Medizinrecht

Kontaktbeschränkungen im Gastronomiebetrieb

Aktenzeichen  W 8 S 20.1337

Datum:
18.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 23244
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
IfSG § 28 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage W 8 K 20.1336 wird angeordnet, soweit in Nr. 3 Satz 1 und 2 der Allgemeinverfügung der Stadt W. vom 14. September 2020 ab 22:00 Uhr die Abgabe von Getränken und Speisen mit Ausnahme von alkoholischen Getränken untersagt wird. Die Untersagung der Abgabe alkoholischer Getränke ab 22:00 Uhr bleibt wirksam.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Von den Kosten des Verfahrens haben der Antragsteller 3/4, die Antragsgegnerin 1/4 zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die mit der Allgemeinverfügung „Kontaktbeschränkungen und Alkoholverbot“ der Stadt W. vom 14. September 2020 angeordnete Kontaktbeschränkung in Gastronomiegebieten und die Bewirtungsbeschränkung im Innenstadtbereich.
1. Der Antragsteller betreibt in W. ein Restaurant, welches unter gewöhnlichen Umständen bis 00:00 Uhr geöffnet ist.
Mit Allgemeinverfügung der Stadt W. vom 14. September 2020 wird angeordnet, dass abweichend von § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 6. BayIfSMV in der Fassung vom 8. September 2020 der gemeinsame Aufenthalt im öffentlichen Raum in Gruppen nur noch bis zu maximal fünf Personen zulässig ist, anstatt der bisherigen Regelung von bis zu zehn Personen. § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 3 der 6. BayIfSMV bleiben unberührt (Nr. 1). Ferner wird angeordnet, dass die unter Ziffer 1 dieser Allgemeinverfügung erlassene Kontaktbeschränkung auch in allen Gastronomiebetrieben im Stadtgebiet W. gilt. Als Gastronomiebetriebe gelten erlaubnispflichtige und erlaubnisfreie Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes (Nr. 2). Abweichend von § 13 Abs. 4 und 5 der 6. BayIfSMV ist die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle durch alle Schank- und Speisewirtschaften im Innenstadtbereich – umgrenzt durch den R-park zuzüglich des Gebietes Altes M. bis zur T. (gem. Lageplan Anlage 1) – ab 22:00 Uhr bis zur Betriebsöffnung nach der Sperrstunde untersagt. Abweichend von § 13 Abs. 2 der 6. BayIfSMV ist ab 22:00 Uhr nur noch die Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken als Lieferservice möglich. Die übrigen Regelungen des § 13 der 6. BayIfSMV bleiben unberührt (Nr. 3). Im Bereich Main – vom Gebiet G.-L.-Weiher, M-wiesen inklusive M-kai, Alte M., K-kai und bis zum Parkplatz Alter H. (gem. Lageplan Anlage 2) – ist es ab 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr des Folgetages jedermann untersagt, alkoholische Getränke zu konsumieren oder mit sich zu führen, soweit die Getränke zum dortigen Verzehr bestimmt sind (Nr. 4). Bei Verstoß gegen Ziffer 1. bis Ziffer 4. dieser Allgemeinverfügung kann gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 6 in Verbindung mit Abs. 2 IfSG ein Bußgeld in Höhe von bis zu 25.000,00 EUR festgesetzt werden (Nr. 5). Die sofortige Vollziehung dieser Allgemeinverfügung besteht kraft Gesetzes (Nr. 6). Die Allgemeinverfügung tritt mit Wirkung ab dem 14.09.2020 in Kraft und tritt mit Ablauf des 27.9.2020 außer Kraft (Nr. 7). Die Allgemeinverfügung und ihre Begründung können während der Dienstzeiten in der Fachabteilung Ordnungsaufgaben, D. straße 1, 9… W., 2. Stock, Zimmer 201 eingesehen werden (Nr. 8).
Zur Begründung der Allgemeinverfügung wird insbesondere ausgeführt, die Anordnungen unter Ziffer 1. bis Ziffer 5. würden sich auf § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG stützen. Bei SARS-CoV-2 handle es sich um einen Krankheitserreger im Sinne des § 2 Nr. 1 IfSG, der sich aktuell noch immer in Bayern und auch im Bereich W. verbreite. Im Stadtgebiet W. seien aktuell mehrere Personen nachweislich mit dem Virus infiziert, in der Vergangenheit hätten bereits mehrere Todesfälle verzeichnet werden müssen. Ferner sei der Schwellenwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner der 7-Tage-Inzidenz am 10. September 2020 mehrfach überschritten worden. Vor dem Hintergrund der aktuell dynamischen Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus und Erkrankungen an COVID-19 müssten wirksame Maßnahmen zur Verzögerung der Ausbreitungsdynamik und zur Unterbrechung von Infektionsketten ergriffen werden. Weitreichende effektive Maßnahmen seien dazu dringend notwendig, um im Interesse der Bevölkerung und des Gesundheitsschutzes die dauerhafte Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems in der Stadt W. sicherzustellen. Die unter Ziffer 1. und Ziffer 2. getroffenen Anordnungen würden im Kontext zu den übrigen Maßnahmen zur Kontaktreduzierung sowie der Einhaltung des Mindestabstandes von 1,5 Metern ein wirksames und angemessenes Vorgehen darstellen, um das Ziel einer Entschleunigung und Unterbrechung der Infektionsketten zu erreichen. § 23 Satz 2 der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmeverordnung