Medizinrecht

Öffnung einer Prostitutionsstätte während Corona-Pandemie

Aktenzeichen  RN 14 E 20.1300

Datum:
31.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 19357
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 88, § 122 Abs. 1, § 123
BayIfSMV § 11 Abs. 5, Abs. 6
ProstSchG § 12
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Unter einem Bordell ist ein auf Gewinnerzielung gerichtetes Unternehmen zu verstehen, dessen Inhaber mehrere (meist weibliche) Personen zur Prostitution bereithält, wobei die Leistung nach der typischen Erwartungshaltung in Sex in Form von Geschlechts- oder Oralverkehr besteht; kennzeichnend sind weiterhin typischerweise der Aufenthalt mehrerer Prostituierter im Betrieb, eine Möglichkeit der Anbahnung sexueller Kontakte in der Einrichtung (auf den Fluren oder in einer Bar), das Bereithalten von (alkoholischen) Getränken und eine offensive milieutypische Werbung. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Ermittlung dessen, welche Freizeiteinrichtungen mit den in § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV ausdrücklich genannten Einrichtungen vergleichbar sind, haben sich Behörden und Gerichte am Regelungskonzept des Verordnungsgebers zu orientieren und in diesem Rahmen die mit der 6. BayIfSMV verfolgten und nach dem Infektionsschutzgesetz geschützten öffentlichen Interessen einerseits und die Grundrechte der Betroffenen andererseits zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
3. Aus einer systematischen und teleologischen Gesamtschau der in § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV ausdrücklich genannten Einrichtungen ergibt sich, dass aus Gründen des Gesundheits- und Infektionsschutzes vor allem der Allgemeinheit zugängliche Gemeinschaftsräume von dem Betriebsverbot umfasst sein sollen, in denen typischerweise eine Vielzahl von Personen zusammen kommt, eine ausgelassene Atmosphäre herrscht und bei denen der Einrichtungsbetreiber nur schwer die Einhaltung von Abstands- und Hygienevorgaben unter den Gästen kontrollieren kann. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das erhöhte Infektionsrisiko bei Bordellen besteht zum einen darin, dass dort eine Vielzahl von Menschen zusammen kommt, und zum anderen in dem mit der Erbringung sexueller Dienstleistungen notwendigerweise herzustellen engsten Körperkontakt mit häufig wechselnden Partnern bei gleichzeitig eingeschränkter Kontrolle durch den Betreiber, aber auch durch die Prostituierte. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Feststellung, dass einer Öffnung seiner Prostitutionsstätte die Regelungen der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) nicht entgegenstehen.
Der Antragsteller betreibt in A* …, B* …straße 1#, eine Prostitutionsstätte im Sinne des § 2 Abs. 4 Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG), die nach seinen eigenen Angaben aus vier Häusern mit insgesamt 24 der Prostitutionsausübung dienenden Zimmern besteht. Der Antragsteller hat diesen nach eigenen Ausführungen seit dem Jahr 2010 bestehenden Bestandsbetrieb nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen mit Schreiben vom 23.9.2017 der Antragsgegnerin angezeigt und unter dem 7.12.2017 einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 12 ProstSchG gestellt. Mit dem Antrag sei ein Betriebskonzept und Pläne des streitgegenständlichen Anwesens vorgelegt worden. Die von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 26.11.2018 angeforderten Unterlagen seien von dem Antragsteller nachgereicht worden. Über den Antrag auf Erteilung der Erlaubnis sei bisher nicht entschieden worden. Es greife daher die Genehmigungsfiktion des § 37 Abs. 4, Abs. 2 ProstSchG.
Nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten Bauakten wurde der Prostitutionsbetrieb des Antragstellers mit Baugenehmigungen vom 18.6.2010 (B-2010-#5), vom 12.12.2011 (B-2011-2#8), 31.5.2012 (B-2012-1#2), 14.1.2015 (B-2014-2#9) und 12.4.2018 (B-2017-#7#) als Bordellbetrieb bauaufsichtlich genehmigt.
Die 6. BayIfSMV vom 19.6.2020, die am 22.6.2020 in Kraft getreten ist und zuletzt am 28.7.2020 geändert wurde, enthält auszugsweise folgende Regelung, die für den von dem Antragsteller begehrten Rechtsschutz relevant ist:
§ 11 Freizeiteinrichtungen
(1) -(4) (…)
(5) Bordellbetriebe, Clubs, Diskotheken, sonstige Vergnügungsstätten und vergleichbare Freizeiteinrichtungen sind geschlossen.
