Medizinrecht

Gewährung einer Versorgungsrente – Höherbewertung bereits anerkannter Wehrdienstbeschäftigungsfolgen

Aktenzeichen  S 12 VS 2/14

Datum:
11.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 57727
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 106, § 109

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Das Sozialgericht Nürnberg ist sachlich und örtlich gemäß §§ 51, 57 SGG zuständig.
Die ordnungsgemäß und fristgerecht eingereichte Klage ist zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Höherbewertung der anerkannten WDB-Folgen systemisch lymphatische Erkrankung (Non-Hodgkin-Lymphom) in Heilungsbewährung und Polyneuropathie. Ebenso besteht kein Anspruch auf Anerkennung der Gesundheitsstörungen Tinnitus, Diabetes, Nieren- und Herzerkrankung als weitere WDB-Folgen. Die Gewährung einer Versorgungsrente nach einem GdS von mehr als 30 v.H. kommt nach dem SVG nicht in Betracht.
Zudem besteht kein Anspruch auf Höherbewertung der anerkannten WDB-Folgen Polyneuropathie, vegetative Störungen und Gleichgewichtsstörungen nach Behandlung einer systemisch lymphatischen Erkrankung (Non-Hodgkin-Lymphoms) aufgrund einer Verschlimmerung.
Der Bescheid der Beklagten vom 04.08.2004 in der Fassung der Bescheide vom 09.02.2005 und 10.02.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Dies gilt auch für den Bescheid vom 18.12.2006 in der Form des Teilabhilfebescheides vom 02.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2007 und für den Bescheid vom 14.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2014.
Aufgrund des Gesetzes zur Übertragung der Zuständigkeit der Länder im Bereich der Beschädigten- und Hinterbliebenenversorgung nach dem Dritten Teil des SVG auf den Bund vom 15.07.2013 (BGBl. I 2013 Nr. 38 Seite 2416) wurde die Zuständigkeit für die Versorgung der Wehrdienstbeschädigten nach Beendigung ihres Wehrdienstverhältnisses sowie die Versorgung ihrer Hinterbliebenen mit Wirkung ab dem 01.01.2015 auf die Behörden der Bundeswehrverwaltung übertragen (§ 88 Abs. 1 Satz 1 SVG i.d.F. ab 01.01.2015). Daher ist ab dem 01.01.2015 die Versorgungsverwaltung, vorliegend das ZBFS, in den Streitverfahren nach dem SVG nicht mehr passiv legitimiert. Es tritt ein Parteiwechsel kraft Gesetzes ein.
Der mit der Gesetzesänderung verbundene Parteiwechsel ist keine Klageänderung. Er tritt kraft Gesetzes ein und ist nicht vom Willen der ausscheidenden oder in den Prozess eintretenden Partei abhängig (siehe auch BSG, Urteil vom 09.12.1987, Az. 10 RKg 5/85 m.w.N.).
Richtige Beklagte ist daher ab dem 01.01.2015 die C. und nicht mehr der Freistaat Bayern, vertreten durch das ZBFS.
Streitgegenstand ist zum einen der Antrag des Klägers nach § 44 SGB X, welcher am 18.06.2013 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen LSG gestellt wurde und auf die Überprüfung der Bescheide vom 04.08.2004 in der Form der Bescheide vom 09.02.2005 und 10.02.2005 abzielt. Begehrt wird hiermit zum einen die Anerkennung weiterer WDB-Folgen, wie Tinnitus, Diabetes, Nieren- und Herzerkrankung und zum anderen die Höherbewertung der damals anerkannten WDB-Folgen systemisch lymphatische Erkrankung (Non-Hodgkin-Lymphom) in Heilungsbewährung und Polyneuropathie und damit letztlich verbunden die Erhöhung des GdS insgesamt (hierzu unter A).
Ebenfalls Streitgegenstand ist die Neufeststellung der mit Bescheid vom 18.12.2006 in der Form des Teilabhilfebescheides vom 02.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2007 anerkannten WDB-Folgen Polyneuropathie, vegetative Störungen und Gleichgewichtsstörungen nach Behandlung einer systemisch lymphatischen Erkrankung (Non-Hodgkin-Lymphoms) nach § 48 SGB X und damit verbunden die Erhöhung des GdS aufgrund einer vom Kläger vorgetragenen Verschlimmerung dieser Gesundheitsstörungen (hierzu unter B).
Gemäß § 80 Abs. 1 SVG erhält ein Soldat, der eine WDB erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Nach § 81 Abs. 1 SVG ist eine WDB eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Gemäß § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG genügt zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer WDB die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs.
Entsprechend der vorgenannten Bestimmungen setzt die Anerkennung von Schädigungsfolgen eine dreistufige Kausalkette voraus (BSG, Urteil vom 25.03.2004, Az. B 9 VS 1/02 R): Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang (1. Glied) muss zu einer primären Schädigung (2. Glied) geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen (3. Glied) bedingt. Die drei Glieder der Kausalkette müssen im Vollbeweis, das heißt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az. B 9 VS 2/98 R). Demgegenüber reicht es für den ursächlichen Zusammenhang der drei Glieder aus, wenn dieser jeweils mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben ist.
A.