sehe ausdrücklich vor, dass abseits der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmeverordnung weitere Anordnungen getroffen werden können. Die vorliegende Allgemeinverfügung sei als Teil des Gesamtkonzepts zur Reduzierung infektionsbegünstigender sozialer und persönlicher Kontakte zu betrachten. Angesichts der angestrebten Ziele der Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung für die Gesamtbevölkerung sowie der Verhinderung der Verbreitung des Virus sei die Maßnahme auch verhältnismäßig. Diese Maßnahme trage insbesondere dazu bei, vulnerable Personengruppen zu schützen. Die Maßnahmen nach Ziffer 1. und 2. der Allgemeinverfügung seien dringend notwendig, um im Interesse des Gesundheitsschutzes die dauerhafte Aufrechterhaltung der wesentlichen Funktionen des Gesundheitssystems sowie die öffentliche Sicherheit und Ordnung soweit wie möglich aufrecht zu erhalten. Die großflächige Unterbrechung, Eindämmung bzw. Verzögerung der Ausbreitung des neuen Erregers stelle – über die bereits bayernweit getroffenen Maßnahmen hinaus – das einzig wirksame Vorgehen dar, um diese Ziele zu erreichen. Die kontaktreduzierenden Maßnahmen im öffentlichen Raum sowie in den Gastronomiebetrieben trügen in besonderer Weise dem Phänomen Rechnung, dass einerseits immer mehr jüngere Menschen infiziert seien, aber auch andererseits der durch die Kontrollbehörden erkannten Entwicklung, dass die gegenseitige Rücksichtnahme und das Abstandsgebot dieser Gruppe stark rückläufig sei. Die weitere zahlenmäßige Einschränkung für Zusammenkünfte von Personengruppen im öffentlichen Raum sowie in den Gastronomiebetrieben seien aktuell das einzig wirksame Mittel zum Schutz der Gesundheit der Allgemeinheit und zur Aufrechterhaltung zentraler Infrastrukturen. Nach Mitteilung des Gesundheitsamtes könnten die neuerlichen Infektionen nicht mehr nur auf bestimmte Infektionsherde beschränkt gesehen werden, d.h. es bestehe die Gefahr der unkontrollierten Weiterverbreitung des Erregers, was zu einer weiteren bzw. dauerhaften Überschreitung des Schwellenwertes beitrage. Eine Kontaktnachverfolgung könne bei einer weiteren unkontrollierten Verbreitung des Erregers kaum mehr gewährleistet werden. Die aktuelle Ausbreitung werde seit dem 14. September 2020 vom GAA als diffus bezeichnet. Die Maßnahme nach Ziffer 3. der Allgemeinverfügung diene der Gefahrenvorbeugung im öffentlichen Raum und sei notwendig, um die Ausbreitung des neuen Erregers großflächig und ortsspezifisch zu unterbrechen, einzudämmen bzw. zu verzögern. Die Maßnahme sei außerdem angesichts des angestrebten Ziels der Aufrechterhaltung der wesentlichen Funktionen des Gesundheitssystems sowie des Schutzes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verhältnismäßig. Es sei durch die Ordnungsbehörden festgestellt worden, dass im gesamten Innenstadtbereich nach 22:00 Uhr vermehrt Zusammenkünfte in Speisewirtschaften stattfänden, bei denen die erforderlichen Mindestabstände zwischen den anwesenden Menschen unterschritten würden. Mit fortgeschrittener Stunde sinke, oftmals bedingt durch den Genuss von alkoholischen Getränken, die Bereitschaft, die geltenden Beschränkungen zum Hygieneschutz einzuhalten. Der räumliche Umgriff dieser Maßnahme gemäß Anlage 1 beziehe sich auf das Innenstadtgebiet in dem einerseits durch die Enge der Innenstadtlage, andererseits die Häufigkeit der Gaststättenbetriebe, ein verstärktes Menschenaufkommen, aber auch verstärkte Verstöße gegen die 6. BayIfSMV durch die Kontrollbehörden (Polizei und Kommunaler Ordnungsdienst) innerhalb und vor den Speisewirtschaften festgestellt worden seien. Im Übrigen diene die Maßnahme auch in diesem Bereich einer präventiven Gefahrenbegegnung gegenüber dem diffusen Ausbreitungsgeschehen, das sich in diesem beschriebenen Innenstadtbereich besonders bündle. Die Maßnahmen seien auch vor dem Hintergrund der betroffenen Individualrechtsgüter, insbesondere der Berufsfreiheit sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit, angemessen, da die Maßnahme nicht außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Schutz der Rechtsgüter wie Leib und Leben und der Gesundheit der Bevölkerung stehe. Eine Abwägung der widerstreitenden Interessen falle vorliegend zu Gunsten des Schutzes der Allgemeinheit aus. Die Allgemeinverfügung sei aus Gründen der Verhältnismäßigkeit befristet. Sie werde im Hinblick auf die örtliche Entwicklung und vor dem Hintergrund des § 23 der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmeverordnung fortlaufend auf Wirkung und Erforderlichkeit überprüft.
2. Mit Schriftsatz vom 16. September 2020 ließ der Antragsteller im Verfahren W 8 K 20.1336 Klage erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers vom 16. September gegen die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 14. September 2020 („Allgemeinverfügung zur Bekämpfung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in der Stadt W. aufgrund steigender Fallzahlen“) wird angeordnet.
Zur Begründung ließ der Antragsteller im Wesentlichen ausführen, dass sich der Antragsteller im Einzelnen gegen Ziffern 2 und 3 der Allgemeinverfügung wende, wobei Ziffer 2 Bezug nehme auf Ziffer 1 der Allgemeinverfügung und die damit verbundenen Verletzungen subjektiv-öffentlicher Rechte. Ziffer 2 der Allgemeinverfügung führe dazu, dass Gruppen, die die Speisewirtschaft des Antragstellers aufsuchten, aus maximal fünf Personen bestehen dürften. Nach der bisherigen Regelung seien dies zehn Personen gewesen. Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Arten der Gastronomie finde nur unzureichend statt, obwohl der Antragsgegnerin offensichtlich bekannt sei oder bekannt sein müsste, dass das Infektionsgeschehen maßgeblich davon abhänge, wo in welcher Form welches Publikum zusammenkomme. Die Begründung der beiden Ziffern (Gründe, Ziffer V) stelle explizit darauf ab, dass immer mehr jüngere Menschen infiziert seien und dass die gegenseitige Rücksichtnahme und das Abstandsgebot in dieser Gruppe stark rückläufig seien. Das in Ziffer V der Begründung für die Allgemeinverfügung beschriebene Phänomen treffe auf die Gästestruktur des B. nicht zu. Es dürfte gerichtsbekannt sein, dass es sich bei den Gästen dieser gehobenen Gastronomie überwiegend um Menschen mittleren bis höheren Alters und Geschäftsleute handele. Das B. sei, ähnlich dem J. oder dem „X.“, kein Gastronomietreffpunkt für jüngere Menschen. Dieser Umstand werde in der Allgemeinverfügung in keiner Weise berücksichtigt. Stattdessen würden undifferenziert und in unverhältnismäßiger Weise alle Gastronomiebetriebe im W.Stadtgebiet erfasst. Die Allgemeinverfügung berücksichtige nicht, ob der jeweilige Gastronomiebetrieb in der Vergangenheit die Hygienevorschriften des 6. BayIfSMV eingehalten habe oder nicht. Die Allgemeinverfügung führe damit die bisher geltenden Hygienevorschriften ad absurdum. Im Betrieb des Antragstellers seien im Rahmen wiederholter Prüfungen weder durch die Kontrollbehörden der Antragsgegnerin noch durch die Polizei irgendwelche Verstöße festgestellt worden. Die Antragsgegnerin beziehe sich in Ziffer 3. der Allgemeinverfügung ausdrücklich auf Speisewirtschaften. Dem Antragsteller sei kein Fall bekannt, bei dem es in Speisewirtschaften zu Infektionen gekommen sei. Die Behauptung in den Gründen (Ziffer VI), Kontrollbehörden hätten angeblich innerhalb und vor den Speisewirtschaften Verstöße gegen die 6. BayIfSMV festgestellt, werde bestritten. Sie sei letztlich unsubstantiiert. Nach den vorliegenden Informationen sei es im Stadtgebiet in zwei Shisha-Bars und mehreren Diskotheken, wobei es sich teilweise um private Feiern handelte, zu Infektionen bzw. Verstößen gegen die 6. BayIfSMV, gekommen, wobei sich zwei der Diskotheken außerhalb des Stadtzentrums befinden würden. Deshalb sei auch der Schluss, den die Antragsgegnerin daraus ziehe (man müsse davon ausgehen, dass es in und vor sämtlichen Speisewirtschaften im räumlichen Geltungsbereich zu Verstößen gekommen sei), unzulässig. Der Antragsteller verfolge das Konzept, seine Tische für das Abendessen in zwei Durchläufen anzubieten („Seatings“). Die ersten Gäste zum Abendessen kämen in der Regel um 18:00 Uhr und würden den Gastronomiebetrieb gegen 20:00 Uhr verlassen. Die nächste Reservierung sei für diese Tische gegen 20:15 Uhr möglich. In der Zwischenzeit desinfiziere das Personal des Antragstellers entsprechend den Vorgaben der geltenden Bestimmungen zum Infektionsschutzgesetz die Plätze und stelle durch die Unterbrechung sicher, dass die Gäste sich beim Tischwechsel nicht begegnen würden. Die Regelung der Allgemeinverfügung habe schon jetzt dazu geführt, dass zahlreiche Reservierungen storniert worden seien, was einen erheblichen Schaden für den Antragsteller bedeute. Die Allgemeinverfügung enthalte keine konkreten Zahlen. Zwar gehe aus der derzeitigen Nachrichtenlage hervor, dass die 7-Tage-Inzidenz in W. besonders hoch sei. Zugleich werde dieses Phänomen regelmäßig damit begründet, dass Urlauber infiziert aus ihren Ferienorten zurückkehrten. Eine Kausalität zwischen dem Betrieb von Speisewirtschaften und hohen Infektionszahlen sei weder der Allgemeinverfügung noch der derzeitigen Berichterstattung zu entnehmen. Die auf Speisewirtschaften bezogene Regelung sei vor diesem Hintergrund unverhältnismäßig, da ein – geschweige denn erhöhtes – Infektionsgeschehen in diesem Bereich nicht nachgewiesen werde. Die tägliche Beendigung des Gastronomiebetriebes bereits um 22:00 Uhr stelle für den Antragsteller einen massiven Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit dar, weil die zweite Runde des oben beschriebenen