Aktenzeichen W 8 K 21.30274
VwGO § 60
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Klage ist unzulässig.
Die Klage ist unzulässig, weil sie verfristet ist. Die Klage wurde nach Ablauf der zweiwöchigen Klagefrist erhoben, wie der Kläger selbst eingeräumt hat. Dem Kläger war keine Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren.
Denn der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:(auch in iranischer Sprache) versehene Bescheid vom 18. Januar 2021 wurde dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am Montag, 25. Januar 2021, ordnungsgemäß zugestellt. Die zweiwöchige Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG begann gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Fall 1 BGB am 26. Januar 2021 zu laufen und endete mit Ablauf des Montags, 8. Februar 2021. Die am 8. März 2021 bei Gericht eingegangene Klage wurde nicht fristgemäß erhoben.
Der Kläger hat sowohl schriftlich als auch in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich eingeräumt, dass er das zugestellte Schriftstück – den ablehnenden Bundesamtsbescheid vom 18. Januar 2021 – am 25. Januar 2021 erhalten und abgeholt habe. Er habe das Schriftstück aber in seiner Unterkunft ungeöffnet auf dem Tisch liegen lassen. Es sei wegen einer bevorstehenden Herzoperation nach einem Messerstich in der Vergangenheit (Ende 2017/Anfang 2018) in Griechenland in einem desolaten Zustand gewesen und habe sich am 25. Januar 2021 auf Anraten seines Hausarztes bei einem Freund wegen der Corona-Gefahren in seiner Gemeinschaftsunterkunft in private Quarantäne begeben.
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 60 VwGO liegen nicht vor. Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Nach § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren glaubhaft zu machen. Der Kläger hat indes nicht glaubhaft gemacht, ohne Verschulden verhindert gewesen zu sein, die zweiwöchige Klagefrist einzuhalten.
Für das Verschulden ist darauf abzustellen, ob der Kläger diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten und nach den Gesamtumständen des Falles zuzumuten ist. Unzureichende Sprachkenntnisse entheben einen Ausländer nicht der Sorgfaltspflicht in der Wahrnehmung seiner Rechte. Wird wie hier einem Ausländer ein ihm womöglich unverständlicher Bescheid zugestellt, kann er aber seine Bedeutung so weit erfassen, dass es sich um ein amtliches Schriftstück handeln könnte, so können von ihm im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht zumutbare Anstrengungen verlangt werden, sich innerhalb angemessener Frist Gewissheit über den genauen Inhalt des Schriftstücks zu verschaffen. Bei einem Asylbewerber kommt hinzu, dass sein gesamter Aufenthalt auf das Asylverfahren und auf den Erhalt eines Asylbescheides hin orientiert ist. Deshalb ist es ihm zumutbar, dass er sich bei Eingang eines erkennbar amtlichen Schreibens um eine rasche Aufklärung des Inhalts dieses Schreibens sowie eventueller Folgen daraus umgehend und intensiv bemüht (vgl. VG Würzburg, GB v. 22.3.2018 – W 8 K 18.30255 – juris; GB v. 13.5.2015 – W 6 K 15.30255 – juris mit Bezug auf BVerfG, B.v. 2.6.1992 – 2 BvR 1401/91 – BVerfGE 86, 280; B.v. 19.4.1995 – 2 BvR 2295/94 – NVwZ-RR 1996, 120).
Der Kläger hat jedoch das ihm zugestellte Schriftstück zwar entgegengenommen, aber sich zunächst nicht weiter darum gekümmert. Der Kläger erklärte, er habe den Bescheid bzw. das geschlossene Kuvert aufgrund seines damaligen schlechten psychischen und physischen Gesundheitszustandes in der Unterkunft liegen lassen, so dass er auch seinen Freund über diesen Bescheid nicht habe informieren können, da er schlichtweg nicht gewusst habe, was sich im Kuvert befunden habe. Erst nach der Operation und seiner Entlassung aus dem Krankenhaus habe er in die Unterkunft zurückkehren und tatsächlich Kenntnis vom Bescheid nehmen können.