Unstreitig war der Kläger während seiner Dienstzeit bei der Beklagten als Radarmechaniker bzw. Hilfsperson an mehreren Radargeräten einer Radarstrahlung ausgesetzt. Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang (1. Glied der Kausalkette) der zu einer primären Schädigung (2. Glied) geführt hat, ist unstreitig im Vollbeweis gesichert.
Auch das 3. Glied der Kausalkette, die Schädigungsfolge, ist in Form einer systemisch lymphatischen Erkrankung (Non-Hodgkin-Lymphom) unstrittig gegeben.
Fraglich ist jedoch, ob die nunmehr vom Kläger geltend gemachten Gesundheitsstörungen Tinnitus, Diabetes, Nieren- und Herzerkrankung ebenfalls direkte oder indirekte WDB-Folgen sind, ob also diese Gesundheitsstörungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit direkt oder indirekt auf die primäre Schädigung, die durch den mit dem Wehrdienst zusammenhängenden schädigenden Vorgang entstand, zurückzuführen sind.
Aus den vorliegenden Gutachten ergibt sich mit der hier notwendigen hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht, dass die geltend gemachten Gesundheitsstörungen auf die primäre Schädigung, die durch einen mit dem Wehrdienst zusammenhängenden schädigenden Vorgang entstand, zurückzuführen sind.
Für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs greift das BSG auf die im Sozialrecht allgemein geltende Theorie der wesentlichen Bedingung zurück. Danach ist eine Ursache dann rechtlich wesentlich, wenn sie wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind diese rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges „annähernd gleichwertig“ sind (siehe BSG, Urteil vom 08.08.1974, Az. 10 RV 209/73).
Kommt einem der Umstände gegenüber dem anderen eine überragende Bedeutung zu, ist dieser Umstand allein Ursache. Das heißt, eine potentielle Ursache begründet dann einen wahrscheinlichen Zusammenhang, wenn ihr nach sachgerechter Abwägung aller wesentlicher Umstände gegenüber anderen Möglichkeiten ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977, Az. 10 RV 15/77). Nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung muss dabei mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang sprechen, ernste Zweifel müssen ausscheiden. Nicht ausreichend ist hingegen eine bloße – abstrakte oder konkrete – Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs.
Im Ergebnis ergibt sich aus den in diesem Verfahren eingeholten Gutachten – aber auch aus den im gerichtlichen Verfahren bzw. im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten aus den Jahren 2008 und 2012 – nicht, dass der oben beschriebene Ursachenzusammenhang zwischen den Gesundheitsstörungen Tinnitus, Diabetes, Nieren- und Herzerkrankung des Klägers auf einen mit dem Wehrdienst zusammenhängenden schädigenden Vorgang zurückzuführen ist. Vielmehr besteht lediglich die Möglichkeit eines Zusammenhanges. Dies genügt den Voraussetzungen für eine Anerkennung dieser Gesundheitsstörung als direkte oder indirekte WDB-Folgen allerdings nicht.
1. Beim Kläger besteht ein Diabetes mellitus Typ II.
Die erste Erwähnung dieser Erkrankung stammt nach den Angaben von Prof. Dr. R. in seiner Stellungnahme vom 08.03.2019 auf Seite 5 aus dem Jahr 1998. Bei der stationären Behandlung des Klägers im Kreiskrankenhaus R. (medizinischer Bericht vom 11.10.2000) wurde ein diätisch therapierter Diabetes mellitus in den Diagnosen aufgeführt und angegeben, dass diese Erkrankung als Vorerkrankung besteht. Auch im Bericht des Klinikums F-Stadt N., Medizinische Klinik vom 13.12.2000 wurde bei den Diagnosen ein diätkontrollierter Diabetes mellitus angegeben und ausgeführt, dass die Erkrankung unter Diät mit tolerablen Blutzuckerwerten zu kontrollieren war. Ab Oktober 2002 konnte die Erkrankung unter allgemeiner diätischer Behandlung nicht mehr zufriedenstellend reguliert werden (siehe Bericht des Klinikums F-Stadt N., Medizinische Klinik vom 22.10.2002), so dass eine medikamentöse Therapie eingeleitet wurde. Im weiteren Verlauf wurde die Erkrankung als Diabetes mellitus Typ II a klassifiziert (siehe z.B. Gutachten von Dr. G. vom 07.05.2004 zum Antrag des Klägers nach dem Schwerbehindertengesetz und nach dem SVG, Seite 3 und 11).
