Medizinrecht

Erfolglose Klage gegen eine qualifizierte Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft von Staatsangehörigen aus Albanien

Aktenzeichen  M 4 K 16.31014

Datum:
17.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 146399
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 60 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5, Abs. 7
AsylG § 29a Abs. 2, § 34
AufenthG § 59

 

Leitsatz

1. Zur Substantiierung einer behandlungsbedürftigen PTBS/psychischen Erkrankung, gehört regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes, aus dem sich nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Facharzt die Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. (Rn. 33 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine erhebliche konkrete Gefahr iSd § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen liegt nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vor. (Rn. 45 – 47) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 S 16.31015 2016-05-12 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Die Klage des Klägers zu 1) ist bereits unzulässig, da keine ladungsfähige Anschrift (mehr) vorliegt (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 82 Rn. 3 m.w.N.).
Im Übrigen ist die zulässige Klage nicht begründet, weil der Bescheid des Bundesamtes vom 25. April 2016 rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 – 5 oder 7 Satz 1 AufenthG.
Demzufolge ist auch die Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG rechtmäßig.
Das Gericht folgt zunächst der ausführlichen und umfassenden Begründung des Bescheides vom 25. April 2016 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
Gemäß § 29a Abs. 1 AsylG ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tat-sachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht.
Mit Wirkung vom 24. Oktober 2015 wurde Albanien als sicherer Herkunftsstaat eingestuft (§ 29a Abs. 2 i.V.m. Anlage II AsylG).
Den Klägern steht nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Asylgesetz -AsylG-) oder des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) zu, noch liegen Abschiebungshindernisse vor. Eine Asyl-anerkennung scheidet schon wegen der Einreise auf dem Landweg aus.
1. Die Kläger haben zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG, §§ 3 ff. AsylG.
Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn er sich aus begründeter Furcht wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3c AsylG kann die Verfolgung ausgehen vom Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Nach diesen Grundsätzen droht den Klägern bei einer Rückkehr ins Heimatland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung in diesem Sinne.
Der Kläger zu 1) ist untergetaucht, die Klägerin zu 2) hat sich von ihm nach eigenen Angaben im Januar 2017 getrennt. Das Gericht glaubt die vorgetragene Verfolgungsgeschichte nicht und verweist hierzu auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
Selbst wenn man die vorgetragene Geschichte als wahr unterstellen würde, ergibt sich hieraus keine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen durch nichtstaatliche Akteure, sondern es handelt sich um kriminelles Unrecht. Die Kläger hätten die albanischen Strafverfolgungsbehörden einschalten können.
Zudem hat die Klägerin zu 2) in der mündlichen Verhandlung teilweise einen unglaubwürdigen Eindruck gemacht, sodass das Gericht die vorgetragene Verfolgungsgeschichte auch deshalb nicht glaubt. Im Übrigen betreffen die vorgebrachten Gründe ausschließlich ihren Ehemann, von dem die Klägerin zu 2) getrennt lebt.
Zumindest hatten die Kläger eine innerstaatliche Fluchtalternative. Sie hätten innerhalb Albaniens umziehen und sich in einen anderen Landesteil begeben können.
2. Den Klägern steht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (Todesstrafe), § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) oder § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG i.V.m. Art. 15c RL 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie) in Bezug auf Albnien zu. Hinsichtlich des von den Klägern vorgetragenen persönlichen Verfolgungsschicksals wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
3. Die Voraussetzungen für das Vorliegen von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 – 5 und 7 AufenthG liegen nicht vor.
Die vorgebrachte Erkrankung kann ein nationales Abschiebungshindernis vorliegend nicht begründen.
§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll den Ausländer nur vor einer erheblichen konkreten Gesundheits- oder Lebensgefahr schützen. Diese liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG).
Der Gesetzgeber geht nämlich nunmehr davon aus, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern. Mit dieser Präzisierung wird klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach Satz 1 darstellen. Eine solche schwerwiegende Erkrankung kann nicht angenommen werden. Aus den vorgelegten Attesten ergibt sich diese nicht.
Die vorgetragene psychische Erkrankung führt nicht zu Abschiebungshindernissen.
Zur Substantiierung einer behandlungsbedürftigen PTBS/psychischen Erkrankung, gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptome regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes (BVerwG v. 11.9.2007 – 10 C 8/07). Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. BVerwG, B.v. 16.2.1995 – 1 B 205.93 – Buchholz 451.20, § 14 GewO Nr. 6).
