Medizinrecht

Geltungsdauer des Genesenennachweises, erfolgloser Antrag auf vorläufige Feststellung der Gültigkeit des Genesenennachweises für einen Zeitraum von sechs Monaten, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis wegen Geltung als vollständig geimpft

Aktenzeichen  M 26a E 22.984

Datum:
7.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6000
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
SchAusnahmV § 2 Nr. 2
SchAusnahmV § 2 Nr. 3
SchAusnahmV § 2 Nr. 4
SchAusnahmV § 2 Nr. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Verkürzung der Gültigkeitsdauer des Genesenenstatus der Antragstellerin von sechs Monaten auf 90 Tage.
Die Antragstellerin wurde mit Test vom … Dezember 2021 positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet.
Auf nationaler Ebene galten bis zum 14. Januar 2022 gemäß § 2 Nrn. 4 und 5 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung – SchAusnahmV) vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 08.05.2021 V1) folgende Begriffsbestimmungen:
„Im Sinne dieser Verordnung ist (…)
4. eine genesene Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises ist,
5. ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens einer vorherigen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn die zugrundeliegende Testung durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt ist und mindestens 28 Tage sowie maximal sechs Monate zurückliegt, (…).“
(Hervorhebung nicht im Original)
Mit Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung vom 14. Januar 2022 (BAnz AT 14.01.2022 V1) wurde § 2 Nrn. 5 SchAusnahmV mit Wirkung zum 15. Januar 2022 wie folgt gefasst:
„Im Sinne dieser Verordnung ist (…)
5. ein Genesenennachweis ein Nachweis hinsichtlich des Vorliegens eines durch vorherige Infektion erworbenen Immunschutzes gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in verkörperter oder digitaler Form, wenn der Nachweis den vom Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse www…de/covid-19-genesenennachweis unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft veröffentlichten Vorgaben hinsichtlich folgender Kriterien entspricht:
a) Art der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion,
b) Zeit, die nach der Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion vergangen sein muss, oder Nachweis zur Aufhebung der aufgrund der vorherigen Infektion erfolgten Absonderung,
c) Zeit, die die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion höchstens zurückliegen darf“.
Unter der Internetadresse www…de/covid-19-genesenennachweis (abgerufen am 07.03.2022) ist mit dem Hinweis, dass die Vorgaben „ausschließlich vor und nach der durchgemachten Infektion nicht geimpfte Personen“ betreffen, Folgendes ausgeführt:
„Fachliche Vorgaben für Genesenennachweise, mit Wirkung vom 15.01.2022:
Ein Genesenennachweis im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung muss aus fachlicher Sicht folgenden Vorgaben entsprechen:
a) Die Testung zum Nachweis der vorherigen Infektion muss durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) erfolgt sein UND
b) das Datum der Abnahme des positiven Tests muss mindestens 28 Tage zurückliegen UND
c) das Datum der Abnahme des positiven Tests darf höchstens 90 Tage zurückliegen.“
(Hervorhebung nicht im Original)
Wissenschaftliche Begründung
Diese fachlichen Vorgaben für den Genesenennachweis beziehen sich ausschließlich auf Personen, die ungeimpft sind, d.h. weder vor, noch nach ihrer durchgemachten Infektion eine Impfung erhalten haben. Die Gültigkeit des Genesenennachweises wurde von 6 Monaten auf 90 Tage reduziert, da die bisherige wissenschaftliche Evidenz darauf hindeutet, dass Ungeimpfte nach einer durchgemachten Infektion mit der Deltavariante oder einer früheren Virusvariante einen im Vergleich zur Reinfektion mit der Deltavariante herabgesetzten und zeitlich noch stärker begrenzten Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion mit der Omikronvariante haben (1-3).