Seatings dadurch unmöglich gemacht werde, und gehe mit schwerwiegenden finanziellen Einbußen einher. Daraus folge eine weitere Gefährdung von Arbeitsplätzen und letztlich der Existenz des Unternehmens. Es sei bereits fraglich, ob das Infektionsschutzgesetz eine taugliche Rechtsgrundlage für einen derart massiven Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit darstelle. Die zeitliche Einschränkung wäre nur dann verfassungsrechtlich zulässig, wenn diese Maßnahme der Zielerreichung – Infektionsschutz – förderlich und keine weniger belastende Maßnahme möglich wäre. Die zusätzliche Begrenzung der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr vor Ort auf 22:00 Uhr fördere dieses Ziel jedoch nicht. Welchen signifikanten Unterschied eine verkürzte Öffnungszeit machen solle, gehe aus der Begründung der Allgemeinverfügung nicht hervor. Der Genuss alkoholischer Getränke, der zur Missachtung der Hygienevorschriften führen solle, finde in Gastronomiebetrieben auch vor 22:00 Uhr statt. Eine Differenzierung der Gastronomiebetriebe nach Zielgruppen finde in den Regelungen der Allgemeinverfügung selbst nicht statt. Die Festlegung des Geltungsbereichs in Ziffer 3 sei ohne sachlichen Grund erfolgt. Die räumliche Enge der Innenstadt tauge insoweit nicht als Argument. Vorgeschriebene Abstände würden nicht deshalb missachtet, weil die Innenstadt eng bebaut sei. Auch das Argument der Häufigkeit der Gaststättenbetriebe lasse sich nicht in dieser Pauschalität auf alle Betriebe anwenden, sondern betreffe offenbar Bereiche, in denen entsprechende Betriebe sich in unmittelbarer Nähe zueinander befänden, wie z.B. die S. straße oder die J-promenade. Auf das B. treffe dies jedoch nicht zu. Ziffer 3 der Allgemeinverfügung treffe auch Gastronomiebetriebe, die ausweislich der Begründung der Allgemeinverfügung per se nicht zu den von den in der Begründung genannten jugendlichen Menschen in einer Vielzahl aufgesucht würden. Zum anderen sei nicht einzusehen, warum lediglich Gastronomiebetriebe, in dem in der Anlage 1 zur Allgemeinverfügung eingegrenzten Raum im Stadtgebiet betroffen seien. Die erhöhten Infektionszahlen beträfen das gesamte Stadtgebiet W. Es erscheine deshalb willkürlich, dass nur die in der Allgemeinverfügung beschriebenen Gastronomiebetriebe betroffen seien und beispielsweise nicht etwa auch Gastronomiebetriebe im F. oder am H., oder in den bei jungen Menschen und Studenten beliebten Stadtteilen Z. und G. Letztlich führe die Allgemeinverfügung nur zu einer räumlichen Verschiebung der gefährdenden Zusammenkünfte an diesen Orten. Der Infektionsschutz sei bei Einhaltung der Hygienevorschriften jedoch genauso gewährleistet, wenn auch zwischen 22:00 Uhr und 0:00 Uhr noch Speisen und Getränke abgegeben würden. Es sei auch nicht ersichtlich, warum die Infektionsgefahr im B. höher sein solle, als z.B. im „D.“ auf der T. Dieser Gastronomiebetrieb sei beispielsweise trotz seiner großen Beliebtheit bei jungen Menschen von Ziffer 3 der Allgemeinverfügung nicht betroffen. Die Ablehnung des Antrags und das weitere Verbot würden den Antragsteller in eine existenzielle Notlage bringen, da jeder Umsatz für den Fortbestand des Gastronomiebetriebs entscheidend sein könne. Ein so intensiver Eingriff in die Art. 14 und 12 GG sei durch das Infektionsschutzgesetz in diesem Maße nicht gerechtfertigt, insbesondere, wenn weniger schwerwiegende Eingriffsmöglichkeiten bestünden. Dem Antragsteller würden schwere, unzumutbare Nachteile drohen, so dass die Hauptsache ausnahmsweise vorweggenommen werden könne.
Mit Schriftsatz vom 17. September 2020 wurde ergänzend vorgetragen, dass in der M–Post vom 17. September 2020 ein Interview mit dem Oberbürgermeister der Stadt W- veröffentlicht sei. Dort habe dieser auf die Frage, wo die Grenze der unter die Maßnahmen fallenden Gaststätten gezogen werde, geantwortet, die Grenze sei zielgruppenorientiert. Es gebe in der Stadt eine Weggehmeile, die von der V. Straße über die J-promenade, G. straße bis in die S. straße reiche. Um dieses Thema gehe es. Diese Aussage bestätige die Begründung im Antrag vom 16. September 2020. Ziffer 3 der Allgemeinverfügung treffe auch Gastronomiebetriebe, welche nicht unter die beschriebene „Zielgruppenorientierung“ fielen. Im Übrigen werde richtiggestellt, dass entgegen der Darstellung im gestrigen Schriftsatz der Gastronomiebetrieb des Antragstellers unter normalen Umständen nicht nur bis 23.00 Uhr, sondern bis 0.00 Uhr geöffnet sei.
Mit weiterem Schriftsatz vom 18. September 2020 machte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers weitere Ausführungen, auf die Bezug genommen wird.
