Medizinrecht

Kein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis betreffend Mazedonien

Aktenzeichen  W 1 K 14.30620

Datum:
22.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7

 

Leitsatz

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann sich aus der Gefahr ergeben, dass sich eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Krankheit eines ausreisepflichten Ausländers durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG). Eine krankheitsbedingte zielstaatsbezogene Gefahr kann insbesondere dann vorliegen, wenn die Behandlungsmöglichkeiten der Krankheit im Zielstaat unzureichend sind (wie BVerwG BeckRS 2007, 20389)oder im Einzelfall daraus, dass der erkrankte Ausländer eine an sich verfügbare medizinische Behandlung im Zielstaat nicht erlangen kann. (red. LS Clemens Kurzidem)
Bei der Feststellung eines krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses ist zu beachten, dass nach § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG n.F. kein Anspruch auf eine mit der Versorgung im Bundesgebiet gleichwertige medizinische Versorgung im Zielstaat besteht und dass nach § 60 Abs. 7 S. 4 AufenthG n.F. eine ausreichende medizinische Versorgung auch dann gewährleistet ist, wenn sie nur in einem Teil des Staatsgebiets, nicht hingegen landesweit zur Verfügung steht. (red. LS Clemens Kurzidem)
Beruft sich ein Ausländer zur Begründung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots auf eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), ist vom Gericht unter Mitwirkung der Beteiligten nach § 86 Abs. 1 VwGO das Vorliegen eines traumatisierenden Ereignisses zu ermitteln. Diese Feststellung unterliegt nicht der Beurteilung durch die den Betroffenen begutachtende Fachärzte. (red. LS Clemens Kurzidem)
Eine rezidivierende depressive Störung ist in Mazedonien behandelbar und die Behandlung im öffentlichen Gesundheitssystem auch für einen mittellosen Auslandsrückkehrer zugänglich, sofern er sich entsprechend registrieren und als Arbeitsloser krankenversichern lässt.  (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 30. Oktober 2014 ist daher insoweit rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.
Hinsichtlich des Klägers zu 1) liegen die Voraussetzungen eines krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG n. F. nach der Überzeugung des Gerichts nicht vor.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Ein solches Abschiebungsverbot kann sich auch aus der Gefahr ergeben, dass sich eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i. d. F. des Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Beschleunigung von Asylverfahren vom 11. März 2016 – BGBl. I S. 390, in Kraft getreten am 12.3.2016 – AufenthG n. F.). Unter den vorgenannten Voraussetzungen kann sich eine krankheitsbedingte zielstaatsbezogene Gefahr daraus ergeben, dass die Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat der Abschiebung unzureichend sind (BVerwG, U. v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – NVwZ 2007, 12 ff.) oder im Einzelfall auch daraus, dass der erkrankte Ausländer eine an sich im Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung tatsächlich nicht erlangen kann. Dies kann zum einen der Fall sein, wenn im Herkunftsstaat des Ausländers eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit wegen des geringen Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Zum anderen kann sich ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betreffende Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann, z. B. wenn eine notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (BVerwG, U. v. 29.10.2002 – 1 C 1/02 – DVBl. 2003, 463). Dabei ist jedoch zu beachten, dass – auch an Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK gemessen – kein Anspruch auf eine mit der Versorgung im Bundesgebiet gleichwertige medizinische Versorgung im Zielstaat besteht (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG n. F.; EGMR, U. v. 7.10.2004 – Dragan, 33743/03 – NVwZ 2005, 1043 ff.; BVerwG, U. v. 25.11.1997 – 9 C 58/96 – juris Rn. 7). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt des Weiteren in der Regel auch dann vor, wenn sie nur in einem Teil des Zielstaates gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG n. F.).
Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf den Kläger zu 1) nicht vor, weil dieser nicht an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), sondern an einer rezidivierenden depressiven Störung, derzeit leichte bis mittelgradige Episode leidet, die zumindest überwiegend persönlichkeitsbedingt ist und mithin nicht überwiegend auf einem traumatischen Ereignis beruht, weshalb keine erhebliche und konkrete Gefahr der Retraumatisierung im Falle der Rückkehr des Klägers in sein Herkunftsland Mazedonien besteht (1.1). Die beim Kläger zu 1) vorliegende Erkrankung ist in Mazedonien auch behandelbar; die erforderliche Behandlung ist ihm dort auch zugänglich (1.2).
