Medizinrecht

Krankheit, Anordnung, Popularklage, Lehrer, Nebenbestimmung, Verordnungsgeber, Gleichbehandlungsgrundsatz, Ehe, Antragsteller, Auflagen, Familie, Kinder, Betreuung, Mindestabstand, einstweilige Anordnung, einstweiligen Anordnung, Erlass einer einstweiligen Anordnung

Aktenzeichen  Vf. 26-VII-21

Datum:
21.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 8270
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Keine Außervollzugsetzung von Regelungen zu Präsenz-, Wechsel- und Distanzunterricht sowie zur „Testpflicht“ an Schulen gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung.

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgewiesen.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich im Popularklageverfahren gegen § 18 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 und § 19 Abs. 1 der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (12. BayIfSMV) des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 5. März 2021 (BayMBl Nr. 171, BayRS 2126-1-16-G), die zuletzt durch § 1 der Verordnung vom 9. April 2021 (BayMBl Nr. 261) geändert worden war. Diese Verordnung ist gemäß ihrem § 30 in der ursprünglichen Fassung am 8. März 2021 in Kraft getreten und wurde zuletzt durch Verordnung vom 16. April 2021 (BayMBl Nr. 280) geändert. § 18 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 12. BayIfSMV tritt nach derzeitigem Stand mit Ablauf des 9. Mai 2021 außer Kraft (§ 1 Nr. 4 der Verordnung vom 16. April 2021, BayMBl Nr. 280). Die Verordnung in der angegriffenen Fassung ist gestützt auf § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1, § 28 a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) in Verbindung mit § 9 Nr. 5 der Delegationsverordnung (DelV).
Die Antragsteller sind der Auffassung, die Vorschriften zum Distanz- und Wechselunterricht in Schulen gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 12. BayIfSMV und zum Tagesbetreuungsangebot für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige in § 19 Abs. 1 12. BayIfSMV verletzten die Grundrechte aus Art. 128 Abs. 1 BV (Bildungsanspruch), Art. 118 Abs. 1 BV (Gleichheitsgrundsatz), Art. 125 Abs. 1 Satz 2 BV (Entwicklungsanspruch der Kinder), Art. 101 BV (freie Entfaltung der Persönlichkeit und Berufsfreiheit) und Art. 124 Abs. 1 BV (Schutz der Familie). Für die in § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV statuierte Testpflicht stelle § 28 a Abs. 1 Nr. 16 IfSG keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage dar, was über Art. 3 Abs. 1 BV zu berücksichtigen sei; die in Art. 101 BV garantierte allgemeine Handlungsfreiheit, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das aus Art. 100 i. V. m. 101 BV hergeleitete Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie wiederum der Gleichheitsgrundsatz des Art. 118 Abs. 1 BV seien durch die Testpflicht verletzt.
Die Antragsteller begehren einstweiligen Rechtsschutz und beantragen, durch Erlass einer einstweiligen Anordnung § 18 Abs. 1 Satz 3, hilfsweise § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV außer Vollzug zu setzen.
Eine einstweilige Anordnung sei erforderlich, um dauerhafte Schäden von Kindern abzuwenden. Durch die Schließung der Schulen drohten den Kindern nachhaltige Bildungsdefizite, ferner ökonomische, gesundheitliche und psychische Schäden.
Die angegriffenen Maßnahmen seien unverhältnismäßig, weil Kinder sich seltener mit COVID-19 ansteckten, durch eine Infektion weniger gefährdet seien und das Coronavirus mit einer signifikant geringeren Wahrscheinlichkeit in Schulen und Haushalten weiterverbreiteten. Zur Untermauerung dieser Thesen verweisen die Antragsteller auf zahlreiche Fach- und sonstige Veröffentlichungen. Mit Schriftsatz vom 20. April 2021 vertiefen sie ihre Argumentation.
2. Die Bayerische Staatsregierung hat sich mit Stellungnahme vom 16. April 2021 zu dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geäußert. Sie hält ihn für teilweise unzulässig und in jedem Fall für unbegründet.
Der Bayerische Landtag hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
1. Der Verfassungsgerichtshof kann auch im Popularklageverfahren eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund dringend geboten ist (Art. 26 Abs. 1 VfGHG). Wegen der weitreichenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung im Popularklageverfahren in der Regel auslöst, ist an die Voraussetzungen, unter denen sie erlassen werden kann, ein strenger Maßstab anzulegen. Aufgrund des Wesens der Popularklage dürfen konkrete Maßnahmen zugunsten einzelner von einem Rechtssatz betroffener Personen nicht erlassen werden; vielmehr kommt auch im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nur eine Regelung infrage, die generell den Vollzug vorläufig aussetzt. Die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Vorschrift vorgetragen werden, haben im Regelfall außer Betracht zu bleiben. Nur wenn bereits offensichtlich ist, dass die Popularklage aus prozessualen oder sachlichen Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat, kommt eine einstweilige Anordnung von vornherein nicht in Betracht. Umgekehrt kann der Erlass einer einstweiligen Anordnung dann geboten sein, wenn die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Vorschrift offensichtlich ist. Ist der Ausgang des Popularklageverfahrens dagegen als offen anzusehen, sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Popularklage aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Popularklage aber der Erfolg zu versagen wäre. Bei dieser Abwägung müssen die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe so gewichtig sein, dass sie im Interesse der Allgemeinheit eine einstweilige Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile unabweisbar machen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 1.2.2021 – Vf. 98-VII-20 – juris Rn. 13 m. w. N.; vom 22.3.2021 – Vf. 23-VII-21 – juris Rn. 12).