3. Mit Schriftsatz vom 18. September 2020 beantragte die Stadt W., den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde in Ergänzung zur Begründung in der Allgemeinverfügung im Wesentlichen ausgeführt: Dem Argument des Antragstellers, es handle sich bei den Gästen gerade überwiegend um Menschen mittleren bis höheren Alters, sei zu entgegnen, dass gerade das Coronavirus für ältere Menschen besonders gefährlich sei. Hinzu komme die unmittelbare räumliche Nähe des Betriebs des Antragstellers zu einer geriatrischen Einrichtung. Zweck der Allgemeinverfügung sei es ausweislich der Begründung, vulnerable Bevölkerungsgruppen zu schützen. Andererseits sei es so, dass der Gaststättenbereich in den Abendstunden im Innen- und Außenbereich auch und insbesondere von einer Vielzahl jüngerer Gäste tatsächlich besucht werde, was sich schon offensichtlich aus den eigenen Veröffentlichen des Antragstellers ergebe, der besondere gestalterische und moderne Elemente, aber auch Veranstaltungsprogramme bis in die späten Abendstunden für jüngeres Publikum anbiete. Vor diesem Hintergrund sei gerade nicht von einer außergewöhnlichen Sonderstellung im Vergleich zu anderen Gastronomiebetrieben im Innenstadtbereich auszugehen. Eine Differenzierung nach Publikumszugehörigkeit sei schon vor diesem Hintergrund hier gegenüber dem Antragsteller nicht möglich. Eine Berücksichtigung individuell aller Gastronomiebetriebe im Innenstadtbereich auf die Frage hin, ob der eine oder der andere Betrieb in der Vergangenheit die Hygienevorschriften eingehalten habe, sei lebensfremd. Eine Individualisierung nach gemachten Erfahrungen sei objektiv im Verwaltungslauf nicht möglich. Das Ausbruchsgeschehen sei nach aktueller Mitteilung des Gesundheitsamts sehr dynamisch und liege auch weiterhin über den Schwell- und Warnwerten. Die Einschränkung, dass nur noch bis 22 Uhr Speisen und Getränke ausgegeben werden dürften, sei noch verhältnismäßig, um den Zweck der Allgemeinverfügung, das Ausbruchsgeschehen zu verlangsamen oder zu stoppen, zu erreichen. Ferner gehe es ab einer Uhrzeit von 22 Uhr auch nicht mehr primär um die Speiseabgabe, sondern eher um den Getränkeausschank und hier zumeist um alkoholische Getränke, was wiederum dazu führen könne, dass bestimmte Schutz- und Hygienemaßnahmen, insbesondere der Mindestabstand, nicht mehr eingehalten würden. Stornierungen aufgrund der Regelungen der Allgemeinverfügung könnten so nicht bestätigt werden. Vielmehr seien diese auf die Berichterstattung des dauerhaft erhöhten 7-Tage-Inzidenzwertes zurückzuführen und beträfen nicht nur den gastronomischen Bereich. Laufwege, Enge und Lagen der Gastronomien seien in W. tatsächlich durch den Ringpark objektiv begrenzt. Der Standort des Antragstellers als Gastronomiebetrieb sei „innenstadtintegriert“ im Sinne der Gesamtangebote. Die bisherigen Ausbruchsgeschehen lägen einerseits tatsächlich im Innenstadtbereich, andererseits sei die objektive Gefahrenprognose für den Innenstadtbereich durch die vielen Kontrollen und Erkenntnisse der Polizei und des Kommunalen Ordnungsdienstes gestützt. Auch das Gesundheitsamt habe durch seine bisherigen Erkenntnisse und prospektiven Betrachtungen diesen Umgriff als dringend notwendig erachtet. Eine Ausweitung unbestimmbarer, weiterer Geltungsbereiche auf das Stadtgebiet insgesamt wäre unverhältnismäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Eilantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Allgemeinverfügung der Stadt W. vom 14. September 2020 ist bei verständiger Würdigung des vom Antragsteller offenbarten Begehrens unter Berücksichtigung seines Interesses gemäß § 88 VwGO i.V.m. § 122 VwGO dahingehend auszulegen, dass er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen Nr. 2 und Nr. 3 der Allgemeinverfügung vom 14. September 2020 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO begehrt, was sich aus seiner Antragsbegründung auch explizit ergibt.
1. Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang lediglich teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und trifft im Übrigen eine eigene Abwägungsentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung – wie hier in § 28 Abs. 3 IfSG i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG – ist zu beachten, dass der Gesetzgeber diesbezüglich einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen (siehe Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, Rn. 152a; BVerfG, B.v. 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – juris; BVerwG, B.v. 14.4.2005 – 4 VR 1005/04 – juris).
Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt vorliegend, dass die zulässige Klage nur im Hinblick auf die in Nr. 3 der Allgemeinverfügung voraussichtlich teilweise Erfolg haben wird, sofern damit die Abgabe von Speisen und Getränken umfassend verboten wird und nicht nur in Bezug auf alkoholische Getränke. Insoweit überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse. Die in Nr. 2 der Allgemeinverfügung angeordnete Geltung der Kontaktbeschränkung auch in allen Gastronomiegebieten im Stadtgebiet W. stellt sich dagegen als rechtmäßig dar, weshalb insoweit dem öffentlichen Vollzugsinteresse Vorrang vor dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers einzuräumen ist.
Die in Nr. 2 der Allgemeinverfügung angeordnete Geltung der unter Nr. 1 erlassenen Kontaktbeschränkung auch in allen Gastronomiegebieten im Stadtgebiet W. ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog). Unabhängig davon ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung zu erkennen.
Das Vorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen Beurteilung.
Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung ist § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG i.V.m. § 23 Satz 1 6. BayIfSMV (Sechste Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung). Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden. Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG kann die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten.
Formelle Mängel der Allgemeinverfügung – etwa Bekanntmachungsmängel – wurden nicht vorgetragen und sind bei summarischer Prüfung auch sonst nicht ersichtlich.