1.1
Beruft sich ein Ausländer zur Begründung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes auf eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), so ist zunächst zu ermitteln, ob dieser Störung ein tatsächlich stattgefundenes traumatisierendes Ereignis zugrunde liegt. Denn die Frage, ob ein traumatisierendes Ereignis stattgefunden hat, unterliegt nicht der Einschätzung der begutachtenden Fachärzte, die in der Regel nach eigener Einschätzung der Glaubwürdigkeit sowie nach einer Plausibilitätsprüfung die Sachverhaltsdarstellung des Probanden ihrer Diagnose zugrunde legen. Vielmehr ist die Feststellung des traumatisierenden Ereignisses als Tatsache vom Verwaltungsgericht nach § 86 Abs. 1 VwGO unter Mitwirkung der Beteiligten zu ermitteln (BayVGH, B. v. 17.10.2012 – 9 ZB 10.30390 – juris Rn. 7 ff.).
Das Gericht hat aufgrund des Vortrags der Kläger zu 1) und 2) in der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie in der informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit des als traumatisierendes Ereignis angegebenen Geschehens, das die Kläger schlüssig und im Wesentlichen widerspruchsfrei dargestellt haben. In Anbetracht der auch aus den vorliegenden Erkenntnismitteln hervorgehenden Benachteiligungen der Volkszugehörigen der Roma in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens in Mazedonien erscheint ein derartiges Geschehen auch nicht realitätsfern. Es ist daher nach der Überzeugung des Gerichts davon auszugehen, dass als traumatisierendes Ereignis ein gewalttätiger Übergriff von fünf albanischen Volkszugehörigen auf den Kläger zu 1) infolge eines Verkehrsunfalles, bei dem die Klägerin zu 2) schwer verletzt wurde, und die auf diesen gewaltsamen Übergriff folgenden Bedrohungen und Anfeindungen durch Albaner in Betracht zu ziehen sind.
Das Gericht ist jedoch auf der Grundlage der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und insbesondere des Gutachtens des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. M., Gutachtensabteilung des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin …, vom 21. Januar 2016 nicht davon überzeugt, dass der Kläger zu 1) an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet.
Zwar wird in den für den Kläger zu 1) vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen, insbesondere des Bezirkskrankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin … vom 17. Juni 2015 und 9. Juli 2015 eine PTBS diagnostiziert. Diese ärztlichen Stellungnahmen der Institutsambulanz wurden anlässlich von ambulanten Behandlungen des Klägers zu 1) in der genannten Klinik erstellt. Das Gericht ist jedoch aufgrund des von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie aufgrund persönlicher Untersuchung des Klägers zu 1) unter Berücksichtigung der o.g. ärztlichen Stellungnahmen erstellten Gutachtens zu der Überzeugung gelangt, dass beim Kläger zu 1) keine PTBS vorliegt, jedoch eine rezidivierende depressive Störung, aus der sich aber keine Gefahr der Retraumatisierung im Falle einer freiwilligen oder erzwungenen Rückkehr des Klägers zu 1) in das Herkunftsland ergibt. Das Gericht räumt insoweit dem von einem unabhängigen Sachverständigen aufgrund einer ausführlichen, mehrstündigen Begutachtung erstatteten Gutachten einen höheren Beweiswert ein als den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte.
Das Sachverständigengutachten genügt den an derartige Gutachten zu stellenden Anforderungen in jeder Hinsicht und ist in sich schlüssig, nachvollziehbar und auch im Ergebnis überzeugend. Der Sachverständige hat den Kläger persönlich unter Hinzuziehung eines Sprachmittlers untersucht. Er hat zunächst eine Familienanamnese sowie eine biografische Anamnese, sodann eine somatische und eine psychiatrische Anamnese aufgrund der persönlichen Angaben des Klägers erhoben. Es wurden auch eine Medikamentenanamnese, eine Genussmittel- und Suchtanamnese sowie eine Beziehungs- und Sexualanamnese vorgenommen. Die forensische Anamnese hat keine Auffälligkeiten ergeben, der Kläger hatte Gelegenheit, eigene Angaben zum Gegenstand des vorliegenden Gerichtsverfahrens zu machen. Es wurden sodann eine körperliche Untersuchung des Klägers durchgeführt sowie der psychopathologische Befund erhoben. Der Sachverständige hat sich außerdem mit den im gerichtlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen in seiner eigenen Beurteilung auseinandergesetzt.
