Medizinrecht

Insgesamt erfolglose Asylklage einer Familie aus der Ukraine

Aktenzeichen  W 6 k 16.32116

Datum:
27.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5 u Abs. 7

 

Leitsatz

1. Eine Terminsverlegung setzt das Vorliegen „erheblicher Gründe“ und damit Umstände voraus, die eine Zurückstellung des bei einer Terminsverlegung berührten Beschleunigungs- und Konzentrationsgebotes zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs erfordern; zudem muss der verhinderte Beteiligte diese Gründe darlegen und auf Verlangen glaubhaft machen. (Rn. 12 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Weder Bedrohungen durch die ukrainische Mafia noch wiederholte Konflikte mit dem organisierten Verbrechen sind ein asyl- oder flüchtlingsrelevantes Vorbringen, da es zumutbar ist, Schutz bei den ukrainischen Strafverfolgungsbehörden zu suchen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Kläger und der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden.
1. Kläger und Beklagte sind jeweils mit Ladung vom 3. August 2017 ordnungsgemäß – die Klägerseite gegen Empfangsbekenntnis, die Beklagte formlos – zur mündlichen Verhandlung am 27. September 2017 geladen und gemäß § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen worden, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann. Die Ladung konnte gegenüber der Beklagten formlos erfolgen, weil sie mit allgemeiner Prozesserklärung auf eine förmliche Ladung verzichtet hat.
2. Das Gericht konnte die mit Schriftsatz vom 7. September 2017, 19. September 2017 sowie 26. September 2017 gestellten Anträge auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung ablehnen.
Eine Terminsverlegung nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass hierfür „erhebliche Gründe“ vorliegen. Diese sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur solche Umstände, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des im Falle der Aufhebung bzw. Verlegung des Termins berührten Beschleunigungs- und Konzentrationsgebotes erfordern; darüber hinaus muss der verhinderte Beteiligte diese Gründe dem Gericht darlegen und auf Verlangen glaubhaft machen (vgl. BVerwG, B.v. 14.9.1999 – 5 B 54.99 –, juris, B.v. 5.5.1999 – 5 B 50/99 –, m.w.N.; OVG NRW, B.v. 11.3.2011 – 12 A 1436/10 –, juris, Rn. 6ff. m.w.N.).
Ein ausreichender Grund kann u. a. darin liegen, dass ein Beteiligter oder sein Prozessbevollmächtigter unerwartet krank ist. Jedoch ist nicht jegliche Erkrankung ein ausreichender Grund für eine Terminsverlegung; eine solche ist vielmehr nur dann geboten, wenn die Erkrankung so schwer ist, dass die Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann (vgl. BFH, B.v. 26. 11.2009 – VIII B 162/09 –, juris; OVG NRW, B.v. 11. 3.2011 – 12 A 1436/10 –, juris, Rn. 6ff. m.w.N.).
Ob tatsächlich eine Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit besteht, hat das Gericht anhand der vorgetragenen Umstände unter Einbeziehung etwaiger ärztlicher Atteste zu beurteilen.
2.1. Aus dem mit Schriftsatz vom 7. September 2017, bei Gericht am 15. September 2017 eingegangen, gestellten (ersten) Antrag auf Terminsverlegung ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine Verhandlungsunfähigkeit des Klägers zu 1), oder sonstige erheblichen Gründe, die eine Terminsverlegung erfordert hätten.
Es ist anzumerken, dass mit diesem Schriftsatz zum ersten Mal im gesamten Gerichtsverfahren vorgetragen wurde, dass sich der Kläger zu 1) seit 30. November 2016 in ambulanter psychiatrischer Behandlung in der Psychiatrischen Institutsambulanz Sch. (PIA Sch.) befindet. Zuvor war lediglich mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2016 ein Entlassungsbericht eines Krankenhauses vorgelegt, aus welchem sich ergibt, dass der Kläger zu 1) dort aufgrund multipler Schmerzen am Bewegungsapparat behandelt worden war; der behandelnde Arzt stellte dort u.a. Hinweise auf eine depressive Verstimmung fest und empfahl die Vorstellung in einer psychosomatischen Klinik.
2.1.1.
