Medizinrecht

Keine Beihilfeleistung für Heilkräutertherapie der Traditionellen Chinesischen Medizin

Aktenzeichen  B 5 K 16.272

Datum:
19.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 142331
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBhV § 22 Abs. 2 Nr. 3
BBhV § 6 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Bei der Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin handelt es sich um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode iSd § 6 Abs. 2 BBhV (ebenso VGH BW BeckRS 2010, 52282). Dies schließt aber eine Beihilfefähigkeit nicht grundsätzlich aus. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Behandlung mit einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Heilmethode ist in angemessener Höhe beihilfefähig, wenn sie nach ernst zu nehmender Auffassung Aussicht auf Erfolg bietet, sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung der diagnostizierten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, wenn im Einzelfall das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches Verfahren bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist (ebenso BVerwG BeckRS 2011, 47873). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos.
Die Beihilfebescheide der Beklagten vom 30. Oktober 2014 (…), vom 30. Oktober 2014 (…), vom 18. Dezember 2014 (…), vom 18. Dezember 2014 (…), vom 21. Januar 2015 (…), vom 18. Februar 2015 (…) und vom 31. März 2015 (…) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO. Diese hat keinen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen. Zur Begründung nimmt das Gericht auf die zutreffenden Gründe des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 2017 Bezug und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend sei auf Folgendes hingewiesen:
1. Der Erstattungspflicht der Aufwendungen steht für alle die Rezepturen, in denen nicht die Substanz R. Aconiti lat. praep. enthalten ist, § 22 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 1 Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) entgegen.
Nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 BBhV sind zwar Aufwendungen für ärztlich oder zahnärztlich nach Art und Umfang schriftlich verordnete oder während einer Behandlung verbrauchte Arzneimittel nach § 2 des AMG, die apothekenpflichtig sind, beihilfefähig. Nach § 22 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 1 BBhV sind aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht beihilfefähig, es sei denn, es greift einer der Ausnahmebestände des § 22 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 2 Buchst. a bis c ein. Da dies hier unstreitig nicht der Fall ist, ist für die im Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2017 genannten Belege bereits aus diesem Grund eine Beihilfefähigkeit zu verneinen.
2. Unabhängig davon sind die der Klägerin entstandenen Aufwendungen aber deshalb nicht beihilfefähig, da sie nicht notwendig im Sinne der Beihilfevorschriften waren. Nach § 6 Abs. 1 BBhV sind grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen beihilfefähig. Zwar setzt nach § 6 Abs. 2 BBhV die Notwendigkeit von Aufwendungen für Untersuchungen und Behandlungen grundsätzlich voraus, dass diese nach einer wissenschaftlich anerkannten Methode vorgenommen werden. Auch handelt es sich bei der Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode (VGH BW, U.v. 26. Juli 2010 – 10 S 3384/08 – juris Rn. 26). Dies schließt aber eine Beihilfefähigkeit nicht grundsätzlich aus. Zu der Frage der beihilferechtlichen Notwendigkeit der Aufwendungen für die Behandlung mit einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Heilmethode hat das Bundesverwaltungsgericht angenommen, dass derartige Aufwendungen dem Grunde nach notwendig im beihilferechtlichen Sinne und demnach in angemessener Höhe beihilfefähig sind, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung der diagnostizierten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, wenn im Einzelfall, etwa wegen einer Gegenindikation, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches Verfahren bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Unter diesen Voraussetzungen kann sich auch die Behandlung mit einer Heilmethode als notwendig erweisen, die nicht dem allgemeinen Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht, aber nach ernst zu nehmender Auffassung Aussicht auf Erfolg bietet. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn bereits wissenschaftliche, nicht auf Einzelfälle beschränkte Erkenntnisse vorliegen, die attestieren, dass die Behandlungsmethode zur Heilung der Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet ist und wirksam eingesetzt werden kann (BVerwG, B.v. 19.01.2011 – 2 B 76/10 – juris Rn. 7 unter Berufung auf BVerwG U.v. 29.06.1995 – BVerwG 2 C 15.94 – Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 15 und U.v. 18.06.1998 – BVerwG 2 C 24.97 – Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 10).
