Medizinrecht

Maximilianeum, 81627 München

Aktenzeichen  Vf. 13-IVa-22

Datum:
30.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6938
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgewiesen.

Gründe

I.
1. Die Antragsteller sind fraktionslose Abgeordnete des Bayerischen Landtags. Sie begehren im Organstreitverfahren die Feststellung, dass „a) die mit den Allgemeinverfügungen vom 19.11.2021 und 24.1.2022 angeordnete Tragepflicht von FFP-2-Masken in parlamentarischen und nicht parlamentarischen Sitzungen und b) die derzeitige Ausgestaltung des Betretungsrechts des Landtags, (,3 G‘-Regel, Testpflicht nur für Personen die keinen Impf- oder Genesenennachweis vorweisen), in unzulässiger Weise in die verfassungsmäßigen Rechte der Antragsteller als Abgeordnete des Bayer. Landtags eingreifen“. Ferner beantragen sie, „den Vollzug der entspr. Bestimmungen in Ziff. 6 der o. g. Allgemeinverfügungen gegenüber den Antragstellern vorläufig auszusetzen“.
Die Allgemeinverfügungen der Präsidentin des Bayerischen Landtags vom 19. November 2021 und 24. Januar 2022 sind auf das öffentlich-rechtliche Hausrecht gemäß Art. 21 Abs. 1 BV und § 16 Abs. 2 der Hausordnung vom 15. April 2019 sowie die dienstrechtliche Fürsorgepflicht gestützt. Sie haben die auf denselben Grundlagen beruhende 6. Anordnung und Dienstanweisung der Landtagspräsidentin vom 29. September 2021, die zuvor zuletzt durch Allgemeinverfügung vom 21. Oktober 2021 geändert worden war, jeweils in mehreren Punkten geändert. Insbesondere wurde mit der Allgemeinverfügung vom 19. November 2021 die Begriffsbestimmung der Mund-Nasen-Bedeckung in Nummer 2 Buchst. e der 6. Anordnung und Dienstanweisung dahingehend gefasst, dass ohne ausdrückliche anderweitige Anordnung darunter eine Maske mindestens der Schutzklasse FFP2 oder vergleichbarer Schutzklasse zu verstehen ist; für parlamentarische Sitzungen wurde insoweit in Nummer 6 Buchst. b Abs. 4 die Sonderregelung getroffen, dass am Platz bei hinreichender Gewährleistung des Infektionsschutzes auch das Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske ausreicht. Mit der am 25. Januar 2022 in Kraft getretenen Allgemeinverfügung vom 24. Januar 2022 wurde sodann insbesondere der Mindeststandard hinsichtlich der zu tragenden Mund-Nasen-Bedeckung auch für parlamentarische Sitzungen angehoben. Mit der Aufhebung der Sonderregelung in Nummer 6 Buchst. b Abs. 4 besteht seither dort auch am Platz grundsätzlich (Ausnahmen am Redepult sowie bei Wortbeiträgen vom Platz) die Verpflichtung zum Tragen mindestens einer FFP2-Maske.
Die 6. Anordnung und Dienstanweisung ist mit Ablauf des 31. Januar 2022 außer Kraft getreten. Seit 1. Februar 2022 gilt die 7. Anordnung und Dienstanweisung der Landtagspräsidentin vom 31. Januar 2022, die mit Ablauf des 31. März 2022 außer Kraft treten wird. Sie ist auf dieselben Rechtsgrundlagen gestützt wie die vorangegangene 6. Anordnung und Dienstanweisung und führt die Begriffsbestimmung in Nummer 2 Buchst. e sowie die hier betroffenen Regelungen zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Nummer 6 inhaltlich unverändert fort.
2. Die Antragsteller stellen mit ihrer am 8. März 2022 eingegangenen Antragsschrift die eingangs dargestellten Feststellungsanträge zur Hauptsache und begehren daneben, „den Vollzug der entspr. Bestimmungen in Ziff. 6 der o. g. Allgemeinverfügungen gegenüber den Antragstellern vorläufig auszusetzen“.
Sie begründen ihre Anträge zunächst damit, dass die Begründungen der Antragsgegnerin zu den in den beanstandeten Allgemeinverfügungen enthaltenen Bestimmungen, wonach sowohl in parlamentarischen wie in nicht parlamentarischen Sitzungen und Besprechungen mindestens eine Maske der Schutzklasse FFP2 getragen werden müsse, unzutreffend, überholt, lückenhaft und einseitig seien.
