Aktenzeichen S 6 KR 352/16
Leitsatz
Ist eine ambulante Krankenbehandlung ausreichend, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten und ihre Folgen zu mindern, besteht kein Anspruch auf eine stationäre Reha-Maßnahme. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klage, gegen deren Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2016 ist rechtmäßig und kann die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen.
1. Versicherte haben Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (§ 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden ambulant (§ 40 Abs. 1 SGB V) oder stationär (§ 40 Abs. 2 SGB V) erbracht. Stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung erbringt die Krankenkasse, wenn ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen nicht ausreichen (§ 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V), beispielsweise weil eine zeitweise Entlastung und Distanzierung vom sozialen Umfeld notwendig ist, weil der Versicherte eine Reha benötigt, die von Reha-Einrichtungen nur stationär angeboten wird, weil er nur gering belastbar ist oder weil er pflegerischer Betreuung und/oder ständiger ärztlicher Überwachung bedarf. Ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen werden erbracht, wenn ambulante Krankenbehandlung (z.B. ärztliche und psychotherapeutische Behandlung oder Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln) nicht ausreicht, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Nach § 40 Abs. 3 Satz 4 SGB V werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen zur Rehabilitation erbracht, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind. Dies gilt nicht, wenn vorzeitige Leistungen aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich sind. Das ist der Fall, wenn bei Durchführung der Maßnahme erst nach Ablauf der Wartezeit erhebliche gesundheitliche Schäden oder Nachteile zu befürchten wären, wenn also eine spätere Leistungserbringung nicht mehr rechtzeitig wäre, weil z.B. die Behinderung (bzw. deren Verschlimmerung) dann wahrscheinlich nicht mehr abgewendet werden kann.
2. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat die Klägerin keinen Anspruch auf stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Denn zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass ambulante Krankenbehandlung vorliegend ausreichend ist, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten und ihre Folgen zu mindern. Zu dieser Überzeugung gelangt das Gericht aufgrund der Auswertung des Gutachtens der Internistin und Sozialmedizinerin Dr. C., das diese unter Berücksichtigung der vorgetragenen Beschwerden, der beigezogenen ärztlichen Unterlagen und der persönlichen Untersuchung der Klägerin erstattet hat. Für das Gericht nachvollziehbar und frei von Widersprüchen sowie unter Beachtung der beigezogenen ärztlichen Befunde und Gutachten einschließlich der in den beigezogenen Akten befindlichen ärztlichen Unterlagen und Gutachten hat Dr. C. dargelegt, dass sich unter der derzeit zweimal wöchentlich durchgeführten Lymphdrainage bei der aktuellen Untersuchung nur ein geringes Ödem im Bereich der Unterschenkel und der Fußrücken sowie im Bereich der Arme und des Bauches zeige. Im Bereich des linken Beines werde die Schwellneigung etwas verstärkt durch die Stammvarikose der Vena saphena magna Stadium III links. Trophische Störungen lägen nicht vor. Eine erhebliche Behinderung des Gehvermögens durch die peripheren Ödeme könne nicht festgestellt werden. Die verordneten Kompressionsstrümpfe würden am Untersuchungstag nicht getragen, eine konsequente Kompressionstherapie werde aber von der behandelnden Fachärztin im Gefäßkompetenzzentrum dringend empfohlen, zumal die Lymphdrainage nur sinnvoll sei in Verbindung mit einer begleitenden Kompressionstherapie. Zusammenfassend kommt die erfahrene Sachverständige nachvollziehbar und frei von Widersprüchen zu dem Ergebnis, eine vorzeitige medizinische Rehabilitationsmaßnahme nicht erforderlich sei. Eine ambulante Behandlung mit Kompressionstherapie, manueller Lymphdrainage und Physiotherapie sei ausreichend. Das Gericht hat keine Bedenken, der von der gerichtserfahrenen Sachverständigen getroffenen sozialmedizinischen Einschätzung zu folgen. Denn Anhaltspunkte dafür, dass Gesundheitsstörungen nicht bzw. nicht angemessen berücksichtigt wurden, sind nicht ersichtlich. Auch Widersprüche zwischen Befunderhebung und Beurteilung sind nicht erkennbar. Daher steht zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass vorzeitige stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht erforderlich sind.
3. Demnach hat die Klägerin keinen Anspruch auf Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 2016 ist rechtmäßig und kann die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzten.
Die Klage ist somit abzuweisen.
4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz und ist getragen von der Erwägung, dass die Klage keinen Erfolg hat.
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