Medizinrecht

Erstattung von Fahrkosten für überregionale Vorstellungsgespräche

Aktenzeichen  S 2 AS 303/17

Datum:
1.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB III SGB III § 44 Abs. 1
SGB II SGB II § 16 Abs. 1

 

Leitsatz

SGB II – Notwendigkeit der Förderung aus dem Vermittlungsbudget- Bewerbungskosten
Die Notwendigkeit einer Förderung für die berufliche Eingliederung aus dem Vermittlungsbudget durch Übernahme der Fahrtkosten zu überregionalen Vorstellungsgesprächen ist bei nicht spezialisierten Tätigkeiten nicht gegeben. (Rn. 31 – 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Gemäß § 16 Abs. 1 SGB II kann der Beklagte unter anderen die im dritten Kapitel des SGB III geregelten Leistungen erbringen. Dies bedeutet, dass Arbeitslose aus dem Vermittlungsbudget, bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden können, wenn dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Da es sich bei der genannten Förderung eine Ermessensleistung handelt, besteht in diesem Rahmen grundsätzlich kein von vornherein festgelegter Rechtsanspruch, dass eine bestimmte Leistung in einer bestimmten Höhe erbracht werden muss. Weiterhin ist zu beachten, dass eine Ermessensentscheidung gerichtlich nur in eingeschränktem Umfang überprüfbar ist, da das Gericht grundsätzlich nur feststellen kann, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens über- bzw. unterschritten sind oder ein Ermessensfehlergebrauch vorliegt.
Eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget hat zur Voraussetzung, dass die hilfebedürftige Person arbeitslos ist, die gewünschte Leistung der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung dient und diese Leistung für die berufliche Eingliederung notwendig ist.
Der Begriff der Notwendigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der zudem in Verbindung mit dem Ermessen steht das auch fiskalischen und verwaltungspraktischen Aspekten Raum gibt (Bieback in: Gagel, SGB II/SGB III, Rn. 36-38, 65. Ergänzungslieferung März 2017).
Eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget ist im konkreten Fall nach Ansicht der Kammer nicht notwendig. Die Kammer hat in umfangreicher Erörterung des Sachverhaltes im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowohl die Argumentation des Klägers wie die der Beklagten gewürdigt und ist zum Ergebnis gekommen, dass eine Notwendigkeit der Förderung aus dem Vermittlungsbudget hier nicht vorliegt. Die Notwendigkeit der Förderung würde bedeuten, dass die beantragte Reisekostenerstattung im konkreten Fall sowohl geeignet als auch erforderlich ist, um eine berufliche Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Es muss die Erwartung bestehen, dass die Eingliederungschancen nach der Maßnahme besser sind als vorher. Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzung kommt die Kammer nach Würdigung der Argumentation beider Seiten und der Umstände des Einzelfalles zu dem Ergebnis, dass eine Förderung bundesweiter Bewerbungstätigkeit des Klägers nicht notwendig ist.
Die nicht spezialisierte Tätigkeit, für die der Kläger in Betracht kommt, kann auch bei einer Zeitarbeitsfirma im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten ohne weiteres ausgeübt werden. Aktuell sind keine gescheiterten Bewerbungsbemühungen im Tagespendelbereich von A-Stadt nachgewiesen. Dies wäre aus Sicht der Kammer dem Kläger allerdings abzuverlangen, bevor er bundesweite Bewerbungsinitiativen startet, die in Betrachtung des zurückliegenden Zeitraumes sich so darstellen, dass sie immer erfolglos waren und zur Überzeugung der Kammer auch nicht dazu geführt haben, dass die Eingliederungschancen nach diesen Bewerbungen besser waren als vorher.
Die Argumentation des Klägers konnte die Kammer nicht überzeugen. Die Kammer geht nicht davon aus, dass durch eine bundesweite Bewerbungstätigkeit die Chancen, eine Tätigkeit zu finden, verbessert werden können. Insbesondere ist hier zu berücksichtigen, dass von Seiten der Beklagten deutlich dargelegt wurde, dass aufgrund der sehr positiven Arbeitsmarktlage im Raum A-Stadt Jobangebote bestehen, dass der Kläger aber genau dieses nicht aktiv in seinen Bewerbungsmodus einbezieht.
Im Übrigen wurde diese Einschätzung von Seiten der Kammer dadurch gestützt, dass der Kläger trotz umfangreicher Hinweise und sehr geduldiger Bemühungen aller Beteiligten nicht dazu zu bewegen war, im Rahmen der mündlichen Verhandlung wenigstens einen konkreten Termin beim Arbeitsvermittler auszumachen, bei dem noch nicht einmal irgend eine weitere Verpflichtung in den Raum gestellt wurde, als dort zu erscheinen und sich beraten zu lassen. Nach der gesamten und sehr umfangreichen Besprechung der Sachlage war von der Seiten der Kammer nicht zu erkennen, dass die Bewerbungsbemühungen des Klägers tatsächlich zielführend waren und auch nicht, dass die Förderung für die berufliche Eingliederung notwendig war. Nachdem der Kläger ausführlich dargelegt hatte, dass er dringend daran interessiert sei, ein Arbeitsverhältnis einzugehen, und dass er gerne wissen möchte, welche finanziellen Unterstützungen und Möglichkeiten dafür in Betracht kämen, wurde von Seiten des Gerichts darauf hingearbeitet, im Rahmen der mündlichen Verhandlung zumindest einen Termin für eine solche Beratung beim Arbeitsvermittler der Beklagten zu vereinbaren. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass extra zu diesem Termin zur mündlichen Verhandlung der Arbeitsvermittler Herr R. dazu gekommen sei, und dass hier auf einfachstem Wege zumindest ein Termin für ein Beratungsgespräch ausgemacht werden könnte. Der Kläger wollte sich darauf nicht einlassen, was weder von Seiten der Kammer noch von Seiten der Beklagten nachvollziehbar war.
Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass die Kammer nicht verkennt, dass grundsätzlich auch Reisekosten zu überregionalen Vorstellungsgesprächen aus dem Vermittlungsbudget gefördert werden können. Dies ist in der Vergangenheit durch den Beklagten auch geschehen. Bundesweite Bewerbungsbemühungen, zum Beispiel für hochspezialisierte Tätigkeitsbereiche, stehen hier nicht im Raum. Der Kläger hat auch nicht dargetan, dass er zu bestimmten Orten, in denen er sich bewirbt, aufgrund persönlicher Beziehungen oder Verbindungen einen besonderen Bezug hat.
Nachdem von Seiten der Kammer darauf hingewiesen wurde, dass es auch der Kammer unmöglich erscheint, am 11.11.2016 zwischen den Bewerbungsgesprächen in Nürnberg, Landshut und Ingolstadt immer wieder nach A-Stadt zurückgekehrt zu sein, hat der Kläger mündlich dargelegt, dass der Beklagte die Entfernungskilometer immer korrigiert habe und dass er nicht zwischen den Bewerbungsgesprächen nach A-Stadt zurückgekehrt sei.
Aus vorherigen anderen Förderungsleistungen ist keine Bindungswirkung für zukünftige Förderanträge herzuleiten, weil immer der Einzelfall zu prüfen ist. Grundrechte des Klägers sind aus Sicht der Kammer nicht verletzt. Für die vom Kläger vorgetragenen Grundrechtsverletzungen ergibt sich aus Sicht der Kammer kein Anhalt.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Absatz 1 Satz 1 SGG.
Die beantragten Reisekosten belaufen sich auf deutlich weniger als 750 €, so dass eine Berufung nicht zulässig ist.
Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben