Medizinrecht

Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status eines Kurierfahrers

Aktenzeichen  L 16 R 5144/16

Datum:
27.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20778
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB IV § 7 Abs. 1, § 7a

 

Leitsatz

Tenor

I. Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1 werden das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 20. Juli 2016 und die Bescheide vom 2. Januar 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. August 2015 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger die Tätigkeit als Kurierfahrer bei der Beigeladenen zu 1 in der Zeit vom 5. September 2013 bis 31. Dezember 2014 nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausübte und insoweit nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1 und Berufungsklägerin.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beigeladenen zu 1 ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20.07.2016 zu Unrecht abgewiesen.
Streitgegenstand sind die Bescheide der Beklagten gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen zu 1 vom 02.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.08.2015. Unter Berücksichtigung der Änderungsbescheide vom 24.04.2015 gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen zu 1, mit denen für die Zeit ab 01.01.2015 eine Rücknahme erfolgte, traf die Beklagte die Feststellung, dass der Kläger die Tätigkeit als Kurierfahrer/ Postzusteller bei der Beigeladenen zu 1 in der Zeit von 05.09.2013 bis 31.12.2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt habe und für dieses Beschäftigungsverhältnis Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.
Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Er hat im Rahmen der statthaften Anfechtungs- und Feststellungsklage Anspruch auf Aufhebung dieser Bescheide und auf Feststellung, dass die streitgegenständliche Tätigkeit nicht im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und nicht der Sozialversicherungspflicht unterlag.
Rechtsgrundlage der Statusentscheidung ist § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV; die Beklagte entscheidet im Anfrageverfahren auf Antrag, ob eine Tätigkeit versicherungspflichtig in einem Beschäftigungsverhältnis ausgeübt wird oder als selbstständige Tätigkeit nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Die Entscheidung, ob gegen Entgelt tätige Personen versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzesbuch Drittes Buch), ist auf der Grundlage des § 7 Abs. 1 SGB IV zu treffen. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2).
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt „Beschäftigung“ voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann vornehmlich bei Diensten höherer Art eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Eine selbstständige Tätigkeit ist demgegenüber durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen, und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen, wobei für die Beurteilung grundsätzlich von den vertraglichen Vereinbarungen auszugehen ist. Die Gerichte haben alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festzustellen, in ihrer Tragweite zu gewichten, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht einzustellen und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abzuwägen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 31.03.2017, B 12 R 7/15 Juris Rn. 21; Urteil vom 14.03.2018, B 12 KR 3/17 R, Juris Rn. 12 f.; ähnlich § 611a Bürgerliches Gesetzbuch in der seit 01.04.2017 geltenden Fassung).
Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger nicht in persönlicher Abhängigkeit von der Beigeladenen zu 1 tätig war und die streitgegenständliche Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit zu qualifizieren ist. Ausgangspunkt der Beurteilung sind die Vereinbarungen des Klägers und der Beigeladenen zu 1 im Beförderungsvertrag vom 24.09.2013 samt Anlagen, ergänzt durch die stillschweigende Übereinkunft der Beteiligten hinsichtlich des Zeitpunkts der Zustellung des Beförderungsguts. Anhaltspunkte dafür, dass die tatsächliche Handhabung des Vertragsverhältnisses dazu im Widerspruch stehen könnte, bestehen nicht.