Nach diesen Maßstäben ist eine einstweilige Anordnung nicht zu erlassen. Die Voraussetzungen für eine vorläufige Außervollzugsetzung der in Rede stehenden Verordnungsbestimmungen liegen nicht vor.
2. Gegenstand der Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind die Vorschriften zu den Schulen in § 18 Abs. 1 Satz 3 12. BayIfSMV im Haupt- und § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV im Hilfsantrag, nicht dagegen die ursprünglich im Schriftsatz vom 23. März 2021 auch in den Eilantrag einbezogene Regelung des § 19 Abs. 1 12. BayIfSMV zur Schließung von Tagesbetreuungsangeboten. Die Antragsteller haben ihre Eilanträge mit Schriftsätzen vom 7. und 12. April 2021 modifiziert und der jeweiligen Änderung des § 18 12. BayIfSMV angepasst. In die modifizierten Eilanträge und deren ergänzende Begründung wurde § 19 Abs. 1 12. BayIfSMV – dessen Außervollzugsetzung in Satz 1 Nr. 1 der Verfassungsgerichtshof mit Entscheidung vom 22. März 2021 (Vf. 23-VII-21 – juris) abgelehnt hat – nicht mehr einbezogen.
3. Sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag auf Außervollzugsetzung von § 18 Abs. 1 Satz 3 bzw. § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV sind grundsätzlich zulässig. Die Antragsteller machen jeweils jedenfalls eine verfassungswidrige Einschränkung des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 118 Abs. 1 BV sowie einen Verstoß gegen das (zumindest als Auffangvorschrift anwendbare) Grundrecht aus Art. 101 BV hinreichend substanziiert geltend (Art. 55 Abs. 1 VfGHG).
4. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in Haupt- und Hilfsantrag unbegründet.
Bei Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verhinderung der Verbreitung der Krankheit COVID-19 ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Staat wegen seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit zum Handeln grundsätzlich nicht nur berechtigt, sondern auch verfassungsrechtlich verpflichtet ist (vgl. VerfGH vom 8.5.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 121; vom 16.11.2020 – Vf. 90-VII-20 – juris Rn. 23; vom 17.12.2020 – Vf. 110-VII-20 – juris Rn. 25; vom 12.4.2021 – Vf. 21-VII-21 – Rn. 17; BVerfG vom 13.5.2020 – 1 BvR 1021/20 – juris Rn. 8). Zwar lässt sich nicht jegliche Freiheitsbeschränkung damit rechtfertigen, dass sie dem Schutz der Grundrechte Dritter diene. Vielmehr hat der Staat stets einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen der Freiheit der einen und dem Schutzbedarf der anderen zu schaffen (vgl. BVerfG vom 13.5.2020 – 1 BvR 1021/20 – juris Rn. 8). Für eine Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen sprechen angesichts der Gefahren, die ein ungehindertes Infektionsgeschehen für Leib und Leben der Menschen und die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems mit sich bringen kann, aber gute Gründe (vgl. z. B. VerfGH vom 17.12.2020 – Vf. 110-VII-20 – juris Rn. 26; vom 30.12.2020 – Vf. 96-VII-20 – juris Rn. 21; vom 22.3.2021 – Vf. 23-VII-21 – juris Rn. 12; BVerfG vom 11.11.2020 – 1 BvR 2530/20 – juris Rn. 11).
a) Der Erlass einer einstweiligen Anordnung bezogen auf den Hauptantrag der Außervollzugsetzung von § 18 Abs. 1 Satz 3 12. BayIfSMV ist unbegründet. Der Verfassungsgerichtshof vermag auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Antragsteller und mit Blick auf die Weitergeltung der Regelung in modifizierter Fassung und das aktuelle Pandemiegeschehen keine Gründe zu erkennen, die im Interesse der Allgemeinheit die beantragte einstweilige Anordnung zur Abwehr schwerer Nachteile unabweisbar machen und eine Außervollzugsetzung dieser Vorschrift rechtfertigen würden.
aa) Bei überschlägiger Prüfung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Popularklage in der Hauptsache offensichtlich erfolgreich sein wird.
Hierzu wird zunächst auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 22. März 2021 (Vf. 23-VII-21 – juris) verwiesen. Darin wird hinsichtlich der Ursprungsfassung des § 18 Abs. 1 Satz 3 12. BayIfSMV vom 5. März 2021 (BayMBl Nr. 171) dargelegt, warum diese an die 7-Tage-Inzidenz anknüpfende Vorschrift im Hinblick insbesondere auf Art. 101, 118 Abs. 1, Art. 128 Abs. 1 und Art. 129 Abs. 2 BV jedenfalls nicht als offensichtlich verfassungswidrig qualifiziert werden kann (vgl. juris Rn. 25 ff., 30 ff.) und bei der danach gebotenen Folgenabwägung die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen (vgl. juris Rn. 47 f.).