Die Allgemeinverfügung findet in § 28 Abs. 1 i.V.m. § 23 IfSG eine hinreichende gesetzliche Grundlage (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 NE 20.632 – juris Rn. 33).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Rechtsgrundlage liegen angesichts der aktuellen Pandemielage vor. Das Robert-Koch-Institut (im Folgenden: RKI), dem vom Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt wurde (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2020 – 20 NE 20.1500 – juris Rn. 16 m.w.N.), schätzt in seiner aktuellen Risikobewertung vom 2. September 2020 die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin als hoch ein, für Risikogruppen als sehr hoch (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/ Risikobewertung.html). Nach dem täglichen Lagebericht des RKI vom 14. September 2020 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/ Neuartiges _Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html) liegt in Bayern die 7-Tage-Inzidenz deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt (10,3 Fälle pro 100.000 Einwohner). In der Stadt W. überschritt die 7-Tage-Inzidenz am 10. September 2020 50 Fälle/100.000 Einwohner und liegt aktuell bei 66,47 (Stand: 17.9.2020). Soweit der Antragsteller vorbringt, die Allgemeinverfügung berücksichtige nicht, ob der jeweilige Gastronomiebetrieb in der Vergangenheit die Hygienevorschriften der 6. BayIfSMV eingehalten habe oder nicht, ist dem entgegenzuhalten, dass Maßnahmen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG auch gegenüber „Nichtstörern“ in Betracht kommen, wobei der erforderliche Zurechnungszusammenhang durch die Begrenzung auf verhältnismäßige Schutzmaßnahmen hergestellt wird (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2020 – 20 CS 20.1821 – juris Rn. 38).
Hinsichtlich der in der Allgemeinverfügung der Stadt W. vom 14. September 2020 unter Nr. 2 i.V.m. Nr. 1 angeordneten Geltung der Kontaktbeschränkung im öffentlichen Raum auf nur noch maximal fünf Personen auch in allen Gastronomiebetrieben im Stadtgebiet W. sind Ermessensfehler bei der Ausübung des Auswahlermessens nicht ersichtlich. Die Maßnahme ist zudem verhältnismäßig. Die Anordnung in Nr. 2 der Allgemeinverfügung verstößt weder gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) noch gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) des Antragstellers.
Die in Nr. 2 der Allgemeinverfügung getroffene streitgegenständliche Kontaktbeschränkung in den Gastronomiebetrieben verfolgt legitime Zwecke. Zweck der Allgemeinverfügung als Teil des Gesamtkonzepts zur Reduzierung infektionsbegünstigender sozialer und persönlicher Kontakte ist die Verzögerung der Ausbreitungsdynamik, die Unterbrechung von Infektionsketten, die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung in der Stadt W. und für die Gesamtbevölkerung sowie der Schutz vulnerabler Personengruppen (vgl. Nr. IV der Allgemeinverfügung).
Die streitgegenständliche Kontaktbeschränkung ist durch die Reduktion physischer Kontakte und folglich auch des damit verbundenen Infektionsrisikos geeignet, die Infektionsgefahr zu verringern und eine Ausbreitung des Virus zu verzögern. Ein Mittel ist dabei bereits dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann und es zur Zweckerreichung beiträgt (BVerwG, U.v. 2.8.2012 – 7 CN 1/11 – juris Rn. 29).
Weiter ist die durch Nr. 2 der Allgemeinverfügung angeordnete Geltung der in Nr. 1 der Allgemeinverfügung verfügten Kontaktbeschränkung auch in allen Gastronomiebetrieben im betroffenen Bereich nach summarischer Prüfung auch erforderlich. Mildere, gleich wirksame Mittel sind nicht ersichtlich. Je größer die Personengruppe ist, die in einem Gastronomiebetrieb zusammenkommt ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit von aus Gründen des Infektionsschutzes riskanten Kontakten innerhalb dieser Gruppe. Nach der Allgemeinverfügung der Stadt W. können nach Mitteilung des Gesundheitsamtes die neuerlichen Infektionen nicht mehr nur auf bestimmte Infektionsherde beschränkt gesehen werden, d.h. es besteht die Gefahr der unkontrollierten Weiterverbreitung des Erregers. Eine Kontaktnachverfolgung könne dann kaum mehr gewährleistet werden. Die aktuelle Ausbreitung werde seit dem 14. September 2020 als diffus bezeichnet. Gleich geeignete mildere Mittel sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist eine Differenzierung zwischen verschiedenen Arten der Gastronomie danach, in welcher Form welches Publikum zusammenkomme, kein gleich geeignetes Mittel. Zwar führt die Antragsgegnerin als Begründung für den Erlass ihrer Allgemeinverfügung vom 14. September 2020 an, dass immer mehr jüngere Menschen infiziert seien und gleichzeitig deren gegenseitige Rücksichtnahme und das Abstandsgebot stark rückläufig sei. Zweck der Allgemeinverfügung ist jedoch allgemein die Verzögerung und Eindämmung der Virusausbreitung und gerade der Schutz besonders vulnerabler Personengruppen. Es wurde vom Antragsteller zudem nicht substantiiert vorgetragen, dass sein Gastronomiebetrieb nie von jüngeren Personen aufgesucht wird. Die Infektionsgeschehen ist aktuell dynamisch mit der Gefahr der unkontrollierten Verbreitung des Virus. Die Ausbreitung des Virus ist jedoch nicht auf eine bestimmte Personengruppe begrenzt, sondern trifft Menschen jeden Alters, und kann auch von einer einzelnen Person und unabhängig von deren Alter ausgehen, so dass die Kontaktbeschränkung in allen Gastronomiebetrieben zum Erreichen der mit der Allgemeinverfügung verfolgten Zwecke erforderlich ist.
Die Festlegung der maximalen Gruppenstärke bei einem gemeinsamen Aufenthalt im öffentlichen Raum auf nur noch bis zu maximal fünf Personen, gehört zum Einschätzungsspielraum der zuständigen Behörde und ist nicht zu beanstanden.