Dieses Verhalten ist dem Kläger indes vorzuwerfen, weil er nicht ohne Verschulden alles ihm Zumutbare innerhalb der Klagefrist unternommen hat. Denn Verschulden liegt vor, wenn der Betroffene die gebotene und nach den Umständen zumutbare Sorgfalt nicht eingehalten hat, d.h. diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrenden Verfahrensbeteiligten geboten ist und ihm auch nach den Gesamtumständen zuzumuten war. Selbst leichte Fahrlässigkeit schließt eine Wiedereinsetzung aus, wenn auch die Voraussetzungen nicht überspannt werden dürfen und auf die konkreten Verhältnisse einschließlich höchstpersönlicher Umstände abzustellen ist. Es kommt darauf an, ob dem Betreffenden nach den konkreten Umständen seines Falles ein Vorwurf gemacht werden kann, dass er nicht alle ihm persönlich zumutbaren Anstrengungen unternommen hat. Dabei trifft den Kläger die Beweispflicht. Bei Abwesenheit oder voraussehbaren Hindernissen muss der Betreffende Vorkehrungen treffen. Bei Erhalt eines amtlichen Schriftstückes mit möglicherweise belastendem Inhalt muss er sich in angemessener Zeit Gewissheit verschaffen. Er muss insoweit zumutbare Anstrengungen unternehmen. Als Maßstab für die erforderlichen Vorkehrungen sind die Umsicht und Sorgfalt der Verkehrskreise, in denen der Betroffene sich üblicherweise aufhält, heranzuziehen – hier der Asylbewerber. Zum Pflichtenkreis gehört bei Änderung des Aufenthaltsortes, dafür Sorge zu tragen, erreichbar zu bleiben. Dies gilt erst recht für Asylbewerber, die einer konkreten Aufenthaltspflicht bzw. Wohnsitzverpflichtung unterliegen. Auch das Vergessen eines Schriftstücks ist regelmäßig verschuldet (vgl. zum Ganzen jeweils mit Nachweisen auch zur Rechtsprechung Peters in BeckOK, VwGO, Posser/Wolff, 27. Ed. Stand 1.4.2021, § 60 Rn. 9 ff.; Kugele, VwGO Kurzkommentar, 17.2.2021, § 60 Rn. 5 f., 11; Porz/Holtbrügge in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 60 VwGO Rn. 13 ff.; Pautsch in Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 2. Aufl. 2021, § 32 Rn. 13 ff., Baer in Schoch/Schneider, VwVfG, Grundwerk Juli 2020, § 32 Rn. 25 ff.; Hömig in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Werkstand 60. EL 16.7.2020, § 93 Rn. 46, 48 ff.; Grünewald in BeckOK, BVerfGG, Walter/Grünewald, 10. Ed. Stand: 1.1.2020, § 93 Rn. 52 ff.; Huck in Huck/Müller, VwVfG, 3. Aufl. 2020, § 32 Rn. 8 ff.; Ritgen in Knack/Hennecke, VwVfG, 11. Aufl. 2020, § 32 Rn. 18 ff., 27 ff.; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 60 Rn. 9 ff., 29 ff.; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl. 2020, § 20 ff., 31 f.; Kallerhoff/Stamm in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG; 9. Aufl. 2018, § 32 Rn. 22 ff.; von Albedyll in Bader/Funke-Kaiser/Stulfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 60 Rn. 2 ff.; Krausnick in Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 60 Rn. 14 ff.).
