Medizinrecht

Fixierung eines Untergebrachten wegen akuter Selbsttötungsgefahr nach dem BayUnterbrG

Aktenzeichen  1 U 2264/15

Datum:
4.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 128981
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BayUnterbrG Art. 12 Abs. 1, Art. 13 Abs. 2, Art. 19 Abs. 1 , Abs. 3 S. 2, Abs. 4, Abs. 5
StGB § 34
ZPO § 407a Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Die allg. Unterbringungsermächtigung des Art. 12 Abs. 1 S. 2 BayUnterbrG deckt bei einer konkreten akuten Selbsttötungs- oder Selbstverletzungsgefahr für die Dauer der Auffälligkeiten grds. die Fixierung eines in der Psychiatrie Untergebrachten durch Fuß-, Bauch- oder Handgurte sowie durch Zwangsjacken. (Rn. 12 – 26) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

15 O 21894/11 2015-05-27 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 27.05.2015, Az. 15 O 21894/11, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.
Auf die nicht ergänzungsbedürftigen tatsächlichen Feststellungen im Endurteil des Landgerichts München I vom 27.05.2015 wird Bezug genommen.
Das Landgericht hat zur Begründung des klageabweisenden Urteils ausgeführt, ein auf Schmerzensgeld gerichteter Amtshaftungsanspruch gegen den Beklagten sei nicht gegeben, weil die Fixierung des Klägers rechtmäßig gewesen sei, jedenfalls aber die vom Kläger behaupteten Verletzungen nicht auf einer rechtswidrigen Fixierung beruhten.
Der Kläger hat gegen das ihm am 02.06.2015 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 25.06.2015, eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 01.09.2015 begründet.
Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Er macht weiterhin geltend, für die Fixierung fehle eine gesetzliche Grundlage. Die Fixierung sei weder geeignet noch erforderlich gewesen, dem alkoholisierten Zustand oder einer unterstellten Suizidalität des Klägers zu begegnen. Die Anordnung und Durchführung der Fixierung widerspreche den fachlichen Standards der psychiatrischen Wissenschaft. Es hätten weniger in die Grundrechte des Kläges eingreifende bzw. deeskalierende Maßnahmen zur Verfügung gestanden, die aber offensichtlich nicht einmal geprüft worden seien. Auch der Zeitraum der Fixierung sei nicht angemessen. Das Landgericht hätte die Gutachten des Prof. Dr. S. für die Entscheidung nicht verwerten dürfen, weil er nicht mit der Gutachtenserstattung beauftragt worden sei. Außerdem seien die Gutachten inhaltlich mangelhaft. Es würden dort fachliche und rechtliche Ausführungen vermischt. Soweit der Sachverständige der behandelnden Ärztin eine Ermessensgrundlage zugestanden habe, sich für die angeordnete Sicherungsmaßnahme zu entscheiden, widerspreche diese Auffassung den Leitlinien der psychiatrischen Fachgesellschaften, der einschlägigen Fachliteratur und den Leitlinien zur Fixierung von Patienten in den Kliniken des Bezirks Oberbayern, auf die der Sachverständige nicht eingegangen sei. Der Kläger beruft sich für seine Auffassung insbesondere auf eine privatgutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. Med. v. C., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie vom 01.09.2015 (Anlage zu Bl. 277/282 d.A.). Er hält deshalb eine neue Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen für geboten.
Der Kläger beantragt,
1.das am 27.05.2015 verkündete Urteil des Landgerichts München I wird aufgehoben.
2.Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens € 1.000,- sowie einen Betrag in Höhe von € 120,67 nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Leitlinie zur Fixierung von Patienten in Kliniken des Bezirks Oberbayern verhalte sich nicht zur Akutbehandlung alkoholbezogener Störungen, ebensowenig die sog. S2-Leitlinie 2010 der DGPPN („Therapeutische Maßnahmen bei aggressivem Verhalten in der Psychiatrie und Psychotherapie“). Für die rechtliche Beurteilung der damaligen Situation könne auch nicht auf die aktuelle und zudem kontrovers geführte Diskussion um Zwangsmaßnahmen und insbesondere Fixierungen von selbst- oder fremdgefährdenden Patienten in der Psychiatrie abgestellt werden. Deshalb erforderten auch die Ausführungen im Privatgutachten des Dr. v. C. keine neue Begutachtung. Der Kläger habe außerdem nach wie vor nicht aufgezeigt, wie trotz der gravierenden Alkoholisierung und dem unkooperativen Verhalten des Klägers niederschwellige Maßnahmen hätten erfolgreich umgesetzt werden können. Das Sachverständigengutachten des Dr. S. sei verwertbar. Der Kläger habe seine behaupteten Verletzungen infolge der Fixierungsmaßnahme weiterhin nicht hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt.
