Medizinrecht

Keine Abschiebungsverbote bei fehlender akut drohender Verschlechterung einer Krankheit

Aktenzeichen  Au 6 K 18.31423

Datum:
8.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 274
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
AsylG § 83b, § 77 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Das Abschiebungsverbot i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 2  AufenthG wegen einer zielstaatsbezogenen erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen wegen einer terminalen Niereninsuffizienz eines armenischen Staatsangehörigen liegt nicht vor, da mit keiner akut drohenden wesentlichen Verschlimmerung der Erkrankung zu rechnen ist. (Rn. 21 – 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Die Kläger haben zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Feststellung zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter teilweiser Aufhebung von Ziffern 4 bis 6 des angefochtenen Bescheids vom 8. August 2018 (§ 113 Abs. 5 VwGO). Daher ist dieser Bescheid rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Nachdem die Kläger ihre Klagen in Ziffer III ihrer Klageschrift auf die Feststellung von Abschiebungsverboten beschränkt haben und die Klagefrist im Übrigen abgelaufen ist, sind die Ablehnung der Anerkennung als Asylberechtigte sowie die Ablehnung internationalen Schutzes bereits bestandskräftig.
2. Soweit die Kläger die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Armeniens in Ziffer II und Ziffer III ihrer Klageschrift begehren, ist die Klage unbegründet.
a) Ein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG wegen einer zielstaatsbezogenen erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen setzt eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung voraus, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung und die mit einer Erkrankung verbundenen Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge fehlender Behandlungsmöglichkeiten im Abschiebezielstaat verschlimmern, ist in der Regel als am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfende individuelle Gefahr einzustufen (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – juris Rn. 15). Die Gesundheitsgefahr muss erheblich sein; die Verhältnisse im Abschiebezielstaat müssen also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität, etwa eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, erwarten lassen. Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) mit Wirkung vom 17. März 2016 geänderten Fassung nachgezeichnet (vgl. NdsOVG, B.v. 19.8.2016 – 8 ME 87.16 – juris Rn. 4). Nach dieser Bestimmung liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden.
Erforderlich für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, dass also eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, a.a.O.).
Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, in die Beurteilung der Gefahrenlage mit einzubeziehen. Solche Umstände können darin liegen, dass eine notwendige ärztliche Behandlung oder Medikation für die betreffende Krankheit in dem Zielstaat wegen des geringeren Versorgungsstandards generell nicht verfügbar ist. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich trotz grundsätzlich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen persönlichen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, U. v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – juris Rn. 9).
Diese Anforderungen sind auch mit Art. 3 EMRK vereinbar: Krankheitsbedingte Gefahren können ausnahmsweise die Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllen. Solche Ausnahmefälle können vorliegen, wenn eine schwerkranke Person durch die Aufenthaltsbeendigung auch ohne eine unmittelbare Gefahr für ihr Leben schon wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Aufnahmeland oder weil sie dazu keinen Zugang hat, tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wird, dass sich ihr Gesundheitszustand schwerwiegend, schnell und irreversibel verschlechtert mit der Folge intensiven Leids oder einer erheblichen Herabsetzung der Lebenserwartung (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 183). Solche Gesundheitsgefahren muss der Ausländer allerdings mit ernst zu nehmenden Gründen geltend machen und daraufhin der Konventionsstaat sie in einem angemessenen Verfahren