Den Antrag auf Terminsverlegung vom 7. September 2017 begründete die Klägerbevollmächtigte damit, dass aufgrund der Einnahme der ärztlich verordneten Psychopharmaka sich der Kläger stets schläfrig und benommen fühle und nicht in der Lage sei, den Geschehensablauf im mündlichen Verhandlungstermin zu folgen, Sachverhalte zu schildern und auszusagen. Zur Untermauerung dieser Behauptung wurde ein ärztliches Attest der PIA Sch. vom 29. August 2017 beigelegt, sowie der Entlassungsbrief des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Schloss W. (KPPPM Schloss W.) vom 17. Januar 2017.
Aus dem Entlassungsbrief vom 17. Januar 2017 der KPPPM Schloss W. ergibt sich, dass der Kläger zu 1) im Zeitraum vom 8. Dezember 2016 bis 12. Januar 2017 stationär im KPPPM Schloss W. behandelt worden war, wo folgende Diagnosen gestellt wurden: Posttraumatische Belastungsstörung, Mittelgradige depressive Episode, Somatoforme Schmerzstörung. Zudem sei er bereits im Jahr 2000 in einer psychiatrischen Klinik in Ch. stationär zwei Monate lang wegen Depression und Suizidgedanken behandelt worden. Der Entlassungsbrief kommt zum Ergebnis, dass sich die Behandlung im stationären Rahmen aufgrund der Sprachbarriere als sehr schwierig erwiesen habe und eine sinnvolle Fortführung der Therapie in ambulanten Gesprächen mit einem russisch sprechenden Arzt gesehen werde.
Aus dem ärztlichen Attest vom 29. August 2017 der PIA Sch., welches an die Klägerbevollmächtigte gerichtet ist und Bezug auf eine Anfrage von ihr nimmt, ergibt sich, dass der Kläger zu 1) aufgrund der Diagnosen der KPPPM Schloss W. mit den Medikamenten Opipramol 1-1-0-1, sowie Mitrazapin 0-0-0-1 behandelt werde. Das ärztliche Attest stellt fest, dass der Patient über den Termin zur mündlichen Verhandlung berichtet habe, doch die Wahrnehmung dieses Termins aufgrund der drohenden Verschlechterung des psychischen Zustandes und der Gefährdung des Behandlungserfolges aus ärztlicher Sicht aktuell nicht möglich sei. Die Einnahme von Psychopharmaka sowie regelmäßige ambulante Vorstellungen seien bis auf weiteres erforderlich, eine Stabilisierung sei aktuell noch nicht erreicht. Bei posttraumatischer Belastungsstörung komme es immer wieder zur Verschlechterung des Zustandes, wenn der Patient sich an die Ereignisse aus der Vergangenheit erinnere. Diese Symptomatik habe seit Bekanntwerden des Gerichtstermins zugenommen. Der Patient habe Angst vor allem um seine Kinder, falls die Familie zurück in die Ukraine sollte. Ihr Leben werde von der ukrainischen Mafia bedroht. Der Patient berichtete von seiner Entscheidung, sich das Leben zu nehmen, wenn die Entscheidung in die Richtung Abschiebung fallen wird. Das Auftreten von akuter Suizidalität mit erforderlicher stationärer Einweisung könne dann nicht ausgeschlossen werden. Der Patient fühle sich oft hilflos und sei aktuell noch nicht ausreichend stabil, um die Einflüsse durch äußere Reize entsprechend zu kompensieren, sei dabei leicht irritierbar und gerate oft aus dem psychischen Gleichgewicht.
2.1.2.
Aus diesen Feststellungen ergibt sich nicht, dass der Kläger zu 1) nicht in der Lage wäre, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Insbesondere spricht das ärztliche Attest von einer „drohenden Verschlechterung“ des Gesundheitszustandes und der „Gefährdung des Behandlungserfolgs“, für den Fall, dass der Patient den Termin wahrnehmen würde. Diese Aussage erscheint schon sehr zweifelhaft, da es weder dargelegt noch ersichtlich ist, welche kausalen Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung und den psychischen Zustand des Klägers zu 1) bestehen sollten. Die überdies enthaltenen Anmerkungen, was im Falle eines für die Klägerseite negativen Verfahrensausgangs passieren könnte (Stabilisierung noch nicht erreicht, Auftreten von Suizidalität), ist für die Frage der Wahrnehmung des Termins zudem völlig unerheblich.