Die Antragsgegnerin gehe mit ihren in der Begründung der Allgemeinverfügung vom 24. Januar 2022 dokumentierten Annahmen einer verschärften COVID-19- Pandemie, eines starken Anstiegs der „Meldefälle“ von „Neuinfektionen“ und einer möglichen Überlastung des Gesundheitssystems von einer offenkundig unzutreffenden Risikobewertung des allgemeinen Pandemiegeschehens aus. Zwar seien die sogenannten „Meldefälle“ (positive PCR-Tests) durch die Omikron-Variante erheblich gestiegen, gleichzeitig jedoch die Gefährdung sowohl hinsichtlich des Krankheitsverlaufs als auch der Belastung des Gesundheitssystems signifikant gesunken. Eine Verschärfung der Maskenpflicht im Landtag sei jedenfalls mit dem Hinweis auf die allgemeine Pandemielage und die Lage im Gesundheitswesen nicht zu begründen, weil dem jegliche evidente wissenschaftliche Grundlage fehle.
Weiter treten die Antragsteller der Annahme der Antragsgegnerin, ohne die beanstandete Maskenpflicht würde die Infektionsgefahr im Landtag steigen, entgegen. Sie seien jedenfalls nach einem entsprechenden negativen Schnelltest auch ohne Maske kein Risiko für andere Personen; ihr tagesaktueller Test beweise, dass sie für mindestens 24 Stunden über keine nachweisbare und damit für eine Übertragung relevante Viruslast verfügten, sie könnten „schlicht niemanden infizieren“. Der Fremdschutz sei insoweit uneingeschränkt gewährleistet. Was hingegen die Infektionsgefährdung der Antragsteller durch andere Abgeordnete oder sonstige Personen im Landtag betreffe, seien sie schon aufgrund der dortigen Geltung der sogenannten 3G-Regel nicht hinreichend geschützt. Denn durch diese unterliege die überwiegende Anzahl der Abgeordneten und sonstigen Personen, die den Landtag beträten, aufgrund ihres Impf- bzw. Genesenen-Status keinem Testzwang. Damit sei bei diesen Personen im Gegensatz zu den Antragstellern tagesaktuell nicht ausgeschlossen, dass sie eine übertragungsfähige Virenlast besäßen. Auch und gerade für die vorherrschende Omikron-Variante stehe fest, dass sich Geimpfte und nicht Geimpfte hinsichtlich ihrer Eigenschaft als Infektionsträger und Überträger in keiner Weise unterschieden. Die unterschiedliche Verfahrensweise bezüglich der Tests stelle einen eklatanten Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung dar. Unter Infektionsschutzgesichtspunkten wäre es geboten, aber auch ausreichend, wenn alle Personen, die den Landtag betreten, über einen tagesaktuellen Schnelltest verfügten. Einer zusätzlichen Pflicht, Masken, insbesondere FFP2-Masken, zu tragen, bedürfe es offenkundig nicht. Damit verletze die Antragsgegnerin auch die verfassungsmäßigen Rechte der Antragsteller, da die angeordnete FFP2-Maskenpflicht deren Infektionsschutzinteressen nicht hinreichend berücksichtige. Die Antragsteller seien gehindert, ihr Recht auf freie Mandatsausübung wahrzunehmen, weil die Anordnungslage eine für sie unkalkulierbare Infektionsgefährdung mit sich bringe, wenn sie den Landtag betreten und an entsprechenden Sitzungen teilnehmen wollten. Zu erwähnen sei in diesem Zusammenhang weiter, dass sich aufgrund des von der Anordnung erfassten Zutrittsverbots zum Hausrechtsbereich für symptomatische oder unter Quarantäne stehende Personen ohnehin nur asymptomatische, gesunde Menschen im Landtagsareal aufhalten dürften.
Die Eignung und Wirksamkeit von Masken, einschließlich FFP2/FN95-Masken, zur Senkung des Infektionsrisikos sei ausweislich gutachtlicher Stellungnahmen von Sachverständigen, die das Amtsgericht Weimar in einem Beschluss vom 8. April 2021 (Az. 9 F 148/21 – juris) zitiert habe, nicht ausreichend wissenschaftlich belegt. Dies sowie beachtliche gesundheitliche Risiken der Tragepflicht einer Maske, insbesondere einer FFP2-Maske, bestätigten auch sonstige wissenschaftliche (Meta-)Studien und z. B. Veröffentlichungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) sowie der Berufsgenossenschaften zum Arbeitsschutz. Die Antragsgegnerin berücksichtige all dies nicht und stütze sich zur Begründung allein auf eine zur Beurteilung ungeeignete Studie der Max-Planck-Gesellschaft, die sich lediglich mit der Durchlässigkeit verschiedener Maskentypen hinsichtlich Aerosolen in einer Laborumgebung beschäftige.