Im Ergebnis bestand die Diabeteserkrankung bereits vor der stationären Behandlung im Jahr 2000, wo damals bereits diätische Maßnahmen angezeigt waren. Dies gibt auch Prof. Dr. G. in seinem Gutachten vom 31.03.2016 auf Seite 4 an. In den folgenden Jahren hat die Erkrankung nach den schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 27.08.2008 für das Sozialgericht Nürnberg im Verfahren S 15 VS 9/07 auf Seite 7 einen schicksalhaften Verlauf genommen, ohne dass ein Zusammenhang mit dem Non-Hodgkin-Lymphom und der deshalb durchgeführten Therapie anzunehmen ist. Dieser Ansicht ist auch Prof. Dr. N. in seinem Gutachten vom 09.11.2012 auf Seite 23 in welchem er ausführt, dass Diabetes mellitus eine der häufigsten chronischen Krankheiten überhaupt ist. In vielen Fällen besteht eine genetische Disposition, zudem können auch äußere Faktoren (z.B. bestimmte Viren) hinzutreten. Warum dieses Leiden gerade zu dem einen und nicht zu einem anderen Zeitpunkt auftritt, entzieht sich in den meisten Fällen der medizinischen Kenntnis. Eine Auslösung oder auch eine Vorverlegung des Erkrankungsbeginns durch eventuellen Stress infolge der Lymphombehandlung, wie von Prof. Dr. He. in seinem Gutachten vom 18.09.2009 auf Seite 74 f. angeführt, ist zwar möglich aber im Einzelfall nicht zu beweisen.
Wie oben bereits ausgeführt genügt allein die Möglichkeit für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem schädigenden Vorgang (2. Glied der Kausalkette) und der Schädigungsfolge (3. Glied der Kausalkette) nicht.
Ebenso kann hier nicht mit der notwendigen hinreichenden Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass eine Verschlechterung des vorbestehenden leichten Diabetes zweifelsohne auf das Medikament P. als Bestandteil der Chemotherapie zurückzuführen ist, wie Prof. Dr. G. in seinem Gutachten vom 31.03.2016 auf Seite 12 angibt. Zwar kann es durch die Medikation zu einer vorübergehenden Verschlechterung der Erkrankung kommen, nach Beendigung der Behandlung entfallen diese Stoffwechseleffekte dann aber wieder (siehe versorgungsärztliche Stellungnahme Dr. N. vom 03.04.2019 Seite 13 f.). Eine vorübergehende Kortisonbehandlung im Rahmen einer Chemotherapie verursacht daher keine dauerhafte Blutzucker-Stoffwechselverschlechterung. Zumal aus dem Bericht des Klinikums F-Stadt N., Medizinische Klinik vom 13.12.2000 hervorgeht, dass der Diabetes während des 1. Chemotherapiezykluses durch Diät mit tolerablen Blutzuckerwerten zu kontrollieren war. Auch wurde während der Chemotherapie von April bis August 2001 keine medikamentös behandlungspflichtige Blutzuckerentgleisung beschrieben. Die Notwendigkeit einer medikamentösen Behandlung der Zuckerkrankheit wurde erst im Bericht des Klinikums F-Stadt N., Medizinische Klinik vom 22.10.2002 dokumentiert. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen der Kortisonbehandlung im Jahr 2000 und der erstmals im Jahr 2002 dokumentierten medikamentösen Behandlungsbedürftigkeit des Diabetes mellitus besteht demnach auch aufgrund der fehlenden Brückensymptome nicht.
In der medizinischen Wissenschaft besteht bezüglich der Anerkennung dieser Gesundheitsstörung als Folge einer WDB auch keine Ungewissheit, so dass auch im Wege der Kann-Versorgung kann dem klägerischen Begehren nicht entsprochen werden.
Eine Kann-Versorgung setzt nach § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG voraus, dass die erforderliche Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen WDB und Gesundheitsstörung deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht (siehe hierzu u.a. BSG, Beschluss vom 11.09.1991, Az. 9a BV 147/90).
2. Bezüglich der Herzerkrankung weißt das Gericht darauf hin, dass der ursprüngliche Antrag des Klägers vom 18.06.2013 nur die Gesundheitsstörungen Diabetes, Nierenleiden und Tinnitus zum Gegenstand hatte. Die Beklagte hat allerdings in der Begründung ihrer Widerspruchsentscheidung vom 18.02.2014 darauf hingewiesen, dass das im Berufungsverfahren vor dem Bayerischen LSG von Prof. Dr. N. erstellte Gutachten einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers als Radartechniker bzw. der Behandlung der Schädigungsfolgen und einem Herzkreislaufleiden nicht als wahrscheinlich ansah. Insoweit ist auch die geltend gemachte Herzerkrankung des Klägers streitgegenständlich.
Im Jahr 2007 wurde eine koronare Herzerkrankung (3-Gefäßerkrankung) beim Kläger diagnostiziert und mittels Stentimplantation begegnet. 2013 war eine weitere Implantation eines Stents notwendig.
Grundsätzlich kann nach den Ausführungen von Dr. N. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.04.2019 die Behandlung eines aggressiven Non-Hodgkin-Lymphoms zu Herzschäden führen. Beim Kläger wurde eine Chemotherapie u.a. mit Adriamycin eingesetzt (siehe Bericht des Klinikums F-Stadt N., Medizinische Klinik vom 13.12.2000). Grundsätzlich kann dieses Medikament nach den Angaben von Dr. N. zu einer Kardiomyopathie, einer Herzmuskelschwäche und einer Störung der Herzmuskelkontraktion führen. Allerdings ist eine solche Herzerkrankung beim Kläger nicht nachgewiesen. Im Gutachten von Dr. F. vom 28.09.2014 wird auf Seite 9 eine uneingeschränkte Kontraktilität des Herzens beschrieben. Zudem führt Dr. F. auf Seite 17 und 19 seines Gutachtens deutlich aus, dass die beim Kläger bestehende koronare Herzerkrankung mit den durchgeführten Stentimplantationen (einschließlich des gesamten kardialen Komplexes mit den bestehenden kardiovaskulären Risikofaktoren arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II a mit diabetogener Spätkomplikation einer Polyneuropathie, Hyperlipidämie, Adipositas, Zustand nach Nikotinabusus, positive Familienanamnese) in keinem Kontext mit einer WDB steht bzw. eine WDB-Folge steht, da die Strahlung, welcher der Kläger ausgesetzt war, nicht zu diesem Krankheitsbild führt.