Aufgrund von Internetrecherche lässt sich feststellen, dass es sich bei beiden verschriebenen Medikamenten um Antidepressiva handelt, die sedierend und beruhigend wirken. Hinsichtlich Mirtazapin kann es tatsächlich als Nebenwirkung vorkommen, dass diese zu Beginn einschläfernd wirken. Daher macht es auch Sinn, dass dieses gemäß dem Behandlungsrhythmus 0-0-0-1 nur nachts vor dem Schlafengehen einzunehmen ist. Zudem spricht das ärztliche Attest vom 29. August 2017 davon, dass bei den Medikamenten als Nebenwirkungen unter anderem Müdigkeit, Benommenheit und Schwindel auftreten könnten. Dies sind jedoch Umstände, mit denen im Rahmen der mündlichen Verhandlung durch entsprechende Rücksichtnahme seitens des Richters problemlos umgegangen werden kann. Die Behauptung der Klägerbevollmächtigten in ihrem Schriftsatz vom 7. September 2017, der Kläger sei nicht in der Lage, den Geschehensablauf im mündlichen Verhandlungstermin zu folgen, Sachverhalte zu schildern auszusagen, findet jedenfalls keine Stütze in diesem ärztlichen Attest vom 29. August 2017.
Folglich konnte das Gericht mit Schreiben vom 15. September 2017 der Klägerbevollmächtigten mitteilen, dass kein wichtiger Grund für eine Terminsverlegung vorliegt, da sich aus den vorgelegten Unterlagen keine Verhandlungsunfähigkeit ergibt.
2.2. Gerade im Hinblick auf diesen richterlichen Hinweis vom 15. September 2017 fällt es auf, dass mit Schriftsatz vom 19. September 2017, vorab per Fax am 20. September 2017 dem Gericht zugegangen, die Klägerbevollmächtigte nunmehr ein ärztliches Attest der PIA Sch. vom selben Tag bzgl. des Klägers zu 1), wiederum an sie selbst adressiert, vorlegte, in dem in aller Kürze geschrieben wird, dass sich die beschriebene Symptomatik verschlechtert habe, der Patient eine Zunahme körperlicher Beschwerden aufweise und die Unterfertigten dort „bestätigen“, dass der Kläger zu 1) „verhandlungsunfähig“ sei und den „Verhandlungstermin aus ärztlicher Sicht nicht wahrnehmen“ könne.
In dem neuerlichen ärztlichen Attest vom 19. September 2017, wird lediglich die Behauptung aufgestellt, dass der Kläger zu 1) verhandlungsunfähig sei ohne darzulegen, woraus sich dies ergeben soll bzw. auf welchen medizinischen Beobachtungen und Feststellungen dies basiert. Die Aussage, die Symptomatik der bekannten Erkrankungen des Klägers zu 1) habe sich verschlechtert, trifft keine belastbare Aussage zum Zustand des Klägers zu 1). Die Bezugnahme auf das ärztliche Attest vom 29. August 2017 ist schon aus den unter 2.1. benannten Gründen wenig zielführend. Weder enthält das vorige noch das jetzige Attest eine Anamnese noch eine Diagnose oder eine Prognose, mit welchen Mitteln (z.B. Medikamenteneinstellung) und wann mit einer Verbesserung des Zustandes des Patienten gerechnet werden könne. Vielmehr entsteht aus den vorgelegten ärztlichen Dokumenten, insbesondere aus dem ersten ärztlichen Attest vom 29. August 2017, der Eindruck, dass der Patient generell aufgrund seiner psychischen Erkrankungen fragil ist, seit Beginn der Behandlung im November 2016 keine (hinreichende) Stabilisierung erreicht hat und oft aus dem psychischen Gleichgewicht gerät. Dies spricht dafür, dass dieser eher labile psychische Zustand des Klägers zu 1) ein nicht akuter von nur vorübergehender Art ist, so dass davon ausgegangen werden kann, dass auch bei einer Verlegung und Neuterminierung der mündlichen Verhandlung mit dem Auftreten der gleichen Symptomatik bzw. einer sehr ähnlichen psychischen Reaktion seitens des Klägers zu 1) zu rechnen sein wird. Dies widerspricht jedoch dem Beschleunigungs- und Konzentrationsgebot der Verwaltungsprozessordnung. Es ist nachvollziehbar, wenn nicht wenige Kläger, die in asylrechtlichen Verfahren in die mündliche Verhandlung kommen, aufgeregt sind. Es ist ebenso nachvollziehbar, dass ein Kläger, der ohnehin psychisch erkrankt ist, dies als besonders belastend empfinden mag. Jedoch ist die pauschale Furcht vor einer Entscheidung nicht geeignet, einen erheblichen Grund für eine Terminsverlegung zu begründen, da das Problem nicht in der mündlichen Verhandlung selbst, sondern in der gerichtlichen Entscheidung liegt.