Zusammenfassend sei im Wesentlichen festzustellen, dass die Antragsteller durch die beanstandete Verpflichtung, im Landtag und insbesondere auch in den Plenar- und sonstigen Sitzungen eine FFP2-Maske zu tragen, offenkundig in fundamentaler Weise in ihren verfassungsmäßigen Rechten aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a BV verletzt würden. Die Anordnung verstoße auch gegen das Recht der Antragsteller, bei der Ausübung ihres Mandats nicht in unverantwortlicher Weise Gesundheitsgefahren ausgesetzt zu werden, Art. 2 GG, Art. 100, 101 BV. Die Antragsteller müssten sich, um überhaupt am Parlamentsbetrieb teilnehmen zu können, einer gesundheitsgefährdenden oder gar schädlichen FFP2-Maske aussetzen, die nicht vor Infektionen schütze, und würden ihrerseits einer erheblichen Infektionsgefahr durch die Ungetesteten ausgesetzt. Dies sei unzumutbar. Die Antragsgegnerin sei in keiner Weise in einen sachgerechten Abwägungsprozess auf Grundlage evidenter wissenschaftlicher Nachweise eingetreten. Sie habe mit den erlassenen Allgemeinverfügungen vollendete Tatsachen geschaffen, die es den Antragstellern bis auf Weiteres faktisch nicht mehr ermöglichten, ihr Mandat auszuüben.
Die Klageerhebung sei geboten, da die Antragsteller mit Schreiben vom 5. Februar 2022 die Antragsgegnerin aufgefordert hätten, die FFP2-Maskenpflicht aufzuheben und die Antragsgegnerin diesen Antrag mit am 17. Februar 2022 zugestelltem Schreiben abgelehnt habe.
3. Die Präsidentin des Bayerischen Landtags hält in ihrer am 22. März 2022 einge gangenen Stellungnahme den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für unzulässig, jedenfalls habe eine gegebenenfalls durch den Verfassungsgerichtshof vorzunehmende Folgenabwägung zu ihren Gunsten auszugehen.
II.
Der Antrag, „den Vollzug der entspr. Bestimmungen in Ziff. 6 der o. g. Allgemeinverfügungen gegenüber den Antragstellern vorläufig auszusetzen“, ist auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß Art. 26 Abs. 1 VfGHG gerichtet. Er hat keinen Erfolg, da er unzulässig ist.
1. Nach Art. 26 Abs. 1 VfGHG kann der Verfassungsgerichtshof eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund dringend geboten ist. Diese Regelung bezieht sich auf alle Verfahrensarten im Sinn des Art. 2 VfGHG, also auch auf Verfassungsstreitigkeiten (Organstreitverfahren) gemäß Art. 64 BV, Art. 49 VfGHG (VerfGH vom 4.2.1991 VerfGHE 44, 9/14; vom 14.9.2020 – Vf. 70-IVa-20 – juris Rn. 8; vom 9.11.2020 BayVBl 2021, 51 Rn. 7; vom 1.12.2020 – Vf. 90-IVa-20 – juris Rn. 10; vom 6.5.2021 – Vf. 37-IVa-21 – juris Rn. 14; vom 28.9.2021 – Vf. 74-IVa-21 – juris Rn. 14).
