Medizinrecht

Kostenersatz für Einsatzmaßnahmen der thüringischen Feuerwehr

Aktenzeichen  2 K 942/21 Ge

Datum:
4.5.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Gera 2. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGGERA:2022:0504.2K942.21GE.00
Normen:
§ 1 Abs 1 Brand/KatSchG TH 2008
§ 9 Abs 2 Brand/KatSchG TH 2008
§ 48 Abs 1 Nr 1 Brand/KatSchG TH 2008
§ 48 Abs 5 Brand/KatSchG TH 2008
§ 2 Abs 2 KAG TH
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Spruchkörper:
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Leitsatz

1. § 48 Abs 1 Nr 1 bis 6 ThürBKG (juris: Brand/KatSchG TH 2008) regeln den Kostenersatz für Einsatzmaßnahmen der Feuerwehr abschließend.(Rn.25)

2. § 48 Abs 1 Nr 1 ThürBKG (juris: Brand/KatSchG TH 2008) ist keine hinreichende Rechtsgrundlage für den Erlass einer Satzung, die die Kostenpflicht für die Tragehilfe, die die Feuerwehr für den Rettungsdienst erbringt, normiert.(Rn.25)

3. Da die Krankenversicherung die Notwendigkeit einer Tragehilfe nicht “verursacht” hat, kann sie nicht Kostenschuldner einer solchen Gebühr sein.(Rn.27)

Tenor

Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 21. April 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2021 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung ihrer Kosten Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse, wendet sich gegen einen Kostenbescheid der Beklagten für einen Einsatz der Feuerwehr.
Am 21. März 2021 wurde die Berufsfeuerwehr der Beklagten auf Veranlassung des Rettungsdienstes durch die Leitstelle Gera angefordert, um Tragehilfe beim Patienten … S… zu leisten. Der Patient war ausweislich des Hilfeleistungsberichts an Covid-19 erkrankt, nicht übergewichtig und das Treppenhaus war hinreichend breit. Eine akute lebensbedrohliche Situation lag nicht vor. Zum Einsatz kamen vier Mitarbeiter des mittleren Dienstes, die die beiden Rettungskräfte unterstützten. Der Patient ist bei der Klägerin krankenversichert.
Mit Bescheid vom 21. April 2021 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin Gebühren in Höhe von 87,54 € fest. Zur Begründung heißt es im Bescheid, dass es sich bei der Tragehilfe um eine freiwillige Leistung der Feuerwehr handele, da kein Not- oder Unglücksfall vorgelegen habe.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin mit Schreiben vom 27. April 2021, eingegangen am 29. April 2021, Widerspruch erhoben. Zur Begründung weist sie darauf hin, dass die Kostensatzung nicht über die landesrechtliche Norm des § 48 ThüBKG hinausgehen könne. In Thüringen gebe es keine Rechtsgrundlage für die Erhebung der Gebühren.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2021, zugestellt am 6. August 2021, zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es u. a., dass die Widerspruchsgegnerin nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ThürBKG zuständig sei für die Bekämpfung von Brandgefahren und anderer Gefahren im Rahmen der allgemeinen Hilfe. Der vorliegende Tatbestand der Tragehilfe falle nicht unter die §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 9 ThürBKG. Dennoch sei die Tragehilfe nach § 2 Abs. 2 Nr. 3a HS 2 der Feuerwehrkostensatzung (FwKS) erstattungspflichtig. Die Tragehilfe stelle keine Aufgabe der Feuerwehr dar. Daher trage die Widerspruchsführerin die Kosten nach § 48 Abs. 5 ThürBKG i. V. m. der Feuerwehrkostensatzung.
Hiergegen hat die Klägerin am 31. August 2021 Klage erhoben. Zur Begründung macht sie geltend, dass die streitgegenständliche Tragehilfe sich keinem der Tatbestände unter § 48 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 ThürBKG zuordnen lasse. Da keiner der enumerativ aufgeführten Tatbestände erfüllt sei, könne auch kein Kostenersatz verlangt werden. § 48 ThürBKG sei abschließend und enthalte keine Öffnungsklausel für sonstige Fälle des Tätigwerdens der Feuerwehr. Der Feuerwehrkostensatzung mangele es aus diesem Grund an einer Rechtsgrundlage und sie sei nichtig. Die Regelung in § 48 Abs. 5 ThürBKG ermögliche es den Aufgabenträgern nur insoweit den Kostenersatz durch Satzung zu regeln, als einer der Tatbestände in § 48 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 ThürBKG einschlägig sei.