An der in der Entscheidung vom 22. März 2021 zum Ausdruck gebrachten Auffassung hält der Verfassungsgerichtshof fest. Dies gilt insbesondere auch für Art. 128 Abs. 1 BV, weil auch das Vorbringen der Antragsteller bezüglich § 18 Abs. 1 Satz 3 12. BayIfSMV jedenfalls nicht zur Annahme einer offenkundig unverhältnismäßigen Einschränkung des Bildungsanspruchs führt. Was die durch § 1 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung vom 25. März 2021 (BayMBl Nr. 224) erfolgte Einbeziehung der Jahrgangsstufe 4 der Grundschulstufe, der Jahrgangsstufe 11 der Gymnasien und der Fachoberschulen in den Präsenzunterricht gemäß Nr. 1 Buchst. a des § 18 Abs. 1 Satz 3 12. BayIfSMV angeht, fehlt es bereits an substanziiertem Vorbringen der Antragsteller; zudem entspricht diese Einbeziehung deren grundsätzlichem Ziel, Präsenzunterricht zu gewähren anstatt Schließungen oder Distanzunterricht anzuordnen. Die neuen Regelungsbestandteile geben auch sonst keinen Anlass zu durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
(1) Die Antragsteller tragen vor, § 18 Abs. 1 Satz 3 12. BayIfSMV verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 118 Abs. 1 BV), soweit darin die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern vorgeschrieben werde, denn Distanzunterricht sei nur angeordnet, wo die räumlichen Gegebenheiten einen Mindestabstand von 1,5 Metern nicht zuließen. Es könnten daher an der gleichen Schule kleinere Gruppen am Präsenzunterricht teilnehmen, während Schüler und Schülerinnen aus größeren Klassen im Einzelfall nur im Wechselunterricht beschult würden, weil der Verordnungsgeber nicht etwa die Klassengröße einheitlich reduziert, sondern ein Abstandsgebot eingeführt habe. Auch sei im Zusammenhang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu berücksichtigen, dass kinderreiche sowie auch technisch weniger versierte Familien bei der Teilnahme am Distanzunterricht benachteiligt seien. Eine offensichtlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung kann daraus jedenfalls nicht abgeleitet werden. Die Größe des Klassenraums im Verhältnis zur Anzahl der Kinder in der Klasse ist ein sachliches Differenzierungskriterium. Der Verordnungsgeber durfte im Rahmen seines Gestaltungsspielraums dieser Differenzierung den Vorzug geben und musste nicht etwa die Größe der Klassen einheitlich reduzieren. Das Gleichheitsgebot steht der Anordnung eines Distanz- oder Wechselunterrichts auch unter dem Aspekt sozialer Ungleichheit nicht grundsätzlich entgegen. Die Herstellung gleicher Bildungschancen ist eine von den Schul- und Sozialbehörden im Einzelfall zu lösende Aufgabe; daraus ergibt sich kein den infektionsschutzrechtlichen Regelungen allgemein entgegenstehendes Hindernis (vgl. dazu bereits VerfGH vom 22.3.2021 – Vf. 23-VII-21 – juris Rn. 35).
(2) Die Beschränkungen des Präsenzunterrichts verletzen nach Auffassung der Antragsteller das Grundrecht der betroffenen Kinder auf Entwicklung zu selbstbestimmungsfähigen und verantwortungsfähigen Persönlichkeiten (Art. 125 Abs. 1 Satz 2 BV) sowie auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 101 BV), denn die Schulen erfüllten als Begegnungsstätten auch eine soziale und kulturelle Funktion. Art. 125 Abs. 1 Satz 2 BV verbürgt allerdings kein Grundrecht, sondern enthält lediglich einen Programmsatz, stellt also für den Gesetzgeber Richtlinien auf (VerfGH vom 18.10.1965 – Vf. 61-VI-64 – juris; vom 17.12.1979 VerfGHE 32, 156/159). Nur dann, wenn die Prüfung im Rahmen einer zulässig erhobenen Popularklage ergibt, dass eine angegriffene Rechtsvorschrift einem Programmsatz der Bayerischen Verfassung unmittelbar widerspricht, kann der Verfassungsgerichtshof diesen Widerspruch feststellen und aus diesem Grund die Rechtsvorschrift für nichtig erklären (VerfGH vom 18.3.1997 VerfGHE 50, 67/75). Ein unmittelbarer Widerspruch ist bei grundsätzlich verfassungsmäßigen Regelungen, die auch Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern haben können, aber nicht anzunehmen. Ein Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit (vgl. hierzu VerfGH vom 21.5.2014 VerfGHE 67, 133/142 f. m. w. N.) liegt zwar vor, da Schülerinnen und Schüler, die nicht am Präsenzunterricht teilnehmen können, vom Schulbesuch abgehalten werden. Dieser Eingriff ist aber entsprechend den Ausführungen in der zitierten vorangegangenen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 22. März 2021 bei überschlägiger Prüfung nicht offensichtlich ungerechtfertigt, insbesondere nicht offensichtlich unverhältnismäßig. Dies gilt vor allem angesichts der fortbestehenden Dynamik des Pandemiegeschehens.