a) Die strengen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung in Organstreitverfahren hat der Verfassungsgerichtshof zuletzt in seiner Entscheidung vom 13. Januar 2022 (Vf. 88-IVa-21 – juris Rn. 18; vgl. zur einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG auch BVerfG vom 8.3.2022 – 2 BvE 1/22 – juris Rn. 40 bis 43) wie folgt zusammengefasst:
Einstweilige Anordnungen können nur dazu dienen, eine vorläufige Regelung zu treffen; die Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung darf die Hauptsacheentscheidung grundsätzlich nicht vorwegnehmen (VerfGH vom 19.7.1982 VerfGHE 35, 82/87; vom 6.5.2021 – Vf. 37-IVa-21 – juris Rn. 16). Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zudem regelmäßig unzulässig, wenn der Verfassungsgerichtshof eine entsprechende Rechtsfolge im Hauptsacheverfahren nicht bewirken könnte. Im Organstreit, der als kontradiktorische Parteistreitigkeit maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihrer Teile in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns dient, stellt der Verfassungsgerichtshof in der Regel lediglich fest, ob die beanstandete Maßnahme gegen verfassungsmäßige Rechte verstößt (vgl. z. B. VerfGH vom 27.6.1977 VerfGHE 35, 48; vom 6.6.2011 BayVBl 2011, 662; vom 6.5.2021 – Vf. 37-IVa-21 – juris Rn. 16). Kassatorische oder rechtsgestaltende Wirkung kommt der Entscheidung im Organstreit nicht zu (vgl. dazu auch BVerfG vom 7.7.2021 NVwZ 2021, 1368 Rn. 25 m. w. N.). Es obliegt vielmehr dem jeweiligen Verfassungsorgan selbst, einen festgestellten verfassungswidrigen Zustand zu beenden. Für eine objektive Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Maßnahme ist daher im Organstreit ebenso wenig Raum wie für eine über die Feststellung einer Verletzung der Rechte eines Antragstellers hinausgehende Verpflichtung eines Antragsgegners zu einem bestimmten Verhalten (vgl. VerfGH vom 11.8.2021 BayVBl 2021, 734 Rn. 25 m. w. N.). Dass der Organstreit allein der Klärung der Rechte der Verfassungsorgane im Verhältnis zueinander und nicht einer allgemeinen Verfassungsaufsicht dient, ist auch bei der Bestimmung des zulässigen Inhalts eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in dieser Verfahrensart zu beachten. Gegenstand eines solchen Antrags kann allein die vorläufige Sicherung des streitigen organschaftlichen Rechts des Antragstellers sein, damit es nicht im Zeitraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache durch die Schaffung vollendeter Tatsachen überspielt wird. Eine Abweichung von dem Grundsatz, dass der Inhalt einer einstweiligen Anordnung nicht über die im Hauptsacheverfahren bewirkbaren Rechtsfolgen hinausgehen darf, kommt daher allenfalls in Sonderkonstellationen in Betracht, wenn allein hierdurch die Schaffung vollendeter Tatsachen im Sinn einer endgültigen Vereitelung des geltend gemachten Rechts verhindert werden kann (vgl. VerfGH vom 1.12.2020 – Vf. 90-IVa-20 – juris Rn. 18; vom 6.5.2021 – Vf. 37-IVa-21 – juris Rn. 16; BVerfG vom 22.7.2020 NVwZ 2020, 1422 Rn. 40 m. w. N.; NVwZ 2021, 1368 Rn. 26). Auch ist das Verfahren nach Art. 26 Abs. 1 VfGHG ebenso wenig wie das nach § 32 BVerfGG darauf angelegt, möglichst lückenlosen vorläufigen Rechtsschutz vor dem Eintritt auch endgültiger Folgen zu bieten (vgl. BVerfG NVwZ 2021, 1368 Rn. 23 m. w. N.). Dass eine Sonderkonstellation gegeben ist, die eine Ausnahme von der grundsätzlichen Unzulässigkeit einer Anordnung gebietet, die über den im Hauptsacheverfahren bewirkbaren Rechtsfolgenausspruch im Organstreitverfahren hinausgeht, ist vom Antragsteller darzulegen (vgl. BVerfG NVwZ 2021, 1368 Rn. 26 m. w. N.; zum Ganzen VerfGH vom 28.9.2021 – Vf. 74-IVa-21 – juris Rn. 16).
b) Diesen Anforderungen genügt der vorliegende Antrag nicht.
aa) Mit der vorläufigen Außervollzugsetzung „der entspr. Bestimmungen in Ziff. 6 der o. g. Allgemeinverfügungen“ geht das im Eilverfahren verfolgte Rechtsschutzziel über die hier im Hauptsacheverfahren beantragten und bewirkbaren Rechtsfolgen – gegebenenfalls Feststellung einer Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte der Antragsteller – hinaus. Es fehlt jedoch an der damit erforderlichen Darlegung einer Sonderkonstellation, in der in Anbetracht der strengen Maßstäbe ein auch nur vorübergehender Eingriff des Verfassungsgerichtshofs in die Autonomie eines anderen Verfassungsorgans unabdingbar wäre, um die Schaffung vollendeter Tatsachen bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu verhindern. Es ist weder substanziiert dargelegt noch sonst ersichtlich, dass den Antragstellern bei Nichtergehen der einstweiligen Anordnung ein schwerer Nachteil hinsichtlich ihrer organschaftlichen Rechte drohen und in diesem Sinn eine dringende Gebotenheit vorliegen würde (vgl. VerfGH vom 13.1.2022 – Vf. 88-IVa-21 – juris Rn. 21 m. w. N.).
