Medizinrecht

Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten für DR Kongo – Wiederaufgreifenswege

Aktenzeichen  Au 9 K 21.30138

Datum:
22.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15252
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1. Neue Beweismittel iSd § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG liegen nicht vor, wenn Unterlagen im Original vorgelegt werden, die in Kopie bereits Gegenstand des asylrechtlichen Erstverfahrens waren. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es besteht in der DR Kongo derzeit keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs einer Corona-Erkrankung bei nicht vulnerablen Personengruppen. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.   

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage der Klägerin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. April 2021 verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung vom 22. April 2021 form- und fristgerecht geladen worden.
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Wege der Wiederaufnahme des behördlichen Verfahrens bzw. auf ermessensfehlerfreie Entscheidung diesbezüglich. Der diesen Anspruch versagende Bescheid des Bundesamts vom 28. Januar 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Zur Begründung wird zunächst unter Absehen von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe auf die im Wesentlichen zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
Das Bundesamt ist im Ergebnis zurecht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Wiederaufnahmevoraussetzungen des § 51 VwVfG nicht erfüllt. Nach dem hier allein in Betracht kommenden Abs. 1 Nr. 1 und 2 dieser Vorschrift hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn (1) sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat oder (2) neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden. Beides ist hier nicht der Fall.
Neue Beweismittel wurden von der Klägerin im Verfahren bereits nicht vorgelegt. Der von der Klägerin vorgelegte Zeitungsartikel und die vorgelegten Lichtbildaufnahmen, die die Teilnahme an Demonstrationsveranstaltungen belegen sollen, waren bereits Gegenstand des asylrechtlichen Erstverfahrens und wurden im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 26. Juli 2021 (Az.: Au 1 K 17.32140) berücksichtigt und gewürdigt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Unterlagen nunmehr im Original vorgelegt wurden. Der in den Unterlagen dargestellte Sachvorhalt wurde bereits gerichtlich anlässlich des Asylerstverfahrens der Klägerin ausführlich gewürdigt. Auf die diesbezüglichen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil im Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg vom 26. Juli 2018 wird ergänzend verwiesen. Damit sind die Unterlagen aber auch nicht geeignet, ein für die Klägerin günstigeres Ergebnis herbeizuführen. Gleiches gilt in Bezug auf die weiteren im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen zur Personenfahndung/Haftbefehl aus dem Jahr 2015. Insoweit ist bereits nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Klägerin die nunmehr vorgelegten Unterlagen nicht bereits im asylrechtlichen Erstverfahren vorgelegt hat. Insoweit steht einer Berücksichtigung im Verfahren der Ausschlussgrund aus § 51 Abs. 2 VwVfG entgegen.
In Bezug auf die Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen im Bundesgebiet ist darauf zu verweisen, dass auch dieser Umstand bereits Gegenstand im asylrechtlichen Erstverfahren war. Auch vermag das Gericht keine herausgehobene Rolle der Klägerin bei den Demonstrationen zu erkennen. Somit ist aber auch bereits fraglich, ob eine Teilnahme an Demonstrationen im Ausland überhaupt im Heimatland der Klägerin bekannt wird. Das hieran irgendwelche negativen Folgen bei einer Rückkehr geknüpft sein könnten, ist nach der Erkenntnislage ebenfalls nicht ersichtlich (vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der DR Kongo vom 17.2.2020, Stand: November 2019, Ziff. II.1.9, Seite 15).
Es liegt aber auch zu Gunsten der Klägerin keine Änderung der Sach- und Rechtslage vor, die eine für sie günstigere Entscheidung herbeiführen könnte.
Eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG kann weder dem klägerischen Vortrag entnommen werden noch ist eine derartige Veränderung ersichtlich. Eine Änderung der Sachlage ist dann anzunehmen, wenn sich entweder die allgemeinen politischen Verhältnisse oder Lebensbedingungen im Heimatstaat oder aber die das persönliche Schicksal des Asylbewerbers bestimmenden Umstände so verändert haben, dass eine für den Asylbewerber günstigere Entscheidung möglich erscheint (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, AuslR, 12. Auflage 2018, § 71 Rn. 24).
Eine Änderung in Bezug auf das Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nicht ersichtlich.
Einer Abschiebung der Klägerin steht kein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK entgegen.
Ein solches liegt zu Gunsten der Klägerin nicht vor. Eine Abschiebung ist gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt. Gemäß § 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen werden. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 60 AufenthG Rn. 35 f.). Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder der ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre. Dabei sind lediglich zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu prüfen.
Diese Voraussetzungen liegen mangels glaubwürdiger Vorverfolgung der Klägerin nicht vor. Insoweit kann auf die rechtskräftig gewordenen Feststellungen im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 26. Juli 2018 (Az.: Au 1 K 17.32140) verwiesen werden.