Nach dem durch die Corona-Pandemie veranlassten shut down hat der Antragsteller mit E-Mail vom 20.7.2020 bei der Antragsgegnerin beantragt,
dem Antragsteller ab sofort die gewerbliche Zimmervermietung (mit Hygienekonzept) an Prostituierte wieder zu erlauben,
hilfsweise,
ab sofort die gewerbliche Zimmervermietung an einzelne namentlich benannte dienstleistende Erotik-Masseusen (mit Hygienekonzept) zu erlauben.
Zur Begründung wurde vorgebracht, der Antragsteller sei durch die lange Schließung in seiner Existenz bedroht und in seinen Grundrechten aus Art. 2, 3, 12 und 14 GG eingeschränkt. Der Antragsteller habe durch die Corona-Schließung bereits einen Schaden in Höhe von 150.000,- EUR erlitten. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege habe klargestellt, dass Escort-Services (Haus- und Hotelbesuche) und auch die Wohnungsprostitution (soweit kein Bordellbetrieb) zulässig seien. Außerdem dürften auch Tantra- bzw. Erotik-Massage-Studios wieder öffnen, weil es sich hierbei nach Auffassung des Ministeriums um Dienstleistungsbetriebe und nicht um Freizeiteinrichtungen wie Bordellbetriebe handle. Zwischen dem Betrieb des Antragstellers und einem bayerischen 5-Sterne-Hotel bestünde kein Unterschied. Die in den Hotels wohnenden Freier übten derzeit und erlaubt in den Hotelzimmern Prostitution mit Sex-Arbeiterinnen aus. Daher müsse es auch erlaubt sein, dass im Hotel des Antragstellers Sex-Arbeit vollzogen werden dürfe. Auch in den Hotelzimmern des Antragstellers befänden sich nur zwei Personen, nämlich die Sex-Arbeiterin (mit Hygienekonzept) und ihr Kunde. Der Freier treffe weder auf eine andere Mieterin noch auf einen anderen Freier. In dem Betrieb des Antragstellers befinde sich keine Bar und kein Getränkeausschank und auch kein Aufenthaltsraum, in dem die anderen Mieterinnen und/oder die anderen Freier aufeinanderträfen.
Mit E-Mail vom 20.7.2020 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass dem Antrag nicht stattgegeben werden könne. Gemäß § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV seien Bordelle geschlossen zu halten. Ein Erlaubnis- und Befreiungsvorbehalt sei vom Landesverordnungsgeber nicht vorgesehen. Dies gelte sowohl für den Hauptantrag als auch den Hilfsantrag. Der Antragsteller betreibe ein Bordell, das diese Eigenschaft nicht verliere, wenn einzelne Zimmer an Prostituierte vermietet würden und sich die sexuellen Handlungen auf „Erotikmassagen“ beschränkten. Bereits die selbst gewählte Bezeichnung „Erlebnishotel“ lege nahe, dass der Betrieb des Antragstellers als Freizeiteinrichtung zu qualifizieren sei. Zumindest bei gleichzeitiger Anwesenheit einer Vielzahl von Kunden müsse auf den Gängen und den sonst allgemein zugänglichen Flächen mit dem Zusammentreffen von Menschen in einer freizeitanlagentypischen Situation gerechnet werden.
Am 27.7.2020 hat der Antragsteller daraufhin beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen RN 14 K 20.1301 geführt wird. Außerdem wurde um einstweiligen Eilrechtschutz nach § 123 VwGO nachgesucht.
Der Antrag sei als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO statthaft. Zwischen den Beteiligten bestehe ein streitiges Rechtsverhältnis, da die Anwendung des § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV auf einen bestimmten Lebenssachverhalt, nämlich den von dem Antragsteller beabsichtigten Betrieb seiner Prostitutionsstätte, streitig sei und sich hieraus Folgen für die Rechte und Pflichten der Beteiligten ergäben. Das Begehren des Antragstellers richte sich nicht auf die Feststellung der Ungültigkeit der betreffenden Norm, sodass der begehrten einstweiligen Anordnung auch nicht die Sperrwirkung des § 47 VwGO entgegenstehe. Da sich aus § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV eine unmittelbare bußgeldbewehrte Verpflichtung ergebe, könne sich der Antrag auch gegen die zuständige Ordnungsbehörde richten. Der Antragsteller sei auch antragsbefugt, da er möglicherweise in seinem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 19 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG und in dem durch den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vermittelten allgemeinen Gleichheitsgrundrecht verletzt sei.