Auf der Grundlage dieser Untersuchungen und Beurteilungen hat der Sachverständige sodann das Vorliegen der Kriterien einer PTBS in Abgrenzung von anderen psychischen Störungen überprüft. Im Vordergrund stand dabei anlässlich der aktuellen Untersuchung ein ängstlich-depressives Bild mit Störung der Affekt- und Impulssteuerung. Insbesondere die zeitliche Einordnung des Auftretens dieser Symptomatik sei nicht mit einer posttraumatischen Belastungsreaktion in Einklang zu bringen. Diese entstehe als Reaktion auf ein belastendes Ereignis, das im Falle des Klägers zu 1) in Form des körperlichen Übergriffs im Jahr 2011 stattgefunden habe. Eine reaktive psychische Symptomatik sei aber zunächst nicht erfolgt, vielmehr habe er ein Jahr später selbst als Angreifer agiert, was beispielsweise auch nicht mit einem diesbezüglichen Vermeidungsverhalten vereinbar sei. Die festgestellten Symptome seien den vorliegenden Informationen zufolge erst im Jahr 2014 nach der Einreise nach Deutschland entstanden, mithin drei Jahre nach dem als traumatisierend geschilderten Ereignis. Die Symptome seien daher nicht mit dem traumatisierenden Ereignis in Verbindung zu bringen, sondern mit einer biografisch ableitbaren Persönlichkeitsproblematik mit nunmehr depressiver Dekompensation im Rahmen der Änderung der Lebensumstände und der notwendigen Anpassung an neue Anforderungen (Seite 33/34 des Gutachtens). Nach der aktuell gültigen internationalen Klassifikation psychischer Störungen, der ICD-10, sei eine rezidivierende depressive Störung, zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung leichte bis mittelgradige Episode, zu diagnostizieren (ICD-10: F33.0 bzw. F33.1). Weiterhin liege bei dem Kläger zu 1) eine Persönlichkeitsakzentuierung mit insbesondere emotional instabilen und histrionen Zügen vor. Diese Diagnose wird sodann durch den Sachverständigen anhand der allgemeinen Kennzeichen bzw. Funktionsbeeinträchtigungen des bei dem Kläger zu 1) vorliegenden Störungsbildes ausführlich beschrieben (Seite 35/37 des Gutachtens).
Nach der diagnostischen Einordnung und der Darstellung der damit verbundenen allgemeinen Funktionsbeeinträchtigungen stellt der Sachverständige sodann die speziellen Auswirkungen hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit einer Rückkehr des Klägers zu 1) in das Herkunftsland dar. Bei traumatogenen Störungen könne der Aufenthalt im Zielland zu einer massiven Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen, was sich bereits aus der inneren Logik des traumatischen Geschehens ergebe. Eine Umgebung, die Intrusionen stimuliere und die Möglichkeit des Vermeidungsverhaltens nehme, könne zur Retraumatisierung oder zu einer massiven Verschlechterung des Gesundheitszustandes bis hin zur Selbstmordgefahr führen, auch wenn keine objektive Gefährdung vorliege. Beim Kläger liege eine rezidivierende depressive Störung vor bei Persönlichkeitsakzentuierung mit vornehmlich emotional instabilen und histrionen Zügen. Im Falle des Klägers zu 1) könne eine traumatogene Störung nicht abgeleitet werden, vielmehr liege eine rezidivierend depressive Symptomatik vor nach psychischer Dekompensation bei prädisponierenden lebensgeschichtlich begründbaren Faktoren, so dass sich eine weitere Diskussion der Retraumatisierungsgefahr erübrige.
Auf dieser Grundlage kommt der Sachverständige zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass das beim Kläger zu 1) vorliegende Störungsbild nicht direkt mit einer Traumatisierung im Sinne einer PTBS in Verbindung zu bringen sei, daher könne im Falle einer Rückkehr nach Mazedonien auch keine konkrete Gefahr einer alsbaldigen Retraumatisierung angenommen werden.
Diesen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen schließt sich das Gericht an.
1.2
Die bei dem Kläger zu 1) vorliegende rezidivierende depressive Störung ist in Mazedonien auch behandelbar. Des Weiteren ist dem Kläger zu 1) die erforderliche Behandlung dort auch zugänglich.
In Mazedonien können psychiatrische Erkrankungen aller Art behandelt werden. Es gibt sowohl stationäre als auch ambulante Behandlungsmöglichkeiten. So bestehen in Skopje neben der psychiatrischen Abteilung des Universitätsklinikums ein weiteres Krankenhaus für Psychiatrie sowie die Privatkliniken, die Behandlungsmöglichkeiten anbieten. Insgesamt gibt es in Mazedonien drei staatliche Psychiatrien, die jeweils für eine Region des Landes zuständig sind. Daneben bieten die Allgemeinkrankenhäuser Behandlungsmöglichkeiten und es besteht die Möglichkeit ambulanter Behandlungen (vgl. Deutsche Botschaft Skopje, Auskunft an das Bundesamt vom 16.3.2010; Auskunft an das Bundesamt vom 22.11.2010; Auskunft an das Bundesamt vom 30.3.2015). Es ist im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG n. F.). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG n. F.).
