Medizinrecht

Erfolglose PKH-Beschwerde wegen Widerrufs eines kleinen Waffenscheins

Aktenzeichen  21 C 19.881

Datum:
18.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 35074
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146 Abs. 1, § 147, § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die Rechtmäßigkeit einer waffenrechtlichen Widerrufsverfügung beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, so dass die nachträgliche Vorlage eines auf aktueller Tatsachenbasis erstellten Sachverständigengutachtens sich erst im Zusammenhang mit einem Antrag auf Neuerteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis auswirken kann (Anschluss an BayVGH BeckRS 2016, 51391). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 7 K 18.738 2019-04-15 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I. 
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage, die sie gegen den Widerruf ihrer Erlaubnis zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen (Kleiner Waffenschein) erhoben hat.
Im November 2017 erhielt das Landratsamt . . Kenntnis von folgender Meldung der Polizeiinspektion . .:
Am 19. September 2017 sollte die von der Klägerin und deren Ehemann genutzte Wohnung in . . durch einen Gerichtsvollzieher mit Amtshilfe der Polizeiinspektion . . geräumt werden. Den Vollzugsbeamten wurde der Zutritt verweigert. Nach der Wohnungsöffnung durch einen Schlüsseldienst wehrte sich die Klägerin heftig gegen die Zwangsräumung. Sie schlug schreiend auf die anwesenden Polizeibeamten ein und wurde schließlich am Boden fixiert. Ein anwesender Notarzt führte der Klägerin ein Beruhigungsmittel über die Nase ein. Im weiteren Verlauf wurde sie auf eine Krankenbahre gehoben und dort mit Gurten fixiert. Dabei kündigte die Klägerin ständig an, alle “fertig machen” zu wollen. Zudem hatte sie ständig Schreianfälle. Der anwesende Gerichtsarzt W. und Notarzt Dr. E. hielten eine sofortige Einweisung in das ISK F* . wegen Fremdgefährdung für notwendig.
Das Landratsamt gab der Klägerin mit Schreiben vom 7. November 2017 Gelegenheit sich zum beabsichtigten Widerruf des Kleinen Waffenscheins zu äußern.
Mit Bescheid vom 16. Januar 2018 widerrief das Landratsamt den der Klägerin erteilten Kleinen Waffenschein Nr. .
Die Klägerin hat am 15. Februar 2018 Klage erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie Anwaltsbeiordnung beantragt.
Das Verwaltungsgericht München hat die beantragte Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 15. April 2019 abgelehnt.
Die Klägerin ließ am 6. Mai 2019 gegen den am 23. April 2019 zugestellten Beschluss Beschwerde einlegen, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat.
II.
1. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1, § 147 VwGO) ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung zu Recht abgelehnt. Die von der Klägerin beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinn des § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Senat bezieht sich auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung.
Die Beschwerde führt unter Vorlage eines Attests des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. . . vom 21. Mai 2019 aus, dass bei der Klägerin nach Einschätzung dieses Arztes eine Selbstgefährdung oder eine Fremdgefährdung nicht vorliege.
Daraus ergibt sich nicht, dass die gegen den Widerruf des Kleinen Waffenscheins gerichtete Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, es sei bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des absoluten Ausschlusses der persönlichen (waffenrechtlichen) Eignung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG erfüllt seien. Unter Berücksichtigung der fachärztlich festgestellten psychischen Erkrankung der Klägerin und ihres Verhaltens bei der Wohnungsräumung lägen Tatsachen vor, welche die Annahme rechtfertigten, dass die Klägerin aufgrund in der Person liegender Umstände mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren könne bzw. die konkrete Gefahr einer Fremdgefährdung bestehe. Aus dem im Betreuungsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. U. L.-K. vom 27. Februar 2018 ergebe sich, dass bei der Klägerin eine Angststörung mit Panikstörung (ICD-10 F41.0 und F43.1) vorliege. Dadurch werde die Annahme des Landratsamts nachträglich bestätigt, dass die Klägerin bereits zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt psychisch krank gewesen sei. Es könne mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Klägerin insbesondere während der massiven Panikattacken, die immer wieder aufträten und auch durch ganz geringe Reize ausgelöst werden könnten, nicht in der Lage sei, jederzeit und in jeder Hinsicht mit Waffen und Munition ordnungsgemäß umzugehen.
Das mit der Beschwerde vorgelegte Attest vom 21. Mai 2019 ist für die Beurteilung der Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren schon deshalb ungeeignet, weil sich die Rechtmäßigkeit einer Widerrufsverfügung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – hier der Zeitpunkt des Bescheidserlasses – bestimmt. Danach liegende Umstände, etwa die nachträgliche Vorlage eines auf aktueller Tatsachenbasis erstellten Sachverständigengutachtens, sind daher für die Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung nicht maßgebend, sondern können sich gegebenenfalls erst in einem neuen Verfahren auf Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis auswirken (vgl. BayVGH, B.v. 15.8.2016 – 21 CS 16.1247 – juris m.w.N.).
Zudem kann das Attest auch nach seinem Inhalt keine Zweifel an der nachvollziehbar belegten Tatsachenwürdigung und -bewertung des Verwaltungsgerichts wecken. Darin ist im Wesentlichen nur ausgeführt, aufgrund der erhobenen psychopathologischen Befunde sei nicht davon auszugehen, dass bei der Klägerin eine Selbst- oder Fremdgefährdung bestehe, die dagegen spreche, dass sie eine Schreckschusspistole benutze. Daraus ergibt sich schon nicht, auf welche psychopathologischen Befunde sich dieses Attest stützt. Zudem fehlt jede Auseinandersetzung mit dem vom Verwaltungsgericht herangezogenen psychiatrischen Gutachten des Dr. med. U. L.-K. vom 27. Februar 2018.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als im Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz fallen im Beschwerdeverfahren Gerichtskosten an, wobei allerdings Kosten nicht erstattet werden (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil nach § 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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