Die am 8. März 2022 eingegangene Antragsschrift enthält schon keine gesonderten Ausführungen zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, obwohl dieser den dargestellten erhöhten Begründungsanforderungen unterliegt. Soweit man insoweit zugunsten der Antragsteller ihre Ausführungen in der nicht nach einzelnen Anträgen differenzierenden Begründung heranzieht, sind diese offenkundig unzureichend. Zentrales Argument der Antragsteller ist, dass sie sich, um überhaupt am Parlamentsbetrieb teilnehmen zu können, einerseits einer gesundheitsgefährdenden oder gar schädlichen FFP2-Maske aussetzen müssten, die nicht vor Infektionen schütze, und andererseits selbst einer erheblichen Infektionsgefahr durch die Geimpften oder Genesenen ausgesetzt seien, die keiner Testpflicht unterlägen. Durch die Allgemeinverfügungen habe die Antragsgegnerin vollendete Tatsachen geschaffen, die es den Antragstellern bis auf Weiteres faktisch nicht mehr ermöglichten, ihr Mandat auszuüben.
Diese Argumentation ist weder nachvollziehbar noch wird damit konkret ein drohender schwerer Nachteil für die organschaftlichen Rechte der Antragsteller aufgezeigt.
Die Berufung der Antragsteller auf eine angebliche Gefährdung ihrer eigenen Gesundheit durch andere – zwar geimpfte oder genesene, jedoch ungetestete – Personen im Landtag führt im Hinblick auf den im Eilverfahren gestellten Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung von „Bestimmungen in Ziff. 6“ der Allgemeinverfügungen vom 19. November 2021 und 24. Januar 2022 von vornherein nicht weiter. Diese Nummer der 6. Anordnung und Dienstanweisung regelte (ebenso wie Nummer 6 der derzeit geltenden 7. Anordnung und Dienstanweisung) allein das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Gebäuden im Landtagsbereich, nicht aber etwaige Testpflichten. Zur Erreichung des erklärten Ziels, im räumlichen Bereich des Landtags besser vor einer eigenen Infektion durch andere geschützt werden zu wollen, ist die vorläufige Außervollzugsetzung von Bestimmungen zur Maskenpflicht offensichtlich ungeeignet. Der Wegfall einer zusätzlichen Schutzmaßnahme kann unabhängig davon, dass deren Eignung und Wirksamkeit von den Antragstellern als wissenschaftlich nicht ausreichend belegt angesehen werden, für sich genommen nicht zu einer Verbesserung des Infektionsschutzes führen.
Soweit die Antragsteller Gesundheitsgefahren für sich selbst durch die grundsätzlich auch am Platz geltende Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, insbesondere einer FFP2-Maske, behaupten, ist die erforderliche Substanziierung eines drohenden schweren Nachteils nicht ansatzweise erfolgt. Der Verfassungsgerichtshof hat im Lauf der COVID-19-Pandemie bereits mehrmals Anträge von Abgeordneten auf einstweilige Anordnungen in Organstreitverfahren, die gegen von der Landtagspräsidentin in früheren Anordnungen und Dienstanweisungen enthaltene Bestimmungen zur Maskenpflicht im Landtag gerichtet waren, abgewiesen (vgl. VerfGH vom 14.12.2020 – Vf. 70-IVa-20 – juris Rn. 17; vom 6.5.2021 – Vf. 37-IVa-21 – juris Rn. 44; vom 13.1.2022 – Vf. 88-IVa-21 – juris Rn. 28). Dabei hat er sich insbesondere in der Entscheidung vom 6. Mai 2021, welche die 3. Anordnung und Dienstanweisung vom 14. April 2021 und die dort angeordnete Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske nunmehr auch am Platz betraf, u. a. mit der Frage etwaiger Gesundheitsgefahren befasst und Folgendes ausgeführt:
Die getroffenen Einzelanordnungen stellen auch unter Berücksichtigung von Gleichheitserwägungen keinen offenkundig unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Antragsteller aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a BV dar.
