Medizinrecht

Erfolgreicher Eilantrag hinsichtlich der Fahrerlaubnisentziehung wegen fehlerhafter Gutachtensanordnung

Aktenzeichen  M 26 S 16.1225

Datum:
25.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2016, 47082
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG StVG § 3 Abs. 1 S. 3
FeV FeV § 11 Abs. 2, Abs. 8, § 46 Abs. 1, Abs. 3
VwGO VwGO § 80 Abs. 5 S. 1, § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Weigert sich der Betroffene, sich nach § 3 StVG untersuchen zu lassen, oder bringt er das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, ist der Schluss auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (Anschluss BVerwG BeckRS 2005, 28693). (red. LS Jan Luckey)
2 Einer Gutachtensanordnung, die eine – wenn auch nur teilweise – fehlerhafte Fragestellung enthält, braucht der Betroffene nicht Folge zu leisten. Eine solcherart rechtswidrige Gutachtensanordnung liegt vor, wenn die Fragestellung eines ärztlichen Gutachtens psychologische Testverfahren bzw. weitere psychologische Untersuchungen erforderlich macht, da diese nicht Gegenstand eines ärztlichen, sondern nur eines (gegebenenfalls erst anschließenden) medizinisch-psychologischen Gutachtens sein können und somit im (hier allein angeordneten) Arztgutachten nicht beantwortet werden können. (red. LS Jan Luckey)

Tenor

I.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. März 2016 wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.
II.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 6.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofort vollziehbare Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A18, A1, B, BE, C1, C1E, L und M.
Aufgrund einer polizeilichen Mitteilung erhielt der Antragsgegner Kenntnis davon, dass der Antragsteller am … Juni 2015 mit seinem PKW auf einem Parkplatz beim Einparken einen anderen PKW touchierte. Der Mitteilung war weiter zu entnehmen, dass das Kraftfahrzeug des Antragstellers eine erhebliche Anzahl kleinerer Beschädigungen aufwies. Es bestünden deshalb Zweifel, ob der Antragsteller sein Fahrzeug im Straßenverkehr sicher führen könne. Der Vorfall vom … Juni 2015 führte zu einem Ermittlungsverfahren wegen Unfallflucht gegen den Antragsteller. Das Verfahren wurde gemäß § 153a Abs. 1 StPO eingestellt.
Nach einer vom Antragsgegner veranlassten Vorsprache des Antragstellers am … Oktober 2015 nahm der Antragsgegner hieraus gezogene Erkenntnisse zum Anlass, die Vorlage ärztlicher Atteste zu fordern. Dem beigebrachten internistischen/hausärztlichen Attest vom … Oktober 2015 zu Folge ergeben sich beim Antragsteller u. a. die Diagnosen „koronare 2-Gefäßerkrankung mit Z.n. akutem Koronarsyndrom 2007“ und „arterieller Hypertonus“. Er werde mit den Medikamenten A. …, B., C., D. und E. behandelt. Der Antragsteller sei von zerebraler Seite absolut unauffällig und uneingeschränkt fahrtauglich. Darüber hinaus überreichte der Antragsteller eine Sehtestbescheinigung vom … Oktober 2015 sowie einen Behandlungsbericht der Augenklinik A. vom … November 2015, wonach ein Cataract mit aktuell grenzwertiger Sehkraft vorliege. Der Antragsteller teilte hierzu mit, dass er die ihm insoweit empfohlene Operation durchführen lassen wolle.
Mit Schreiben vom … Dezember 2015 forderte der Antragsgegner den Antragsteller zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens einer amtlich-anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung bis zum … Februar 2016 zu der Fragestellung auf, ob bei ihm Erkrankungen nach Nr. 4 der Anlage 4 zur FeV (Herz- und Gefäßerkrankungen) vorliegen, welche die Fahreignung in Frage stellen, des Weiteren ob vor dem Hintergrund der Dauerbehandlung mit Arzneimitteln nach Nr. 9.6 der Anlage 4 zur FeV die erforderliche Leistungsfähigkeit (Belastbarkeit, Orientierungsleistung, Konzentrationsleistung, Aufmerksamkeitsleistung und Reaktionsfähigkeit) zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs vorliege. Falls letzteres verneint werde, sei einzelfallbegründet die Frage zu beantworten, ob eine Kompensation möglich oder die Möglichkeit einer Kompensation (z. B. Kumulation) ausgeschlossen sei. Der Antragsgegner übermittelte den Begutachtungsauftrag mit Schreiben vom … Dezember 2015 an die vom Antragsteller benannte Begutachtungsstelle.