Nach den vom Bundesverwaltungsgericht genannten Kriterien, nach denen ausnahmsweise die Notwendigkeit einer nicht wissenschaftlich anerkannten Methode angenommen werden kann, kommt hier allenfalls das Kriterium in Betracht, dass ein anerkanntes Heilverfahren bereits ohne Erfolg eingesetzt wurde. Nach obergerichtlicher Rechtsprechung wird hierbei für Heilkräuterzubereitung der Traditionellen Chinesischen Medizin darauf abgestellt, ob der Beihilfeberechtigte sich bereits ausreichend schulmedizinisch hat behandeln lassen und ihm weitere Versuche mit wissenschaftlich anerkannten Heilmethoden nicht zuzumuten waren (VGH BW, U.v. 26. Juli 2010 – 10 S 3384/08 – juris Rn. 34).
Dass die Klägerin sich nicht bereits ausreichend schulmedizinisch hat behandeln lassen, steht zur Überzeugung des Gerichts fest durch die von der Beklagten in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten des Ltd. Medizinaldirektors … vom 15. Februar 2016 und vom 21. April 2017. Diese Gutachten sind in sich stimmig, überzeugend und werfen keine Zweifelsfragen auf, die durch die Einschaltung eines weiteren Gutachters geklärt werden müssten. Aus dem Gutachten sowie den gleichfalls überzeugenden Erläuterungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung, die ebenso wie das Gutachten von der Klägerseite nicht substantiiert in Frage gestellt wurden, ergibt sich in einer Gesamtschau folgendes Bild:
Die augenärztliche Behandlung der Klägerin war durch wissenschaftlich anerkannte Heilmethoden nicht abgeschlossen. Da der Sachverständige aus den vorgelegten Befunden nicht entnehmen konnte, wann der Augendruck von 15 mm Hg des linken Auges und von 13 mm Hg des rechten Auges augenfachärztlich gemessen wurde, gab die Klägerin in der mündlichen Verhandlung selbst zu erkennen, dass sie die Behandlung des Glaukoms parallel in der Augenarztpraxis … durchgeführt habe. Dies zeigt, dass die augenärztliche Behandlung gerade nicht über längere Zeit fehlgeschlagen ist.
Hinsichtlich des Karpaltunnelsyndroms wurde als Befund das Tragen einer Armschiene verordnet, was nach Ausführungen des Sachverständigen eine adäquate Therapie darstellt.
Die gynäkologischen Befunde wurden nicht vorgelegt, so dass auch hier eine ausreichende erfolglose schulmedizinische Behandlung nicht festgestellt werden kann.
Hinsichtlich der Beschwerden der Haut, wurde ein Allergietest durchgeführt. Der Sachverständige konnte anhand der vorgelegten Befunde nicht feststellen, ob die fehlende Wirkung der vorordneten Salben mit dem Hautarzt thematisiert wurde, weshalb der Nachweis über das Fehlschlagen der schulmedizinischen Behandlung von der Klägerin nicht geführt wurde.
Hinsichtlich der Kalkschulter ist nach Auffassung des Sachverständigen aus der vorgelegten Stellungnahme des … zu entnehmen, dass die Behandlung dort abgeschlossen wurde.
Hinsichtlich des Reizdarmsyndroms, des Kopfdrucks, der inneren Unruhe und des Lagerungsschwindels ließ sich die Klägerin nach der Darstellung ihres Klägerbevollmächtigten in der Widerspruchsbegründung vom 21. September 2015 nicht schulmedizinisch behandeln, so dass auch hier nicht von einem Fehlschlagen der schulmedizinischen Behandlung ausgegangen werden kann.
Dadurch, dass sich die Klägerin auch zeitgleich mittels Akupunktur behandeln ließ, kann nach Aussage des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeschlossen werden, dass eventuelle Behandlungserfolge darauf zurückgeführt werden können. Dies ergibt sich zudem aus der Stellungnahme der behandelnden Ärztin vom 18. Mai 2015 hinsichtlich der Beschwerden der Schulter.
Durchgreifende Argumente, die geeignet sein könnten, diese gutachterlichen Feststellungen zu erschüttern, sind nicht zu erkennen. Die Klägerseite ist weder den Gutachten noch den Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung substantiiert entgegengetreten.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
III.
Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel