Medizinrecht

Kampfhund der Kategorie 1, Untersagung der Hundehaltung, Ablehnung der Erteilung eines Negativzeugnisses, Abgabeverfügung, Maulkorbzwang

Aktenzeichen  AN 15 K 18.00658

Datum:
18.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46963
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Art. 37 LStVG,, 1 Abs. 1 KampfhundeV
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
LStVG Art. 18 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 26. März 2018 wird in Ziffer 3 und Ziffer 6 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 3/4 und die Beklagte 1/4.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur hinsichtlich der Ziffern 3 und 6 des streitgegenständlichen Bescheids begründet und im Übrigen unbegründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist überwiegend rechtmäßig und verletzt den Kläger insoweit nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Ziffer 2 des Tenors des streitgegenständlichen Bescheids ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG. Nach dieser Vorschrift kann die Sicherheitsbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu verhüten oder zu unterbinden. Vorliegend verhält sich der Kläger ordnungswidrig, denn die Haltung von Kampfhunden ohne die nach Art. 37 Abs. 1 LStVG erforderliche Erlaubnis ist ordnungswidrig (Art. 37 Abs. 4 Nr. 1 LStVG). Eine vorrangige Spezialermächtigung, die nach Art. 7 Abs. 2 LStVG eine Anwendbarkeit des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG nicht ermöglichen würde, liegt hier nicht vor. Insbesondere ist Art. 18 Abs. 2 LStVG nicht einschlägig, da dieser nur Anordnungen rechtfertigt, die die Art und Weise (das „Wie“) der Hundehaltung regeln. Die Haltungsuntersagung betrifft dagegen die Hundehaltung als solche, d.h. das „Ob“ der Hundehaltung, und kann folglich nicht auf Art. 18 Abs. 2 LStVG gestützt werden (vgl. Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand August 2018, Art. 18, Rn. 76 f.).
Der Kläger hält einen Kampfhund im Sinne des Art. 37 Abs. 1 LStVG i.V.m. § 1 Abs. 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit (KampfhundeV). Bei dem von dem Kläger gehaltenen Hund handelt es sich (zumindest) um eine Kreuzung aus einem reinrassigen American Staffordshire Terrier und einem anderen Hund. Hunde dieser Hunderasse sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden sind in § 1 Abs. 1 Kampfhundeverordnung als Kampfhund gelistet und unterliegen somit der Erlaubnispflicht des Art. 37 Abs. 1 LStVG. Eine zuverlässige Einordnung eines Mischlingshundes ohne Abstammungsnachweis als Kreuzung im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nur möglich, wenn ein aussagekräftiges Sachverständigengutachten und ein hinreichend valider DNA-Test zu übereinstimmenden Ergebnissen kommen (BayVGH, B.v. 2.4.2019 – 10 CS 19.277 – juris Rn. 17). Die vorstehend genannte Rassezugehörigkeit des Hundes „…“ folgt eindeutig aus dem im gerichtlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten des öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen für das Hundewesen* …, der nach einer Begutachtung des Hundes zu dem Ergebnis gekommen ist, dass aufgrund der sehr hohen Übereinstimmung mit dem Rassestandard des American Staffordshire Terriers der Hund „…“ vom Aussehen, vom Verhalten und vom Bewegungsablauf her dieser Rasse zuzuordnen ist.
Das Gutachten ist widerspruchsfrei und schlüssig abgefasst, sodass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, an der Richtigkeit der Feststellungen des gerichtlich beauftragten Gutachters zu zweifeln. Die Zuordnung des Tieres erfolgte über Phänotyp, Wesen und Bewegungsablauf (BayVGH, B.v. 3.2.2004 – 24 CS 03.3406 – juris Rn. 19). Das Gutachten stimmt im Ergebnis auch mit dem vorliegenden DNS-Gutachten der Firma … überein, welches ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass die „Wahrscheinlichkeit, dass der Hund „…“ zur Rasse American Staffordshire Terrier zugeordnet wird“, 46% beträgt und „die Wahrscheinlichkeit, dass der Hund „…“ einer anderen Rasse (…) zugeordnet wird“, kleiner 30% sei, es sich bei dem Hund des Klägers somit um einen Hund im Sinne des § 1 Abs. 1 Kampfhundeverordnung handelt. Die Tatsache, dass der Sachverständige … in seinem Gutachten ausführt, der Einfluss weiterer Rassen, wie im DNA-Gutachten der Fa. … in den Raum gestellt wurde, sei für ihn phänotypisch nicht ersichtlich, stellt keinen Widerspruch dar.