Zudem sei die Klägerin nicht Kostenschuldnerin i. S. v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 der Feuerwehrkostensatzung. Vielmehr habe der Rettungsdienst die Feuerwehr alarmiert, der nicht in der Lage gewesen sei, den Patienten alleine zu tragen. Damit habe der Rettungsdienst die Hilfe angefordert und in Anspruch genommen.
Die Tragehilfe gehöre auch nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung nach §§ 20 ff SGB V. Nach § 60 SGB V habe der Versicherte nur Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten. Hierzu gehöre aber nicht die Tragehilfe. Die Vorschriften der §§ 20 ff SGB V beträfen zudem nur das Leistungsverhältnis zwischen Versichertem und Krankenkasse und könnten keine Ansprüche Dritter begründen. Auch das Leistungserbringungsrecht nach §§ 69 ff SGB V begründe keinen Anspruch, denn beim Beklagten handele es sich nicht um einen zugelassenen Leistungserbringer. Insoweit bedürfe es einer vertraglichen Bindung.
Die begehrte Vergütung gehöre auch nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 2 Abs. 1 SGB I i. V. m. §§ 2 Abs. 2, 133 SGB V. Hierzu macht die Klägerin weitere Ausführungen.
Insoweit sei auch auf eine Antwort des Innenministeriums im Rahmen einer kleinen Anfrage vom 29. September 2020 zu verweisen, wonach die Tragehilfe der Feuerwehr im Rahmen einer Amtshilfe nach §§ 4 ff ThürVwVfG erfolge.
Die Klägerin beantragt,
den Kostenbescheid der Beklagten vom 21. April 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2021 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zunächst auf die Begründungen des Ausgangsbescheides sowie des Widerspruchsbescheides. Darüber hinaus verweist sie darauf, dass der Geltungsbereich des ThürBKG eröffnet sei. Die Berufsfeuerwehr habe vorliegend nicht zur Beseitigung einer „anderen Gefahr (Allgemeine Hilfe)“ i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 ThürBKG gehandelt, so dass die Hilfe nicht unentgeltlich nach § 48 Abs. 4 ThüBKG erfolgt sei.
Sofern die Klägerin davon ausgehe, dass § 48 Abs. 5 ThürBKG keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Kostensatzung darstelle, blieben der Beklagten auf jeden Fall Ersatzansprüche nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, da der Einsatz im Interesse und mutmaßlichen Willen der Klägerin erfolge.
Nicht zu folgen sei der Argumentation der Klägerin, dass die Tragehilfe nicht zum Leistungskatalog nach § 60 SGB V gehöre. Zu den Fahrtkosten gehöre auch die Tragehilfe als Nebenleistung zu den Fahrtkosten, denn dem Patienten sei nicht geholfen, wenn er darauf verwiesen werden könne, dass ein Fahrzeug auf der Straße bereit stehe. Hierzu macht die Beklagte ebenfalls weitere Ausführungen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Behördenvorgänge des Beklagten (eine Aktenheftung) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, da die zugrunde liegende Rechtsgrundlage nichtig ist, und verletzt die Klägerin in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 2 Abs. 2 Ziffer 3 lit. a) Feuerwehrkostensatzung Altenburg (FwKS) i. d. F. v. 16. Februar 2021 i. V. m. § 48 Abs. 5 Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetz (ThürBKG). Danach sind gebührenpflichtig alle Leistungen der Feuerwehr, die nicht im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und § 9 Abs. 2 ThürBKG erbracht werden und auf die kein Rechtsanspruch besteht. Das ist insbesondere die Tragehilfe für Rettungsdienste. Diese satzungsrechtliche Regelung beruht auf § 48 Abs. 5 Satz 1 ThürBKG. Hiernach können die kommunalen Aufgabenträger nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ThürBKG, also die Gemeinden und Landkreise, Kostenersatz durch Satzung regeln. Dabei findet das ThürKAG entsprechende Anwendung, § 48 Abs. 5 Satz 2 ThürBKG. Nach § 48 Abs. 5 ThürBKG i. V. m. § 2 Abs. 2 ThürKAG muss die Satzung somit den die Abgabe begründenden Tatbestand regeln. Den gebührenpflichtigen Tatbestand regelt § 2 Abs. 2 Ziffer 3. der FwKS, dahingehend, dass alle Leistungen der Feuerwehr, die nicht im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und § 9 Abs. 2 ThürBKG erbracht werden und auf die kein Rechtsanspruch besteht, gebührenpflichtig sind. Kostenfrei sind somit nach § 1 Abs. 1 ThürBKG die Gewährleistung vorbeugender und abwehrender Maßnahmen gegen Brandgefahren (Brandschutz) (Nr. 1), gegen andere Gefahren (Allgemeine Hilfe) (Nr. 2) und gegen Katastrophengefahren (Katastrophenschutz) (Nr. 3) sowie erforderliche Maßnahmen, um Brandgefahren oder anderen Gefahren vorzubeugen oder diese abzuwehren (§ 9 Abs. 2 ThürBKG). Dabei regelt § 1 Abs. 2 ThürBKG eine subsidiäre Anwendung des ThürBKG, da dieses Gesetz nicht gilt, soweit vorbeugende und abwehrende Maßnahmen nach Absatz 1 aufgrund anderer Rechtsvorschriften gewährleistet sind.