Gewichtige Merkmale sprechen für die Einordnung der streitgegenständlichen Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit. Für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses gibt es nur wenige Indizien. Der Kläger war nicht in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1 eingebunden (1.) und jedenfalls im Wesentlichen nicht weisungsgebunden tätig (2.). Ein gewisses Unternehmerrisiko kann ihm bei Ausübung der Kuriertätigkeit nicht abgesprochen werden (3.). Diese das Gesamtbild der Arbeitsleistung bereits prägenden Merkmale werden durch weitere Indizien ergänzt, die den Charakter der streitgegenständlichen Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit unterstreichen (4.).
1. Ein starkes Indiz für die Qualifizierung der Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit ist die fehlende Eingliederung des Klägers in die Arbeits- und Betriebsorganisation der Beigeladenen zu 1. Der Senat kann keinerlei Gesichtspunkte erkennen, die auf eine solche Eingliederung hinweisen würden. Der Kläger war weder in das Informations- und Datennetz der Beigeladenen zu 1 eingebunden, noch hatte er einen Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten der Beigeladenen zu 1, noch verwendete er von der Beigeladenen zu 1 gestellte Arbeitsmittel, noch arbeitete er mit Personal der Beigeladenen zu 1 zusammen, noch hatte er Berichtspflichten gegenüber der Beigeladenen zu 1, noch unterlag er bei seiner Beförderungstätigkeit einer irgendwie gearteten Kontrolle durch die Beigeladene zu 1. Er trat im Rechts- und Geschäftsverkehr auch nicht im Namen der Beigeladenen zu 1 auf. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil ist die Frage des Gestaltungsspielraums des Klägers bei der Durchführung der streitgegenständlichen Tätigkeit weniger relevant hinsichtlich der Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation als vielmehr für die Frage der Weisungsgebundenheit gegenüber der Beigeladenen zu 1.
2. Der Kläger unterlag bei der Ausführung der streitgegenständlichen Tätigkeit im Wesentlichen nicht dem Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1. Die Details seiner Kuriertätigkeit waren nämlich bereits vertraglich festgelegt. Soweit Leistungspflichten bereits vertraglich konkretisiert sind, ist für einseitige Weisungen des Arbeitgebers von vornherein kein Raum.
Die Beklagte und das Sozialgericht stützen sich allerdings zur Begründung der gegenteiligen Auffassung gerade auf die detaillierten Vereinbarungen im Beförderungsvertrag wie etwa genaue Festlegung des Beförderungsguts, örtliche und zeitliche Vorgaben zur Abholung und Ausgabe des Beförderungsguts, vorgegebener Zustellungstermin, festgelegtes Zustellgebiet und werten diese Vorgaben als Ausdruck der Weisungsunterworfenheit des Klägers. Dabei wird verkannt, dass ein arbeitsrechtliches Weisungsrecht überhaupt nur dort bestehen kann, wo gar keine oder nicht hinreichend präzise vertraglichen Regelungen zu Ort, Zeit und Inhalt der zu erledigenden Arbeiten bestehen. Das Weisungsrecht ist nämlich das Recht des Arbeitgebers, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebenen Leistungspflichten des Arbeitnehmers einseitig durch Weisungen konkretisieren zu können (vgl. Griese in Personalbuch 2017, 24. Auflage 2017, Stichwort „Weisungsrecht“ Rn. 1). Gesetzlich niedergelegt ist dies in § 106 Satz 1 Gewerbeordnung, wonach der Arbeitgeber das Recht hat, Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
Dieser rechtliche Aspekt ist auch im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Prüfung, ob eine Beschäftigung vorliegt, zu beachten, da die Definition von Beschäftigung in § 7 Abs. 1 SGB IV ausdrücklich an das Arbeitsverhältnis und an eine Tätigkeit nach Weisungen anknüpft. Das BSG stellte bereits 1979 klar, dass schon im Voraus im Vertrag festgelegte Umstände nicht Gegenstand des Weisungsrechts sein können (vgl. Urteil vom 04.04.1979, 12 RK 37/77 Juris Rn. 15). In einem weiteren höchstrichterlichen Urteil aus dem Jahr 1980 ging es um die Frage der selbstständigen Tätigkeit von Zeitungsfahrern. Hier urteilte das BSG, dass allein aus der Tatsache, dass die Zeitungsfahrer aufgrund vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet sind, bei der Übernahme, Beförderung und Auslieferung der Zeitungen und Zeitschriften sich an im Voraus festgelegte Zeiten und Fahrtrouten zu halten, nicht auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis geschlossen werden könne (vgl. Urteil vom 27.11.1980, Az: 8a RU 74/79, Juris Leitsatz; darauf Bezug nehmend Urteile des Landessozialgerichts -LSGBaden-Württemberg vom 29.09.2015, L 11 R 3559/14, Juris Rn. 30, und vom 23.02.2016, L 