Da der Kläger nicht über eine Erlaubnis nach Art. 37 Abs. 1 LStVG verfügt, handelt er ordnungswidrig mit der Folge, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der vorstehend dargestellten Eingriffsnorm erfüllt sind.
Nachdem die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG vorliegen, ist das in dieser Rechtsnorm eingeräumte Ermessen eröffnet. Die durch die Beklagte getroffene Ermessensentscheidung, die vom Gericht nur im Rahmen des § 114 VwGO zu überprüfen ist, begegnet keinen Bedenken. Insbesondere hat sich die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens von dem Zweck der Ermächtigung leiten lassen (Art. 40 BayVwVfG), die von der Haltung eines Kampfhundes ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Auch im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 8 LStVG) bestehen hinsichtlich der getroffenen Regelung keine durchgreifenden Bedenken. Insbesondere liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis der Kampfhundehaltung offensichtlich nicht vor, sodass die Legalisierung der Kampfhundehaltung nicht möglich ist. Gemäß Art. 37 Abs. 2 LStVG setzt die Erteilung einer derartigen Erlaubnis u.a. voraus, dass der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Hundehaltung nachweisen kann. Ein solches kann der Kläger aber nicht vorweisen. Aufgrund des Ausnahmecharakters der Erlaubnis, den der Gesetzgeber in Art. 37 Abs. 2 LStVG besonders deutlich hervorgehoben hat, muss das vom Gesetz geforderte Interesse erheblich über dem liegen, was ein durchschnittlicher Hundehalter geltend machen kann. Insbesondere kann ein allgemeines Liebhaberinteresse an der Haltung eines Tieres ein berechtigtes Interesse nicht begründen (vgl. Luderschmid in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand August 2018, Art. 37, Rn. 48). Da der Kläger bislang weder einen Erlaubnisantrag gestellt hat noch Ausführungen zu einem berechtigten Interesse an der Haltung eines Kampfhundes getätigt hat, ist für eine Erlaubnisfähigkeit der Kampfhundehaltung nichts ersichtlich. Die streitgegenständlichen Anordnungen sind auch gegen den richtigen Störer ergangen, denn der Kläger ist als Halter des Hundes Zustandsstörer im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Satz 1 LStVG.
Da es sich bei dem Hund des Klägers um einen Kampfhund i.S.d. § 1 Abs. 1 KampfhundeV handelt, ist auch die Ablehnung der Erteilung eines Negativzeugnisses in Ziffer 1 des Bescheides rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines solchen für seinen Hund „…“. Die Kampfhundeeigenschaft wird bei den in § 1 Abs. 1 KampfhundeV genannten Rassen sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden (sog. Kategorie 1) unwiderlegbar vermutet. Lediglich bei den in § 1 Abs. 2 genannten Rassen (Kategorie 2) wird die Eigenschaft als Kampfhund nur vermutet, solange nicht der zuständigen Behörde für die einzelnen Hunde nachgewiesen wird, dass diese keine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweisen; nur hier kommt also überhaupt die Erteilung eines Negativzeugnisses in Betracht. Da es sich bei dem Hund des Klägers um einen American Staffordshire Terrier und mithin um einen Kampfhund der Kategorie 1 i.S.v. § 1 Abs. 1 KampfhundeV und gerade nicht um einen solchen der Kategorie 2 i.S.v. § 1 Abs. 2 KampfhundeV handelt, scheidet die Möglichkeit der Erteilung eines Negativzeugnisses für diesen schon von vornherein aus.