Nach einer durchgemachten SARS-CoV-2-Infektion besteht üblicherweise ein Schutz vor erneuter SARS-CoV-2-Infektion bzw. COVID-19, der mit der Zeit abnimmt. Der Grad und die Dauer des Schutzes können individuell stark schwanken und werden vermutlich durch Alter, Schwere der Erkrankungen und Virusvarianten beeinflusst. Relevanz hat eine durchgemachte SARS-CoV-2-Infektion in dreierlei Hinsicht:
(i) Eine frühere Auseinandersetzung des Immunsystems mit dem Erreger führt zu einem besseren Ansprechen einer COVID-19-Impfung, so dass zur Erlangung des Status „grundimmunisiert“ weniger Impfstoffdosen notwendig sind. Empfehlungen zur Anzahl an Impfstoffdosen und den Impfabständen nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion gibt die Ständige Impfkommission (siehe u.a. 17. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung der STIKO, S. 18, Tabelle 5). Für Personen, die noch nicht mit SARS-CoV-2 infiziert waren, sind zwei Impfstoffdosen für eine Grundimmunisierung notwendig.
(ii) Die durchgemachte Infektion induziert in der Regel einen individuellen Schutz vor einem schweren Verlauf bei erneuter SARS-CoV-2-Infektion (sog. Reinfektion). Studien belegen, dass der infektionsvermittelte Schutz vor einer schweren Reinfektion höher ist als der vor einem asymptomatischen bzw. milden Verlauf einer Reinfektion (3). Ein ähnliches Phänomen ist beim impfinduzierten Schutz zu beobachten, wo üblicherweise der Schutz vor schweren COVID-19-Verläufen deutlich höher und langanhaltender ist als der vor milden Erkrankungen.
(iii) Schutz vor Virusübertragung. Zur Virusübertragung kommt es, wenn (a) eine genesene Person infiziert wird und (b) bei dieser infizierten Person infektiöses Virus in ausreichender Menge im Nasenrachenraum vorhanden ist. Bei infizierten Personen kann zudem der Immunschutz (genesen oder geimpft) die Konzentration an infektiösem Virus im Nasenrachenraum sowie die Dauer, in der das Virus nachweisbar ist, reduzieren.
Bei den fachlichen Vorgaben für COVID-19-Genesenennachweise geht es primär um den o.g. Schutz vor Virusübertragung (iii) bzw. das Risiko, dass die genesene Person asymptomatisch mit SARS-CoV-2 infiziert ist und das Virus auf andere Menschen übertragen kann.
Studien zur Übertragbarkeit der Omikronvariante durch Genesene liegen noch nicht vor, der Schutz vor jeglicher bzw. asymptomatischer Infektion kann aber als Richtwert für die Bewertung des Schutzes vor Virusübertragung herangezogen werden. Die vorliegenden Studien zeigen insbesondere, dass es unter dominanter Zirkulation der Omikronvariante bei zuvor infizierten und nicht geimpften Personen häufig zu Reinfektionen kommt (1). Daten der britischen SIREN-Studie (2) weisen darauf hin, dass Genesene unter diesen Bedingungen nur noch eine Schutzwirkung von ca. 40% gegenüber Reinfektionen aufweisen. Der Schutz von 40% bezieht sich auf die Verhinderung jeglicher (d.h. symptomatischer und asymptomatischer) Infektionen. In einer weiteren Studie, die die Schutzwirkung gegenüber Reinfektionen mit verschiedenen Virusvarianten verglich, hatten Genesene gegenüber Omikron-Reinfektionen nur einen Schutz von ca. 60%, während es gegenüber Delta-Reinfektionen mehr als 90% waren (3). Dies wird durch laborbasierte Studien unterstützt, die zeigen, dass Seren von Personen, die mit SARS-CoV-2 infiziert und nicht geimpft waren, eine deutlich verringerte Neutralisationsfähigkeit gegen Omikron (im Vergleich zum Wildtyp bzw. Delta-Variante) aufwiesen (5-7).
Erste Erkenntnisse zur Impfstoffwirksamkeit gegenüber der Omikronvariante zeigen darüber hinaus, dass ab etwa 15 Wochen nach der Grundimmunisierung (zwei Impfstoffdosen) die Wirksamkeit gegenüber symptomatischen Erkrankungen durch die Omikronvariante so stark reduziert ist (<20%), dass nicht mehr von einem ausreichenden Schutz vor Erkrankung ausgegangen werden kann (2, 4).
