1994 – 1 BvR 1123/91 – juris; BayVerfGH, E.v. 27.01.1994 – Vf.14-VII-92 – juris und v. 07.03.2014 – Vf.54-VI-13 -juris). Ebenso ist es unbedenklich, wenn als Folge der Fristversäumung die Prüfung als nicht bestanden behandelt wird (vgl. etwa BayVerfGH, E.v. 27.01.1994 – Vf.14-VII-92 – juris Rn. 74). Insoweit handelt es sich um eine subjektive Zulassungsvoraussetzung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG), die zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgü ter gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG vom 11.6.1958 BVerfGE 7, 377; BVerfG vom 17.04.1991 BVerfGE 84, 34 zu den Anforderungen an berufsbezogene Prüfungsverfahren). Dabei greift die Versäumungsfolge nach § 11 Abs. 2 Satz 3 MagPO nicht für den Fall, dass die Fristüberschreitung auf nicht von den Studierenden zu vertretenden Gründen beruht. Andernfalls ist die vorgesehene Sanktion aber gerechtfertigt, da sich sonst das Ziel nicht verwirklichen ließe, den Studierenden einen zwar angemessenen, aber eingegrenzten Zeitraum zur Ablegung der Prüfung einzuräumen, zumal es auch zu der im Studium zu erwerbenden Qualifikation gehört, die erforderlichen Leistungen innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens zu erbringen und Prüfungsverfahren in einem angemessenen Zeitraum abzuschließen. Dies ist schon deshalb erforderlich, um angesichts der begrenzten Kapazitäten anderen Studienbewerbern den Zugang zu den Hochschulen unter gleichen Bedingungen zu gewährleisten (vgl. BayVerfGH E.v. 27.1.1994 a.a.O.; OVG Berlin-Bbg, B.v.09.07.2012 – OVG 10 N 47.10 – juris).
Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 3 MagPO sind vorliegend gegeben.
Die Klägerin hatte den Erstversuch der Magisterprüfung wegen Fristüberschreitung nicht bestanden (bestandskräftiger Bescheid vom 22. Juli 2013, Bl. 24 d.A.). Nachdem ihr auf ihren Antrag vom 22. August 2013 hin nochmals eine Fristverlängerung bis März 2014 gewährt worden war, hatte sie sich unter Beachtung der für sie maßgeblich Meldefristen (vgl. § 5 Abs. 2 MagPO) bis zum 20. März 2014 zur Wiederholung der Magisterprüfung anzumelden. Dies ist zwischen den Parteien unstrittig.
Da sich die Klägerin nicht zur Wiederholungsprüfung anmeldete, gilt die Magisterprüfung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 MagPO als endgültig nicht bestanden. Die von der Klägerin mit Schreiben vom 11. März 2014 geltend gemachten gesundheitlichen Be einträchtigungen rechtfertigen keine (weitere) Fristüberschreitung, sodass sie die Fristüberschreitung auch zu vertreten hat i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 3 MagPO.
Nach § 11 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 3 MagPO müssen die Gründe, die ein Überschreiten der Frist rechtfertigen, vor Ablauf der Frist schriftlich bei dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses geltend und glaubhaft gemacht werden. Auch die Glaubhaftmachung der für eine Fristverlängerung geltend gemachten Gründe hat somit innerhalb der zu beachtenden Fristen zu erfolgen, die bloße Ankündigung der Vorlage weiterer Unterlagen zur Glaubhaftmachung genügt hingegen nicht.
Vorliegend hat die Klägerin zwar mit Schreiben vom 11. März 2014 vor Ablauf der Frist zum 20. März 2014 einen schriftlichen Antrag auf Fristverlängerung gestellt und die Nachreichung entsprechender Atteste angekündigt. Eine Vorlage der Atteste erfolgte jedoch erst mit Schreiben vom 31. März 2014 und damit nach Fristablauf. Gründe, die ggf. ein ausnahmsweises Nachreichen der Atteste auch nach Fristablauf bzw. einen besonderen Härtefall rechtfertigen könnten, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Sowohl das Attest des Hausarztes vom 31. März 2014 als auch der Überweisungsbericht des Dr. med K… M… vom 24. März 2014 wurden erst nach Fristablauf ausgestellt. Es hätte der Klägerin insofern oblegen, sich so frühzeitig um entsprechende ärztliche Bescheinigungen zu bemühen, dass sie diese noch rechtzeitig vor Fristablauf bei der Beklagten hätte einreichen können. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass ihr das Verfahren der Anmeldung und der Bekanntmachung der Anmeldetermine bekannt war. Schon mit Blick auf die eingetretene Verfristung ist die Ablehnung des Verlängerungsantrags vom 11. März 2014 daher nicht zu beanstanden.