(3) Die Rüge des Eingriffs in das Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie (Art. 124 Abs. 1 BV) führt ebenfalls nicht zum Erfolg des Antrags. Art. 124 Abs. 1 Halbsatz 2 BV enthält eine Schutzpflicht des Staates. Regelungen, die die freie Entscheidung für und die Aufgabenverteilung in Ehe und Familie beeinträchtigen, sind vom Gesetzgeber zu vermeiden (Kirchhof in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 124 Rn. 16; Wolff in Lindner/ Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 124 Rn. 28). Dem Vorbringen der Antragsteller ist eine in diesem Sinn unzulässige Regelung nicht zu entnehmen. Sie beschreiben zwar ihr Modell einer gleichberechtigten Aufgabenverteilung unter den Ehegatten, das der Zielsetzung von Art. 124 Abs. 2 BV entspricht. Auch erhöhen ohne Zweifel Distanzunterricht und Homeschooling die Belastung voll berufstätiger und anderer Eltern im Alltag. Ihnen wird in der Pandemie viel abverlangt. Gleichwohl beinhaltet § 18 Abs. 1 Satz 3 12. BayIfSMV schon keinen zielgerichteten Eingriff in das Familienmodell der Antragsteller, die nach ihrem eigenen Vorbringen im Übrigen auch die familiäre Aufgabenverteilung deshalb nicht verändert haben, oder von anderen.
(4) Auch im Hinblick auf die Berufsfreiheit verweisen die Antragsteller auf die Zusatzbelastungen, die mit dem Entfallen von Präsenzunterricht, sämtlicher sonstiger Zusatzangebote der Schulen, der Hortbetreuung und der außerschulischen Sportangebote einhergingen, können damit aber keine Grundrechtsverletzung begründen. Art. 101 BV schützt zwar im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit auch die Berufsfreiheit. Für die Ausgestaltung des Grundrechts kann auf Art. 12 GG und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückgegriffen werden (vgl. VerfGH vom 25.9.2015 VerfGHE 68, 198/266; Funke in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 101 Rn. 10, 31 m. w. N.). Auch ein Eingriff in die von der Bayerischen Verfassung geschützte Berufsfreiheit setzt ein Handeln mit berufsregelnder Tendenz voraus (vgl. VerfGH vom 27.5.1998 VerfGHE 51, 74), die hinsichtlich § 18 Abs. 1 Satz 3 12. BayIfSMV auch bezogen auf eine Vollzeit-Berufstätigkeit der Eltern nicht zu erkennen ist.
(5) Auch die Inbezugnahme von § 18 Abs. 4 durch § 18 Abs. 1 Satz 3 12. BayIfSMV, wodurch die Teilnahme am Präsenzunterricht im Rahmen von § 18 Abs. 1 Satz 3 unter die Voraussetzung einer negativen Testung gestellt wird, führt nicht zu einer offensichtlich verfassungswidrigen Grundrechtseinschränkung und einem offensichtlichen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip.
(a) Die Antragsteller rügen, § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV führe zu einer Betretensbeschränkung, wie sie zwar § 28 a Abs. 1 Nr. 15 IfSG für Gesundheits- und Sozialeinrichtungen, aber nicht § 28 a Abs. 1 Nr. 16 IfSG für Schulen erlaube; es fehle somit an der Ermächtigungsgrundlage für die Regelung. Ein offensichtlicher und schwerwiegender Verstoß gegen Bundesrecht, der im Rahmen des Rechtsstaatsgebots des Art. 3 Abs. 1 BV zum Erfolg einer zulässigen Popularklage führen könnte, liegt jedoch bei der im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorgenommenen überschlägigen Prüfung nicht vor.
Der Verfassungsgerichtshof prüft im (Hauptsache-)Verfahren der Popularklage zwar, ob die angegriffenen Bestimmungen einer Rechtsverordnung auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigung beruhen und deren Vorgaben einhalten. Prüfungsmaßstab sind dabei jedoch allein die Vorschriften der Bayerischen Verfassung, nicht Normen des Bundesrechts. Ein behaupteter Verstoß gegen Bundesrecht kann nur mittelbar als Verletzung des in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV verankerten Rechtsstaatsprinzips geprüft werden. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV erstreckt seine Schutzwirkung nicht in den Bereich des Bundesrechts mit der Folge, dass jeder formelle oder inhaltliche Verstoß einer landesrechtlichen Vorschrift gegen Bundesrecht zugleich als Verletzung der Bayerischen Verfassung anzusehen wäre. Der Verfassungsgerichtshof hat eine auf einer bundesrechtlichen Ermächtigung beruhende Vorschrift des Landesrechts deshalb nicht umfassend daraufhin zu überprüfen, ob der Normgeber die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsnorm zutreffend beurteilt und ob er andere bundesrechtliche Vorschriften in ihrer Bedeutung für den Inhalt seiner Regelung richtig eingeschätzt hat (VerfGH vom 13.7.1988 VerfGHE 41, 69/73). Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV ist vielmehr erst dann verletzt, wenn der Widerspruch zum Bundesrecht offen zutage tritt und darüber hinaus auch inhaltlich nach seinem Gewicht als schwerwiegender Eingriff in die Rechtsordnung zu werten ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 4.4.2017 BayVBl 2017, 553 Rn. 26 m. w. N.; vom 16.11.2020 – Vf. 90-VII-20 – juris Rn. 10; vom 23.11.2020 – Vf. 59-VII-20 – juris Rn. 30; vom 30.12.2020 – Vf. 96-VII-20 – juris Rn. 16; vom 22.3.2021 – Vf. 23-VII-21 – juris Rn. 15).