Die genannten Studien beziehen sich auf Personen, deren Genesenenstatus überwiegend auf frühere Infektionen mit der Deltavariante zurückzuführen ist. Sie belegen ein im Vergleich zur Deltavariante deutlich stärkeres Potential der Omikronvariante, den Immunschutz zu umgehen. Diese Konstellation (Vorinfektion mit der Deltavariante und Risiko der Reinfektion mit der Omikronvariante) wird als für die derzeitige epidemiologische Situation am relevantesten angesehen.
Über das Ausmaß und die Dauer des Schutzes nach einer Infektion mit der Omikronvariante (Vorinfektion mit der Omikronvariante und Risiko der Reinfektion mit der Omikronvariante) liegen aktuell noch keine Daten vor, dies gilt auch für Reinfektionen mit der Deltavariante (Vorinfektion mit der Omikronvariante und Risiko der Reinfektion mit der Deltavariante).
(1) Ferguson et al.: Hospitalisation risk for Omicron cases in England. Imperial College London (22-12-2021)
(2) UK Health Security Agency: SARS-CoV-2 variants of concern and variants under investigation in England. Technical briefing 34
(3) Altarawneh et al.: Protection afforded by prior infection against SARS-CoV-2 infection with the Omicron variant. Preprint. https://www…org/content/10.1101/2022.01.05.22268782v1
(4) Wissenschaftliche Begründung der STIKO für die Empfehlung zur Verkürzung des Impfabstands zwischen Grundimmunisierung bzw. Infektion und Auffrischimpfung auf einen Zeitraum ab 3 Monaten
https://www…de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2022/02/Art_01.html; jsessionid=E133C892AAE2F6A7D946094EB6C1AC46.internet052?nn=13490888
(5) Gruell, H., Vanshylla, K., Tober-Lau, P., Hillus, D., Schommers, P., Lehmann, C., … & Klein, F. (2022). mRNA booster immunization elicits potent neutralizing serum activity against the SARS-CoV-2 Omicron variant. Nature medicine, 1-4.
(6) Schmidt, F., Muecksch, F., Weisblum, Y., Da Silva, J., Bednarski, E., Cho, A., … & Bieniasz, P. (2021) Plasma neutralization properties of the SARS-CoV-2 Omicron variant (preprint).
(7) Rössler A, Riepler L, Bante D, von Laer D, Kimpel J. SARS-CoV-2 Omicron Variant Neutralization in Serum from Vaccinated and Convalescent Persons. N Engl J Med. 2022 Jan 12
Diese Vorgaben werden regelmäßig überprüft und können sich gemäß Stand der Wissenschaft ändern.
Die Anforderungen an einen vollständigen Impfschutz im Sinne der Verordnung zur Änderung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung vom 14.01.2022, einschließlich Kombinationen von durchgemachter Infektion und Impfungen, werden auf der Internetseite des Paul-Ehrlich-Instituts genannt: www…de/impfstoffe/covid-19
Dies bedeutet, dass in der Praxis für Personen, die vor oder nach ihrer durchgemachten Infektion eine Impfung erhalten haben, in der Regel das ausgestellte digitale Impfzertifikat der EU als Vorlage ausreichend ist. Gleichwohl hat auch dieser Personenkreis das Recht, sich auf Wunsch ein digitales Genesenenzertifikat der EU ausstellen zu lassen (Verordnung (EU) 2021/953). Ein solches wird zusätzlich zu einem digitalen Impfzertifikat der EU ausgestellt und kann parallel genutzt werden, insbesondere im Hinblick auf die auf 270 Tage begrenzte Anerkennungsdauer des digitalen Impfzertifikates der EU in anderen Staaten oder bei Einreise nach Deutschland.“
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom … Februar 2022 ließ die Antragstellerin beim Antragsgegner die Ausstellung eines Genesenennachweises mit Fristsetzung bis 21. Februar 2022 beantragen.
Am 24. Februar 2022 ließ die Antragstellerin beim Bayerischen Veraltungsgericht München durch ihren Bevollmächtigten beantragen,
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin einen Nachweis über ihre Genesung im Sinne des § 2 Abs. 5 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (SchAusnahmV) für den Zeitraum vom … Januar 2022 bis … Juni 2022 auszustellen.