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
B.
I.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Die Rechtsgrundlage für die Fixierung des Klägers im Rahmen der Unterbringung ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 BayUnterbrG.
1.1. Die im psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten werden so untergebracht, behandelt und betreut, dass der Unterbringungszweck bei geringstem Eingriff in die persönliche Freiheit erreicht wird (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 BayUnterbrG). Gemäß Art. 19 Abs. 1 BayUnterbrG dürfen Bedienstete der Einrichtung gegen Untergebrachte unmittelbaren Zwang anwenden, wenn dies zur Durchführung des Art. 12 Abs. 1 erforderlich ist. Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind dabei diejenigen zu wählen, die den Untergebrachten und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen. Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennnbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht (Art. 19 Abs. 3 BayUnterbrG). Die Androhung des unmittelbaren Zwangs darf unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen (Art. 19 Abs. 4 BayUnterbrG).
1.2. Die bloße Fixierung bzw. Fesselung eines Patienten kann nicht als Behandlungsmaßnahme gemäß Art. 13 Abs. 2 BayUnterbrG angesehen werden, weil sie -anders als etwa eine zwangsweise Medikamentengabe zur Ruhigstellung – lediglich auf Sicherung, im vorliegenden Fall zum Schutz vor etwaiger Suizidhandlung, abzielt (a.A. offenbar Zimmermann, Praxiskommentar Bayerisches UnterbrG, 4. Aufl. Teil A Rn. 117). Sie ist jedoch von der allgemeinen Unterbringungsermächtigung des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 BayUnterbrG gedeckt. Unter den Begriff des unmittelbaren Zwangs im Sinn des Art. 19 BayUnterbrG fällt auch die Fixierung durch Fuß-, Bauch- oder Handgurte sowie durch Zwangsjacken (vgl. Zimmermann aaO Teil B Art. 19 Rn. 7).
1.3. Eines Rückgriffs auf die strafrechtliche Vorschrift zum rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB), die das Landgericht unter Berufung auf eine Literaturmeinung (Lesting, in: Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 5. Aufl. Teil B Rn. 261; Marschner, in: aaO Teil C Rn. 45) angewendet hat, bedarf es nicht. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht zwar davon aus, dass § 34 StGB grundsätzlich in der Lage ist, auch hoheitliche Eingriffe in Individualrechtsgüter zu rechtfertigen (vgl. BGHSt 27, 260, 262; 31, 304, 307; 34, 39, 51 f). Jedoch kommt eine Anwendung dieser Vorschrift grundsätzlich nicht in Betracht, soweit der Gesetzgeber einschlägige spezialgesetzliche Regelungen getroffen hat (vgl. MünchKomm-StGB/Erb, 2. Aufl. § 34 Rn. 46 f mwN), was vorliegend der Fall ist. Dass nach Art. 19 Abs. 5 BayUnterbrG das Recht zu unmittelbarem Zwang aufgrund anderer Regelungen „unberührt“ bleibt, bedeutet nicht, dass dadurch der allgemeinen strafrechtlichen Notstandsnorm ein Anwendungsvorrang eingeräumt wird.
2. Die Voraussetzungen für die Anwendung des unmittelbaren Zwangs gegen den Kläger in der gewählten Form waren gegeben.
2.1. Es bestanden im Zeitpunkt der Fixierungsanordnung durch die Aufnahmeärztin Dr. K. konkrete Anhaltspunkte für eine akute Selbsttötungs- oder Selbstverletzungsgefahr des Klägers.
2.1.1. Der Sachverständige Prof. Dr. S. führt in seinem Zusatzgutachten vom 24.11.2014 (S. 5 ff) insoweit aus, aufgrund des Zusammentreffens folgender Faktoren: a) Alkoholintoxikation des Klägers im Stadium III, b) unklarer psychopathologischer Erregungszustand, c) bereits zwei Tage bestehende depressive Reaktion mit deutlicher, fremdanamnestisch bestätigter Stimmungseinbuße, Agitation, bilanzierend resignativer Grundstimmung, erkennbar eigengefährlicher Tendenz im Sinn der aktiven und passiven Lebensverweigerung (Nahrungsverweigerung und exzessiver Alkoholkonsum), und d) fehlende bzw. unzureichende Einwilligungs- und Kooperationsfähigkeit, habe im Akutzustand ein signifikant erhöhtes Suizidrisiko bestanden. Diese Annahme, der sich das Landgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung angeschlossen hat, wird durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet. Ein „signifikant erhöhtes“ Suizidrisiko ist nicht gleichzusetzen mit einem lediglich nicht ausschließbaren Suizidrisiko, von dem die Berufung im Ansatz ausgeht.