Der Antrag sei auch begründet. Im Hinblick auf eine mögliche Ordnungswidrigkeit des Anbietens sexueller Dienstleistungen und angesichts des Umstandes, dass ein Abwarten einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache wegen der finanziellen Folgen nicht zumutbar sei, bestehe eine besondere Eilbedürftigkeit.
Der Kläger könne auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen. Die 6. BayIfSMV lasse die Ausübung der Prostitution grundsätzlich zu. Demgemäß finde Prostitution in Hotels, Beherbergungsstätten und anderen ortsfesten Einrichtungen sowie auf dem Straßen- und Autostrich statt. Danach sei es seuchenrechtlich nicht geboten und damit sachlich ungerechtfertigt, die Prostitutionsausübung in vergleichbar ausgestatteten Prostitutionsstätten wie in Hotel- und Beherbergungsbetrieben zu untersagen.
Beim Verwaltungsgerichtshof München sei eine Normenkontrolle anhängig, im Zuge derer der BayVGH das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege zur Stellungnahme aufgefordert habe, worauf die Annahme gestützt werde, dass innerhalb von Bordellbetrieben eine deutlich größere Frequenz an infektiologisch relevanten Kontakten stattfinde als bei der Erbringung sexueller Dienstleistungen außerhalb solcher Betriebe. Daraufhin habe die Landesanwaltschaft Bayern nach Abstimmung mit dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege geantwortet, dass der Verordnungsgeber der BayIfSMV die Ausübung der Prostitution zu keinem Zeitpunkt als solche verboten habe, auch wenn sie aufgrund der allgemeinen Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen zeitweilig nur sehr eingeschränkt oder gar nicht möglich gewesen sei. Maßgeblicher Grund dafür sei, dass die BayIfSMV nicht (mehr) darauf abziele, der spezifischen Ansteckungsgefahr von bestimmten Arten von Kontakten zwischen Einzelpersonen – wie sie etwa bei Intimkontakten gegeben seien – zu begegnen. Ihr vorrangiges Ziel sei vielmehr, eine dynamische Entwicklung des Infektionsgeschehens dadurch zu verhindern, dass ein persönliches Zusammentreffen einer Vielzahl von Menschen aus unterschiedlichen Hausständen entweder unterbunden oder nur unter Schutzauflagen zugelassen werde. Die speziellen Regelungen der §§ 4 ff. der 6. BayIfSMV bezögen sich daher auf Orte und Einrichtungen, in denen typischerweise eine Vielzahl von Menschen aufeinanderträfen, oder auf Anlässe, bei denen dies der Fall sei. Ersteres gelte auch für die Regelungen über Freizeiteinrichtungen in § 11 der 6. BayIfSMV, in deren Kontext die Schließung von Bordellbetrieben stehe. Die Regelung sei also nicht verhaltensbezogen (gegen die Ausübung der Prostitution als solche gerichtet), sondern einrichtungsbezogen (gegen das Zusammentreffen einer Vielzahl von Menschen in Bordellbetrieben gerichtet). Dadurch solle insbesondere eine Übertragung von Viren durch eine infizierte Person auf zahlreiche andere Personen innerhalb kurzer Zeit, wie sie für sog. „superspreading“-Ereignisse typisch sei, verhindert werden. Bei anderen Prostitutionsstätten wie etwa bei einer hierfür mitgenutzten Wohnung einer Prostituierten sei eine vergleichbare Gefahrenlage nicht ohne Weiteres gegeben. Darüber hinaus stünde hier auch der grundrechtliche Schutz der Wohnung einer Schließungsanordnung entgegen. Im Rahmen der BayIfSMV sollten mit dem Begriff „Bordellbetriebe“ daher nur „Einrichtungen“ erfasst werden, die nicht nur von einer Prostituierten, sondern von zahlreichen Prostituierten (mindestens zwei Prostituierten) und Freiern (gleichzeitig) genutzt werden könnten. Dort komme es typischerweise zu vermehrten Kontakten, welche zu unterbinden seien.