Am … Februar 2016 erhielt der Antragsgegner die Fahrerlaubnisunterlagen von der Begutachtungsstelle zurück. Ein Gutachten über die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wurde vom Antragsteller nicht vorgelegt.
Nach Anhörung entzog der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 4. März 2016 die Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen A18, A1, B, BE, C1, C1E, L und M (Nr. 1 des Bescheids), forderte unter Androhung eines Zwangsgeldes von a… EUR die Abgabe des Führerscheins innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids (Nrn. 2 und 3) und ordnete unter Nr. 4 die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids an. Nr. 5 enthält die Kostenentscheidung.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Schluss auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen gemäß § 11 Abs. 8 FeV gerechtfertigt sei.
Mit Schriftsatz vom … März 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am Folgetag, erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage und beantragte die Aufhebung des Bescheids des Antragsgegners vom 4. März 2016. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag beantragte er außerdem,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 4. März 2016 wiederherzustellen.
Zur Begründung trug er vor, dass sich der Kläger am … Januar 2016 einer Augen-Operation unterzogen habe, die erfolgreich verlaufen sei. Der Kläger nehme verschiedene Medikamente ein, das Medikament B. jedoch nicht mehr. Dem ärztlichen Attest vom … Oktober 2015 sei zu entnehmen, dass der Antragsteller fahrtauglich sei. Auch nach dem internistischen/kardiologischen Attest vom … März 2016 ergebe sich kein Hinweis für das Vorliegen einer Fahruntüchtigkeit. Die aktuelle Medikation entspreche einer „Standard-Therapie“ der Grunderkrankung, die ebenfalls nicht zu einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit führe. Dem Kläger sei bewusst, dass er die Aufforderungen von Antragsgegnerseite nicht hätte ignorieren dürfen. Er habe jedoch lediglich seine Augenoperation abwarten wollen, um sich der Behörde erneut vorzustellen. Soweit die Behörde aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Nichteignung des Klägers schließe, handele es sich um eine Vermutung, die durch die vorgelegten Unterlagen – insbesondere das neueste Attest – widerlegt sei. Jedenfalls rechtfertige die Aktenlage nicht die Entziehung der Fahrerlaubnis, denn eine aktuelle Gefährdung der Umwelt ergebe sich nach der Augenoperation weder aus der Sehschärfe, noch aus dem sonstigen Gesundheitszustand. Dementsprechend rechtfertige die Aktenlage auch nicht die sofortige Vollziehbarkeit des Entzugs der Fahrerlaubnis, zumal auf Antragsgegnerseite auch keine Abwägung stattgefunden habe. Schließlich sei auch das nach § 153 a StPO eingestellte Ermittlungsverfahren nicht geeignet, den Entzug der Fahrerlaubnis zu begründen. Es handele sich um eine einmalige Verfehlung, die auf einem Irrtum des Antragstellers hinsichtlich der nach einem Unfall durchzuführenden notwendigen Schritte basiere. Der Antragsteller habe anlässlich der Besprechung der Angelegenheit in der Kanzlei des Bevollmächtigten einen rüstigen und unbeeinträchtigten Eindruck hinterlassen. Mit Schriftsatz vom … April 2016 überreichte der Bevollmächtigte des Antragstellers ein augenärztliches Attest vom … April 2016, wonach die Sehschärfe den Voraussetzungen der Fahrerlaubnisklasse 3 genüge.
Mit Schriftsatz vom … April 2016 beantragte der Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Er führte hierzu u. a. aus, dass der Antragsteller weiterhin C. einnehme, welches die „psycho-physische“ Leistungsfähigkeit beeinträchtigen könne. Zudem sei weiter zu klären, ob Wechselwirkungen durch die einzunehmenden Medikamente bestünden. Mit Schriftsatz vom … Mai 2016 ergänzte der Antragsgegner, dass aus seiner Sicht § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV i. V. m. Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV nicht nur ermögliche, die Auswirkungen von Erkrankungen als solche, sondern auch deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit vor dem Hintergrund der Dauerbehandlung mit Medikamenten in einem ärztlichen Gutachten mittels Leistungstests nach einem standardisierten Verfahren überprüfen zu lassen. Es erschließe sich nicht, wie der Facharzt sonst Beeinträchtigungen durch Arzneimittel ohne Leistungstests beurteilen könnte. Gerade die Leistungstests seien dazu geeignet, Fahreignungsbedenken einzuordnen. Physische Mängel, die damit verbundene Einnahme von Arzneimitteln und deren Auswirkungen oblägen zunächst einer ärztlichen Einschätzung. Eine weitere psychologische Untersuchung könne sich ggf. anschließen. Auf die Untersuchungen nach Anlage 5 zur FeV durch Arbeits- und Betriebsmediziner werde hingewiesen.