Dies gilt zunächst hinsichtlich der erweiterten Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (medizinische Gesichtsmaske) auch am Platz bei Sitzungen im Plenarsaal, in Ausschusssitzungen sowie in sonstigen parlamentarischen Sitzungen. Hierbei handelt es sich um eine graduelle Änderung gegenüber den bislang schon geltenden Regelungen zur Maskenpflicht, die sicherlich die bestehende gewisse Beeinträchtigung des allgemeinen Wohlbefindens der Betroffenen verstärkt. Es bleibt aber auch in der Neuregelung dabei, dass die Mund-Nasen-Bedeckung am Redepult sowie bei Wortbeiträgen vom Platz wie z. B. Zwischenfragen oder Zwischenbemerkungen abgenommen werden kann, sofern der Infektionsschutz durch Abtrennungen oder Einhaltung des Mindestabstands gewährleistet wird. Die aktive Beteiligung von Abgeordneten in parlamentarischen Sitzungen – als Teil des Kernbestands an Rechten auf Teilhabe am Verfassungsleben – wird damit von der Änderung nicht berührt. Die rein aus Gründen des Infektionsschutzes allgemein angeordnete erweiterte Maskenpflicht ist auch politisch neutral; die Annahme, dass dadurch die Möglichkeiten der Antragsteller zur Kommentierung der Regierungspolitik unzumutbar eingeschränkt oder sie dieser Politik „zwangsweise äußerlich unterworfen“ würden, liegt fern. Entgegen der Behauptung der Antragsteller wird den Abgeordneten auch keineswegs „bindend aufgetragen, den ganzen Tag über Masken zu tragen“. Die Neuregelung betrifft nur den Sitzungsbetrieb. Es steht den Abgeordneten auch jederzeit frei, während (längerer) parlamentarischer Sitzungen vorübergehend den Saal zu verlassen und sich in Bereiche zu begeben, für die keine Maskenpflicht angeordnet ist. Eine stetige und durchgehende Anwesenheit eines jeden einzelnen Abgeordneten ist gerade in langen Plenarsitzungen auch nicht üblich. Dass den Abgeordneten ernsthafte Gesundheitsgefahren durch die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auch am Platz drohen würden, ist nach aktuellem Erkenntnisstand fernliegend. Den Abgeordneten wird insoweit auch nicht mehr zugemutet als verschiedenen Berufsgruppen oder auch Schülerinnen und Schülern im Präsenzunterricht. Für Abgeordnete, denen im Einzelfall aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht möglich oder unzumutbar ist, besteht weiterhin die Möglichkeit, sich auf Antrag von dieser Verpflichtung befreien zu lassen.
Im Hinblick darauf genügt der bloße Verweis der Antragsteller im hiesigen Verfahren auf Auszüge aus Einzelstudien, die mögliche Nebenwirkungen des dauerhaften Tragens von Masken, insbesondere FFP2-Masken, belegen sollen, sowie auf dazu in Bezug gesetzte Veröffentlichungen der DGUV und der französischen Agentur für Gesundheitssicherheit (ANSES) im Internet ersichtlich nicht, um nachvollziehbar den von den Antragstellern gezogenen Schluss zu belegen, dass es ihnen im Hinblick auf gesundheitliche Risiken durch die angeordnete FFP2- Maskenpflicht bis auf Weiteres faktisch nicht mehr möglich sei, ihr Mandat auszuüben.
bb) Im Übrigen fehlt das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller für die mit der Antragsschrift vom 8. März 2022 begehrte vorläufige Außervollzugsetzung „der entspr. Bestimmungen in Ziff. 6 der o. g. Allgemeinverfügungen“. Die damit in Bezug genommenen Allgemeinverfügungen vom 19. November 2021 und 24. Januar 2022 hatten Änderungen der 6. Anordnung und Dienstanweisung zum Inhalt. Diese ist mit Ablauf des 31. Januar 2022 außer Kraft getreten und entfaltet aktuell keine Rechtswirkungen mehr. Die seit 1. Februar 2022 geltende 7. Anordnung und Dienstanweisung führt die beanstandeten Regelungen zwar inhaltlich fort, stellt aber einen eigenständigen Regelungsakt der Präsidentin des Bayerischen Landtags dar, der von dem Antrag nicht erfasst wird.
cc) Zulässigkeitsbedenken hinsichtlich der Hauptsache, insbesondere in Bezug auf die Bestimmtheit der Antragstellung, und insgesamt die Frage, ob die Antragsteller substanziiert dargelegt haben, dass der Antrag in der Hauptsache weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet ist und dass bei der in diesem Fall gebotenen Folgenabwägung die besseren Gründe für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung sprechen (vgl. zu diesem Substanziierungserfordernis BVerfG vom 8.3.2022 – 2 BvE 1/22 – juris Rn. 43), können angesichts dessen dahinstehen.
III.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).


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