Im Übrigen hat die Klägerin selbst unter Berücksichtigung der ärztlichen Bescheinigungen vom 24. und 31. März 201 inhaltlich keine Gründe glaubhaft gemacht, die eine krankheitsbedingte Verlängerung der Anmeldefrist rechtfertigen könnten.
Sowohl das Attest des Hausarztes vom 31. März 2014 als auch der Überweisungsbericht vom 24. März 2014 entsprechen in keiner Weise den von der obergerichtlichen Rechtsprechung für den Fall der krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit konkretisierten inhaltlichen Anforderungen. Danach hat das ärztliche Attest die Funktion, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Prüflings zu beschreiben und anzugeben, welche Auswirkungen sich daraus für das Leistungsvermögen in der konkreten Prüfung ergeben, um eine sachgerechte Beurteilung der Prüfungsbehörde über die Prüfungsfähigkeit zu ermöglichen (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 25.11.2016 -9 S 75/16 – juris Rn. 32; BVerwG, B.v. 06.08.1996 – 6 B 17.96 – juris). Sind ausgehend von diesen Grundsätzen keine ausreichenden Entschuldigungsgründe für die Nichtteilnahme an Prüfungen vorgetragen, ist dementsprechend auch eine Überschreitung der Meldefrist wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Studierfähigkeit, die in ihren Auswirkungen der Prüfungsunfähigkeit gleichstehen, nicht gerechtfertigt.
Der Hausarzt der Klägerin trifft im Attest vom 31. März 2014 keinerlei Diagnose oder Aussagen zu den konkreten Auswirkungen auf das Leistungsvermögen der Klägerin. Die Aussage, eine Prüfung sei „nicht erfolgsversprechend“, weil sich die Klägerin „krankheitsbedingt“ nicht auf die Prüfung habe vorbereiten können, genügt den rechtlichen Anforderungen jedenfalls nicht. Entsprechendes gilt für den vorgelegten Überweisungsbefund vom 24. März 2014. In diesem Befund wird mit keinem Wort auf etwaige Einschränkungen der Studierfähigkeit der Klägerin eingegangen. Soweit in allgemeiner Form festgestellt wird, dass „längeres Stehen“ noch Schwierigkeiten bereite, ist nicht nachvollziehbar inwiefern hierdurch die Studierfähigkeit der Klägerin in rechtserheblicher Weise beeinträchtigt worden sein könnte – zumal gerade das studienrelevante Sitzen als weniger problematisch attestiert wurde.
Trotz der in der Vergangenheit vielfach gewährten Fristverlängerungen kann sich die Klägerin in Hinblick auf die Anforderungen, die für die Glaubhaftmachung krankheitsbedingter Gründe einer Fristverlängerung zu beachten sind, auch nicht auf einen etwaigen „Vertrauensschutz“ berufen. Ungeachtet der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Art von „Vertrauensschutz“ überhaupt denkbar wäre, hat die Beklagte durch die ergänzenden Hinweise bei der mit Schreiben vom 9. September 2013 zuletzt gewährten Fristverlängerung deutlich gemacht, dass dies nur noch „ausnahmsweise“ und „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ erfolgte. Spätestens ab diesem Zeitpunkt durfte die Klägerin daher nicht mehr auf die Fortsetzung der unzweifelhaft großzügigen Fristverlängerungspraxis der Beklagten vertrauen.
Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, ob die fortlaufend eingeschränkte Studierfähigkeit der Klägerin – worauf sowohl der Studienverlauf bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheids wie auch der weitere Fortgang mit fortlaufend geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen – nicht ohnehin als sog. Dauerleiden im prüfungsrechtlichen Sinn zu werten war, das als persönlichkeitsbedingte Eigenschaft die Leistungsfähigkeit der Klägerin prägte und dessen Folgen das normale Leistungsbild der Klägerin bestimmten, so-dass nach dem in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten prüfungsrechtlichen Grundsatz der Chancengleichheit keine Prüfungsunfähigkeit bzw. ein die Verlängerung der Meldefrist rechtfertigender Grund anzunehmen ist.
Ebenso nicht entscheidungserheblich ist der klägerische Vortrag unter Hinweis auf § 5 Abs. 3 Satz 4 MagPO, wonach die Klägerin keinen Arzt habe ermitteln können, der zur Ausstellung eines Attests vom Promotionsausschuss bestimmt worden sei.
Denn die Beklagte hat eine Anerkennung der von der Klägerin vorgelegten Atteste weder in der Vergangenheit noch im streitgegenständlichen Bescheid vom 26. März 2014 aufgrund des ausstellenden Arztes verweigert.
Aus den dargestellten Gründen war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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