Der Antragstellervertreter hat zur Begründung seines Antrags zudem auf zwei Hinweisbeschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Verfahren 20 NE 20.1531 vom 15.7.2020 bzw. vom 22.7.2020 hingewiesen. Darin sei ausgeführt, dass nach dem systematischen Regelungszusammenhang in § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV von Bordellbetrieben mit Clubs und Diskotheken und den Ausführungen der Landesanwaltschaft der Regelungszweck des § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV maßgeblich darin bestehen dürfte, den besonderen Infektionsgefahren aus dem persönlichen Zusammentreffen einer Vielzahl von Menschen entgegenzuwirken. Nach den in dem beim BayVGH streitgegenständlichen Fall vorgelegten Plänen, der dort erteilten Betriebserlaubnis und dem im dortigen Fall vorgelegten Betriebskonzept verfüge dieser Betrieb nicht über Räumlichkeiten, die zum gleichzeitigen Aufenthalt von mehr als zwei Personen vorgesehen seien. Insbesondere erstrecke sich die Betriebserlaubnis nicht auf Räumlichkeiten, die der Anbahnung sexueller Dienstleistungen dienten und in denen sich mehrere Personen zugleich aufhalten würden. Dass die Prostitutionsstätte über gemeinsam genutzte Flure, Treppenhäuser und zum Teil auch Sanitäreinrichtungen verfüge, dürfte kaum geeignet sein, eine gesteigerte infektiologische Gefährdungslage vergleichbar mit den übrigen in § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV genannten Einrichtungen zu begründen – insbesondere gegenüber der für zulässig gehaltenen Erbringung von Prostitutionsleistungen in Wohnungen oder Hotels, in denen ebenfalls eine gemeinschaftliche Nutzung von Fluren, Treppenhäusern und Sanitäreinrichtungen stattfinden könne.
Der Antragsteller trägt vor, er habe durch die Vorlage seines Betriebskonzeptes nebst Plänen glaubhaft gemacht, dass seine Prostitutionsstätte die räumlichen und organisatorischen Anforderungen biete, dass diese nur von einer Prostituierten und nicht von zahlreichen Prostituierten und Freiern gleichzeitig genutzt werden könnten. Damit handele es sich bei der Prostitution des Antragstellers nicht um einen Bordellbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV.
Für den Antragsteller wird sinngemäß beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass dem Betrieb der Prostitutionsstätte des Antragstellers auf der Liegenschaft B* …straße 1#, A* …, bestehend aus 4 Häusern mit insgesamt 24 der Prostitutionsausübung dienenden Zimmern die Regelungen der derzeit geltenden 6. BayIfSMV oder nachfolgender gleichlautende Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen nicht entgegenstehen,
hilfsweise die Untersagung des prostitutiven Betriebs der Prostitutionsstätte des Antragstellers auf der Liegenschaft B* …straße 1#, A* …, bestehend aus 4 Häusern mit insgesamt 24 der Prostitutionsausübung dienenden Zimmern vom 20.7.2020 durch die Antragsgegnerin einstweilen außer Vollzug zu setzen,
hilfsweise die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Untersagungsverfügung der Beklagten vom 20.7.2020 wieder herzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet.
Das Interesse an der baldigen Feststellung, ob es sich bei der Prostitution des Klägers um ein Bordell im Sinne des § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV handele, sei gegenüber dem Freistaat Bayern geltend zu machen. Die Regelungen der Rechtsverordnung, wonach Bordelle geschlossen zu halten seien, bedürfe keiner behördlichen Konkretisierung in der Zuständigkeit der Antragsgegnerin. Passivlegitimiert sei daher einzig der Freistaat Bayern.
Die Antragsgegnerin habe keine Normverwerfungskompetenz, bei der von dem Antragsteller betriebenen Prostitutionsstätte handle es sich um ein Bordell im infektionsschutzrechtlichen Sinn, weil auf dem Grundstück in sämtlichen Gebäuden ausschließlich der Prostitution nachgegangen werde und eine Vielzahl von Menschen Kontakt zueinander haben könnten. Es bestehe keine Vergleichbarkeit mit anderen Formen der Prostitutionsausübung wie etwa dem Straßenstrich oder der Wohnungsprostitution, bei der wesentlich weniger Menschen gleichzeitig in Kontakt zueinander kämen.