Zuletzt begegnet die Anordnung unter Nr. 2 der Allgemeinverfügung auch keinen Bedenken im Hinblick auf ihre Angemessenheit. In Rede stehen vorliegend hochrangige Gemeinschaftsgüter, wie etwa der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung sowie ein funktionsfähiges Gesundheitswesen. Der Antragsteller ist durch die angegriffene Anordnung in Nr. 2 der Allgemeinverfügung zwar in seiner Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Da der Eingriff jedoch lediglich auf der Ebene der Berufsausübung erfolgt, müssen zu seiner Rechtfertigung lediglich vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls vorliegen (BVerfG, B.v. 20.12.2017 – 1 BvR 2233/17 – juris Rn. 11 m.w.N.). Dies ist hier im Hinblick auf den angestrebten Schutz der Gesundheit der Bevölkerung zu bejahen. Die Allgemeinverfügung ordnet ferner keine vollständige Schließung von Gastronomiebetrieben an. Nach Nr. 1 der Allgemeinverfügung, auf die die streitgegenständliche Nr. 2 Bezug nimmt, bleibt § 2 Abs. 1 Nr. 1 der 6. BayIfSMV zudem unberührt. Zudem ist das Verbot aufgrund der Befristung der Allgemeinverfügung bis zum 27. September 2020 zeitlich beschränkt und die Allgemeinverfügung wird im Hinblick auf die örtliche Entwicklung und vor dem Hintergrund des § 23 6. BayIfSMV fortlaufend auf ihre Wirkung und Erforderlichkeit überprüft (Nr. VIII der Allgemeinverfügung vom 14. September 2020). Entgegen dem Vortrag des Antragstellers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die zeitlich befristete Kontaktbeschränkung auf fünf Personen in Gastronomiebetrieben den Antragsteller in eine existenzielle Notlage bringen würde, zumal zum Umfang der hierdurch verursachten Umsatzeinbußen vom Antragsteller keine Angaben gemacht wurden.
2. Etwas Anderes gilt jedoch für das streitgegenständliche Verbot der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle durch Speisewirtschaften im Innenstadtbereich in Nr. 3 der Allgemeinverfügung der Stadt W. vom 14. September 2020, sofern dies über ein Verbot der Abgabe von alkoholischen Getränken hinausgeht. Dieses ist insofern bei summarischer Prüfung rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage ist insoweit § 28 Abs. 1 Sätze 1 IfSG i.V.m. § 23 Satz 1 6. BayIfSMV. Hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
Die Beschränkung der Abgabe von Speise und Getränken in Gastronomiebetrieben auf die Zeit bis 22.00 Uhr aus Gründen des Infektionsschutzes ist zwar grundsätzlich geeignet, die in der Allgemeinverfügung genannten Ziele zu erreichen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass ein umfassendes Verbot der Abgabe von Speisen und Getränken ab 22.00 Uhr erforderlich ist, soweit es über das Verbot der Abgabe von alkoholischen Getränken hinausgeht.
Soweit sich das streitgegenständliche Verbot in Nr. 3 der Allgemeinverfügung auf die Abgabe alkoholischer Getränke ab 22.00 Uhr in Speisewirtschaften bezieht, bestehen diesbezüglich keine Bedenken. Insbesondere ist insoweit die Erforderlichkeit zu bejahen. Denn es ist davon auszugehen, dass mit vermehrtem Alkoholkonsum die Bereitschaft zur Einhaltung der erforderlichen Mindestabstände sinkt. In der Allgemeinverfügung wird als Begründung für das Verbot nachvollziehbar das Sinken der Bereitschaft zur Einhaltung der geltenden Beschränkungen zum Hygieneschutz mit fortgeschrittener Stunde angeführt, wobei dies oftmals bedingt durch den Genuss von alkoholischen Getränken sei.
Dass das über das Verbot der Abgabe alkoholischer Getränke hinausgehende Verbot der Ausgabe von Speisen und nicht-alkoholischen Getränken in Speisewirtschaften, die typischerweise im Vergleich zu Schankwirtschaften und Bars nicht erst zu späterer Stunde aufgesucht werden, Effekte auf die Eindämmung des Infektionsgeschehens über die grundsätzliche Eignung zur zeitlichen Kontaktreduzierung hinaus hat und hierfür erforderlich ist, ist nicht ersichtlich und wurde auch von der Antragsgegnerin nicht dargelegt. Vielmehr trägt die Antragsgegnerin selbst in ihrem Schriftsatz vom 17. September 2020 vor, es gehe ab einer Uhrzeit von 22 Uhr nicht mehr primär um die Speisenabgabe, sondern eher um den Getränkeausschank und hier zumeist um alkoholische Getränke. Als milderes infektionsschutzrechtliches Mittel als eine generelle Einschränkung der Bewirtungszeiten steht insoweit das auf den Ausschank alkoholischer Getränke ab 22:00 Uhr beschränkte Verbot zur Verfügung (vgl. BayVGH, B.v. 19.6.2020 – 20 NE 20.1127 – juris Rn. 43). Das insofern in Nr. 3 Satz 1 der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung angeordnete Verbot ist nach summarischer Prüfung rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten.
Das demgegenüber erforderliche Verbot der Ausgabe alkoholischer Getränke ab 22.00 Uhr ist auch angemessen. Insoweit wird zunächst auf die obigen Ausführungen unter Nr. 1. Bezug genommen. Die Allgemeinverfügung verbietet die Abgabe von Alkohol nicht generell, sondern erst ab 22:00 Uhr. Zudem ist das Verbot aufgrund der Befristung der Allgemeinverfügung bis zum 27. September 2020 zeitlich beschränkt und die Allgemeinverfügung wird im Hinblick auf die örtliche Entwicklung und vor dem Hintergrund des § 23 6. BayIfSMV fortlaufend auf ihre Wirkung und Erforderlichkeit überprüft (Nr. VIII der Allgemeinverfügung vom 14. September 2020). Von einer existenziellen Notlage des Antragstellers infolge des Verbots der Abgabe alkoholischer Getränke ab 22:00 Uhr ist nicht auszugehen.