11 R 2091/13, Juris Rn. 23). Solche ein Weisungsrecht ausschließende „Rahmenvorgaben“ können auch dann Bedeutung haben, wenn die Rahmenvorgaben nicht auf konkreten vertraglichen Regelungen beruhen, sondern einer übernommenen Dienstleistung immanent sind bzw. aus der Natur der Sache folgen (vgl. BSG, Urteile vom 27.11.1980, 8a RU 26/80, Juris Rn. 95, und vom 14.03.2018, B 12 KR 3/17 R, Juris Rn. 15). Als derartige Selbstverständlichkeit kann hier die Zustellung der Tageszeitungen bereits frühmorgens verstanden werden, wobei es auf diesen Aspekt wegen der Annahme einer stillschweigenden Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1 über den Zustellzeitpunkt nicht entscheidend ankommt.
Der Umstand, dass der Kläger eine feststehende Gebietstour zu fahren hatte, war vertraglich vereinbart (Anlage 1, Tour F.), so dass diesbezüglich ein Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1 nicht bestehen konnte. Nicht vertraglich geregelt waren allerdings die vom Kläger anzufahrenden und gegebenenfalls wechselnden Adressen der Zeitungsausträger. Insoweit war durchaus Raum für konkrete Weisungen der Beigeladenen zu 1, was sich insbesondere dann zeigte, wenn sich eine „Ablagenänderung“ ergeben hatte, was der Kläger nach Mitteilung durch die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1 zu beachten hatte. Nach Auffassung des Senats ist aber ein auf diese Frage eingeschränktes Weisungsrecht der Beigeladenen zu 1 nicht ausreichend, um das Gesamtbild der Arbeitsleistung zu bestimmen, zumal wenn zahlreiche weitere Gesichtspunkte gegen eine abhängige Beschäftigung sprechen.
3. Der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1 war mit einem Unternehmerrisiko verbunden. Im Rahmen der Entscheidung über das Gesamtbild der Tätigkeit berücksichtigt der Senat allerdings, dass das Unternehmerrisiko des Klägers nicht besonders stark ausgeprägt war, was insbesondere daran liegt, dass er seine Arbeitskraft nicht mit der Gefahr des Verlustes einsetzte.
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt es insoweit darauf an, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, ob also der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel ungewiss ist. Hinzu kommt, dass ein unternehmerisches Risiko nur dann ein starkes Indiz für eine selbstständige Tätigkeit ist, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstchancen gegenüber stehen (vgl. BSG, Urteil vom 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R, Juris Rn. 27). Mit einer Investition von über 10.000 EUR (netto) für zwei gebrauchte Fahrzeuge wenige Monate vor Beginn der streitgegenständlichen Tätigkeit, die im Rahmen dieser Tätigkeit auch eingesetzt wurden, war der Kläger das Risiko eines Kapitalverlustes eingegangen. Wenn er die Fahrzeuge bei Ausbleiben weiterer Aufträge hätte verkaufen müssen, wäre sein Verkaufserlös mit Sicherheit geringer gewesen als der von ihm aufgewendete Kaufpreis. Diesem unternehmerischen Risiko stand auch eine größere Freiheit des Klägers in der Gestaltung der nächtlichen Touren gegenüber. Er konnte nämlich den konkreten Verlauf der jeweiligen Tour selbst bestimmen, was beim Auftreten von Änderungen wie beispielsweise einer Verkehrsbehinderung oder der Auswechslung einer anzufahrenden Adresse eine Rolle spielen konnte. Bei entsprechendem organisatorischem Geschick hatte er die Möglichkeit, Zeit und damit Arbeitskraft einzusparen.
Dass sein wirtschaftliches Risiko wegen des Kaufs gebrauchter Kraftfahrzeuge nicht groß genug gewesen wäre, wie das Sozialgericht hervorgehoben hat, ist für den Senat kein gewichtiges Gegenargument. Denkbar ist zwar, dass einer solchen Überlegung in Fallkonstellationen mit vielen Indizien für eine abhängige Beschäftigung größere Aufmerksamkeit zu schenken ist. In der hier vorliegenden Fallgestaltung ist diesem Aspekt aber keine streitentscheidende Bedeutung zuzumessen.
Ausdruck eines Unternehmerrisikos ist es weiter, dass der Kläger vertraglich verpflichtet war, bei seiner Tour aufgetretene Fehler unverzüglich nach Bekanntwerden in eigener Verantwortung zu beheben und bekannt gewordene Fehlmengen oder Falschbelieferungen auf eigene Kosten nachzuliefern (§ 2 Nr. 8 des Beförderungsvertrags). Weiter zeigt sich ein unternehmerisches Risiko darin, dass er für den Fall der Nichterfüllung seiner (Beförderungs-) Pflicht die Kosten einer „Sonder- oder Ersatzfahrt“ übernehmen musste (§ 9 Nr. 3 Satz 1 des Beförderungsvertrags) und ihm eine Vertragsstrafe in Höhe von 2500 EUR (Satz 2) drohte.