Vorliegend wird die Tragehilfe für den Rettungsdienst als freiwillige Leistung der Feuerwehr erbracht. Denn ein Tätigwerden im Rahmen der Allgemeinen Hilfe, die bereits nach § 1 Abs. 2 FwKS zum Gebührenausschluss führen würde, liegt nicht vor. Die Allgemeine Hilfe ist wie folgt definiert:
„Das Gesetz selbst definiert nicht ausdrücklich, was unter Maßnahmen der Feuerwehr zur Abwehr allgemeiner Gefahren zu verstehen ist, wann eine Maßnahme also eine Maßnahme der sog. Allgemeinen Hilfe darstellt. In Abgrenzung von den beiden anderen genannten Gefahren – Brandgefahren und Katastrophengefahren – sind hierunter alle anderen (erheblichen) Gefahren für Rechtsgüter wie Gesundheit und Leben von Menschen sowie für Sachen bzw. Sachwerte zu verstehen, bei denen es im öffentlichen Interesse liegt, den Schaden zu vermeiden oder die Gefahr abzuwehren. Hierunter fallen also alle Gefahren bzw. Schäden, die bei Unglücksfällen des täglichen Lebens und bei Naturereignissen auftreten, die (noch) keine Katastrophen darstellen und keine Brandgefahren sind (so Böttcher/Collingro/Heuschen/Zachertz, Brand- und Katastrophenschutzgesetz Thüringen, Thüringer Verwaltungsschriften 1993, zu § 1). In verschiedenen Bundesländern wird dieser Aufgabenbereich der Feuerwehr auch als sog. “Technische Hilfe” bzw. “Hilfeleistung” bezeichnet (vgl. etwa Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Art. 28 Abs. 1 und 2 BayFwG; § 2 Abs. 1 Satz 2 SächsBRKG; § 1 Abs. 1 Nieders. BrandSchG; § 1 Abs. 3 BrSchG M-V; § 1 Abs. 4 BrSchG Sachsen-Anhalt).
In Abgrenzung zu freiwilligen Diensten der gemeindlichen Feuerwehr handelt es sich um Einsätze in vorrangig bzw. auch öffentlichem Interesse aufgrund der genannten gesetzlichen Verpflichtung: Zur Abwehr dieser Gefahren ist die Feuerwehr aufgrund Gesetzes verpflichtet, es sei denn diese Gefahrenabwehr ist bereits aufgrund anderer Rechtsvorschriften gewährleistet (vgl. § 1 Abs. 2 ThürBKG).“ (VG Meiningen, Urteil vom 21. Januar 2014 – 2 K 104/12 Me, zitiert nach juris, Rn. 38 f).
