Medizinrecht

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Aktenzeichen  23 O 143/19

Datum:
17.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 55584
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 8.177,73 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I. Zulässigkeit
Das Landgericht Memmingen ist gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich sowie gemäß § 215 Abs. 1 VVG örtlich zuständig. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
II. Begründetheit
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen für die durchgeführte Implantatbehandlung, da diese Behandlung nicht medizinisch notwendig im Sinne der §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 6 AVB war. Eine Heilbehandlung ist medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen ex ante vertretbar war, sie als notwendig anzusehen. Ist die im konkreten Fall angewandte Behandlungsmethode allgemein anerkannt und geeignet, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken, so ist der Versicherer eintrittspflichtig. Beurteilungsgrundlage bildet insoweit die Schulmedizin (vgl. OLG Köln vom 30.10.1996, 5 U 88/96). Dies gilt nicht für Krankheiten, für die es keine allgemein anerkannte und geeignete Behandlungsmethode gibt (a.a.O.).
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die BCS-Implantate nicht die Methode der Schulmedizin sind, da der Kläger lediglich behauptet, dass BCS-Implantate von der Schulmedizin überwiegend anerkannt wären. Weiter sind sich die Parteien einig, dass jedenfalls nach Durchführung eines Knochenaufbaus – unter Inkaufnahme der damit verbundenen zeitlichen Verzögerung – die Verwendung herkömmlicher Implantate möglich gewesen wäre. Der Kläger konnte letztlich jedoch nicht beweisen, dass die durchgeführte Behandlung aus ex ante-Sicht ebenso erfolgversprechend bewährt hätte wie eine von der Schulmedizin anerkannte Behandlung und dass keine schulmedizinisch anerkannten Methoden zur Verfügung gestanden hätten. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, die sich das Gericht nach Prüfung zu Eigen macht, steht fest, dass bei dem Kläger unabhängig von einem etwaigen Knochenschwund ein sofortiger Zahnersatz bei Anwendung der All on 4-Technik möglich gewesen wäre (S. 2 des Protokolls vom 26.06.2020/Bl. 132 d.A.). Selbst wenn man also den Therapiewunsch des Klägers nach einer möglichst raschen Versorgung für rechtlich maßgeblich erachten würde, wäre dies einer Versorgung mit herkömmlichen Implantaten nicht entgegengestanden. Sowohl im Oberkiefer als auch im Unterkiefer hätte unter Rückgriff auf die bei Behandlungsbeginn bereits vorhandenen Implantate eine sofortige Versorgung mit herkömmlichen Implantaten erreicht werden können (S. 3 des Protokolls vom 26.06.2020/Bl. 133 d.A.).
Aus der klägerseits zitierten Entscheidung des Landgerichts Köln vom 07.02.2007 (23 O 458/04) folgt nichts anderes. In dem dortigen Fall konnte der Sachverständige feststellen, dass für die dort verwendeten Implantate zwar keine Langzeitstudien vorlägen, aber die dort verwendeten Implantate hätten sich in der Praxis durchgesetzt und seien bei Zugrundelegung der Richtlinien der zuständigen Konsensuskonferenzen zur Schulmedizin zu zählen (juris-Orientierungssatz 2 und juris-Rn. 19). Derartige Feststellungen konnte der in dem vorliegenden Verfahren tätige Sachverständige gerade nicht treffen, sondern hat ausgeführt, dass zu BCS-Implantaten nur Studien mit einer geringen Evidenz vorliegen (S. 17 des Gutachtens/Bl. 99 d.A.). Randomisierte, kontrollierte Studien liegen nicht vor, sodass die Beurteilung des klinischen Erfolges nur sehr eingeschränkt möglich ist (S. 17/18 des Gutachtens/Bl. 99/100 d.A.). Die vorliegenden Berichte sind mehrheitlich lediglich case reports, die eine Zeitspanne von maximal vier bis sechs Jahren umfassen (S. 3 des Protokolls vom 26.06.2020/Bl. 133 d.A.), sodass insbesondere die Langzeithaltbarkeit – anders als bei herkömmlichen Implantaten – nicht hinreichend sicher beurteilt werden kann. Darauf, ob die Versorgung im konkreten Fall des Klägers (bislang) erfolgreich war oder nicht, kommt es nicht an.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Versorgung mit BCS-Implantaten nicht medizinisch notwendig war und nicht die Methode der Schulmedizin ist. Vielmehr handelte es sich um eine Wunschleistung des Klägers zur Vermeidung eines (allerdings nach Feststellungen des Sachverständigen ohnehin nicht zwingend erforderlichen) zeitintensiven Knochenaufbaus.
Die Beklagte ist gemäß § 4 Abs. 6 AVB nicht zur Leistung verpflichtet. Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Mangels eines Leistungsanspruches konnte sich die Beklagte nicht mit der Leistung in Verzug befinden, sodass Zinsen sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht als Verzugsschaden zu erstatten sind. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
III. Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.
Der Streitwert war gemäß § 3 ZPO auf den in der Hauptsache geltend gemachten Betrag festzusetzen. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten bleiben bei der Streitwertfestsetzung außer Betracht (§ 4 Abs. 1 ZPO).


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