Eine unmenschliche Behandlung droht der Klägerin auch nicht aufgrund der schwierigen Lebensbedingungen in der DR Kongo. Unzureichende wirtschaftliche Verhältnisse im Herkunftsland können nur in Ausnahmefällen, in denen die schlechten humanitären Verhältnisse eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Asylbewerbers darstellen, ein Abschiebungsverbot in diesem Sinn begründen. In ganz außergewöhnlichen Fällen können auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen eine Abschiebung „zwingend“ sind. Dies gilt in den Fällen, in denen die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut oder die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen, zurückzuführen sind. Wenn jedoch die Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führen, so ist zu berücksichtigen, ob es dem Betroffenen gelingt, die elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen (EGMR, U.v. 28.6.2011 – 8319/07 – NVwZ 2012, 681 ff.; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris). Unter Berücksichtigung sämtlicher Gegebenheiten des Einzelfalles ist hierbei ein sehr hohes Niveau der Gefährdung zu verlangen (BayVGH, U.v. 21.10.2014 – 13a B 14.30285 – juris).
Dies zugrunde gelegt ist hier davon auszugehen, dass die Klägerin durchaus ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit bei einer Rückkehr in die DR Kongo sichern kann. Dies gilt insbesondere aufgrund des jungen Alters der kinderlosen, unverheirateten Klägerin und der in der DR Kongo genossenen Schul- bzw. Universitätsbildung. Die Klägerin verfügt über einen mit dem Abitur abgeschlossenen 12-jährigen Schulbesuch sowie ein abgeschlossenes sechsjähriges Universitätsstudium der Fachrichtung Politikwissenschaften. Auch ist die Klägerin bereits in der DR Kongo einer Tätigkeit im Angestelltenverhältnis vor ihrer Ausreise nachgegangen. So war sie nach ihrem eigenen Vortrag bei einem kanadischen Heizungshersteller in der Kundenakquisation tätig. Der Klägerin, die bereits vor ihrer Ausreise in der Großstadt … gelebt hat, ist es aufgrund ihres Alters und ihrem Bildungsstand durchaus zumutbar, sich bei einer Rückkehr in die DR Kongo um entsprechende Arbeit und Unterkunft zu bemühen. Insoweit können auch in der Bundesrepublik gewährte Rückkehrhilfen berücksichtigt werden.
Kein anderes rechtliches Ergebnis rechtfertigt auch die vom Bevollmächtigten der Klägerin zitierte Reisewarnung für den Zielstaat DR Kongo. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt einer vom Auswärtigen Amt ausgesprochenen Reisewarnung eine Indizwirkung nicht zu. Nach dem Wortlaut der Reisewarnung und den Grundsätzen für den Erlass einer solchen ist auszuschließen, dass die hierfür maßgebenden rechtlichen Maßstäbe zur Bewertung der Verfolgungs- bzw. Sicherheitslage und damit auch der aktuellen sicherheitsrechtsrelevanten Ereignisse mit den hier anzuwendenden identisch sind (BVerwG, B.v. 27.6.2013 – 10 B 11.13 – juris, BayVGH, B.v. 17.8.2016 – 13a ZB 16.30090 – juris Rn. 10).
Eine Abschiebung der Klägerin steht schließlich auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.
Die Klägerin macht vorliegend ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geltend. Dieses liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn eine individuelle Erkrankung feststeht und der Betreffende in seinem Heimatland eine der Krankheit entsprechende Behandlung nicht erhalten kann, weil es diese dort nicht gibt, oder er sich bei Vorhandensein ausreichender medizinischer Versorgungsmöglichkeiten aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse seine Behandlung nicht finanzieren kann. Bei Behaupten einer psychischen Erkrankung, wie im vorliegenden Fall, die ihre Ursachen in Ereignissen oder Verhältnissen im Heimatland des Betreffenden haben soll, ist darüber hinaus zu prüfen, ob ihm eine Rückkehr in seine Heimat zuzumuten ist.
Eine solche Gefahr kann sich auch aus einem Abschiebezielstaat zu erwartenden Verschlimmerung der Krankheit ergeben. Dabei setzt die Annahme einer erheblichen konkreten Gefahr voraus, dass sich der Gesundheitszustand des Betroffenen alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung infolge unzureichender Behandlungsmöglichkeiten wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, weil dort eine adäquate Behandlung wegen des geringen Versorgungsstandards nicht möglich ist oder der Betroffene insbesondere mangels finanzieller Mittel eine Behandlung nicht erlangen kann (vgl. BVerwG, U.v. 9.9.1997 – 9 C 48/96 – InfAuslR 1998, 125; U.v. 29.10.2002 – 1 C 1/02 – DVBl. 2003, 463).
Nach diesen Grundsätzen liegt eine derartige extreme allgemeine Gefahrenlage aufgrund der unter dem 6. April 2021 (Gerichtsakte Bl. 57) diagnostizierten rezidivierenden schweren Episoden einer psychotischen Depression sowie einer Insomnie mit Alpdruck bzw. einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bei der Klägerin im Falle einer Rückkehr in die DR Kongo zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) nicht mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit vor. Das von der Klägerin im gerichtlichen Verfahren vorgelegte ärztliche Attest der Hausärzte,, vom 6. April 2021 genügt bereits nicht den in der Rechtsprechung verlangten Anforderungen an die Qualität eines Gutachtens zum Vorliegen einer psychischen Erkrankung.