2.1.2 Das Sachverständigengutachten ist verwertbar. Der Beschluss des Landgerichts vom 11.10.2013, der dem (zunächst) ernannten Sachverständigen Prof. Dr. Ko. die „Autorisierung des Gutachtensauftrags für Herrn Oberarzt Prof. Dr. Wolfgang S. …“ gemäß Schreiben vom 04.09.2013 gestattet, beinhaltet eine konkludente Abänderung des Beweisbeschlusses vom 07.06.2013. Wie das Landgericht zurecht angenommen hat, liegt eine unbefugte Übertragung des Gutachtensauftrags auf einen anderen Sachverständigen nach § 407a Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vor.
2.2. Die Sicherungsmaßnahme war ein geeignetes Mittel zur Abwendung der akuten Suizidgefahr; weiterer Erörterungen hierzu bedarf es nicht. Die gegenteilige, bereits in erster Instanz aufgestellte Behauptung des Klägers ist nicht nachvollziehbar.
2.3. Die Fixierung des Klägers war in der konkreten Einlieferungsituation in der Klinik zur Nachtzeit auch erforderlich. Ein milderes bzw. weniger beeinträchtigendes Mittel zur Abwendung der Suizidgefahr stand nicht zur Verfügung. Gegen die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zu dieser Frage, die sich das Landgericht in der Urteilsbegründung (S. 6/7) zu eigen gemacht hat und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, wendet die Berufung nichts Durchgreifendes ein.
2.3.1. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen des Klägers, der Sachverständige habe die Leitlinien der Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) nicht berücksichtigt, und das Gutachtensergebnis widerspreche fachlichen Standards in der psychiatrischen Wissenschaft, den Leitlinien und der Fachliteratur, greifen nicht durch. Zum einen ist im Literaturverzeichnis zum Zusatzgutachten vom 24.12.2014 die „S2-Richtlinie“ der DGPPN („Therapeutische Maßnahmen bei aggressivem Verhalten in der Psychiatrie und Psychotherapie, 2010“) ausdrücklich aufgeführt. Zum Anderen lässt die Berufung konkrete Ausführungen dazu vermissen, gegen welche, bereits im Jahr 2009 gültigen wissenschaftlichen Standards in der Psychiatrie die streitgegenständliche Fixierungsanordnung verstoßen haben soll. Der Beklagte weist zurecht darauf hin, dass für die rechtliche Beurteilung der damaligen Situation nicht auf aktuelle und kontrovers geführte Diskussionen um Zwangsmaßnahmen gegenüber selbst- und fremdgefährdenden Patienten in der Psychiatrie abgestellt werden kann.
Die von dem Kläger bereits in erster Instanz vorgelegten „KBO-Fixierungsrichtlinien“ (Anlage zu Bl. 166 d.A.) sind am 01.04.2010 in Kraft getreten. Soweit dort ausgeführt wird, es seien stets deeskalierende oder weniger einschränkende Maßnahmen zu berücksichtigen, um Fixierungen auf ein Minimum zu beschränken, haben sich der Sachverständige und das Landgericht hiermit auseinandergesetzt und im vorliegenden Fall mögliche Alternativmaßnahmen für riskanter, für nicht zielführend bzw. für organisatorisch in der konkreten Situation nicht durchführbar erachtet. Auch die Richtlinie hält im Übrigen Fixierungen als Notmaßnahme für zulässig, wenn ein Patient krankheitsbedingt deutliche Zeichen unmittelbar drohender erheblicher Gefahr für sich erkennen lässt.
Die in der gutachterlichen Stellungnahme des Prof. Dr. v. C. v. 01.09.2015 genannten Leitlinien der DGPPN, an denen er die Vorgehensweise der Zeugin Dr. K. im vorliegenden Fall misst, stammen nach Angabe aus dem Jahr 2012. Der Privatgutachter kommt zu dem Ergebnis, dass die Fixierung in der erfolgten Form (und Dauer) nicht den „heutigen Kriterien“ gerecht wird. Ob das zutrifft, kann letztlich dahinstehen, denn darauf kommt es für die rechtliche Beurteilung der Zwangsmaßnahme im Jahr 2009 gerade nicht an. Im Übrigen sind zu den schriftlichen Ausführungen des Privatgutachters noch folgende Anmerkungen veranlasst:
– eine Erprobung anderer Deeskalalationsmaßnahmen kam vorliegend, wie bereits ausgeführt, nicht in Betracht.