Hiervon ausgehend lässt sich ein offensichtlicher und schwerwiegender Verstoß des Verordnungsgebers gegen Bundesrecht nicht feststellen. § 28 a Abs. 1 Nr. 16 IfSG erlaubt die Schließung von Schulen als Gemeinschaftseinrichtungen im Sinn des § 33 IfSG oder die Erteilung von Auflagen für die Fortführung ihres Betriebs. Es spricht viel dafür, dass es sich bei der Obliegenheit einer negativen Testung auf das Coronavirus um eine Auflage im Sinn von § 28 a Abs. 1 Nr. 16 IfSG handelt. § 18 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 12. BayIfSMV enthält dem Grunde nach eine solche Nebenbestimmung, die Lehrerinnen und Lehrern sowie Schülerinnen und Schülern ein Tun, nämlich die Testung, auferlegt, um in letzter Konsequenz eine Schulschließung bei aufflammendem Infektionsgeschehen zu vermeiden (vgl. auch OVG Berlin-Bbg vom 12.4.2021 – OVG 11 S 48/21 – juris Rn. 18).
(b) Die aus § 18 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 12. BayIfSMV folgende Obliegenheit, einen negativen PCR- oder POC-Antigentest vorzuweisen bzw. in der Schule unter Aufsicht einen Selbsttest vorzunehmen, führt nicht zu einem Eingriff in die durch Art. 100, 101 BV geschützte körperliche Unversehrtheit, weil die Testung letztlich freiwillig ist. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV keine Testpflicht im Rechtssinn statuiert, weil die Nichtvorlage eines negativen Tests nicht erzwungen werden kann (vgl. auch BayVGH vom 12.4.2021 – 20 NE 21.926 – BeckRS 2021, 7239 Rn. 14). Vielmehr handelt es sich um eine Obliegenheit, zur Teilnahme am Präsenzunterricht ein negatives Testergebnis vorzulegen.
Selbst wenn man von einer echten Testpflicht ausginge, wäre die Verpflichtung, einen Abstrich aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum testen zu lassen, zwar wohl zumindest bei einem Teil der zugelassenen Testvarianten als Beeinträchtigung der körperlichen Integrität zu werten. Diese Beeinträchtigung wäre indes nur von kurzer Dauer und niedrigschwelliger Intensität (BVerfG vom 25.8.2020 NVwZ 2020, 1512 f.) und damit jedenfalls nicht offensichtlich ungerechtfertigt.
Der damit verbundene Eingriff kann nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht offenkundig als nicht geeignet, erforderlich und angemessen angesehen und damit kein offenkundiger Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip angenommen werden. Die Testung erscheint jedenfalls geeignet, zum Zweck einer Eindämmung der Dynamik des Infektionsgeschehens beizutragen. Bereits die Antragsteller selbst argumentieren nicht widerspruchsfrei, wenn sie diese Eignung einerseits in Frage stellen, andererseits aber für freiwillige Tests im geschützten Umfeld plädieren. Das Robert Koch-Institut (RKI), dem der Gesetzgeber in § 4 IfSG die Rolle einer nationalen Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen zugewiesen und eine besondere epidemiologische Expertise zugemessen hat (vgl. hierzu VerfGH vom 26.3.2020 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 16), geht in seinem Lagebericht vom 20. April 2021 (www.rki.de/covid-19-situationsbericht) davon aus, dass, solange die Impfstoffe noch nicht in ausreichenden Mengen für alle Altersgruppen zur Verfügung stehen, Antigentests als zusätzliches Element zur frühzeitigen Erkennung der Virusausscheidung die Sicherheit erhöhen können. Das RKI stellt ferner fest, um einen möglichst kontinuierlichen Betrieb von Kitas und Schulen gewährleisten zu können, erfordere die aktuelle Situation den Einsatz aller organisatorischen und individuellen Maßnahmen zur Infektionsprävention.