Jedoch kann fehlendes Verschulden unter anderem vorliegen, wenn der Betroffene ernsthaft erkrankt war und infolge davon die einzuhaltende Frist selbst nicht wahrnehmen konnte bzw. wenn ihm nach den persönlichen Umständen die Dinge über den Kopf gewachsen waren. Aber nicht jede Krankheit ist ein Entschuldigungsgrund. Eine schwere Erkrankung kann für ihre Dauer einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, wenn sie so schwer und unvorhersehbar war, dass sie den Beteiligten außerstande setzte, etwa einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen oder auch jemand anderes entsprechend zu informieren. Die Erkrankung muss so schwer sein, dass sie die erforderlichen Handlungen unmöglich gemacht haben. Der Betreffende muss durch die Erkrankung physisch oder psychisch so beeinträchtigt gewesen sein, dass er seine Interessen nicht mehr vor Fristablauf habe wahren können. Wird ihm aber bewusst, dass es zu einer derartigen Beeinträchtigung kommen kann, muss er insoweit notwendige Vorsorgemaßnahmen treffen. Quarantänemaßnahmen können einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, soweit auch nicht im Einzelfall die Beauftragung eines Bevollmächtigten zumutbar war. Bei einer Erkrankung ist jedoch weiter der Nachweis erforderlich, dass die Krankheit in verfahrensrelevanter Form entscheidenden Einfluss auf die Entschluss-, Urteils- und Handlungsfähigkeit der für die Fristeinhaltung betroffenen Person genommen hat. Erforderlich für den Nachweis der Krankheit ist ein aussagefähiges ärztliches Attest. Eine bloße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung genügt nicht. Aus dem Attest muss sich konkret ergeben, dass die Krankheit in verfahrensrelevanter Form Einfluss auf die Einhaltung der Frist hatte. Auch psychische Ausnahmesituationen können relevant sein, so dass die Einlegung von Rechtsbehelfen unverschuldet unmöglich ist. Allerdings sind hier besondere Anforderungen an die Glaubhaftmachung zu stellen. Problematisch ist die Behandlung von Fällen, in denen der Betreffende in einer zeitweisen persönlichen Krisensituation unangenehme Post von vornherein beiseitelegt und nicht abholt. Gleichgültigkeit ist aber regelmäßig verschuldet. Ausnahmen können sich hingegen ergeben, wenn der Zustand der Lethargie oder Apathie pathologische Formen annimmt, was aber – wie jede Krankheit – durch ein ärztliches Attest nachgewiesen werden muss. Ansonsten ist auch bei Erkrankungen zumutbar, zumindest jemand anderes zu beauftragen oder zu informieren, (siehe im Einzelnen Peters in BeckOK, VwGO, Posser/Wolf, 57. Ed. Stand 1.4.2021, § 60 Rn. 12; Porz/Holtbrügge in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 60 VwGO Rn. 13; Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 32 VwVfG Rn. 22; Pautsch in Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 2. Aufl. 2021, § 32 Rn. 20; Bier/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch/Schneider, VwGO, Stand 39. EL Juli 2020, § 60 Rn. 34; Baer in Schoch/Schneider, VwVfG, Grundwerk Juli 2020, § 32 Rn. 25; Hömig in Maunz/Schmidt/Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Werkstand 6. EL Juli 2020, § 93 Rn. 51; Grünewald in BeckOK, BVerfGG, Walter/Grünewald, 10. Ed. Stand 1.1.2020, § 93 Rn. 52; Huck in Huck/Müller, VwVfG, 3. Aufl. 2020, § 32 Rn. 12; Ritgen in Knack/Hennecke, VwVfG, 11. Aufl. 2020, § 32 Rn. 41; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 60 Rn. 13; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl.G2020, § 32 Rn. 29; Czybulka/Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 60 Rn. 76; Krausnick in Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 60 Rn. 22, 24 ff.).
Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger seine Sorgfaltspflicht nicht in der gebotenen Weise beachtet und nicht alles unternommen, was ihm unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände zumutbar gewesen ist. Er hat zwar wiederholt vorgebracht, wegen der bevorstehenden Operation wegen seiner Herzprobleme nach dem Messerstich in Griechenland in desolatem Zustand gewesen zu sein. Er sei völlig durcheinander gewesen. Er sei nicht mehr fähig gewesen, richtig zu denken. Er habe den Bescheid bzw. das geschlossene Kuvert aufgrund seines schlechten psychischen und physischen Gesundheitszustands in der Unterkunft liegen lassen, so dass er auch einen Freund oder andere habe nicht darüber informieren können. Der Kläger räumte aber selbst ein, dass er vielleicht etwas leichtsinnig gewesen sei und man ihm sein Verhalten vorwerfen möge. Aber er sei nicht zum Vergnügen woanders hingegangen, sondern habe sich, um die anstehende Operation nicht zu gefährden, zur Sicherheit außerhalb der coronagefährdeten Asylbewerberunterkunft bei einem Freund in dessen Privatwohnung in Quarantäne begeben. Jedoch ist schon festzuhalten, dass die anstehende Operation nicht völlig überraschend kam. Des Weiteren räumte der Kläger in der mündlichen Verhandlung weiter ein, dass der Hausarzt ihn nicht erst am 25. Januar 2021 empfohlen habe, sich in Quarantäne zu begeben, sondern, dass diese Empfehlung schon bei einem vorherigen Besuch beim Hausarzt erfolgt sei. Auch wenn sich der Kläger erst eine Unterkunftsgelegenheit bei einem Freund hat suchen müssen, war zumindest von dem Zeitpunkt, ab dem er die Empfehlung zur privaten Vorabquarantäne erhalten hat, bis zu dem Zeitpunkt, als er die Quarantäne tatsächlich angetreten hat, Zeit, sich auf den zeitweiligen Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft vorzubereiten und auch gedanklich darauf einzustellen. Des Weiteren waren vom Auszugtag (25.1.2021), an dem er auch den streitgegenständlichen Bescheid erhalten hat, bis zur Operation noch weitere 14 Tage Zeit, in der er – selbst während des Aufenthalts bei einem Freund – in der Lage gewesen wäre, das Notwendige zur Einhaltung der Klagefrist zu veranlassen. Er hätte etwa seinen Freund beauftragen können, das zurückgelassene, ihm zugestellte amtliche Schriftstück in seiner Asylbewerberunterkunft abzuholen, um sodann gegebenenfalls mit Unterstützung des Freundes das weiter Notwendige zu veranlassen.
Soweit der Kläger in dem Zusammenhang auf seine persönliche Verfassung und seinen Zustand verwiesen hat, hat er diese jedoch nicht durch aussagekräftige ärztliche Atteste oder sonst belegt, zumal es um einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen gegangen ist.
In dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten ärztlichen Attest seines Hausarztes vom 2. März 2021 ist lediglich vermerkt, dass der Kläger am 25. Januar 2021 den Bescheid erhalten und zugestellt bekommen und sich krankheitsbedingt an einem abweichenden Ort aufgehalten habe. Dem Attest ist aber nicht zu entnehmen, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründe nicht entsprechende Maßnahmen zur Einhaltung der Klagefrist hätte treffen können. Auch aus dem vorläufigen Arztbrief des Universitätsklinikums Würzburg vom 1. März 2021 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 8. Februar 2021 bis 1. März 2021 ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass der Kläger im Vorfeld der stationären Aufnahme aus gesundheitlichen Gründen außerstande gewesen wäre, auf das am 25. Januar 2021 zugestellte Schriftstück, den ablehnenden Bundesamtsbescheid, rechtzeitig zu reagieren. Abgesehen davon, dass die vorgelegten Atteste erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt im Nachhinein erstellt worden sind und schon unter dem Aspekt fraglich sind, einen in der Vergangenheit liegenden Gesundheitszustand des Klägers zu belegen, beruhen sie teilweise auf Angaben des Klägers und enthalten, wie ausgeführt, überhaupt keine einschlägigen medizinischen Aussagen für den fraglichen Zeitraum (vgl. VG Berlin, U.v. 25.2.2021 – 35 K 146/20.A – juris Rn. 36; VG München, B.v. 15.12.2017 – M 21 S 17.45736 – juris Rn. 18).