Zwar führt Prof. Dr. G. in seinem Gutachten vom 31.03.2016 auf Seite 4 Literaturbelege an, wonach die beim Kläger verwendeten Chemotherapeutika nicht nur eine Herzmuskelschwäche (Kardiomyopathie), sondern auch eine Herzkranzgefäßerkrankung hervorrufen können. Die auf Seite 4 des Gutachtens unter der Fußnote 3 zitierte Literatur beschäftigt sich nach den Ausführungen von Dr. N. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.04.2019 grundsätzlich mit den unterschiedlichen Auswirkungen verschiedener Chemotherapeutika, die auch beim Kläger angewandt wurden, auf das Herz-Kreislauf-System. Die unter der Fußnote 5 angeführte Literaturstelle geht auf das Risiko einer Störung der Kontraktilität des Herzmuskels unter der Therapie mit Doxirubicin ein. Im Ergebnis handelt es sich hierbei aber nicht um Literatur, welche die Auswirkungen einer Chemotherapie nach dem beim Kläger angewandten CHOP-Schema bei hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen zum Thema hat. Bei dem beim Kläger angewandten Behandlungsschema ist nach den schlüssigen Ausführungen von Dr. N. kein erhöhtes Risiko für Herzkranzgefäßerkrankung belegt. Ein solches Risiko wurde letztlich bei Patienten mit einem hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphom unter Kombination einer Chemotherapie nach dem CHOP-Schema und der Bestrahlungstherapie des Brustkorbes festgestellt. Dr. N. nennt auf Seite 15 ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme hierzu die entsprechende Literaturstelle. Eine solche Behandlung wurde beim Kläger allerdings nicht durchgeführt, so dass den von Prof. Dr. G. dargestellten potentiellen Kausalzusammenhängen aus der Sicht des Gerichts nicht gefolgt werden kann.
Bereits Dr. G. hat in seinem Gutachten vom 07.05.2004 zum Antrag des Klägers nach dem Schwerbehindertengesetz und nach dem SVG auf Seite 10 schlüssig ausgeführt, dass die Herzerkrankung nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit auf die Folge des Radarschadens bzw. der Chemotherapie zurückgeführt werden kann. Eine höhergradige linksventrikuläre Funktionsstörung (z.B. durch eine durch die Chemotherapie bedingte Kardiomyopathie) war beim Kläger zum damaligen Zeitpunkt nicht nachweisbar und ist es auch heute nicht. Im Ergebnis handelt es sich bei der Herzerkrankung des Klägers um eine typische koronare Herzkrankheit mit einem entsprechenden Beschwerdebild, die bei ihrem Auftreten als physiologisch der Altersgruppe des Klägers entsprechende Erkrankung zu bewerten ist.
Zu einer vergleichbaren Ansicht gelangt auch Dr. D. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.05.2017 auf Seite 4. Grundsätzlich können die von Prof. Dr. G. diskutierten Folgen der eingesetzten Chemotherapeutika nicht ausgeschlossen werden, aber beim Kläger liegt eine koronare Herzerkrankung vor und eben keine Herzinsuffizienz ohne koronare Herzerkrankung. Daher ist mit höherer Wahrscheinlichkeit von einer Angiopathie im Rahmen von Diabetes und der bestehenden Niereninsuffizienz auszugehen.
Im Ergebnis besteht aus der Sicht des Gerichts die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen der durchgeführten Chemotherapie im Jahr 2000 und der erstmals im Jahr 2007 diagnostizierten koronare Herzerkrankung nicht.
In der medizinischen Wissenschaft besteht bezüglich der Anerkennung dieser Gesundheitsstörung als Folge einer WDB auch keine Ungewissheit, so dass auch im Wege der Kann-Versorgung kann dem klägerischen Begehren nicht entsprochen werden.
3. Als weitere WDB-Folge begehrt der Kläger die Anerkennung des bei ihm bestehenden Tinnitus. Nach der HNOärztlichen Stellungnahme von Dr. S. vom 24.01.2005 ist ein Tinnitus ein Begleitsymptom aller Arten von Hörstörungen und auch vielseitigen Krankheitsbildern. Der Begriff bezeichnet alle Arten von Geräuschempfindungen. Die Ursachen dieser Gesundheitsstörung sind grundsätzlich sehr vielfältig.