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Klage ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Das Gericht trifft hierbei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen sind.
Nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung hat die in der Hauptsache erhobene Klage Aussicht auf Erfolg, da danach der Bescheid des Antragsgegners vom 4. März 2016 rechtswidrig ist und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die anzustellende Interessenabwägung muss folglich zugunsten des Antragstellers ausfallen, weil kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines voraussichtlich rechtswidrigen Bescheids bestehen kann.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also der Zeitpunkt des Erlasses bzw. der Zustellung des Entziehungsbescheids vom 4. März 2016.
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Die Fahrungeeignetheit des Betroffenen muss insoweit nachgewiesen sein. Wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde unter den in den §§ 11 bis 14 FeV genannten Voraussetzungen weitere Aufklärung, insbesondere durch die Anordnung der Vorlage ärztlicher oder medizinisch-psychologischer Gutachten, zu betreiben (§ 3 Abs. 1 Satz 3 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Ein Schluss auf die Nichteignung ist jedoch nur zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – NJW 2005, 3081).
An die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil der Antragsteller sie mangels Verwaltungsaktsqualität nicht direkt anfechten kann. Er trägt das Risiko, dass ihm gegebenenfalls die Fahrerlaubnis bei einer Weigerung deswegen entzogen wird. Der Gutachter ist an die Gutachtensanordnung und die dort formulierte Fragestellung gebunden (s. § 11 Abs. 5 i. V. m. Nr. 1 Buchst. a Satz 2 der Anlage 4a zur FeV). Es ist gemäß § 11 Abs. 6 FeV Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde, die Beurteilungsgrundlage und den Beurteilungsrahmen selbst klar festzulegen.
An einer rechtmäßigen Gutachtensanordnung fehlt es hier. Es kann dahingestellt bleiben, ob sie hinsichtlich der Fragestellung zum Vorliegen einer Erkrankung nach Nr. 4 der Anlage 4 zur FeV den Anforderungen genügt. Jedenfalls sind die Fragen nach der Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Dauerbehandlung mit Arzneimitteln und nach Kompensationsmöglichkeiten bei ggf. bestehenden Leistungsmängeln zu beanstanden, weil sie auf Feststellungen abzielen, welche durch die angeordnete ärztliche Begutachtung nicht getroffen werden können. Das Gericht relativiert insoweit seine bisher vertretene Auffassung in ähnlich gelagerten Fällen.
Die vorliegend gestellte Frage nach der (psychischen) Leistungsfähigkeit (s. 2.5 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung) erfordert neben einer ärztlichen Untersuchung eine psychologische Bewertung, da psychologische Testverfahren durchzuführen und ggf. auch Kompensationsmöglichkeiten zu prüfen sind (vgl. BayVGH, B.v. 22. März 2016 – 11 ZB 15.2700 Rn. 1 m. w. N.). Sie erfolgt unter Anwendung von Leistungstests nach Nr. 2.5 der Begutachtungs-Leitlinien für Kraftfahrereignung regelmäßig im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Begutachtung. Mit den psychologischen Testverfahren können die Belastbarkeit, die Orientierungs-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsleistung sowie die Reaktionsfähigkeit untersucht werden (s. VGH BW, U.v. 11.8.2015 – 10 S 444/14 – VRS 129, 95; s. auch BayVGH, B.v. 15.6.2015 – 11 CS 15.969 – juris Rn. 14, B.v. 11.3.2015 – 11 CS 15.82 – juris Rn. 17). Auch die Beantwortung der Folgefrage nach Kompensationsmöglichkeiten im Anschluss an im Wege psychologischer Testverfahren ermittelter Leistungsmängel unterliegt einer psychologischen Beurteilung, zumal im Hinblick auf die zu erwägende Verhaltensanpassung auch prospektive Elemente zu berücksichtigen sind. Ein rein ärztliches Gutachten ist für die Beantwortung der auf das Vorliegen der psychophysischen Leistungsfähigkeit bezogenen Fragen nicht geeignet. Dies ist auch nicht im Hinblick auf Nr. 2 Satz 3 der Anlage 5 zur FeV anders zu sehen. Nr. 2 der Anlage 5 ist hier nicht anwendbar. Die Vorschrift betrifft einzig Erteilungs- sowie unter bestimmten Voraussetzungen Verlängerungsverfahren zu den Fahrerlaubnissen der D-Klassen bzw. zur Fahrgastbeförderung und die insofern standartmäßig vorzulegenden Leistungsfähigkeitsnachweise.