Eine relevante Erkrankung kann aber nur dann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen, wenn sie ursächlich dafür ist, dass der Betreffende den Rechtsbehelf nicht rechtzeitig einlegen konnte. Hier liegen indes keine ärztlichen Atteste vor, aus denen sich erschließt, dass eine Krankheit in verfahrensrelevanter Form Einfluss auf die Entschluss-, Urteils- und Handlungsfähigkeit des Klägers genommen gehabt hatte (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 17.7.2007 – 2 BvR 1164/07 – NJW-RR 2007, 717 – juris Rn. 2). So fehlt der Nachweis, dass die Krankheit so schwer gewesen ist, dass der Kläger deshalb über den ganzen Zeitraum ab 25. Januar 2021 nicht in der Lage war, die Klagefrist einzuhalten, etwa einen Bevollmächtigten sachgemäß zu unterrichten. Bei der Geltendmachung fehlenden Verschuldens infolge Krankheit ist ein entsprechender Nachweis erforderlich, um zu beweisen, dass die Krankheit ein Ausmaß erreicht hat, dass der Kläger nicht das Notwendige zur Einhaltung der Klagefrist veranlassen konnte. Die vom Kläger behauptete psychische Ausnahmesituation über den ganzen Zeitraum der Klagefrist ist auch und gerade unter Berücksichtigung seines mündlichen Vorbringens sowie seiner eidesstattlichen Versicherung nicht hinreichend belegt. Allein die Behauptung einer physischen oder psychischen Ausnahmesituation genügt für sich nicht, solange der Betreffende nicht nachweist, dass er aufgrund der Erkrankung nicht mehr fähig war, zumindest jemanden zu beauftragen oder einen Bevollmächtigten informieren, weil dies regelmäßig auch bei Erkrankungen zumutbar ist (siehe insbesondere Peters in BeckOK, VwGO, Posser/Wolf, 57. Ed. Stand 1.4.2021, § 60 Rn. 12; Porz/Holtbrüge in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 60 VwGO Rn. 13; Hömig in Maunz/Schmidt/Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Werkstand 60. EL Juli 2020, § 93 Rn. 51; Czybulka/Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 60 Rn. 76; Krausnick in Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 60 Rn. 26).
Selbst wenn der Kläger nur am 25. Januar 2021 einen „Blackout“ gehabt und deshalb das zugestellte Schriftstück, den Ablehnungsbescheid Bundesamtes, nicht weiter beachtet haben sollte, weil er an diesem Tag nach eigener Aussage nicht nur den das Schriftstück abgeholt hat, sondern sein Freund gekommen ist, um ihn für die geplante Quarantäne vor dem Operationstermin mitzunehmen, entschuldigt dies nicht, dass der Kläger nach dem Umzug zum Freund in den ganzen zwei Wochen bis zur Operation nicht an das wie ausgeführt zentrale Dokument im Asylverfahren, welches der Grund des Aufenthalts in Deutschland ist, gedacht und sich weiter darum gekümmert hat. Dem Kläger ist vorzuwerfen, dass er sich während des Laufs der Klagefrist überhaupt nicht weiter um das zugestellte amtliche Schriftstück gekümmert hat. Der Kläger hat selbst nicht behauptet, dass er nicht erkannt hatte, dass es sich um ein amtliches Schriftstück handelt. Da auch leichte Fahrlässigkeit eine Wiedereinsetzung ausschließt, kann nicht von einer unverschuldeten Fristversäumung ausgegangen werden, bei der einem Kläger anders als hier nach den gesamten Umständen überhaupt kein Vorwurf gemacht werden könnte. Dem Kläger waren vielmehr trotz seiner persönlichen Umstände entsprechende Maßnahmen zur Einhaltung der Frist zumutbar waren. Dem Kläger ist als eigenes Verschulden zuzurechnen, wenn er das zugestellte Schriftstück versehentlich in der Unterkunft liegen lassen hat, weil ein Vergessen in aller Regel verschuldet ist und er sich auch in der Folgezeit bis zum Beginn des Krankenhausaufenthalts offenbar aus Gedankenlosigkeit bzw., weil er mit seinen Gedanken woanders war, nicht um das Schriftstück gekümmert und nichts weiter veranlasst hat (vgl. Huck in Huck/Müller, VwVfG, 3. Aufl. 2020, § 32 Rn. 8a und 14; von Albedyll in Bader/Funke-Kaiser/Stulfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 60 Rn. 5; Krausnick in Gärditz, VwGO, 2. Aufl. 2018, § 60 Rn. 34). Es wäre dem Kläger zumindest zumutbar gewesen, im Nachgang das Schriftstück über einen Freund abholen zu lassen, zumal es um einen förmlich zugestellten amtlichen Bescheid im Asylverfahren ging. Der Kläger durfte nicht untätig bleiben (vgl. VG Berlin, U.v. 25.2.2021 – 35 K 146/20.A – juris Rn. 39 und 42 f.).
Nach alledem hat der Kläger seine Sorgfaltspflicht nicht in der gebotenen Weise beachtet, die Versäumung der Klagefrist mithin in vorwerfbarer Weise verschuldet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).