In einem Bericht des Klinikums F-Stadt N., HNO-Klinik vom 08.11.2000 wurde im Rahmen einer konsiliarischen Untersuchung wegen des Verdachts eines Hörsturzes links ein solcher beim Kläger medizinisch ausgeschlossen. Von Ohrgeräuschen wurde in diesem Zusammenhang nichts berichtet, ebenso fand sich ein regelrechtes Hörvermögen. Im ausführlich befundeten Gutachten von Dr. G. vom 07.05.2004 wird eine Hörproblematik weder vom Kläger angegeben noch in den Befunden erhoben. Erst in einem Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. G. vom 08.11.2004 wurde ein chronischer Tinnitus beidseits angegeben. Dr. G. führte in diesem Zusammenhang aus, dass der vom Kläger beklagte Tinnitus nicht zwingend die Folge eines medikamentös-toxischen Innenohrschaden sei, da unter der laufenden Chemotherapie ein Normakkusis zu verzeichnen war. Somit fehlen im Ergebnis die notwendigen Brückensymptome zwischen der im Jahr 2000 durchgeführten Chemotherapie und dem erst im November 2004 nachgewiesenen Auftreten des Tinnitus. Diese Ansicht vertritt in schlüssig begründeter Form auch Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 27.08.2008 auf Seite 5.
Im Ergebnis besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen der durchgeführten Chemotherapie im Jahr 2000 und des erstmals im November 2004 diagnostizierten Tinnitus damit nicht.
In der medizinischen Wissenschaft besteht bezüglich der Anerkennung dieser Gesundheitsstörung als Folge einer WDB auch keine Ungewissheit, so dass auch im Wege der Kann-Versorgung kann dem klägerischen Begehren nicht entsprochen werden.
4. Beim Kläger besteht eine chronische Niereninsuffizienz im Stadium III bei linksseitiger Schrumpfniere. Ein direkter oder indirekter ursächlicher Zusammenhang zwischen dieser Nierenfunktionsstörung und der oben beschriebenen primären Schädigung des Klägers lässt sich aus der Sicht des Gerichts nicht herstellen.
Nach der ausführlichen und schlüssigen Darstellung in mehreren Gutachten (Prof. Dr. H., Prof. Dr. N., Dr. F.) und versorgungsärztlichen Stellungnahmen (Prof. Dr. D., Dr. N., Oberstarzt K., Dr. N.) ist eine Hydronephrose bzw. eine postentzündliche Veränderung als Ursache für die beim Kläger bestehende Niereninsuffizienz anzusehen.
Bereits im Bericht des Kreiskrankenhauses R. vom 11.10.2000 wurden eine bekannte Prostatahyperplasie und ein Zustand nach Pyelonephritis im Jahr 1998 dokumentiert. Es bestand zum damaligen Zeitpunkt ein linksseitiger Harnaufstau Grad III mit Verschmälerung des Parenchyms und einem längerstreckig erweiterten Harnleiter bis zu 10 mm. Dies entspricht nach den Angaben im Bericht des Kreiskrankenhauses R. einem chronischen Harnaufstau.
Im Bericht des Klinikums F-Stadt N., Medizinische Klinik vom 13.12.2000 wurde zudem unter dem Datum 30.10.2000 angegeben, dass die linke Niere des Klägers funktionslos ist und eine Hydronephrose sowie eine postentzündliche Veränderung als Ursache für die kompensierte Niereninsuffizienz anzusehen sind.
Bezüglich dieser Punkte verweist das Gericht auf ein, laut den Ausführungen des Klägers vom 18.12.2017, im Bereich der rechten Niere erlittenes Trauma im Jahr 1970. Damals kollidierte der Kläger mit seiner rechten Körperseite mit einem offenen Fensterflügel. Eine Hämaturie der rechten Niere sei nach seinen Angaben festgestellt worden. Aus den Akten der Beklagten ergibt sich, dass der Kläger im Juli 1970 Prellungen im Bereich des Thorax und des Nierenlagers rechts erlitten hat, die im Oktober 1970 immer noch behandelt wurden. Des Weiteren sind nach einer Unterkühlung erneute Beschwerden der rechten Niere im Juli 1973 dokumentiert. Im August 1975 wurden keine Beschwerden mehr angeführt.
Zudem wurde der Kläger im Jahre 1998 wegen einer linksseitigen ausgedehnten Nierenbeckenentzündung bei Hydronephrose 3 Wochen lang stationär im Krankenhaus A-Stadt mit Antibiotika behandelt. Der Kläger berichtet selbst von massiven Schmerzen im Leistenbereich der linken Körperhälfte. Im Gutachten von Dr. G. vom 07.05.2004 wird hierzu berichtet, dass sich seitdem zunehmend eine Schrumpfniere links bei gleichzeitig weiterhin deutlich erhöhten Nierenwerten ausgebildet hat. Unter dem Punkt „Jetzige Klagen“ führt der Gutachter aus, dass seit Jahren Nierenprobleme mit Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen sowie blutiger Urin, rezidivierende Nierensteine und steigende Nierenretentionswerte bestehen. Auch unter dem Punkt „Vegetative Anamnese“ wird von einem Brennen beim Wasserlassen und einer Hämaturie berichtet.