Nachdem in dem Antrag vom 19. September 2017 sowie dem ärztlichen Attest selben Datums die Verhandlungsunfähigkeit lediglich behauptet, aber weder dargelegt noch glaubhaft gemacht war, konnte das Gericht nach erneuter Prüfung den Antrag auf Terminsverlegung mit Schreiben vom 21. September 2017 ablehnen.
2.3. Die Mitteilung der Klägerbevollmächtigten vom 26. September 2017, dass der Kläger zu 1) notfallmäßig zur stationären Behandlung im KPPPM Schloss W. aufgrund einer psychischen Krise aufgenommen worden sei, wurde zusammen mit einer ärztlichen Verordnung der Krankenhausbehandlung vom selben Tag per Fax am 26. September 2017 um 13.32 Uhr übermittelt und folglich weniger als 24 Stunden vor der mündlichen Verhandlung.
Dort wurde ausgeführt, dass infolge der Vorbereitung zur mündlichen Verhandlung und der stattgefundenen Besprechung bei der Bevollmächtigten sich der Kläger zu 1) an die zahlreichen traumatischen Ereignisse und Verlusterlebnisse in seiner Vergangenheit erinnert habe, wobei ihn die Erinnerung an die Ermordung der ersten hochschwangeren Ehefrau durch die Mitglieder der organisierten Kriminalität im Jahr 2002 zum Zusammenbruch gebracht habe. Aus der übermittelten Verordnung von Krankenhausbehandlung vom 26. September 2017 geht hervor, dass es zu einer „Exazerbation der depressiven Symptomatik bei PTBS und bevorstehender Gerichtsverhandlung“ gekommen sei. Der Patient denke über die zahlreichen traumatischen Ereignisse in der Vorgeschichte vermehrt nach, sei deswegen „nah am Dekompensieren“ und habe schon mehr Medikamente zur Beruhigung eingenommen als verschrieben. Überdies wird bei dem Punkt „Hinweise“ um Krisenintervention und eine eventuelle Änderung der medikamentösen Einstellung gebeten.
Es verwundert bereits, dass für die notfallmäßige Behandlung einer psychischen Krise eine Verordnung von Krankenhausbehandlung erforderlich sein sollte, insbesondere da es in den dort festgehaltenen Untersuchungsergebnissen heißt, der Patient sei „nah“ am Dekompensieren. Solange aber noch keine Dekompensation eingetreten ist, muss denknotwenig immer noch eine gewisse Kompensation stattfinden, ansonsten wäre der Kläger zu 1) bereits dekompensiert. Ungeachtet dessen fällt auf, dass bereits in der ärztlichen Bescheinigung vom 29. August 2017 angeführt wurde, dass es beim Kläger zu 1) zu einer Labilität beim Auftreten von Belastungen mit krisenhaften Exazerbationen der Symptomatik mit Unruhe, Gereiztheit, Ängsten komme. Dies spricht wiederum dafür, dass derartige Ereignisse und psychischen Reaktionen des Klägers zu 1) auf psychische Stresssituationen in der hier sich am 26. September 2017 aktuell ereigneten Form zu seinem Krankheitsbild gehören und folglich gerade im Zusammenhang einer etwaigen Neuterminierung der mündlichen Verhandlung zu erwarten wären.
Das Gericht hat Kenntnis, dass die Klägerbevollmächtigte Russisch in Wort und Schrift beherrscht, was sich aus den Angaben auf ihrer Kanzlei-Homepage ergibt. Demzufolge wäre es vorliegend ohne weiteres möglich gewesen, die Klägerbevollmächtigte als Vertretung des Klägers zu 1) anzuhören, da diese selbst in ihrem Schreiben vom 26. September 2017 vorträgt, dass sie mit dem Kläger zu 1) den Termin zur mündlichen Verhandlung vorbereitet habe. Überdies ist festzuhalten, dass der Kläger zu 1) bereits im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt sehr ausführlich die für das Verlassen der Ukraine ursächlichen Ereignisse zu Protokoll gegeben hat (Niederschrift über die Anhörung vom 26. August 2016, S. 3 bis 6, BA S. 79-82).