Diese in Mazedonien mögliche und ausreichende medizinische Versorgung ist dem Kläger zu 1) auch tatsächlich zugänglich. In Mazedonien existiert als gesetzliche Krankenversicherung der Health Insurance Fund of Macedonia (FZO – Gesundheitsfond). Faktisch ist der Großteil der mazedonischen Bevölkerung über den FZO krankenversichert. Nur wenige Mazedonier zahlen als Privatpatienten die ärztliche Behandlung selbst. Jeder offiziell registrierte Bürger Mazedoniens kann in den Genuss des Versicherungsschutzes kommen, entweder als Arbeitnehmer (auch Arbeitnehmer im Ausland), als Rentner, als Arbeitsloser, als Empfänger von Sozialhilfe oder im Rahmen der Familienversicherung (vgl. Deutsche Botschaft Skopje, Auskunft an das VG Braunschweig vom 9.4.2014). Der Zugang zum öffentlichen Gesundheitswesen hängt in Mazedonien nicht vom Besitz eines Reisepasses ab. Eine Sperrung der Sozialhilfeleistungen erfolgt bei längerem Aufenthalt im Ausland nicht (vgl. VG Augsburg, U. v. 10.11.2014 – Au 5 K 14.30379 – juris). Sozialleistungen müssen allerdings nach Rückkehr neu beantragt werden; die damit verbundene Prüfung kann mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Personen, die der monatlichen Meldepflicht infolge Ausreise nicht nachgekommen sind, können einen Neuantrag auf Sozialhilfe allerdings erst nach einer Wartezeit von sechs Monaten stellen (Auswärtiges Amt, Lagebericht Mazedonien, Stand: August 2015, Seite 10 f.). Die Rückkehr in das öffentliche Gesundheitssystem ist demgegenüber problemlos möglich. Es gibt keine Wartefristen für die Wiedereingliederung nach längerer Abwesenheit (Lagebericht a. a. O., Seite 10, 12). Für Arbeitslose sind lediglich die erneute Anmeldung beim Arbeitsamt und die Vorlage der entsprechenden Bescheinigung bei den Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens notwendig. Auch für mittellose Rückkehrer aus dem Ausland besteht die Möglichkeit einer kostenfreien Krankenbehandlung und Medikamentenversorgung, sofern sie sich entsprechend registrieren und in der Kategorie für Arbeitslose krankenversichern lassen (Auskunft der Deutschen Botschaft Skopje an das Bundesamt vom 22.11.2010; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Bayreuth vom 9.9.2014). Der Zugang zum öffentlichen Gesundheitswesen ist somit in Mazedonien unabhängig vom Zugang zur Sozialhilfe. Das Grundleistungspaket der Krankenversorgung ist sehr breit gefächert und umfasst fast alle medizinischen Leistungen, abgesehen von einigen Ausnahmen wie z. B. schönheitschirurgische Eingriffe oder homöopathische Medizin. Es deckt sowohl ambulante als auch stationäre Behandlungen ab, eingeschlossen Rehabilitationsmaßnahmen und physiotherapeutische Maßnahmen sowie Palliati. V. m.edizin. Eine psychotherapeutische Behandlung wird durch das Grundleistungspaket des FZO abgedeckt (vgl. Deutsche Botschaft Skopje, Auskunft an das Bundesamt vom 16.3.2010; Auskunft an das Bundesamt vom 22.11.2010; Auskunft an das Bundesamt vom 30.3.2015). Im Durchschnitt betragen die Eigenanteilszuzahlungen rund 11%, das entspricht für eine normale Untersuchung beim Hausarzt einem Eigenanteil von etwa 1,00 EUR pro Untersuchung. Krankenhauskosten belaufen sich jährlich auf maximal 100,00 EUR Eigenanteil, Psychiatriepatienten sind von Eigenanteilszahlungen befreit (Auskunft der Deutschen Botschaft Skopje an das VG Braunschweig vom 9.4.2014). Damit ist für den Kläger zu 1) selbst bei Mittellosigkeit der Zugang zur erforderlichen medizinischen Behandlung eröffnet.
1.3
Auch im Übrigen haben die Kläger keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten. Die obigen Ausführungen gelten entsprechend auch für die bei der Klägerin zu 2) vorliegende Diabeteserkrankung.
Für die übrigen Kläger wurden keine eigenen Abschiebungsverbote geltend gemacht.
3.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
4.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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