Im Ergebnis weist die 3-wöchige stationäre Behandlung wegen der Nierenbeckenentzündung links auf einen komplizierten Harnwegsinfekt hin. Dies beschreibt Dr. N. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.04.2019 eindrucksvoll. Zudem wird weiter beschrieben, dass Ursachen einer Schrumpfniere eine vorbestehende Harnstauung, ein Steinleiden oder eine chronische Nierenbeckenentzündung anderer Genese sein können. Aus der Sicht des Gerichts passen die im Gutachten von Dr. G. beschriebenen Beschwerden und die von Dr. N. beschriebenen Ursachen nicht zu einem tumorbedingten Nierenfunktionsverlust im Jahr 2000 bei einem ansonsten gesunden Nieren- und Harnwegssystem. Dr. N. weist zudem darauf hin, dass die Hausärztin und die behandelnden Nephrologen des Klägers bezüglich der Nierenfunktionseinschränkung auf einen Zusammenhang mit einer diabetischen Nierenerkrankung hinweisen. Im Ergebnis sind diese Angaben und die vorhandenen Unterlagen aus der Sicht des Gerichts von höherer Validität als die nephrologischen Hypothesen zu Verlauf und Ursache einer Schrumpfniere von Prof. Dr. G., Prof. Dr. H. und Prof. Dr. R. in ihren jeweiligen Gutachten und Stellungnahmen.
Das Gericht weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass Befundunterlagen zwischen 1975 und Oktober 2000 zu diesen Gesundheitsstörungen nicht mehr vorliegen. Die von Prof. Dr. G. und Prof. Dr. H. beschriebene mögliche tumoröse Ummauerung des linken Harnleiters wird in den vorliegenden Arztbriefen nicht thematisiert. Lediglich Prof. Dr. G. hat in seinem Gutachten vom 31.03.2016 auf Seite 9 angegeben, dass im November 2000 die Radiologie des Klinikums F-Stadt N. eine wahrscheinliche Ummauerung des linken Harnleiters durch Gewebe des Non-Hodgkin-Lymphoms beschrieben hat. Ein solcher Bericht ergibt sich aus den Akten allerdings nicht. Auch der vorliegende Bericht des Klinikums F-Stadt N., Medizinische Klinik vom 13.12.2000 enthält keine Angaben zu einer Harnleiterummauerung. Auch liegen hierzu keine radiologischen Aufnahmen mehr vor. Solche hat das Gericht weder vor der Einholung des Gutachtens von Prof. Dr. G. angefordert, noch konnte es ein CT, welches die Harnleiterummauerung zeigt, im weiteren Verlauf des Klageverfahrens erlangen. Worauf Prof. Dr. G. und letztlich auch Prof. Dr. H. ihre These der Harnleiterummauerung durch das Lymphom stützen, kann daher keinesfalls nachvollzogen werden. Auch eine nachträgliche Befragung von Prof. Dr. G. zu diesem Thema brachte keine erhellenden Erkenntnisse.
Der Begründung von Prof. Dr. H., dass nur die Lymphommassen als wesentliche Erklärung für die Nierenstauung in Betracht kommen, kann das Gericht nicht folgen. Beim Kläger wurde ein hochmalignes (= schnell wachsendes) Non-Hodgkin-Lymphom diagnostiziert. Das langsame Wachstum mit schleichender Ummauerung des Harnleiters durch Tumormassen, welches Prof. Dr. H. als die einzig plausible Erklärung ansieht, ist allerdings mit dem Wachstumsverhalten eines hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphoms nicht vereinbar. Zudem ist ein tumorbedingter Harnstau mit bereits irreversiblem Funktionsverlust der betroffenen Niere und einer Serumkreatininerhöhung auf 2 mg/dl untypisch für die Erstmanifestation bzw. Erstdiagnose eines hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphoms. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Serumkreatininwert bei der Erstdiagnose des Lymphoms, also noch vor der Durchführung der Chemotherapie, mit 2,0 mg/dl bereits deutlich erhöht war. Nach Beendigung der Chemotherapie lag der Wert im Oktober 2001 und Oktober 2002 bei 1,6 mg/dl.
Grundsätzlich ist eine Ummauerung eines Harnleiters durch Lymphome ein gängiges Phänomen, insbesondere, wenn in dem Bereich, durch den der Harnleiter sich zieht, große Tumormassen zu finden sind. Für solche Tumore ist eine schleichende und schmerzlose Ummauerung des Harnleiters typisch. Der Nachweis der von Prof. Dr. H. aufgestellten Hypothese, dass nur die Lymphommassen als wesentliche Erklärung für die Nierenstauung in Betracht kommen, ist allerdings nicht erbracht. Weder liegt ein medizinischer Bericht vor, der eine Ummauerung tatsächlich beschreibt, noch sind radiologische Aufnahmen vorhanden, die diese Ummauerung zeigen.
Aus dem Bericht des Klinikums F-Stadt N., Medizinische Klinik vom 13.12.2000 ergibt sich die Diagnose „Niereninsuffizienz im Stadium der kompensierten Retention bei Schrumpfniere links, wohl infolge Hydronephrose bzw. postentzündlich“. Aufgrund der Schilderungen der Vorerkrankungen des Klägers im Bereich der Nieren und der nicht vorhandenen Nachweise einer Ummauerung kann als Ursache der beim Kläger bestehenden Schrumpfniere links nur die Nierenstauung (Hydronephrose) bzw. die Postentzündlichkeit (wiederholte chronische Nierenbeckenentzündungen) angesehen werden. Dieser insbesondere von Dr. N. schlüssig dargelegten Argumentation schließt sich das Gericht vollumfänglich an.