Das vorgelegte Gutachten von refugio vom 26. Juli 2017 genügt nicht diesen Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts. So enthält es keinerlei Begründung, weshalb die psychische Erkrankung erst Monate nach der Ausreise entstanden ist bzw. geltend gemacht wurde. Auch setzt sich das Gutachten nicht mit den unterschiedlichen und sehr widersprüchlichen Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer Anamnese auseinander. So hat die Klägerin zunächst nur die Bedrohungen durch die „Mafia“ und ihre diesbezügliche Angst nach Albanien zurückzukehren vorgetragen. In dem Gutachten von refugio wird diese Vorgeschichte komplett ausgetauscht, ohne sich mit einem Wort mit den anderslautenden Angaben der Klägerin in den Akten/Attesten auseinanderzusetzen, obwohl diese der Gutachterin offensichtlich vorlagen. Darüber hinaus setzt sich das Gutachten auch nicht mit der anderslautenden Diagnose der (meist) anderslautenden Atteste auseinander.
Das Gericht glaubt die den Gutachten/Attesten zugrundeliegenden trauma-auslösenden Ereignisse nicht. Bei der Anhörung vor dem Bundesamt am 7. Oktober 2015 hat die Klägerin zu 2) bestätigt, dass sie gesundheitlich in der Lage sei, an der Anhörung teilzunehmen. Sie hat während der Anhörung nichts von einer Krankheit berichtet.
Erstmals mit Attest vom 29. Februar 2016 hat die Klägerin zu 2) ein fachärztliches Attest (kbo/L. am L./…) vorgelegt, das ihr eine Anpassungsstörung/depressive Episode mit suizidalen Absichten bestätigt. Zur Stabilisierung sei die räumliche Nähe zum Ehemann dringend erforderlich.
Weitere Atteste wurden im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegt.
Die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Atteste sind sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich der Angaben der Klägerin zu 2) so widersprüchlich, dass das Gericht der Klägerin zu 2) ihre Angaben zu den traumaauslösenden Vorgängen nicht glaubt.
In dem Attest vom 19. Mai 2015 (kbo/…) bestanden keine Hinweise für eine PTBS.
Bei dem Attest vom 2. Februar 2016 (kbo/…) wurde – wie im Attest vom 29. Februar 2016 – die Nähe zu dem Ehemann aus medizinischer Sicht für dringend erforderlich gehalten. Das Attest vom 29. Februar 2016 bescheinigt eine Anpassungsstörung und schwere depressive Episode. In einem Attest vom 1. Juni 2016 (kbo/…) und vom 3. Juli 2017 (kbo/…) wurde die Beziehung zum Ehemann – offensichtlich aufgrund der Angaben der Klägerin zu 2) – als fürsorglich bezeichnet. Bescheinigt wurden eine Anpassungsstörung und eine schwere depressive Episode. Das Attest vom 3. Juli 2017 bezieht sich auf die Zeit der stationären Behandlung vom 20. – 27. April 2016. In einem Attest vom 10. Februar 2017 (kbo/P.) hat die Klägerin offensichtlich angegeben, dass sie seit 7 Jahren körperlich durch ihren Ehemann Gewalt erfahre; er schlage und beiße sie und drohe ihr mit dem Tod. Bescheinigt wurde (erstmals) eine PTBS, ohne sich mit den anderslautenden Attesten der kbo/… auseinanderzusetzen.
Völlig anders lautend wird dagegen die Anamnese im Gutachten von refugio vom 26. Juli 2017 geschildert. Danach habe die Mutter der Klägerin diese als behindert angesehen, sie geschlagen und mit Worten verletzt; ein Cousin habe sie im Heimatland vergewaltigt. Der Ehemann sei ihr ausgesucht worden; er sei am Anfang liebevoll gewesen, habe sie aber später schlecht behandelt. Er habe sie mit einem Gürtel, einer Peitsche geschlagen – jede Woche; sie wollte nie aus Albanien weggehen, sondern sich nur von ihrem Ehemann trennen. Dies steht wiederum im Gegensatz zu ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung, dass beide Elternteile die Klägerin zu 2) als etwas unvollkommenes angesehen hätten und dass ihr Ehemann sie bereits seit dem Tag der Eheschließung gepeinigt und geschlagen hätte. Auch sind die Angaben im Gutachten, dass sie sich für den Cousin im Alter von 14/15 Jahren (in Griechenland) habe prostituieren müssen, nicht mit ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung im Einklang zu bringen, dass sie vor der Ausreise nie, bzw. erst ab dem Jahr 2009 in Griechenland gewesen sei. Selbst ihr Hochzeitsdatum hat die Klägerin zu 2) unterschiedlich angegeben (13.9.2009/13.3.2009).