Damit ist festzuhalten, dass die Tragehilfe für den Rettungsdienst vorliegend keine pflichtige Aufgabe der Feuerwehr ist, sondern eine freiwillige Aufgabe. Denn zum einen erfolgt dieser technische Einsatz nicht im öffentlichen Interesse und zum anderen ist für den Krankentransport i. S. v. § 3 Abs. 4 ThürRettG der Rettungsdienst verantwortlich, § 4 ThürRettG, so dass § 1 Abs. 2 ThürBKG zur Anwendung kommt. Die technische Hilfeleistung der Feuerwehr hat nur eine untergeordnete Bedeutung; der rettungsdienstliche „Notfall“ steht im Vordergrund. Dabei kann offen bleiben, ob der Patient so schwer erkrankt war, dass der Transport im Rahmen einer Notfallrettung und nur als Krankentransport erforderlich war, denn der Rettungsdienst ist nach § 4 Abs. 1 ThürRettG in jedem Fall vorrangig zuständig. Damit wäre nach der Kompetenzzuordnung des ThürBKG bzw. des ThürRettG allein der Träger des Rettungsdienstes für die Sicherstellung einer erforderlichen Tragehilfe zuständig. Dieser hat keinen Anspruch auf Hilfe durch die Feuerwehr.
Anders als andere Landesfeuerwehrgesetze (z. B. § 36 Abs. 2 BWFWG a. F.; § 26 Abs. 2 NBrandSchG; Art. 4 Abs. 3 und 28 Abs. 4 BayFwG; § 69 Abs. 3 Ziffer 3 SächsBRKG) enthält das ThürBKG keine Regelung zur Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben. Daraus kann zwar nicht geschlossen werden, dass die Feuerwehr nicht berechtigt ist, solche Aufgaben wahrzunehmen. Die öffentlichen Feuerwehren sind rechtlich unselbständige Einrichtungen der Gemeinde (§ 9 Abs. 1 Satz 2 ThürBKG), so dass davon auszugehen ist, dass es im Organisationsermessen der Gemeinde steht, wenn die Feuerwehren auch freiwillige Aufgaben wahrnehmen, soweit die Wahrnehmung pflichtiger Aufgaben dadurch nicht beeinträchtigt ist (so z. B. Art. 4 Abs. 3 BayFwG). Allerdings bedarf die Kostenerhebung für die Wahrnehmung dieser Aufgaben einer Rechtsgrundlage im formellen Gesetz. Diese ist nicht ersichtlich. § 48 Abs. 1 Nr. 1 – 6 ThürBKG regeln den Kostenersatz für „Einsatzmaßnahmen“ der Feuerwehr abschließend (so auch VG Meiningen, Urteil vom 21. Januar 2014 – 2 K 104/12 Me -, zitiert nach juris). Dabei sind Einsatzmaßnahmen nicht beschränkt auf pflichtige Maßnahmen, so dass grundsätzlich auch freiwillige Aufgaben wie die Tragehilfe hierunter fallen könnten. Allerdings regelt § 48 Abs. 1 nicht nur, wer Kostenschuldner ist, vielmehr verknüpft die Norm eine Regelung zum Kostenschuldner mit Tatbestandsmerkmalen zum abgabepflichtigen Tatbestand. Vorliegend kommt als Ermächtigungsgrundlage für eine satzungsrechtliche Regelung einer freiwilligen Aufgabe, insbesondere der Tragehilfe wie sie der Beklagte in § 2 Abs. 2 Ziffer 3 lit. a) der FwKS geregelt hat, allenfalls § 48 Abs. 1 Nr. 1 ThürBKG in Betracht, wonach der Aufgabenträger Ersatz der durch eine Einsatzmaßnahme entstandenen Kosten von dem Verursacher verlangen kann, wenn er die Gefahr oder den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Eine solche Einschränkung hinsichtlich des Verschuldens enthält die satzungsrechtliche Regelung nicht. Damit ist festzuhalten, dass es zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, dass die Tragehilfe gebührenpflichtig ist, dass aber die allgemeine Regelung in § 48 Abs. 1 Nr. 1 ThürBKG keine Anwendung finden kann. Denn zum einen ist schon nicht ohne weiteres erkennbar, dass eine Gefahr vorliegt, zu deren Beseitigung die Feuerwehr berufen ist. Auf jeden Fall wird man nicht sagen können, dass die Notwendigkeit einer Tragehilfe beim Krankentransport vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde (von wem auch immer …). Jedenfalls enthält die Regelung in § 2 Abs. 2 Ziffer 3 lit. a) der FwKS keine dahingehende Einschränkung hinsichtlich des Verschuldens, so dass sie ohne entsprechende Rechtsgrundlage im formellen Gesetz ergangen und damit (teil-)nichtig ist (so auch zur inhaltsgleichen Regelung in § 25 Abs. 2 Nr. 1 MV-BrSchG: OVG Greifswald, B. v. 14. Juni 2021 – 3 LZ 525/19 OVG -, DVBl. 2021, 1195; VG Schwerin, Urteil vom 6. Mai 2019 – 4 A 4414/17 SN, BeckRS 2019, 12265).