Darüber hinaus ist der Kläger zu 1) nicht der einzige Beteiligte auf der Klägerseite, da am Klageverfahren zudem die Ehefrau sowie die beiden Töchter des Klägers zu 1) beteiligt sind. Es war davon auszugehen, dass jedenfalls die Klägerinnen zu 2) bis 4) sowie die Klägerbevollmächtigte als Prozessvertretung des Klägers zu 1) Angaben machen können, aufgrund derer man über den Verfahrensgegenstand oder zumindest über den weiteren Fortgang des Verfahrens entscheiden würde. Folglich bestand kein Anlass, die mündliche Verhandlung – so kurzfristig – zu verlegen, was mit Fax vom 26. September 2017 der Klägerbevollmächtigten mitgeteilt wurde, nachdem sie telefonisch an diesem Tag nicht mehr erreichbar war.
2.4. Am 27. September 2017, am Tag der mündlichen Verhandlung, welche für 10:15 Uhr terminiert war, gingen um 9:57 Uhr bzw. 10:07 Uhr zwei inhaltsgleiche Schreiben der Klägerbevollmächtigten, datiert vom 26. September 2017, per Fax bei Gericht ein. In den Schreiben wurde mitgeteilt, dass sowohl der Kläger zu 1) als auch die Klägerin zu 2) an der Wahrnehmung des „heutigen“ Termins gehindert wären. Der Kläger zu 1) sei seit dem 26. September 2017 zur stationären Behandlung in der KPPPM Schloss W. Die Klägerin zu 2) würde sich im Zustand einer „starken seelischen Erschütterung“ befinden, sie sei in einem psychischen Schock und daher verhandlungsunfähig und werde ärztlich betreut. Ein ärztliches Attest würde unverzüglich zur Gerichtsakte nachgereicht werden. Demzufolge könnten auch die minderjährigen Kinder, die Klägerinnen zu 3) und 4) aufgrund der Verhinderung ihrer gesetzlichen Vertreter nicht zum Termin erscheinen. Bei dem zweiten Fax von 10:07 Uhr wurde zusätzlich zum inhaltsgleichen Schreiben die Bescheinigung des KPPPM Schloss W. übermittelt, aus welchem sich ergibt, dass der Kläger zu 1) sich dort seit dem 26. September 2017 in stationärer Behandlung befindet.
Auch wenn dieses Schreiben der Klägerbevollmächtigten mit Datum vom 26. September 2017 versehen ist, datiert es wohl vom 27. September 2017, da dort von der „heutigen“ Gerichtsverhandlung gesprochen wird.
Dieses Schreiben enthält keine Angaben, weshalb auch die Prozessbevollmächtigte der Kläger zu 1) bis 4) verhindert sein sollte und folglich nicht zum Termin erscheinen könnte, obwohl sich konkludent aus dem Zeitpunkt der Übermittlung (unmittelbar vor Beginn der mündlichen Verhandlung) schon schließen ließ, dass die Bevollmächtigte der Kläger wohl nicht erscheinen werde.
3. Zu berücksichtigen ist vorliegend, dass besondere Umstände, die es geboten hätten, die Verhandlung gleichwohl nur in Anwesenheit der Kläger durchzuführen, weder vorgetragen noch aus den Terminsverlegungsanträgen ersichtlich sind. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich um eine Asylrechtsklage handelt. Denn auch im Asylprozess ist ein erheblicher Grund für eine Vertagung nicht bereits dann – quasi automatisch – anzunehmen, wenn ein anwaltlich vertretener Beteiligter wegen Krankheit oder aus anderen persönlichen Gründen verhindert ist, selbst an der Verhandlung teilzunehmen. Vielmehr ist jeweils nach den Umständen des Falles zu prüfen, ob der Verfahrensbeteiligte ohne Terminsaufhebung bzw. Terminsverlegung in seinen Möglichkeiten beschränkt würde, sich in dem der Sache nach gebotenen Umfang zu äußern. Das bloße Anwesenheitsinteresse des Klägers ist durch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht geschützt (BverwG, B.v. 4.2.2002 – 1 B 313/01 – juris, Rn. 5; B.v. 4.8.1998 – 7 B 127/98 – juris, Rn. 2; B.v. 31.5.1990 – 7 CB 31.89 – Rn. 9). Nachdem vorliegend der Kläger zu 1) die Umstände, die ihn zur Ausreise aus der Ukraine bewegt haben, bereits im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt ausführlich dargelegt hat, ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht dargelegt, was der Kläger zu 1) darüber hinaus Erhebliches hätte vortragen können. Ebenso wenig hat die Klägerbevollmächtigte zu irgendeinem Zeitpunkt des Verfahrens angegeben, was der Kläger zu 1) im Falle seiner Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung (neue) über sein bisheriges Vorbringen hinaus noch hätte vortragen wollen. Auch unter Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstoffes ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass in der mündlichen Verhandlung entscheidungserhebliche tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte hätten vorgetragen werden können (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 26.8.1992 – 5 ER 698/91 – juris, Rn. 5).