In einem in der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2017 vorgelegten „Gutachten“ der kbo (…) vom 6. September 2017 wurde der Klägerin eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome bescheinigt. Sie wurde distanziert von Suizidalität in die ambulante psychiatrische Weiterbehandlung entlassen. Auch dieses „Gutachten“ setzt sich nicht mit den anderslautenden Attesten auseinander.
Aufgrund der nicht aufklärbaren Widersprüche ist dem Gutachten von refugio nach Auffassung des Gerichts die Grundlage entzogen; es genügt nicht den den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts.
Auch die anderen vorgelegten Atteste genügen nicht den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts bzw. belegen nicht die nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG notwendige Gefahr. So enthalten die Atteste der kbo (…) als Grund für ein Trauma – falls überhaupt ein Grund genannt wird – lediglich die Angst vor der Mafia; das Attest der kbo (P.) vom 10. Februar 2017 setzt sich wiederum mit den anderslautenden Anamnesen nicht auseinander. Es enthält auch nahezu keine Angaben über den Behandlungsverlauf und geht nicht darauf ein, dass sich die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Wochen von ihrem Ehemann getrennt hatte.
Mit der seit dem 17. März 2016 geltenden gesetzlichen Regelung ist durch den Gesetzgeber – der bisherigen Rechtsprechung im Wesentlichen folgend – klar-gestellt, dass eine erhebliche konkrete Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es wird im Falle einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Nach der Gesetzesbegründung könne die geforderte schwerwiegende Erkrankung in Fällen von PTBS regelmäßig nicht angenommen werden. In Fällen einer PTBS sei die Abschiebung regelmäßig möglich, es sei denn, die Abschiebung führe zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung (BT-Drs. 18/7538, S. 18).
Das Gericht kann den genannten fachärztlichen Stellungnahmen/Gutachten/ Attesten – insbesondere denen der kbo – eine derartige wesentliche Gesundheitsgefährdung gerade nicht entnehmen. Die vorgelegten Stellungnahmen führen entweder aus, dass die Klägerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung oder an einer schweren depressiven Episode leide. Zusammenfassend wird meist ausgeführt, dass die Klägerin zu 2) mit suizidalen Gedanken in die Klinik gekommen ist, sich jedoch hiervon distanziert und daraufhin entlassen wurde. Diese Bewertung lässt sich aber nach den weiteren Ausführungen der z.B. im Gutachten von refugio nicht nachvollziehen. Auch wenn man den psychischen Befund bzw. die Diagnose PTBS oder depressive Episode zugrunde legt, wird in der Bewertung nicht klar, warum bei einer Rückkehr eine akute Suizidalität zu erwarten ist; die Klägerin hat sich im Januar 2017 von ihrem Ehemann getrennt; sie weiß nach eigenen Angaben nicht, wo er sich aufhält. Die Prognose einer insgesamt lebensbedrohlichen Verschlechterung wird nicht (zumindest nicht überzeugend) ausgeführt (zur Problematik ebenso VG München, B.v. 28.9.2016 – M 10 S 16.31449; OVG Lüneburg, B.v. 7.6.2017 – 13 ME 107/17).
Zudem ist davon auszugehen, dass die Behandlung und auch der Zugang zu ihr für die geltend gemachte psychische Erkrankung in Albanien ebenfalls zureichend sichergestellt wäre (VG Düsseldorf, U.v. 8.3.2016 – 17 K 5953/15.A; B.v. 1.2.2016 – 17 L 95/16.A – juris Rn. 26 ff.; B.v. 9.12.2015 – 17 L 3839/15.A – juris; VG Arnsberg, B.v. 23.2.2016 – 5 L 242/16.A – juris Rn. 56 ff.; VG Berlin, B.v. 30.10.2015 – 33 L 305.15 A – juris Rn. 18 zu depressiver Störung mit Verweis auf Auskunft der Botschaft an das Bundesamt v. 21.3.2014 – jaf-17129706; sowie v. 29.3.2013 – jaf-16381022; VG München, GB v. 2.5.2016 – M 17 K 16.30321; B.v. 26.7.2016 – M 10 S 16.30811 – jeweils juris; VG München, B.v. 28.9.2016 – a.a.O.; VGH BW, 9.3.2017 – A 12 S 235/17).
