Medizinrecht

Kostenübernahme für Zahnersatzversorgung

Aktenzeichen  S 7 KR 361/15

Datum:
25.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 137507
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 12 Abs. 2, § 28 Abs. 2 S. 6 u 7, § 55 Abs. 2
SGB V § 13 Abs. 3, § 13 Abs. 3a

 

Leitsatz

1. Der Eintritt einer Genehmigungsfiktion gegenüber der Krankenkasse setzt voraus, dass eine Leistung vorgelegen haben muss, die die Krankenkasse grundsätzlich nach dem Sachleistungsprinzip zu erbringen gehabt hätte. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Versorgung mit Zahnersatz bleibt die Leistung der Krankenkasse auch dann auf einen Zuschuss beschränkt, wenn der Zahnersatz anderen als zahnmedizinischen Zwecken dient oder integrierender Bestandteil einer anderen Behandlung ist. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für Zahnersatz über den bereits bewilligten Festzuschuss hinaus.
Ein Anspruch auf Kostenerstattung ergibt sich nicht aus § 13 Abs. 3a S. 7 SGB V.
Grundlage hierfür ist § 13 Abs. 3 a SGB V in der seit dem 26.02.2013 geltenden Fassung vom 20.02.2013 („Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten“, Bundesgesetzblatt I 2013, S. 277). Die Regelung lautet: „Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt.“ Die Regelung ist nur im Zusammenhang mit § 13 Abs. 3a Sätze 1 bis 5 SGB V verständlich. Diese lauten: Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit.
Der Versicherte kann den Eintritt der Genehmigungsfiktion dann zum Anlass nehmen, entweder von der Beklagten die Leistung zu verlangen oder sich gem. § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V die Leistung selbst zu beschaffen.
Voraussetzung für die Anwendung des § 13 Abs. 3a SGB V ist jedoch, dass ein Antrag auf Sachleistung gestellt wurde.
In der Begründung der Bundesregierung vom 25.05.2012 zum Gesetzentwurf wird ausgeführt:
„Die Vorschrift bezweckt die Beschleunigung der Bewilligungsverfahren bei den Krankenkassen.
Dies dient damit zum einen der schnellen Klärung von Leistungsansprüchen, zum anderen erhalten die Versicherten bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen in kurzer Zeit ihre Leistungen. Bei nicht rechtzeitiger Leistungserbringung können Versicherte sich erforderliche Leistungen selbst beschaffen. Diese Ausnahme vom Sachleistungsprinzip stellt eine Sanktionsmöglichkeit gegen die Krankenkasse dar, die nicht in einem angemessenen Zeitraum entscheidet.“
Daraus folgt, dass zunächst einmal eine Leistung vorgelegen haben muss, die die Krankenkasse grundsätzlich nach dem Sachleistungsprinzip zu erbringen gehabt hätte. Die Umwandlung eines Anspruchs auf eine Geldleistung in einen Kostenerstattungsanspruch macht bereits denklogisch keinen Sinn.
Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 13 Abs. 3 SGB V.
Nach § 13 Abs. 3 SGB V sind dem Versicherten Kosten zu erstatten, die dadurch entstehen, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann (Alternative 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alternative 2) und sich der Versicherte deshalb die Leistung selbst beschafft. Wie sich aus § 13 Abs. 1 SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung; er besteht deshalb nur, soweit die selbst beschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind.
Ein Anspruch der Klägerin scheidet aus, denn ihr stand kein Anspruch auf Kostenerstattung über den festgesetzten Festbetrag hinaus zu.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dabei umfasst die Krankenbehandlung ua die zahnärztliche Behandlung und die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen. Die zahnärztliche Behandlung beinhaltet nach § 28 Abs. 2 SGB V die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Für Zahnersatzleistungen enthalten die §§ 55, 56 SGB V spezielle Regelungen.
Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte nach den Vorgaben in § 55 Abs. 1 Satz 2 bis 7 SGB V Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist. Die Festzuschüsse umfassen 50 vH der nach § 57 Abs. 1 Satz 6 und Abs. 2 Satz 6 und 7 SGB V festgesetzten Beträge für die jeweilige Regelversorgung (§ 55 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V). Nach 55 Abs. 2 SGB V haben Versicherte bei der Versorgung mit Zahnersatz zusätzlich zu den Festzuschüssen nach § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB V Anspruch auf einen Betrag in jeweils gleicher Höhe, angepasst an die Höhe der für die Regelversorgungsleistungen tatsächlich angefallenen Kosten, höchstens jedoch in der Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten, wenn sie ansonsten unzumutbar belastet würden; wenn Versicherte, die unzumutbar belastet würden, nach § 55 Abs. 4 oder 5 SGB V einen über die Regelversorgung hinausgehenden gleich- oder andersartigen Zahnersatz wählen, leisten die Krankenkassen nur den doppelten Festzuschuss (§ 55 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Mit dieser Regelung soll einerseits sichergestellt werden, dass für einkommensschwache Versicherte die Kosten der jeweiligen Regelversorgung von der Krankenkasse vollständig übernommen werden (vgl. BT-Drucks 15/1525 S. 92), und zwar auch, soweit sie höher sind als der doppelte Festzuschuss (KassKomm-Nolte § 55 SGB V Rn 30; Altmiks in jurisPK-SGB V § 55 Rn 91).
Bei der Versorgung mit Zahnersatz bleibt die Leistung der Krankenkasse auch dann auf einen Zuschuss beschränkt, wenn der Zahnersatz anderen als zahnmedizinischen Zwecken dient oder integrierender Bestandteil einer anderen Behandlung ist. Deshalb führt auch der Vortrag der Klägerin, ihr Anspruch folge daraus, dass vor der Versorgung mit Zahnersatz eine kieferchirurgische Erwachsenenbehandlung zulasten der Beklagten durchgeführt worden sei, zu keiner anderen Beurteilung. Ob von einer medizinischen Gesamtbehandlung auszugehen ist, ist (unter weiteren Voraussetzungen) nur für den Anspruch auf implantologische Leistungen einschließlich der Suprakonstruktion im Rahmen zahnärztlicher Behandlung nach §§ 27, 28 Abs. 2 SGB V von Bedeutung (vgl § 28 Abs. 2 S. 9 SGB V), hat aber keinen Einfluss auf die insoweit speziellen und abschließenden Regelungen des § 55 SGB V. Diese Vorschrift knüpft die Beschränkung der Leistung allein an den Gegenstand (Zahnersatz) und nicht an die Ursache des Behandlungsbedarfs (BSG 02.09.2014, B 1 KR 12/13 R, juris). Die Regelung des § 55 SGB V verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Benachteiligungsverbot (BSG aaO).
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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