– ob der Kläger während der Fixierung dauernd überwacht wurde, was nach den neuen Leitlinien offenbar für erforderlich gehalten wird, kann aus den im Urteil des Landgerichts genannten Gründen im Rahmen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs dahinstehen.
– der Privatgutacher hält den im Fixierblatt mit „09.00 Uhr“ angegebenen Überprüfungszeitraum der Fixierung durch einen Arzt zwar für „kaum angemessen“ bzw. für „lang“, äußert sich aber nicht dazu, welche zeitlichen Intervalle für die Überprüfung der Indikation denn nun angemessen sein sollen.
– ob die Dokumentation ausreichend war, und ob eine ausführliche Nachbesprechung stattfand oder nicht, kann ebenfalls dahinstehen, weil diesbezügliche Mängel für sich betrachtet keinen Schadensersatzanspruch auslösen können; das gilt auch in Bezug auf die Vermutung des Privatgutachters, das Fixierungsprotokoll sei nachträglich erstellt worden.
2.3.2. In den vom Kläger angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 20.06.2000 – VI ZR 377/99, NJW 00, 3425) und des OLG Frankfurt a. M. (Urt. v. 27.10.2009 – 8 U 170/07, juris) ging es darum, ob psychiatrische Einrichtungen dazu verpflichtet sind, ihre Patienten ohne konkrete Anhaltspunkte für eine Selbstgefährdung vor latent vorhandener Selbstmordgefahr zu schützen, indem jede Gelegenheit zu einer Selbstschädigung ausgeschlossen wird. Der vorliegende Fall weicht hiervon schon deshalb entscheidend ab, weil Anknüpfungspunkt für die ärztliche Sicherungsmaßnahme nicht eine latente, sondern eine konkrete Suizidgefahr des Klägers war. Auch das von dem Berufungsführer zitierte Urteil des Landgerichts Berlin vom 28.01.2015 (86 O 88/14) ist vom Sachverhalt mit dem vorliegenden Fall gerade nicht vergleichbar; zudem war die dort streitgegenständliche Fixierungsmaßnahme auf Grundlage des PsychKG Berlin ergangen.
2.3.3. Das Landgericht konnte offenlassen, ob die angeordnete 7-Punkt-Fixierung erforderlich war, oder ob die zunächst von der Zeugin Dr. K. verfügte 5-Punkt-Fixierung des Klägers als Sicherungsmaßnahme ausgereicht hätte. Auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil, die von der Berufung nicht beanstandet werden, wird Bezug genommen.
2.4. Der Senat bejaht die vom Sachverständigen Prof. Dr. S. im Zusatzgutachten vom 24.11.2014 (S. 10) offengelassene und im Urteil des Landgerichts nicht erörterte Frage, ob es erforderlich war, den Kläger acht Stunden lang fixiert zu halten. Aus den Aufzeichnungen im Pflegeprotokoll ergibt sich, dass bis in die Morgenstunden hinein Auffälligkeiten bei dem Kläger registriert wurden, die in Ansehung des ärztlichen Befundes einer früheren Lösung der Gurte entgegenstanden. So ist unter dem ohne Uhrzeitangabe als „25.6.“ erfolgten Eintrag, der im Zeitraum zwischen 04.00 Uhr und 06.15 erfolgt sein muss, vermerkt, der Patient könne seine Situation immer noch nicht einschätzen, auch wenn er jetzt ruhiger im Bett läge. Im Eintrag um 06.15 Uhr heißt es erneut, der Kläger könne sich mit seiner Situation schwer auseinandersetzen. Um 07.15 Uhr wurde dann eine probeweise Teil-Entfixierung vorgenommen und die Fesseln schließlich um 08.20 Uhr komplett gelöst. In Anbetracht der bis zum Morgen noch fortbestehenden nicht unerheblichen Restalkoholisierung in Verbindung mit der festgestellten depressiven Grundstimmung des Klägers war es angezeigt, die Fixierung bis dahin aufrecht zu erhalten und sie dann schrittweise zu lösen.
2.5. Die Zwangsmaßnahme war nicht unverhältnismäßig im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Satz 2 BayUnterbrG. Auch wenn man unterstellt, dass die bei dem Kläger am 29.06.2009 ärztlich festgestellten Hautabschürfungen, Druckstellen und Einblutungen auf die Fixierung zurückgehen, steht ein solcher Schaden nicht außer Verhältnis zum angestrebten Erfolg der Verhütung eines Suizidversuchs.
2.6. Eine vorherige Androhung der Zwangsmaßnahme (Art. 19 Abs. 4 BayUnterbrG) wäre in Anbetracht der Verfassung, in der sich der Kläger bei Aufnahme in der Klinik befand, sinnlos gewesen.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.
III.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft weder Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.


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