Auch das Vorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Wenn der Antragsteller vorbringt, eine Kausalität zwischen dem Betrieb von Speisewirtschaften und hohen Infektionszahlen sei weder der Allgemeinverfügung noch der derzeitigen Berichterstattung zu entnehmen, ist dem entgegenzuhalten, dass Maßnahmen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG, wie oben bereits dargelegt, auch gegenüber „Nichtstörern“ in Betracht kommen, wobei der erforderliche Zurechnungszusammenhang durch die Begrenzung auf verhältnismäßige Schutzmaßnahmen hergestellt wird (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2020 – 20 CS 20.1821 – juris Rn. 38). Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme ist hier in Bezug auf den Antragsteller gegeben. Ein vom Antragsteller angeführtes Unmöglichwerden der zweiten Runde des „Seatings“ und die damit einhergehende Gefährdung von Arbeitsplätzen ist durch die Beschränkung des Abgabeverbots auf alkoholische Getränke nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller moniert, es erfolge keine Differenzierung nach Art der Gastronomiebetriebe und Zielgruppen, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein Verbot, das sich auf bislang nicht infektiologisch auffällig gewordene Orten bezieht, gerade nicht erforderlich wäre, sondern eine Beschränkung des Verbots auf ein bestimmtes stark frequentiertes Gebiet des öffentlichen Raums das weniger belastende Mittel darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 1.9.2020 – 20 CS 20.1962 – juris Rn. 28). Die Antragsgegnerin hat hier nachvollziehbar dargelegt, dass sich der räumliche Umgriff der Maßnahme auf das Innenstadtgebiet bezieht, in dem auch verstärkte Verstöße gegen die 6. BayIfSMV durch die Kontrollbehörden innerhalb und vor den Speisewirtschaften festgestellt wurden. Bei Eintritt der vom Antragsteller dargelegten räumlichen Verschiebung der gefährdenden Zusammenkünfte stünde es der Antragsgegnerin frei, mit einer weiteren Allgemeinverfügung zu reagieren. Eine Differenzierung des Geltungsbereichs des Verbots unter Differenzierung der Gastronomiebetriebe nach Zielgruppen ist kein gleich geeignetes Mittel, zumal nicht glaubhaft gemacht ist, dass nicht auch durch die Menschen mittleren und höheren Alters Alkohol konsumiert wird und sich dadurch die Gefahr erhöht, dass der erforderliche Mindestabstand nicht mehr eingehalten wird. Zudem ist nach den Ausführungen des RKI zu befürchten, dass es bei einem erheblichen Anstieg der Fallzahlen zu deutlich mehr Todesfällen komme, weshalb es umso wichtiger sei, dass alle Menschen jeden Alters mithelfen, ein solches Szenario zu verhindern (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html).
Hinsichtlich der Regelung in Nr. 3 Satz 2 der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung vom 14. September 2020 gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Auch insoweit wird das Verbot der Abgabe mitnahmefähiger Speisen und nicht-alkoholischer Getränke als nicht erforderlich und deshalb rechtswidrig gesehen. Dagegen besteht durch die Abgabe alkoholischer Getränke gerade zu fortgeschrittener Stunde jedoch die Gefahr, dass bei einer Gruppenbildung und entsprechendem Alkoholkonsum die geltenden Hygieneregeln zur Vermeidung der Ausbreitung des Coronavirus, insbesondere des Mindestabstands, nicht mehr eingehalten werden.
3. Im Übrigen spricht auch eine reine Interessenabwägung für die Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs in Bezug auf die Anordnungen in Nr. 2 und Nr. 3 der Allgemeinverfügung, soweit in Nr. 3 Satz 1 und 2 der ab 22:00 Uhr die Abgabe von alkoholischen Getränken untersagt wird. Denn die sofortige Vollziehung der streitgegenständlichen Kontaktbeschränkung in Gastronomiebetrieben und des Verbots der Abgabe von alkoholischen Getränken ist zur Verhinderung der weiteren Verbreitung des Corona-Virus im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten. Im Rahmen der zu treffenden Güterabwägung ist der Nachteil, den die betreffenden Anordnung dem Antragsteller auferlegen, nicht schwerer zu gewichten als das entgegenstehende öffentliche Interesse. Dem Grundrecht des Antragstellers aus Art. 12 Abs. 1 GG stehen der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung sowie die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens entgegen.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostentragung zu 3/4 vom Antragsteller und zu 1/4 von der Antragsgegnerin war auszusprechen, da der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich einer angegriffenen Anordnung erfolglos und hinsichtlich der Anordnung unter Nr. 3 der Allgemeinverfügung nur zu einem Teil erfolgreich war, der bezogen auf diese Anordnung hier hälftig gewertet wird.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Das Gericht sieht die Anordnungen unter Nr. 2 und 3 der Allgemeinverfügung als eine Einheit an, die sich nicht streiterhöhend auswirkt. Da die Allgemeinverfügung der Stadt W. vom 14. September 2020 nur bis zum 27. September 2020 gilt (Nr. 7 der Allgemeinverfügung), zielt der vorliegende Sofortantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, so dass eine Reduzierung des Streitwerts für das Sofortverfahren auf der Grundlage von Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit hier nicht angebracht erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2020 – 20 NE 20.1500 – juris Rn. 31).


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