Nachdem die Klägerseite ordnungsgemäß geladen war und für sie niemand anwesend war, da auch die Klägerbevollmächtigte unentschuldigt nicht erschienen ist, konnte aufgrund des Hinweises nach § 102 Abs. 2 VwGO in Abwesenheit der Kläger verhandelt und entschieden werden.
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid des Bundesamts vom 28. Oktober 2016 nicht rechtswidrig ist und die Kläger dadurch (schon deswegen) nicht in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 5 VwGO). Denn die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG bzw. auf die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird vollumfänglich auf die Begründung des verfahrensgegenständlichen Bescheids verwiesen, dessen Ausführungen sich das Gericht anschließt (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass die geschilderten Ereignisse, welche die Kläger zur Flucht aus der Ukraine bewegt haben, offensichtlich kriminelle Akte sind, welche mit großer Wahrscheinlichkeit dem organisierten Verbrechen zuzuordnen sind. Dies wird im Ergebnis von den dem Gericht vorgelegten ärztlichen Attesten bestätigt, in denen festgehalten wird, dass der Kläger von der ukrainischen Mafia bedroht wird (PIA Schweinfurt v. 29.8.17, S. 2) und in seinem Leben wiederholt Konflikte mit dem organisierten Verbrechen hatte (KPPPM Schloss W. v. 17.1.17, S. 2). Dies ist jedoch kein asyl- oder sonst flüchtlingsrelevantes Vorbringen, da es den Klägern zuzumuten ist, Schutz bei den ukrainischen Strafverfolgungsbehörden zu suchen. Ebenso wenig vermag das Vorbringen Anspruch auf subsidiären Schutz zu begründen, da eine erhebliche Gefahr für die Kläger in Form von unmenschlicher Behandlung nicht erkennbar ist. Insbesondere verwundert die Tatsache, dass der Kläger zu 1) sich ein halbes Jahr nach den dubiosen Geschäften mit seinen „Geschäftspartnern“ freiwillig „auf einen Kaffee“ zum Gespräch getroffen habe, ebenso dass bei der geschilderten Bedrohungssituation die Kläger nicht anderswo in der Ukraine Zuflucht gefunden haben. Dass es offenbar möglich gewesen wäre, sich der Bedrohungssituation zu entziehen, zeigt die Tatsache, dass in den zehn Monaten, in denen die Kläger in einer Ortschaft 30 km außerhalb von Charkiv lebten, sie unbehelligt geblieben waren. Es wurde auch nicht vorgetragen, dass die Bedrohungen oder Erpressungsversuche in Deutschland angedauert hätten, was zusätzlich aufzeigt, dass es durch räumliche Entfernung möglich ist, sich den Erpressungsversuchen zu entziehen. Auch hat der Kläger zu 1) bei seiner Anhörung angegeben, dass er bei seiner Rückkehr in die Ukraine nur geduldet würde, weil er als Armenier in der Ukraine nie anerkannt worden sei (BA S. 82), jedoch nicht, dass ihm (wieder) Lebensgefahr oder unmenschliche Behandlung drohen würde.
Abschiebungsverbote liegen, auch unter Berücksichtigung der psychischen Erkrankung des Klägers zu 1), keine vor. In der Ukraine gibt es Möglichkeiten, sich auch wegen psychischer Krankheiten behandeln zu lassen; dies ergibt sich schon aus der psychiatrischen Anamnese des KPPPM Schloss W. vom 17. Januar 2017, welches festhält, dass der Kläger zu 1) sich stationär in einer psychiatrischen Klinik in der Ukraine wegen Depressionen und Suizidgedanken behandeln hat lassen. Überdies ist die diagnostizierte PTBS etwas, das dem Kläger zu 1) innewohnt und daher unabhängig von seinem Aufenthaltsort und damit auch dem Abschiebestaat Ukraine ist und beliebig getriggert werden kann. Die Flashbacks haben ihn ausweislich des ärztlichen Attestes des KPPPM Schloss W. („aktuelle Anamnese“) in Deutschland genauso heimgesucht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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