Zwar lassen sich die Anforderungen an die Qualität eines Gutachtens zum Vorliegen einer psychischen Erkrankung nicht abstrakt bestimmen. In erster Linie ist es dem Sachverständigen selbst überlassen, in welcher Art und Weise seine Stellungnahme abfasst und unterbreitet. Dabei ist auch zu bedenken, dass das Gericht bei den in diesem Zusammenhang entscheidungserheblichen medizinischen Fachfragen keine eigene, nicht durch entsprechende medizinischen Sachverstand vermittelte Sachkunde besitzt (vgl. BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13/11 – juris Rn. 4). Dem Ergebnis eines Fachgutachtens ist jedoch nur dann zu folgen, wenn es schlüssig, nachvollziehbar und transparent hergeleitet ist und auf einer zutreffenden Grundlage beruht.
Vorliegend fehlt es bereits an einer fachärztlichen Diagnose, da die Klägerin im Verfahren lediglich ein hausärztliches Attest vorgelegt hat. Ebenfalls ist bereits nicht ersichtlich, aufgrund welcher Diagnosemethoden der behandelnde Arzt zur Feststellung der von ihm getroffenen Diagnosen gelangt ist. Das vorgelegte ärztliche Attest ist mithin nicht geeignet, ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot zu Gunsten der Klägerin zu begründen.
Nach allem war der Antrag der Klägerin auf Wiederaufgreifen des Verfahrens in Bezug auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG abzulehnen.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der sich wohl auch in Afrika ausbreitenden Corona-Pandemie. Auch dieser Umstand ist nicht geeignet, zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu führen. Insoweit gilt es die Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG zu beachten. Danach sind Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nur bei einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine derartige allgemeine Entscheidung hinsichtlich des Zielstaats DR Kongo i.S.d. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG liegt derzeit nicht vor. Eine persönliche Betroffenheit von der Krankheit selbst hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wäre. Davon kann nicht ausgegangen werden.
Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind überdies in der DR Kongo lediglich 29.084 Corona-Fälle bestätigt, wovon 26.108 Personen genesen sind und es lediglich zu 748 Todesfällen gekommen ist (Quelle: COVID-19 pandemic data, Wikipedia, Stand: 22.4.2021). Demnach handelt es sich um eine lediglich abstrakte Gefährdung, der im Rahmen des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu begegnen ist. Dieser Umstand ist daher ebenfalls nicht geeignet, für die Klägerin ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen.
Im Übrigen genügt nicht eine allgemeine Behauptung mit Hinweis auf die Corona-Pandemie, dass eine Gefahr bestünde. Denn für die Beurteilung ist auf die tatsächlichen Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen. Erforderlich ist, durch Benennung bestimmter begründeter Informationen, Auskünfte, Presseberichte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür aufzuzeigen, dass der Betreffende etwa zu einer Risikogruppe gehört und in seinem speziellen Einzelfall mit einer Ansteckung, einschließlich eines schweren Verlaufs, zu rechnen ist. Anzugeben ist dabei weiter, wie viele Personen im Zielland konkret infiziert sind, einen schweren Verlauf haben und gestorben sind, ob landesweit eine betreffende Gefahr besteht bzw. konkret an dem Ort, an dem der Betreffende zurückkehrt und welche Schutzmaßnahmen der Staat zur Eindämmung der Pandemie getroffen hat (OVG NW, B.v. 23.6.2020 – 6 A 844/20.A – juris). An einem entsprechenden substantiierten Vorbringen der Klägerin fehlt es. Durchgreifende Gründe für eine relevante Gefahr sind auch sonst nicht ersichtlich.
Unter Berücksichtigung der oben aufgeführten tagesaktuellen Fallzahlen und des damit einhergehenden Ansteckungsrisikos besteht in der DR Kongo derzeit nach dem oben genannten Maßstab keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppen, denen die Klägerin angehört. Sie muss sich letztlich, wie hinsichtlich etwaiger anderer Erkrankungen, wie etwa Malaria, HIV, Masern, Cholera, Lassa-Fieber, Meningitis oder Tuberkulose, bei der die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und eines schweren Verlaufs teilweise um ein Vielfaches höher liegt als bei dem „Coronavirus“, im Bedarfsfalle auf die Möglichkeiten des – zugegebenermaßen mangelhaften – kongolesischen Gesundheits- und Sozialsystems verweisen lassen (vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 17.2.2020, a.a.O., Ziff. IV.1.2, Seite 20).
Damit hat die Klägerin aber auch keinen Anspruch beim Wiederaufgreifen im weiteren Sinne gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48, 49 VwVfG. Die Klägerin hat diesbezüglich zwar einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Im gerichtlichen Verfahren beachtliche Ermessensfehler (§ 114 VwGO) sind vorliegend weder ersichtlich, noch vorgetragen.
Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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