Dass der Kläger am Markt als Unternehmer auftrat, zeigte sich daran, dass er für seinen Kurierdienst insbesondere durch Inserate und auf seinen Fahrzeugen warb. Er hatte mehrere Auftraggeber und gewann durch Aquisition immer wieder neue Auftraggeber hinzu.
Ein nur mittelgradig ausgeprägtes Unternehmerrisiko nimmt der Senat allerdings deswegen an, weil der Kläger seine Arbeitskraft nicht mit der Gefahr des Verlustes einsetzte. Er hatte nämlich nach Durchführung einer Tour einen sicheren Entgeltanspruch. Ein Vergütungsrisiko trug er nur insoweit, als er die Kosten eines Ersatzfahrers tragen musste und auch tatsächlich trug, wenn er die Leistung nicht selbst erbringen konnte oder wollte, z.B. wegen Krankheit oder Urlaub. Zu bedenken ist andererseits auch, dass er nicht nach Arbeitszeit bezahlt wurde, sondern nach einer Pauschale, mit der alle Leistungen wie insbesondere Be- und Entladen, Fahrzeit, Kraftstoffe, Straßenbenutzungsgebühren, Mehraufwand bei Verspätungen und Mehraufwand grundsätzlich auch bei größeren Mengen und Gewichten abgegolten waren.
4. Weitere Indizien bestätigen, dass es sich bei der streitgegenständlichen Tätigkeit um eine selbstständige Tätigkeit handelte.
Der Kläger schuldete nicht wie ein Arbeitnehmer die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft in einem bestimmten Umfang, sondern wie ein Werkunternehmer den Erfolg der pünktlichen Auslieferung, was die pünktliche Abholung des Beförderungsguts voraussetzte (vgl. BSG, Urteil vom 27.11.1980, 81 RU 26/80, Juris Rn. 92, 94). Die vertraglich geschuldete Beförderungstätigkeit ist dabei durchaus mit der Tätigkeit eines Frachtführers im Sinn der §§ 407 ff. HGB vergleichbar.
Der Kläger und die Beigeladene zu 1 ermittelten die Höhe des Entgelts für die Touren im Wege von Vertragsverhandlungen.
Der Kläger war nicht zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet, wie dies im Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis der Fall ist (vgl. BSG, Urteil vom 31.03.2015, B 12 KR 17/13 R, Juris Rn. 22). Vielmehr war er berechtigt, zur Ausführung der Aufträge weitere Unternehmen auf eigene Kosten einzusetzen (§ 2 Nr. 3 des Beförderungsvertrags). Von diesem Recht machte er wiederholt Gebrauch, wie die Rechnungen seiner Subunternehmer vom 28.09.2013 (Touren am 07.09.2013, 13.09.,14.09., 20.09., 21.09.), vom 19.10.2013 (Touren am 12.10.2013, 19.10.2013), vom 30.11.2013 (Touren am 09.11.2013, 30.11.2013), vom 29.07.2014 (fünf Sonderfahrten im Juli 2014) und vom 26.08.2014 (fünf Sonderfahrten im August 2014) belegen.
Dieser Würdigung steht nicht entgegen, dass er der Beigeladenen zu 1 den Einsatz eines Subunternehmers vorher mitteilen musste. Ein Recht der Beigeladenen zu 1, den jeweiligen Subunternehmer des Klägers abzulehnen, war mit dieser Mitteilungspflicht nämlich nicht verbunden. Die Mitteilung, welcher andere Unternehmer für die Tour eingesetzt werde, war wegen der Briefsendungen und der insoweit gebotenen Maßnahmen zur Wahrung des Postgeheimnisses notwendig (vgl. dazu § 8 des Beförderungsvertrags). Außerdem wurde über diese Information sichergestellt, dass die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1 wussten, wem die Zeitungspakete in der Nacht zu übergeben sind.
Der Kläger hatte weder Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall noch Anspruch auf bezahlten Urlaub.
Anders als die Beklagte sieht der Senat kein Indiz für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung darin, dass der Beförderungsvertrag auf unbestimmte Dauer abgeschlossen worden war.
Die Kostenentscheidung für die Berufungsinstanz beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung. Anders als in der ersten Instanz handelt es sich um einen Fall nach § 197a SGG. Wie sich aus dem Kontext des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG ergibt, ist diese Frage jeweils für einen Rechtszug zu klären. Dabei ist auf die Parteirollen im jeweiligen Rechtszug abzustellen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 183 Rn. 10; BSG, Beschluss vom 29.05.2006, B 2 U 391/05 B, Juris Rn. 16; Beschluss vom 13.04.2006, B 12 KR 21/05 B, Juris Rn. 9 a.E.). Hier ist die Beigeladene zu 1 Berufungsklägerin, also Rechtsmittelklägerin, so dass für die Anwendung des § 183 SGG kein Raum ist.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.


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