Auch die Erforderlichkeit der Testobliegenheit steht nach vorläufiger Einschätzung nicht in Frage. Die vorhandenen milderen Mittel wie die „AHA + L-Regeln“ werden bereits angewendet, jedoch nicht mit durchschlagendem Erfolg. Die Argumentation der Antragsteller, die Durchführung eines Tests könne per se keine Infektion verhindern, greift zu kurz, denn die Testung ermöglicht im Fall eines positiven Ergebnisses die sofortige Absonderung der betroffenen Person zur Verhinderung von Ansteckungen. Selbst wenn die Zuverlässigkeit von Antigen-Schnelltests hinter derjenigen von PCR-Tests zurückbleibt, leisten sie aus Sicht des Verordnungsgebers, dem hierbei eine Einschätzungsprärogative zukommt, einen unverzichtbaren Beitrag im Rahmen seines Gesamtkonzepts. (Nur) durch diese Zugangsbeschränkung und die damit verbundene Möglichkeit, einen Schulbesuch infektiöser Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen, hält es der Verordnungsgeber auch angesichts des äußerst dynamischen und durch besorgniserregende Virusvarianten (VOC) geprägten Infektionsgeschehens für vertretbar, flächendeckende Schulschließungen abzuwenden und weiter Unterrichtsangebote in Präsenzform anzubieten (vgl. Begründung der Verordnung zur Änderung der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 9. April 2021, BayMBl Nr. 262, S. 5). Diese Einschätzung zum Infektionsgeschehen ist nachvollziehbar. Eine Gegenüberstellung verdeutlicht dies. Der Lagebericht des RKI vom 23. März 2021 (www.rki.de/covid-19-situationsbericht) berichtet über vom Vortag gemeldete 7.485 Neuinfektionen und 3.171 durch COVID-19-Patienten belegte Intensivbetten, die 7-Tage-Inzidenz betrug 108, der 7-Tage-R-Wert lag bei 1,04. Nach dem Lagebericht vom 20. April 2021 (a. a. O.) werden vom Vortag 9.609 Neuinfektionen gemeldet, 4.966 Intensivbetten sind mit COVID-19-Patienten belegt, die 7-Tage-Inzidenz liegt bundesweit bei 162, in Bayern deutlich darüber, und der 7-Tage-R-Wert um 1.
(c) Die Antragsteller rügen ferner eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, ebenfalls geschützt durch Art. 100, 101 BV (zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung in der Bayerischen Verfassung vgl. VerfGH vom 30.9.2004 VerfGHE 57, 113/119 f.), durch die von ihnen so bezeichnete Testpflicht. Ein Eingriff ist schon deshalb zu verneinen, weil es sich, wie bereits dargelegt, tatsächlich nicht um eine Testpflicht, sondern um eine Testobliegenheit handelt. Wird die Vorlage eines negativen PCR- oder POC-Antigentests bzw. eine Selbsttestung in der Schule durch einen Schüler oder eine Schülerin verweigert, folgt daraus nicht ein Unterrichtsausschluss generell, sondern lediglich ein Ausschluss vom Präsenzunterricht. Ausdrücklich bestätigt die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme vom 16. April 2021 zum vorliegenden Verfahren das Verständnis des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 12. April 2021 (20 NE 21.926 – BeckRS 2021, 7239 Rn. 24), dass für Schülerinnen und Schüler, die ihre Testobliegenheit nicht erfüllen, Distanzunterricht und Distanzlernen stattfindet. Damit wird konkretisiert, was bereits in der Begründung der Verordnung zur Änderung der Zwölften Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 9. April 2021 (BayMBl Nr. 262) angelegt ist. Im Übrigen wäre auch bezüglich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und Rechts der Schülerinnen und Schüler auf informationelle Selbstbestimmung nicht offenkundig von einem unverhältnismäßigen Eingriff auszugehen. Von einer den Befürchtungen der Antragsteller entsprechenden Verängstigung und Stigmatisierung in der Schule positiv getesteter Kinder ist nicht zwingend auszugehen.
(d) Ein offensichtlicher Verstoß der Testobliegenheit gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 118 Abs. 1 BV) ist nicht festzustellen. Weder ist eine Gleichheitswidrigkeit darin zu erblicken, dass § 18 Abs. 4 Satz 7 12. BayIfSMV es Lehrern und Lehrerinnen ermöglicht, sich zu Hause ohne Aufsicht selbst zu testen, noch verletzt es den Gleichheitsgrundsatz, dass der Verordnungsgeber für Arbeitsstätten nicht ebenfalls eine Testobliegenheit eingeführt hat. In beiden Fällen gibt es sachliche Differenzierungsgründe. Lehrerinnen und Lehrer sowie das Schulverwaltungspersonal sind ein kleinerer und überschaubarerer Personenkreis als Schülerinnen und Schüler. Dass der Verordnungsgeber bei diesem Personenkreis, der zu einem großen Teil beamtenrechtlichen Verpflichtungen unterliegt, bei pauschalierender Betrachtung im Rahmen seines Einschätzungsspielraums eine höhere Verlässlichkeit annimmt, begründet keinen Verstoß gegen das Willkürverbot. Arbeitsstätten sind wegen des regelmäßig höheren Bewegungs- und Nähebedürfnisses von Kindern und Jugendlichen mit Schulen nicht vergleichbar. Im Übrigen wurde durch § 1 der Verordnung vom 16. April 2021 (BayMBl Nr. 280) in § 25 12. BayIfSMV mit Wirkung vom 17. April 2021 ein Absatz 2 angefügt, demzufolge in Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen eine 7-Tage-Inzidenz von 200 überschritten wird, die zuständige Kreisverwaltungsbehörde durch Allgemeinverfügung anordnen kann, dass Beschäftigte bestimmter Betriebe und Einrichtungen nur dann in Präsenz am Arbeitsplatz eingesetzt werden dürfen, wenn sie zu Beginn des Arbeitstages über den Nachweis eines vor höchstens 24 Stunden vorgenommenen POC-Antigentests oder Selbsttests oder eines vor höchstens 48 Stunden vorgenommenen PCR-Tests in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 mit negativem Ergebnis verfügen.