Auch die von Prof. Dr. R. in seinen Ausführungen vom 08.03.2019 auf Seite 10 ins Feld geführte Lymphominfiltration kann das Gericht nicht überzeugen. Bei einem hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphom würde sich ein Organbefall durch eine Organvergrößerung und durch Tumorherde im Organ darstellen. Bei einer verkleinerten und vernarbten Niere ist eine Infiltration durch ein hochmalignes Non-Hodgkin-Lymphom dagegen nicht wahrscheinlich, zumal auch diese Vermutung nicht belegt ist. Im Ergebnis sind auch die Befundbeschreibungen aus dem Jahr 2000 nicht vereinbar mit der von Prof. Dr. R. angenommenen Ursache.
Auch eine Schädigung der rechten Niere durch die Chemotherapie kann nicht mit der hier notwendigen hinreichenden Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Prof. Dr. H. beschreibt selbst, dass die Bestandteile der Chemotherapie wohl der wahrscheinlichste Grund für die Funktionsbeeinträchtigung der Niere sind. Dabei werden aber die oben beschriebenen Vorerkrankungen – hierzu gehört auch der vor 2000 bestehende Diabetes mellitus – ebenso wenig berücksichtigt, wie der bereits bei der Erstdiagnose des hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphoms bestehende deutlich erhöhte Serumkreatininwert. Zudem ist zu beachten, dass im September 2013 eine Proteinurie von 600 mg/dl festgestellt wurde. Dies passt nach den Angaben von Prof. Dr. D. zu einer glomerulären Schädigung und nicht zu einer Schädigung durch die Chemotherapie. Dies bestätigt auch Oberstarzt K.. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 07.09.2018 wird beschrieben, dass zum Zeitpunkt der Tumordiagnose eine Niereninsuffizienz im Stadium der kompensierten Retention vorlag. Die milde Erhöhung der Retentionsparameter im weiteren Verlauf ist letztlich multifaktoriell bedingt. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der Schädigungsfolge bzw. der Chemotherapie ist nach den oben beschriebenen Grundsätzen daher nicht herleitbar.
In diesem Zusammenhang weist das Gericht auch darauf hin, dass vorliegend ab einem gewissen Punkt neben den tatsächlich noch vorhandenen Originaldaten Wahrscheinlichkeiten bezüglich der Genese der Nierenerkrankung bzw. der Nierenfunktionsverschlechterung beim Kläger diskutiert und bewertet werden müssen. Letztlich hätte wahrscheinlich nur beim Vorliegen von Nierenfunktionswerte vor dem Jahr 2000 eine Unterscheidung getroffen werden können, ob ein akutes oder ein chronisches Nierenversagen im Oktober 2001 vorlag. Im Ergebnis kann diese Frage mangels vorliegender medizinischer Unterlagen nicht mit der erforderlichen Sicherheit klar beantworten werden.
Beim Kläger sind für die nunmehr bestehende Niereninsuffizienz letztlich mehrere potentielle Ursachen möglich. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind diese rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges „annähernd gleichwertig“ sind. Erst wenn einem der Umstände gegenüber dem anderen eine überragende Bedeutung zukommt, ist dieser Umstand allein Ursache (vgl. Bayerisches LSG, Urteile vom 19.07.2011, Az. L 15 VS 7/10 m.w.N. und vom 02.07.2013, Az. L 15 VS 9/10).
Eine alleinige Ursache kann nach den vorliegenden medizinischen Berichten und Gutachten nicht gefunden werden. Das Gericht kann dem Gutachten von Prof. Dr. H. nicht folgen, der den Schaden an der rechten Niere mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf die Chemotherapie zurückführt und die Funktionslosigkeit der linken Niere auf die Lymphomerkrankung. Aber auch eine annähernde Gleichwertigkeit dieser potentiellen Ursachen ergibt sich aus den Darstellungen in den Gutachten nicht. Beim Kläger ist aufgrund der vorliegenden Vorerkrankungen im Bereich der Nieren (Trauma, Nierenbeckenentzündungen) nach alldem nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Lymphomerkrankung bzw. dessen Therapie zur Niereninsuffizienz geführt hat. Zudem spricht auch die damalige Laborkonstellation (Eiweißausscheidung im Urin) für einen primären Nierenparenchymschaden, der weder durch eine Kompression des Harnleiters von außen noch durch eine toxische Einwirkung einer Chemotherapie verursacht ist.
Letztlich versuchen die Gutachter Prof. Dr. G., Prof. Dr. H. und Prof. Dr. R. zu erklären, was im Jahr 2000 passiert sein könnte. Die in den Gutachten in verschiedenen Formen dargestellte Annahme, dass die Non-Hodgkin-Lymphom-Erkrankung kausal für die nunmehr bestehende Nierenerkrankung des Klägers ist, wird in keinem der Gutachten durch medizinische Befunde und radiologische Aufnahmen gesichert. Nach den oben beschriebenen Grundsätzen muss aber, um einen Ursachenzusammenhang herzustellen, mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang sprechen. Ernste Zweifel müssen ausscheiden. Es ist nicht ausreichend, wenn nur die bloße Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs besteht. Die hier bestehenden Zweifel am Vorliegen eines Ursachenzusammenhangs, können die genannten Gutachter nicht ausräumen. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bezüglich der aufgestellten Thesen ergibt sich nicht. Es handelt sich um Spekulationen auf dem Boden von Plausibilitäten.