sorgfältig prüfen, wobei die Behörden und Gerichte des Konventionsstaats die vorhersehbaren Folgen für den Betroffenen im Zielstaat, die dortige allgemeine Situation und seine besondere Lage berücksichtigen müssen, ggf. unter Heranziehung allgemeiner Quellen wie von Berichten der Weltgesundheitsorganisation oder angesehener Nichtregierungsorganisationen sowie ärztlicher Bescheinigungen über den Ausländer (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 186 f. m.w.N.). Dies mündet in eine Vergleichsbetrachtung der Folgen einer Abschiebung für den Betroffenen durch einen Vergleich seines Gesundheitszustands vor der Abschiebung mit dem, den er nach Abschiebung in das Bestimmungsland haben würde. Maßgeblich ist eine nur ausreichende Behandlung, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu verhindern, nicht, ob die medizinische Versorgung im Zielstaat der medizinischen Versorgung im Konventionsstaat mindestens gleichwertig ist, denn Art. 3 EMRK garantiert kein Recht, im Zielstaat eine besondere Behandlung zu erhalten, welche der Bevölkerung nicht zur Verfügung steht (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 188 f. m.w.N.). Die erforderliche Prüfung umfasst auch, inwieweit der Ausländer tatsächlich Zugang zu der Behandlung und den Gesundheitseinrichtungen im Zielstaat hat, wobei die Kosten für Medikamente und Behandlung berücksichtigt werden müssen, ob ein soziales und familiäres Netz besteht und wie weit der Weg zur erforderlichen Behandlung ist (ebenda Rn. 190 m.w.N.). Wenn nach dieser Prüfung ernsthafte Zweifel bleiben, ist Voraussetzung für die Abschiebung, dass der abschiebende Staat individuelle und ausreichende Zusicherungen des Aufnahmestaats erhält, dass eine angemessene Behandlung verfügbar und für den Betroffenen zugänglich sein wird, so dass er nicht in eine Art. 3 EMRK widersprechende Lage gerät (ebenda Rn. 191).
Der sich auf eine seiner Abschiebung entgegenstehende Erkrankung berufende Ausländer muss diese durch aussagekräftige, nachvollziehbare Atteste, die klare Diagnosen stellen und Aufschluss über die konkrete Therapie und mögliche Folgen einer unzureichenden Behandlung geben, glaubhaft machen (BayVGH, B.v. 27.11.2017 – 9 ZB 17.31302 – juris Rn. 4). Aus dem vorgelegten Attest muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage die Diagnose gestellt wurde und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen ärztlichen Befunde bestätigt werden. Zudem sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben.
b) Dies vorausgesetzt hat der Kläger zu 1 keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter teilweiser Aufhebung von Ziffern 4 bis 6 des angefochtenen Bescheids vom 8. August 2018.
aa) Ausweislich der vorgelegten Atteste ist der Kläger zu 1 an einer terminalen Niereninsuffizienz erkrankt, bedurfte bereits von September 2017 bis April 2018 der dreimalig wöchentlichen Dialyse und bedarf weiterhin zusätzlicher Medikation.
Ausweislich der vorgelegten qualifizierten Atteste leidet der Kläger zu 1 an einer terminalen Niereninsuffizienz und war bis zum April 2018 auf Dialyse mehrfach pro Woche angewiesen. Ein Abbruch der Dialyse hätte den Tod des Klägers zu 1 zur Folge (Frau …, …. Krankenhaus, Attest vom 1.12.2017, VG-Akte Bl. 28 f.). Der Kläger zu 1 leidet daher an einer lebensbedrohlichen Erkrankung, die bei Abbruch der Behandlung in Form der Dialyse alsbald zum Tod des Klägers zu 1 geführt hätte.
Diese letale Prognose gilt aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) unter Berücksichtigung des aktuellen Attests (Frau Dr., Internistin/Nephrologin, Attest vom 4.9.2019, VG-Akte Bl. 68; bestätigt durch Herr Dr., Facharzt für Allgemeinmedizin, Attest vom 7.1.2020, VG-Akte Bl. 81), wonach u.a. die chronische Niereninsuffizienz Stadium 3- 4 bestätigt und die aktuelle Medikation (Torasemid 20 mg 1-0-0-0, Amlodipin 6,93 mg bzw. 5 mg 2-0-0-0, Doxazosin 4,85 mg bzw. 4 mg bei Bedarf und Colecalciferol 1x wöchentlich) mitgeteilt wird, nicht mehr. Der Kläger sei von September 2017 bis April 2018 dialysepflichtig gewesen; seither Dialyseauslass. Auch wenn sich die Laborwerte nicht verschlechtert hätten, bestehe die Gefahr einer erneuten Dialysepflichtigkeit weiterhin. Daher sollte jederzeit eine Dialyse durchgeführt werden können, sonst könne die Erkrankung tödlich verlaufen.
Danach besteht derzeit zwar keine akute, aber latente Dialysepflichtigkeit und ein fortdauernder medikamentöser Therapiebedarf, die jedoch für die Feststellung einer alsbald nach der Rückkehr des Ausländers drohenden wesentlichen Verschlimmerung der Erkrankung nicht ausreichen.
bb) Es ist zwar unter Würdigung der Auskunftslage nicht davon auszugehen, dass dem Kläger zu 1 die – tatsächlich verfügbare – Behandlung seiner terminalen Niereninsuffizienz im Heimatland Armenien aus finanziellen Gründen so zugänglich wäre, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nicht in einer Weise verschlimmerte, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führte, würde er – anders als derzeit – in Armenien wieder dialysebedürftig werden.
Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17. April 2018 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Lagebericht S. 19) besteht kein staatliches Krankenversicherungssystem. Die primäre medizinische Versorgung ist wie früher grundsätzlich kostenfrei und flächendeckend gewährleistet. Anders als zu Zeiten der vormaligen UdSSR gilt dies allerdings nur noch eingeschränkt für die sekundäre und die tertiäre medizinische Versorgung. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden ist. Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der meisten Familien bei weitem. Ein Grundproblem der staatlichen medizinischen Fürsorge ist die nach wie vor bestehende Korruption auf allen Ebenen und die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals. Die Dialysebehandlung erfolgt grundsätzlich kostenlos. Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze ist zwar beschränkt, aber gegen Zahlung von 35 USD (ca. 16.607 Dram) pro Sitzung ist eine Behandlung jederzeit möglich. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch im geringen Umfang zuzahlen. Die Dialysebehandlung ist u.a. in fünf Krankenhäusern in Eriwan möglich. Problematisch ist die Verfügbarkeit von Medikamenten. Nicht immer sind alle Präparate vorhanden, obwohl viele Medikamente in Armenien in guter Qualität hergestellt und zu einem Bruchteil der in Deutschland üblichen Preise verkauft werden. Importierte Medikamente sind dagegen überall erhältlich und ebenfalls billiger als in Deutschland, für die Einfuhr ist eine Genehmigung durch das Gesundheitsministerium erforderlich.
Die Kläger machen hierzu geltend: Als Schuster und Reinigungskraft hätten sie 120.000 Dram bzw. 70.000 Dram verdient; ihre wirtschaftliche Situation sei eher schlecht gewesen (BAMF-Akte Bl. 100). Im Krankenhaus sei die Dialyse sehr schlecht gewesen. Obwohl behauptet würde, dass die Dialysebehandlung in Armenien kostenfrei sei, habe allein der Katheter 50.000 Dram gekostet. Weitere 180.000 Dram habe der Kläger zu 1 dafür zahlen müssen, dass er einen Monat lang jeden zweiten Tag eine Dialyse erhalten habe sowie weitere 31.000 Dram für die Arzneimittel zur Behandlung seiner Hepatitis B. Die Dialysemedikamente Ramipril, Amlodipin und Calcium seien kostenfrei gewesen; die erforderlichen Vitamine habe man indes teilweise selbst bezahlen müssen (ebenda Bl. 167). Sein Cousin aus Russland habe dem Kläger zu 1 zur Finanzierung der Behandlung 30.000 Rubel geschickt, außerdem hätten ihn seine Arbeitskollegen und Nachbarn unterstützt. Eine Anerkennung als Behinderter hätte ihm monatlich nur 20.000 Dram eingebracht, weswegen man keinen Antrag gestellt habe. Sie hätten sonst keine Probleme mit staatlichen Stellen oder mit Privatpersonen in Armenien und seien nur wegen der medizinischen Behandlung des Klägers zu 1 gekommen, da die Ärzte eine Einreise in die Bundesrepublik empfohlen hätten (ebenda Bl. 101 f., 164). Der Kläger zu 1 könne seit August 2017 nicht mehr arbeiten; er sei schon müde, wenn er etwas laufe; das Treppensteigen falle ihm schwer. Diesen Vortrag haben sie in der mündlichen Verhandlung teils vertieft und teils korrigiert, insoweit er seit einiger Zeit vollzeitig erwerbstätig sei (Protokoll vom 8.1.2020 S. 2 ff.).