Weiterhin muss die Satzung nach § 48 Abs. 5 ThürBKG i. V. m. § 2 Abs. 2 ThürKAG den Abgabepflichtigen bestimmen. Nach § 5 Abs. 2 Ziffer 3 FwKS ist Gebührenschuldner in den Fällen des § 2 Abs. 2 Nr. 3 FwKS, wer als Benutzer die Hilfe- oder Dienstleistung der Feuerwehr in Anspruch nimmt oder anfordert.
Insoweit trifft § 48 Abs. 1 Nr. 1 ThürBKG wiederum eine einschränkende Regelung, wonach der „Verursacher“ die Gefahr oder den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben muss, um kostenpflichtig zu sein. Diese Regelung deckt nicht die satzungsrechtliche Regelung in § 5 Abs. 2 Ziffer 3 FwKS. Die Satzung fasst der Kreis der Gebührenpflichtigen deutlich weiter, indem sie als Gebührenschuldner denjenigen heranziehen will, der die Hilfe der Feuerwehr „in Anspruch nimmt oder anfordert“, und nicht denjenigen, der die Gefahr verursacht hat. Diese Regelung ist jedenfalls nicht gedeckt durch § 48 Abs. 1 Nr. 1 ThüBKG. Damit ist auch diese satzungsrechtliche Regelung nichtig. Da die Kostenpflicht nicht unmittelbar auf das formelle Gesetz gestützt werden kann (§ 48 Abs. 5 ThürBKG), ist der Bescheid insoweit mangels Rechtsgrundlage rechtwidrig. Darüber hinaus wäre die Krankenversicherung aber auch nicht der Verursacher einer vermeintlichen Gefahr für den Patienten.
Da § 48 Abs. 1 ThürBKG eine Ausnahme von dem Grundsatz der Unentgeltlichkeit der Hilfe (§ 48 Abs. 4 ThürBKG) normiert und damit ein Ausnahmetatbestand ist, kann er auch nicht erweiternd ausgelegt werden.
Soweit die Beklagte geltend macht, dass die Satzung der Mustersatzung des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales folgt, kann dies selbstredend nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Dass die Rechtslage in Thüringen zu nicht sachgerechten Kostenersatzmöglichkeiten für die gemeindlichen Feuerwehren führt, hat bereits das VG Meiningen in seinem Urteil vom 21. Januar 2014 – 2 K 104/12 Me -, zitiert nach juris Rn. 53 ff. festgestellt, ohne dass der Landesgesetzgeber eine Änderung beschlossen hätte. Zudem ergibt sich aus einer Antwort des Ministeriums auf eine Kleine Anfrage im Landtag vom 29. September 2020 (LT-Drs. 7/1802), dass diesem die Rechtslage bekannt ist.
Ein Anspruch auf Kostenersatz ergibt sich auch nicht aus den Regelungen zur Amtshilfe, §§ 4 ff. ThürVwVfG. Zwar ist in Erwägung zu ziehen, dass die Feuerwehr im Wege der Amtshilfe für den Rettungsdienst tätig geworden ist, da dem Rettungsdienst aus tatsächlichen Gründen die zur Vornahme der Amtshandlung erforderlichen Dienstkräfte oder Einrichtungen fehlen, § 5 Abs. 1 Nr. 2 ThürVwVfG. Doch hat nach § 8 Abs. 1 Satz 1 ThürVwVfG die ersuchende Behörde keine Verwaltungsgebühr zu entrichten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 2 ThürVwVfG sind lediglich Auslagen zu erstatten, soweit sie 25 € übersteigen. Der Begriff der „Auslagen“ in § 8 Abs. 1 Satz 2 ThürVwVfG umfasst nicht die allgemeinen Verwaltungskosten, sondern nur die amtshilfebedingten Mehrkosten (so BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2018 – 6 C 10/17 – zum Aufwendungsersatz einer Feuerwehr, NVwZ-RR 2018, 850). Damit sind insbesondere die laufenden Personal- und Sachkosten von der Erstattung ausgeschlossen. Vorliegend hat die Beklagte die Personalkosten für vier Einsatzkräfte des mittleren Dienstes und Sachkosten für den Einsatz eines Hilfeleistungslöschfahrzeuges geltend gemacht. Diese Kosten sind aber nicht im Wege der Amtshilfe erstattungsfähig.
Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Aufwendungsersatz aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag. Zwar hat die Feuerwehr, die hier zur Unterstützung des Rettungsdienstes tätig geworden ist, ein objektiv fremdes Geschäft geführt, nämlich neben dem Rettungsdienstzweckverband auch das der Krankenkasse gegenüber ihrem Versicherten (so OVG Bautzen, Urteil vom 12. Januar 2019 – 5 A 391/17 -, zitiert nach juris, Rn. 23 ff). Dieser Anspruch ist nach der Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 3. November 1999 – B 3 KR 4/99 R -, juris Rn. 17 ff, allerdings nach § 133 SGB V ausgeschlossen, weil diese Norm den Anspruch abschließend regelt. Insoweit kann zusammenfassend auf eine Urteilsanmerkung von Heinze/Ricken/Giesen, Das Sachleistungsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung, NZA 2000, 760, verwiesen werden:
„ …Eine derartige Zahlungspflicht ergebe sich insbesondere nicht aus der Gebührensatzung, da diese die Kostenträger nicht erfasste, sondern nur die transportierten Personen und jene Personen, die den Krankentransport veranlasst haben. Auch das krankenversicherungsrechtliche Sachleistungsprinzip könne einen Zahlungsanspruch nicht stützen. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte die Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen, d.h. dass die Krankenkassen die ihnen gegenüber den Versicherten obliegenden Versicherungsleistungen grundsätzlich als Naturalleistungen zu erbringen haben und deshalb generell die Versorgung der Versicherten durch Verträge mit den Leistungserbringern sicherstellen. Eine Kostenerstattung bei von den Versicherten selbst beschafften Leistungen anstatt der durch die Krankenkassen erbrachten Dienst- und Sachleistungen erfolgt dagegen nur in den gesetzlichen Ausnahmefällen (§ 13 Abs. 1 SGB V). Der 3. Senat des BSG betont aber in dieser Entscheidung, dass das Sachleistungsprinzip nur Bedeutung in dem Verhältnis zwischen Krankenkasse und Versicherten erlange. Dagegen können die Leistungserbringer erst über die Ausführung dieses Prinzips, also über die zur Sicherstellung des Versorgungsauftrags der Krankenkassen abzuschließenden Versorgungsverträge Rechte und Pflichten ableiten. Fehlen aber solche Verträge, so kann der jeweilige Leistungserbringer seinen Vergütungsanspruch nicht gegen die Krankenkasse, sondern allenfalls gegen den Versicherten selbst geltend machen, auch wenn für die erbrachte konkrete Leistung das Sachleistungsprinzip gelte. Ein denkbarer Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag sei deshalb ausgeschlossen, weil der Gesetzgeber den Abschluss von Verträgen über die Vergütung von Krankentransportleistungen in § 133 SGB V a.F. vorgeschrieben habe und so durch Vorschriften des öffentlichen Rechts eine der Anwendung der GoA entgegenstehende Regelung getroffen habe. Durch Zubilligung eines Anspruchs auf Auslagenerstattung in Höhe der Gebühren würde ansonsten die Verhandlungsparität der Vertragspartner nachhaltig beeinträchtigt. Den Betreibern von Krankentransportunternehmen, die über keinen Versorgungsvertrag mit den Krankenkassen verfügen, können deshalb ihren Gebührenanspruch allein gegenüber dem jeweiligen Versicherten geltend machen. Sofern dieser dann einen Freistellungsanspruch gegenüber seiner Krankenkasse gem. § 13 Abs. 3 SGB V besitzt, kann dieser Anspruch abgetreten oder seitens des Krankentransportunternehmens gepfändet werden. (Hinweis: Seit dem 1.1.2000 gilt eine ergänzte Fassung des § 133 SGB V)“
Zudem kann dieser Anspruch nicht im Wege eines Kostenbescheides, sondern im Wege einer Leistungsklage vom Beklagten geltend gemacht werden.
Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach die Beklagte als Unterlegene die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11; 711 ZPO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 87,54 € festgesetzt (§ 52 GKG).


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