In der medizinischen Wissenschaft besteht bezüglich der Anerkennung dieser Gesundheitsstörung als Folge einer WDB auch keine Ungewissheit, so dass auch im Wege der Kann-Versorgung kann dem klägerischen Begehren nicht entsprochen werden.
Die Anerkennung weiterer WDB-Folgen (Diabetes mellitus, Herzerkrankung, Tinnitus und Nierenerkrankung) kommt daher nicht in Betracht.
Die in den Bescheiden vom 04.08.2004 in der Form der Bescheide vom 09.02.2005 und 10.02.2005 anerkannten WDB-Folgen sind korrekt benannt und nach den vorliegenden Gutachten auch korrekt bewertet. Eine Höherbewertung der damals anerkannten WDB-Folgen systemisch lymphatische Erkrankung (Non-Hodgkin-Lymphom) in Heilungsbewährung und Polyneuropathie kommt aus der Sicht des Gerichts nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen ebenfalls nicht in Betracht. Anhaltspunkte zur Korrektur der Bewertung der anerkannten WDB-Folgen in den Bescheiden vom 04.08.2004 in der Form der Bescheide vom 09.02.2005 und 10.02.2005 ergeben sich aus den Akten nicht.
B.
Nach den vorliegenden Gutachten und medizinischen Berichten ist auch eine Verschlechterung der bereits anerkannten WDB-Folgen Polyneuropathie, vegetative Störungen und Gleichgewichtsstörungen nach Behandlung einer systemisch lymphatischen Erkrankung (Non-Hodgkin-Lymphom) nicht eingetreten. Dr. F. stellt in seinem Gutachten vom 28.09.2014 deutlich fest, die Polyneuropathie beim Kläger allenfalls als mittelgradig schwer ausgeprägt anzusehen ist und unabhängig davon die diabetogene Komponente als Spätkomplikation der Zuckererkrankung eindeutig im Vordergrund steht. Bezüglich der nicht behandelten Depression, welche in Form einer psychovegetativen Störung anerkannt ist, ist auch keine Verschlechterung festzustellen. Der Gesamt-GdS von 30 v.H. für die anerkannten Schädigungen ist im Ergebnis korrekt bewertet. Selbst Prof. Dr. G. gibt in seinem Gutachten vom 31.03.2016 an, dass bei den bereits anerkannten Gesundheitsstörungen keine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist.
Die Höhe der Versorgung richtet sich gemäß §§ 31, 32 BVG nach der Höhe des GdS, der gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG in Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen ist. Dabei sind die Maßstäbe der auf Grundlage von § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab 26.07.2016 erlassenen Versorgungsmedizinverordnung vom 10. Dezember 2008 und insbesondere die in der Anlage 2 zu dieser Verordnung enthaltenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten. Wesentlich hierbei sind die Funktionseinschränkungen die tatsächlich vorliegen und die durch medizinische Befunde bzw. Befunderhebungen bewiesen sein müssen. Die von Prof. Dr. G. beschriebenen und bewerteten Hirnschäden (kognitive und motorische Störungen nach Teil B Ziffer 3.1.1 bzw. 3.1.2 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze) als mittelschwere Leistungsbeeinträchtigungen, sind beim Kläger weder nachgewiesen noch in irgendeiner Art und Weise begründet. Auch die übrige Bewertung der Gesundheitsstörungen durch Prof. Dr. G. entbehrt jeder Grundlage.
Im Ergebnis ist unstreitig, dass der Kläger während seiner Tätigkeit als Radarmechaniker bzw. als Hilfsperson an mehreren Radargeräten in der Zeit vom 01.10.1959 bis zum 30.09.1963 einer schädigenden Radarstrahlung ausgesetzt war. Diese Tätigkeit hat mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch zur den bereits anerkannten WDB-Folgen Polyneuropathie, vegetative Störungen und Gleichgewichtsstörungen nach Behandlung einer systemisch lymphatischen Erkrankung (Non-Hodgkin-Lymphom) geführt. Die Bewertung dieser Gesundheitsstörungen durch die Beklagte war sowohl in den Jahren 2004 und 2005 als auch im Jahr 2007 korrekt. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten waren nicht abzuändern.
Die vom Kläger zusätzlich geltend gemachten Gesundheitsstörungen Diabetes mellitus, Herzerkrankung, Tinnitus und Nierenerkrankung waren nicht als WDB-Folgen anzuerkennen, so dass sich auch daher keine Änderung der Einschätzung des GdS ergab.
Auch im Wege der Kann-Versorgung kann dem klägerischen Begehren nicht entsprochen werden, da in der medizinischen Wissenschaft bezüglich der Anerkennung der begehrten Gesundheitsstörung als Folge einer WDB keine Ungewissheit besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und orientiert sich am Ergebnis in der Hauptsache.


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