(6) Auch im Übrigen ist ein Verfassungsverstoß durch § 18 Abs. 1 Satz 3 12. BayIfSMV nicht offensichtlich festzustellen.
bb) Bei der demnach gebotenen Folgenabwägung überwiegen die gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe.
Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte die Popularklage im Hauptsacheverfahren Erfolg, wären alle wie dargestellt durch die Antragsteller beschriebenen, grundrechtsrelevanten Belastungen zu Unrecht erfolgt. Die hohen Belastungen durch die Folgen der Pandemie insbesondere für Familien hinsichtlich der Beschulung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen sind ohne jeden Zweifel einschneidend. Auch können Distanzunterricht und Distanzlernen Präsenzunterricht und das damit verbundene soziale Leben in Schulen nicht ersetzen. Erginge aber die beantragte einstweilige Anordnung und hätte die Popularklage im Hauptsacheverfahren keinen Erfolg, würde dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer großen Zahl von Kontakten im Präsenzunterricht führen, obwohl dem durch die Verordnung in verfassungsrechtlich zulässiger Weise hätte entgegengewirkt werden können. Beim inzidenzunabhängig unbeschränkten Zusammentreffen von Schülerinnen und Schülern im Präsenzunterricht ohne Testpflicht ergäbe sich trotz der in § 18 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV normierten und hier nicht angegriffenen Maskenpflicht ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko. Diese Einschätzung basiert auf mehreren Komponenten. Zum einen wäre die Einhaltung eines Sicherheitsabstands von 1,5 Metern ohne Wechselunterricht bei Weitem nicht in allen Schulen gewährleistet. Zu der körperlich zu großen Nähe träte eine Gefahrerhöhung bei steigender Inzidenz in der Gesamtbevölkerung; bei Inzidenzen über 100 oder gar 200 Infizierten je 100.000 Einwohnern erhöht sich die Gefahr, dass sich auch unter Schülerinnen und Schülern oder dem Schulpersonal infizierte Personen befinden, die – insbesondere solange sie symptomlos wären – das Coronavirus weiterverbreiten könnten. Die Maskenpflicht allein und auch in Kombination mit der Verpflichtung gemäß § 18 Abs. 1 Sätze 1 und 2 12. BayIfSMV, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass dem Infektionsschutz Rechnung getragen wird, und ein Schutz- und Hygienekonzept auf der Grundlage des Rahmenhygieneplans zu erstellen, erscheint zur Kompensation dieser Risiken nicht ausreichend. Ohne die Möglichkeit von Distanz- und Wechselunterricht und somit ohne die Möglichkeit, den nötigen Abstand von 1,5 Metern zuverlässig flächendeckend sicherzustellen, sowie ohne die Durchführung der vorgesehenen Tests wären zentrale wirksame Schutzmaßnahmen ausgeschlossen, ohne die effektive Schutzkonzepte in Schulen kaum denkbar sind.
Dass wirksame Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung der Erkrankung COVID-19 und zur Verhinderung eines Anstiegs der Infektionszahlen dringend geboten sind, zeigen die Einschätzungen des RKI. Dieses schätzt dem Lagebericht vom 20. April 2021 (www.rki.de/covid-19-situationsbericht) zufolge aufgrund der anhaltend hohen Fallzahlen und des aktuell beschleunigten Wiederanstiegs der Inzidenz die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Die anhaltende Viruszirkulation in der Bevölkerung mit zahlreichen Ausbrüchen in Privathaushalten, Kitas und zunehmend auch in Schulen sowie dem beruflichen Umfeld erfordert hiernach die konsequente Umsetzung kontaktreduzierender Maßnahmen und Schutzmaßnahmen sowie massive Anstrengungen zur Eindämmung von Ausbrüchen und Infektionsketten. Dies sei vor dem Hintergrund der raschen Ausbreitung leichter übertragbarer besorgniserregender Varianten (VOC) von entscheidender Bedeutung, um die Zahl der neu Infizierten deutlich zu senken, damit auch Risikogruppen zuverlässig geschützt werden könnten. Seit dem 26. Dezember 2020 wurden insgesamt 22.378.776 Impfungen verabreicht. Es wurden 20,2% der Bevölkerung einmal und 6,7% vollständig gegen COVID-19 geimpft, woraus sich ableiten lässt, dass der Impffortschritt derzeit noch nicht ausreicht, um weitere Schutzmaßnahmen obsolet erscheinen zu lassen. Aktuell steigen nach dem Lagebericht die Meldeinzidenzen bei Kindern und Jugendlichen in allen Altersgruppen wieder an. Dies sei besonders stark in den Altersgruppen der 6- bis 20-Jährigen ausgeprägt. Im Vergleich dazu habe sich die Inzidenz bei den 0- bis 5-Jährigen nur leicht erhöht. Die Daten zu Ausbrüchen in Kitas und Schulen zeigten in den letzten Wochen einen rückläufigen Verlauf, der vermutlich auf die Osterferien zurückgeführt werden könne. Bei den Schulen deute sich seit der letzten Woche wieder ein ansteigender Trend an. Es sei zu beachten, dass die Erfassung von COVID-19-Ausbrüchen mit einer gewissen Verzögerung erfolge und die Angaben der letzten zwei Wochen noch unvollständig sein könnten.