Mangels gegenteiliger durchgreifender Erkenntnisse ist eine medizinische und therapeutische Versorgung von psychisch Erkrankten – zumindest medikamentös – auf rechtlich maßgeblichem Landesniveau gewährleistet und zugänglich. Auch wenn die Versorgungslage in den psychiatrischen Kliniken in Albanien schlecht ist (vgl. Lagebericht AA v. 20.10.2017), ist die medizinische Versorgung in staatlichen Krankenhäusern und Polikliniken grundsätzlich kostenlos über eine staatliche Krankenversicherung gesichert (vgl. Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland v. 29.3.2013 – zu Frage 22; s. bereits Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland v. 3.9.2003; s. zur Erreichbarkeit und Kostenübernahme von Medikamenten Lagebericht, S. 13; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache, Auskunft der SFH – Länderanalyse, Stand. 13.2.2013, S. 6 f.). Zudem sind insbesondere in Tirana Psychologen und Psychotherapeuten niedergelassen (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland; Auskunft v. 1.6.2012, Frage 2) und Nichtregierungsorganisationen ansässig die Dienstleistungen für psychisch kranke Personen anbieten (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Posttraumatische Belastungsstörung; Blutrache v. 13.2.2013, S. 7 f.). Insbesondere Medikamente zur Behandlung psychischer Krankheiten sind in ganz Albanien verfügbar (vgl. Amtliche Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland an das Bundesamt v. 29.3.2013). die Situation in psychiatrischen Kliniken mag schlecht sein (Lagebericht, S. 14); eine grundsätzliche Behandelbarkeit von psychischen Erkrankungen wir damit allerdings nicht in Frage gestellt. Nach Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Albanien: Behandlung von Epilepsie und Depressionen v. 2.12.2015, S. 9 f.) sind zwar Mängel bei der psychischen Behandlung von Patienten festzustellen, gleichwohl ist der Zugang zu Dienstleistungen im Bereich psychischer Gesundheit in Albanien in Landesteilen gewährt. Dem jüngsten Mental Health Atlas der World Health Organization (WHO) aus dem Jahr 2014 (WHO Mental Health Atlas 2011 – Albania, 2014: www.who.int/mental-health/evidence/atlas/ profiles-2014/alb.pdf?ua=1.) ist zu entnehmen, dass Albanien derzeit zwei psychiatrische Abteilungen an allgemeinen Krankenhäusern, zwei psychiatrische Kliniken sowie zehn „Wohneinheiten“ („residental care units“) unterhält. Die ambulante Behandlung psychischer Erkrankungen ist in zehn Ambulatorien und zwei Tageskliniken („day treatment facilites“) möglich. Für zahlungsfähige Patientinnen und Patienten besteht außerdem die Möglichkeit der Behandlung in einer Privatklinik (VG München, GB v. 2.5.2016 – M 17 K 16.30321).
Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger im Falle einer Rückkehr nach Albanien in eine derart schlechte wirtschaftliche Lage kommen könnten, dass ausnahmsweise in ihrem außergewöhnlichen Einzelfall aufgrund schlechter humanitärer Bedingungen bzw. einer mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehenden extremen Gefahrenlage ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bzw. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Betracht zu ziehen wäre (dazu BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 23 – 26 sowie Rn. 38). Die Klägerin zu 2) hat vor ihrer Ausreise gearbeitet und dies ist ihr nach Auffassung des Gerichts auch wieder zuzumuten.
4. Der Bescheid des Bundesamtes gibt auch hinsichtlich seiner Ziff. 4, wonach die Kläger unter Androhung der Abschiebung zur Ausreise aufgefordert werden, keinerlei Anlass zu Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber den Klägern entgegenstünden, nicht ersichtlich, denn sie sind, wie oben ausgeführt, weder als Flüchtlinge anzuerkennen, noch steht ihnen subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu; sie besitzen auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b Abs. 1 AsylG nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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