Schließlich begegnet auch der in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Maulkorbzwang für den Hund des Klägers, welcher sich auf Art. 18 Abs. 2 LStVG stützt, keinen rechtlichen Bedenken. Für Hunde, deren Gefährlichkeit durch konkrete Tatsachen oder Anhaltspunkte belegt ist, kommt neben dem Leinenzwang ein Maulkorbzwang in Betracht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die bloße Leinenpflicht im Innenbereich oder die Anleinpflicht im Außenbereich für den Fall, dass es zu Kontakten mit anderen Personen oder Hunden kommt, zur Gefahrenabwehr nicht ausreichend ist. Die vom Hund des Klägers ausgehende konkrete Gefahr ergibt sich hier bereits aus dessen Zugehörigkeit zur Kategorie 1 des § 1 Abs. 1 KampfhundeV (vgl. insoweit zu Hunden der Kategorie 2 mit nicht bestandenem Wesenstest: Schwabenbauer in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK LStVG, 15. Edition Stand 1.11.2020, Art. 18 Rn. 61). Allein aufgrund dessen muss es der Behörde möglich sein, bis zum Zeitpunkt der Abgabe des Kampfhundes entsprechende Maßnahmen zu treffen.
Da demnach die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 18 Abs. 2 LStVG vorliegen, ist das in dieser Vorschrift normierte Ermessen eröffnet. Dieses Ermessen, das nach § 114 VwGO nur auf das Vorliegen möglicher Ermessensfehler hin zu überprüfen ist, hat die Beklagte fehlerfrei ausgeübt. Weder in Bezug auf das Entschließungsermessen noch hinsichtlich des Auswahlermessens sind Rechtsfehler erkennbar. Auch im Übrigen, so etwa im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, sind Rechtsfehler nicht erkennbar. Ein Maulkorbzwang verstößt nicht von vornherein gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BayVGH, U.v. 5.2.2014 – 10 ZB 13.1645 – juris). Ein zusätzlicher Maulkorbzwang kann angeordnet werden, wenn es im Einzelfall zur effektiven Gefahrenabwehr unabdingbar ist, weil beispielsweise eine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Hund auch angeleint zubeißen oder sich von der Leine losreißen wird. Diese konkrete Gefahr besteht hier, wie dargestellt, bereits aufgrund der entsprechenden Rassezugehörigkeit des klägerischen Hundes.
Auch die für den Fall des Verstoßes gegen den Maulkorbzwang der Ziffer 4 verfügte Zwangsgeldandrohung der Ziffer 7 des streitgegenständlichen Bescheids begegnet keinerlei Bedenken. Gründe, die gegen eine Rechtmäßigkeit dieser Zwangsgeldandrohung sprechen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Ziffern 3 und 6 des streitgegenständlichen Bescheids waren hingegen aufzuheben. Die von der Beklagten gesetzte Frist für die Abgabe des Hundes an eine zuverlässige und berechtigte Person oder an das Tierheim dürfte nicht mehr dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Innerhalb der nach Zustellung des Bescheids verbleibenden Frist von vier Tagen wäre es dem Kläger kaum möglich gewesen, eine zuverlässige Person zu finden, die zur Haltung eines derartigen Hundes berechtigt ist (BayVGH, B.v. 2.4.2019 – 10 CS 19.277 – juris Rn. 22). Gleiches gilt folglich für die Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheids, da an der Vollstreckung einer rechtswidrigen Abgabeverfügung kein Interesse bestehen kann.
Nach alldem ist der Bescheid in den Ziffern 3 und 6 aufzuheben und im Übrigen die Klage abzuweisen.
Die Kostenverteilung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Hierbei war zu berücksichtigen, dass der Bescheid im Wesentlichen aus vier Anordnungen (Ablehnung des Negativzeugnisses, Haltungsuntersagung, Abgabeverfügung, Maulkorbzwang) bestand, von welchen der Kläger eine (Abgabeverfügung) mit seiner Klage zu Fall gebracht hat. Die Anordnung des Sofortvollzugs (Ziffer 5), die Zwangsmittelandrohungen (Ziffern 6 und 7) sowie die behördliche Kostenentscheidung (Ziffer 8) wirkten sich nicht auf die Kostenentscheidung des Gerichts aus, da diese auch nicht streitwerterhöhend wirken (vgl. insoweit etwa Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen


Nach oben