Insofern ist nach derzeitiger Auskunftslage davon auszugehen, dass der Kläger zu 1 in Armenien die erforderlichen Medikamente für seine Dialyse kostenlos wie zuvor würde erhalten können, jedoch nicht die (informellen) Zuzahlungen für die – in der Vergangenheit – drei Mal wöchentlich erforderlichen Dialyse-Behandlungen von monatlich insgesamt 180.000 Dram (nach Wechselkurs etwa 325 Euro) würde aufbringen können. Ob die Hepatitis-Medikamente kostenlos oder unter Zuzahlung erhältlich sind, ist nicht entscheidungserheblich, da die Hepatitis derzeit nach Attestlage nicht behandlungsbedürftig ist und im Bundesgebiet auch nicht behandelt wird (Frau …, … Krankenhaus, Attest vom 1.12.2017, VG-Akte Bl. 28 f.; Protokoll vom 8.1.2020 S. 4):
Auch wenn der Kläger zu 1 eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands in Armenien bis hin zu einer erneuten Dialysebedürftigkeit befürchtet (Protokoll vom 8.1.2020 S. 2 ff.), ist doch derzeit angesichts der seit eindreiviertel Jahren stabilisierten gesundheitlichen Verfassung des Klägers zu 1 im vorliegenden Fall nicht von einer akut drohenden wesentlichen Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Klägers zu 1 nach Armenien mit der Folge einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben auszugehen. Ausweislich auch des jüngsten Attests (Herr Dr., Facharzt für Allgemeinmedizin, Attest vom 7.1.2020, VG-Akte Bl. 81) ist die zur heutigen chronische Niereninsuffizienz Stadium 3 -4 und der von September 2017 bis April 2018 dauernden und erfreulicherweise vorübergegangenen dialysepflichtigen Niereninsuffizienz führende renale Grunderkrankung unklar geblieben. Eine belastbare zeitliche Prognose, ob und wann der Kläger wieder dialysebedürftig werden könnte, kann seitens der behandelnden Ärzte gerade nicht gestellt werden. Damit besteht zwar eine latente Gefahr, dass die Erkrankung des Klägers zu 1 auch kurzfristig nach der Rückkehr in den Herkunftsstaat wieder in eine akute Dialysepflichtigkeit umschlagen kann, aber keine konkret belegbare Gefahr im Sinne einer alsbald nach einer Rückkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Verschlechterung im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG.
Eine medikamentöse Behandlung wie derzeit in Deutschland ist auch in Armenien sichergestellt; insbesondere hat der Kläger die Dialysemedikamente Ramipril, Amlodipin und Calcium bereits in Armenien nach eigenen Angaben kostenfrei erhalten, nur die erforderlichen Vitamine habe man indes teilweise selbst bezahlen müssen (BAMF-Akte Bl. 167). Von einer erheblichen konkreten Gefahr aus gesundheitlichen Gründen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, ist derzeit also nicht auszugehen.
c) Die Klägerin zu 2 hat keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 AufenthG.
Die kinderlose Klägerin zu 2 ist erwerbsfähig und hat schon in der Vergangenheit ihren Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit gesichert. Ihr Ehemann verfügt in Armenien über eine Eigentumswohnung (ihre ehemalige Ehewohnung), so dass sie und der Kläger zu 1 über eine Unterkunft in Armenien verfügen. Des Weiteren leben ihre Eltern sowie die Großfamilie ihres Ehemannes in Armenien; ein soziales Netzwerk ist damit ebenfalls vorhanden. Eine schwerwiegende oder gar lebensbedrohliche Erkrankung der Klägerin zu 2 wurde nicht durch Vorlage qualifizierter Atteste glaubhaft gemacht. Mithin bestehen keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Klägerin ihr Existenzminimum in Armenien wird sichern können; eine Verletzung von Art. 3 EMRK ist nicht ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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