Zur Begründung wird geltend gemacht, die Antragstellerin habe lediglich am … November 2021 eine Erstimpfung gegen COVID-19 erhalten und gelte daher nicht als vollständig grundimmunisiert. Es bestehe weiterhin ein Anspruch der Antragstellerin auf Zuerkennung eines mit Rechten behafteten Genesenenstatus von sechs Monaten, wie er vor der Änderung vom 14. Januar 2022 galt. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verstoße gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG und das Verkündungsgebot aus Art. 82 Abs. 1 GG. Zudem sei der Inhalt nach § 20 Abs. 3 GG nicht bestimmt genug. § 2 Nr. 5 SchAusnahmV sei auch materiell verfassungswidrig. Weder der Begründung zur Änderung der SchAusnahmV (BT-Drs. 20/390, S. 10) noch der entsprechenden Seite des RKI sei eine wissenschaftlich überzeugende Begründung für die Dauer der Verkürzung des Genesenenstatus auf 90 Tage zu entnehmen.
Mit Schreiben per Email vom 7. März 2022 machte der Antragsgegner geltend, dass der Antrag gegen den falschen Antragsgegner gerichtet sei.
Das Gericht wies mit Schreiben vom 24. Februar 2022 darauf hin, dass nach § 2 Nr. 2 und 3 SchAusnahmV i.V.m. den vom Paul EhrlichInstitut (PEI) im Benehmen mit dem Robert Koch-Institut ((RKI) im Internet unter der Adresse www…de/impfstoffe/covid-19 veröffentlichten Vorgaben eine Person dann ausnahmsweise mit einer einzelnen Impfstoffdosis als vollständig geimpft gelte, wenn die betroffene Person nach Erhalt einer einzelnen Impfstoffdosis eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 durchgemacht hat. Nach der Rechtsauffassung des Gerichts entfalle daher das Rechtsschutzbedürfnis, da die Antragstellerin als vollständig geimpft gelte.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin trug mit Schreiben vom … Februar 2022 vor, dass auf der Internetseite des RKI (www…de/sharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/ FAQ_Genesen_Impfdosis.html) wie folgt festgeschrieben sei:
„Personen, die nach der 1. Impfstoffdosis eine gesicherte SARS-CoV-2-Infektion im Abstand von unter 4 Wochen zur vorangegangenen Impfung hatten, erhalten im Rahmen der Grundimmunisierung eine 2. Impfstoffdosis mit einem Abstand ab 3 Monate zur Infektion.“
Die Antragstellerin gelte daher nicht als vollständig geimpft, da der Zeitraum zwischen Erstimpfung ( …11.2021) und Infektion ( …12.2021) weniger als vier Wochen betrage.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Das Gericht legt den Antrag gemäß §§ 133, 157 BGB unter Beachtung der Grenzen des § 88 VwGO als Feststellungsantrag aus, gerichtet auf die vorläufige Feststellung, dass ihr Genesenenstatus sechs Monate, d.h. bis zum … Juni 2022 fortbesteht.
Weder die bundes- noch die landesrechtlichen Regelungen sehen die Ausstellung einer landesbehördlichen Bescheinigung vor. Die 15. BayIfSMV verweist vielmehr zur Privilegierung von Genesenen ausschließlich auf die Vorschrift des § 2 Nr. 4 und 5 der SchAusnahmV. Nach der SchAusnahmV besteht der Genesenennachweis in dem durch einen die Vorgaben erfüllenden positiven Testnachweis, der nicht von einer Behörde, sondern einem Labor ausgestellt wird und keinen Verwaltungsakt darstellt. Der Ausstellung einer behördlichen Bescheinigung bedarf es nicht. Umgekehrt besteht auch kein Anspruch auf eine behördliche Bescheinigung und zwar weder aus § 2 Nr. 5 SchAusnahmV unmittelbar noch aus einer analogen Anwendung der Norm. Auch aus § 22 Abs. 6 IfSG oder aus Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 der VO (EU) 2021/953 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2021 (ABl. L 211/13) lässt sich der begehrte Anspruch nicht ableiten (BayVGH, B.v. 7.2.2022 – 20 CE 22.226 – BeckRS 2022, 2388, Rn. 4; vgl. VG Köln, B.v. 8.11.2021 – 7 L 1768/21 – BeckRS 2021, 39786; VG Stade, B.v. 22.12.2021 – 6 B 1445/21 – BeckRS 2021, 42856; VG Berlin, B.v. 2.9.2021 – VG 14 L 512/21 – BeckRS 2021, 27268).