Gemäß der aktuellen Risikobewertung des RKI vom 31. März 2021 (www.rki.de/covid-19-risikobewertung) handelt es sich weltweit, in Europa und in Deutschland um eine ernst zu nehmende Situation. Nach einem Rückgang ab Ende Dezember 2020 steigen danach die 7-Tage-Inzidenz und die Fallzahlen im Bundesgebiet seit Februar wieder an, ohne dass offensichtlich wäre, dass der Anstieg maßgeblich auf zunehmender Testung beruhen würde (vgl. bereits VerfGH vom 22.3.2021 – Vf. 23-VII-21 – juris Rn. 28). Der Anstieg beschleunige sich aktuell. Dies betreffe alle Altersgruppen unter 65 Jahren. Ein besonders rascher Anstieg werde bei Kindern und Jugendlichen beobachtet. Die COVID-19-Fallzahlen auf Intensivstationen stiegen seit Mitte März 2021 deutlich an. Schwere Erkrankungen an COVID-19, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, beträfen dabei auch Menschen unter 60 Jahren. In den meisten Kreisen handle es sich um ein diffuses Geschehen, sodass oft keine konkrete Infektionsquelle ermittelt werden könne und man von einer anhaltenden Zirkulation in der Bevölkerung ausgehen müsse. Die Therapie schwerer Krankheitsverläufe sei komplex und erst wenige Therapieansätze hätten sich in klinischen Studien als wirksam erwiesen. Die Dynamik der Verbreitung einiger neuer Varianten von SARS-CoV-2 (B.1.1.7, B.1.351 und P1) sei besorgniserregend. Diese besorgniserregenden Varianten würden auch in Deutschland nachgewiesen. Insgesamt sei die ansteckendere Variante B.1.1.7 inzwischen in Deutschland der vorherrschende COVID-19-Erreger.
Dass es auch, wie die Antragsteller anführen, Stimmen gibt, wonach die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern am Infektionsgeschehen zu unbedeutend sei, um die angegriffenen Maßnahmen verhältnismäßig erscheinen zu lassen, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung (vgl. dazu auch VerfGH vom 1.2.2021 – Vf. 98-VII-20 – juris Rn. 21). Ebenso wenig stehen der Bewertung Empfehlungen des RKI zu SARS-CoV-2 Testkriterien für Schulen während der COVID-19 Pandemie entgegen (www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Teststrategie/Testkriterien-Schulen.html). Diese vom 23. Februar 2021 datierenden Empfehlungen beziehen sich von vornherein nur auf die Testung von Verdachtsfällen und nicht auf etwaige ungezielte serielle Testungen (vgl. Vorbemerkung S. 2). Es ist davon auszugehen, dass die durch § 18 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 12. BayIfSMV angestrebte inzidenzabhängige Kontaktreduzierung in Schulen und Reduzierung der Möglichkeit der Verbreitung des Coronavirus durch infizierte a- oder präsymptomatische Schülerinnen und Schüler mittels Einführung einer Testobliegenheit Ausbrüche und Infektionsketten verhindern, eindämmen oder zumindest die Verbreitung des Virus verlangsamen und damit einen Beitrag zur Beherrschung des Infektionsgeschehens leisten kann. Selbst wenn man den Beitrag der angeordneten Maßnahmen als nicht sehr hoch einschätzen würde, überwiegen angesichts der Bedeutung von Leben und Gesundheit der Gefährdeten und der aktuellen Dynamik des Infektionsgeschehens die Gründe gegen das Außerkraftsetzen der angegriffenen Regelungen (vgl. zu Folgenabwägungen im Zusammenhang mit „Coronamaßnahmen“ bereits VerfGH vom 26.3.2020 NVwZ 2020, 624 Rn. 13; vom 24.4.2020 NVwZ 2020, 785 Rn. 23; vom 8.5.2020 – Vf. 34- VII-20 – juris Rn. 26; vom 15.5.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 14; vom 8.6.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 22; vom 3.7.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 21; vom 12.8.2020 – Vf. 34-VII-20 – juris Rn. 23; vom 21.10.2020 – Vf. 26-VII-20 – juris Rn. 25; vom 29.10.2020 – Vf. 81-VII-20 – juris Rn. 19; vom 16.11.2020 – Vf. 90- VII-20 – juris Rn. 41; vom 17.12.2020 – Vf. 110-VII-20 – juris Rn. 37; vom 30.12.2020 – Vf. 96-VII-20 – juris Rn. 35; vom 29.1.2021 – Vf. 96-VII-20 – juris Rn. 48; vom 1.2.2021 – Vf. 98-VII-20 – juris Rn. 22; vom 22.3.2021 – Vf. 23-VII- 21 – juris Rn. 48; vgl. auch BVerfG vom 11.11.2020 – 1 BvR 2530/20 – juris Rn. 16).
b) Der Erlass einer einstweiligen Anordnung bezogen auf den Hilfsantrag der Außervollzugsetzung von § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV ist ebenfalls unbegründet. Soweit § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV auch im Rahmen von § 18 Abs. 1 Sätze 1 und 2 die Teilnahme am Präsenzunterricht vom Vorliegen eines aktuellen negativen PCR- oder POC-Antigentests abhängig macht, gelten die Ausführungen unter a) aa) (5) und a) bb) entsprechend.
III.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).


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