Die Notwendigkeit einer sich an eine ärztliche Begutachtung anschließenden medizinisch-psychologischen Untersuchung scheint zwar auch der Antragsgegner für möglich zu halten, wenn er unter Nr. 3 Satz 2 auf Seite 4 seiner Gutachtensanordnung vom … Dezember 2016 darauf verweist, dass ergänzend ein medizinisch-psychologisches Gutachten empfohlen werden könne, soweit Fragen hinsichtlich eventueller Leistungsmängel oder Kompensationsmöglichkeiten zu klären seien. Seiner Antragserwiderung vom … Mai 2016 zu Folge ordnet er jedoch die Leistungstests nach einem standardisierten Verfahren und mittels Testgerät – entgegen der hier vertretenen Auffassung – der ärztlichen Begutachtung zu. Dementsprechend ist die Frage in Bezug auf die Dauerbehandlung mit Arzneimitteln in der Gutachtensanordnung vom … Dezember 2015 auch so formuliert – und wird nach den Erfahrungen des Gerichts durch die ärztlichen Gutachter vielfach auch so verstanden -, dass durch das ärztliche Gutachten das Vorliegen der erforderlichen Leistungsfähigkeit (umfassend und abschließend) bejaht oder verneint werden soll. Hierauf deuten auch die Folgefrage nach Kompensationsmöglichkeiten, die in der Regel die Beantwortung der ersten Frage auf der Basis einer Leistungstestung bedingt, und der Hinweis Nr. 4 auf Seite 4 der Gutachtensanordnung hin, wonach die Frage der vorliegenden Leistungsmängel mit geeigneten, nach dem Stand der Wissenschaft standardisierten und unter Aspekten der Verkehrssicherheit validierten Verfahren zu klären sei (vgl. Patermann, Schubert, Graw, Handbuch des Fahreignungsrechts, 2015, S. 189 f.).
Veranlasst der ärztliche Gutachter in Ansehung der Fragestellung die zur Beantwortung in der Regel notwendigen psychologischen Testverfahren bzw. weiteren psychologischen Untersuchungen, führt dies zu einer unzulässigen Erweiterung der Fragestellung um psychologische Sachverhalte, die eben nicht in einem ärztlichen, sondern in einem medizinisch-psychologischen Gutachten zu klären wären. Die Behörde könnte eine medizinisch-psychologische Untersuchung nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 FeV aber erst fordern, wenn sie nach Würdigung eines zunächst eingeholten ärztlichen Gutachtens zusätzlich erforderlich wäre. Sie darf die Entscheidung über die Durchführung der psychologischen Testverfahren und weiterer psychologischer Untersuchungen im Hinblick auf den damit verbundenen intensiveren Freiheitseingriff im Vergleich zu der ärztlichen Untersuchung nicht dem Gutachter überlassen, sondern hat sich an die gesetzlich vorgesehene, gestufte Vorgehensweise zu halten (VG Würzburg, B.v. 13.2.2014 – W 6 S 14.62 – juris).
Einer Gutachtensanordnung, die eine – wenn auch nur teilweise – fehlerhafte Fragestellung enthält, braucht der Betroffene nicht Folge zu leisten (s. BayVGH, B.v. 04.02.2013 – 11 CS 13.22 – juris Rn. 19). Aus der Nichtvorlage des im Ergebnis zu Unrecht geforderten Gutachtens durfte der Antragsgegner daher nicht gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen schließen und deshalb auch nicht die Entziehung der Fahrerlaubnis auf die Nichtbeibringung des Gutachtens stützen.
Da somit die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis der summarischen gerichtlichen Überprüfung nicht standhält, kann es auch nicht bei dem Sofortvollzug der im streitgegenständlichen Bescheid enthaltenen, hinsichtlich der Frist konkretisierten Verpflichtung des Antragstellers, den Führerschein abzuliefern, verbleiben. In Konsequenz aus alldem war außerdem die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung und der Kostenentscheidung anzuordnen.
Die Kostenentscheidung zu diesem Verfahren beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i. V. m. den Empfehlungen in den Nr. 1.5, 46.2, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand November 2013).


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