Das Rechtsschutzziel, die Geltungsdauer des Genesenennachweises gerichtlich klären zu lassen, kann jedoch mit einem Feststellungsbegehren erreicht werden. Im vorliegenden Fall ist ausschließlich die Frage klärungsbedürftig, wie lange der durch ein positives Testergebnis auf SARS-CoV-2 nachgewiesene Genesenenstatus auf nationaler Ebene gültig ist, damit die Antragstellerin in den Genuss der für Genesene geltenden Privilegierungen aus der 15. BayIfSMV kommt. Das hängt davon ab, ob sich die Verordnung zur Änderung der SchAusnahmV als rechtswidrig und damit unwirksam erweist mit der Folge, dass die ursprüngliche und für die Antragstellerin günstigere Fassung der SchAusnahmV an deren Stelle tritt. Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit der einschlägigen Vorschriften der SchAusnahmV sind dabei vom Gericht inzident auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu prüfen. Im Falle einer Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht ist das Gericht befugt, die betroffenen Regelungen der SchAusnahmV im Sinne bloßer Nichtanwendung zu verwerfen, da es sich hierbei um eine im Rang unter formellen Gesetzen stehende Rechtsverordnung handelt (vgl. Maunz/Dürig/Dederer, 92. EL August 2020, GG Art. 100 Rn. 44).
2. Der so ausgelegte Antrag ist unzulässig, da es der Antragstellerin am erforderlichen Rechtschutzbedürfnis fehlt.
Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, bis zum … Juni 2022 als genesen zu gelten, um bis dahin an den Ausnahmen für Coronaschutzmaßnahmen teilhaben zu können, die für Genesene gelten. Die Antragstellerin gilt jedoch nach § 2 Nr. 2 und 3 SchAusnahmV als vollständig geimpft. Denn nach den Vorgaben des PEI auf der Internetseite www…de/impfstoffe/covid-19, auf die allein § 2 Nr. 3 SchAusnahmV verweist, heißt es:
„Abweichend von dem Vorstehenden ist eine einzelne Impfstoffdosis mit einem der oben aufgeführten Impfstoffe ausreichend, (…)
wenn die betroffene Person nach Erhalt einer einzelnen Impfstoffdosis eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 durchgemacht hat. Zum Nachweis der Infektion ist erforderlich, dass ein Testnachweis vorliegt, der auf einer Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) beruht. Eine Person gilt in diesem Fall abweichend zu den allgemeinen Regelungen als „vollständig geimpft“ ab dem 29. Tag nach Abnahme des positiven Tests.“
Die Antragstellerin erfüllt die dort genannten Vorgaben, da sie am … November 2021 einmalig geimpft wurde und mit Test vom … Dezember 2021 mittels Nukleinsäurenachweis positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet wurde. Entscheidend für die Frage, wer als vollständig geimpft gilt, sind nach § 2 Nr. 3 SchAusnahmV allein die vom PEI im Benehmen mit dem RKI im Internet unter www…de/impfstoffe/covid-19 veröffentlichten Vorgaben. Entsprechend ist nicht relevant, dass vom RKI auf der Seite
www…de/sharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/ FAQ_Genesen_Impfdosis.html mitgeteilt wird, dass ein Abstand von vier Wochen zwischen Impfung und Infektion liegen muss, da dieses Intervall nicht in die veröffentlichen Vorgaben unter www…de/impfstoffe/covid-19 übernommen wurde.
Da die Antragstellerin somit ohne zeitliche Einschränkung als vollständig geimpft gilt, kann sie ihre Rechtsstellung durch den vorliegenden Antrag nicht verbessern, da sie als geimpfte Person derzeit dieselben Ausnahmen von den Coronaschutzmaßnahmen beanspruchen kann. Es fehlt ihr mithin am erforderlichen Rechtschutzbedürfnis.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung abzielt, erscheint eine Anhebung des Streitwerts auf der Grundlage von Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf die Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angebracht.


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