Die Antragsgegnerin habe die Öffnung des Bordells entgegen der Behauptung des Antragstellers nicht untersagt, insbesondere nicht mit der E-Mail vom 20.7.2020. Zur Annahme eines von der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage vorausgesetzten Verwaltungsaktes mangle es insbesondere an einer Regelung im Sinne der Setzung einer Rechtsfolge (Schließung eines verbotswidrig geöffneten Hotels). Aus der von dem Antragsteller in Bezug genommenen
E-Mail ergebe sich lediglich eine Rechtsansicht der Antragsgegnerin, es handele sich dabei aber nicht um eine Willenserklärung. Diese E-Mail enthalte auch keine Ablehnung eines Antrags auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Öffnung des Bordells. Die Regelung des § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV enthalte keinen derartigen Erlaubnis- oder Befreiungsvorbehalt.
In jedem Falle ginge mit der Entscheidung über den Antrag eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache einher. Andernfalls müsse damit gerechnet werden, dass beim Betrieb hervorgerufene Infektionsgefahren möglicherweise irreversible Folgen hervorriefen.
Eine Rückfrage des Gerichts beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof hat ergeben, dass der Normenkontrollantrag 20 NE 20.1531 mittlerweile zurückgenommen wurde und das Verfahren mit Beschluss vom 24.7.2020 eingestellt wurde.
Der Antragsteller hat die vom Gericht angeforderten Baupläne, Lagepläne und weitere Aussagen zu seinem Betriebskonzept betreffend das streitgegenständliche Anwesen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die Anträge nach § 123 Abs. 1 VwGO haben keinen Erfolg.
Sie sind teilweise bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet.
1. Der Antrag ist nur im Hauptantrag zulässig.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden (Regelungsanordnung).
Erforderlich ist danach zum einen das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Notwendigkeit einer Eilentscheidung, und zum anderen ein Anordnungsanspruch, also ein rechtlicher Anspruch auf die begehrte Maßnahme.
Bei sachgerechter Auslegung des Antrags anhand des Rechtsschutzbegehrens begehrt der Antragsteller mit seinem Hauptantrag die vorläufige Feststellung, dass er seine Prostitutionsstätte unter Geltung der einschlägigen Vorschriften der BayIfSMV (derzeit §§ 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV oder zukünftige gleichlautende Nachfolge-Verordnungen der 6. BayIfSMV) ab sofort öffnen darf. Nach § 88 VwGO, der nach § 122 Abs. 1 VwGO entsprechend für Beschlüsse gilt, ist das Gericht an die Fassung der Anträge nicht gebunden, darf allerdings über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Das Gericht hat das im Klageantrag und im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen (BVerwG, U. v. 23.2.1993 – 1 C 16/87 – juris, Rn. 13). Das Klageziel ist nicht allein dem Klageantrag zu entnehmen, sondern dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere auch der Klagebegründung.
Maßgeblich kommt es insoweit auf das erkennbare Klageziel an, so wie sich dieses dem Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts aufgrund des gesamten Parteivorbringens und Akteninhalts darstellt. Allein mit dem von dem Antragstellervertreter formulierten Antrag kann der Antragsteller sein Ziel nicht erreichen. Auch wenn man dessen Betrieb nicht als Bordellbetrieb qualifiziert, können der Öffnung des Betriebs andere Vorschriften der 6. BayIfSMV entgegenstehen, sodass der Antragsteller damit das erkennbare Ziel – die sofortige Öffnung seines Prostitutionsbetriebes – nicht erreichen kann. Daher wird sein Antrag erweiternd dahingehend ausgelegt, dass auch andere Vorschriften der 6. BayIfSMV einer sofortigen Betriebsöffnung nicht entgegenstehen.
Der Zulässigkeit des Hauptantrags steht auch § 47 Abs. 6 VwGO, der gegenüber einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO bzw. einem Antrag nach § 123 VwGO lex spezialis ist, nicht entgegen. Der vorliegende Antrag bezieht sich nicht auf die Unwirksamkeit bzw. die Aussetzung des Vollzugs einer untergesetzlichen Rechtsnorm, sondern es geht um die Auslegung dieser untergesetzlichen Rechtsnorm. Die Wirksamkeit der Regelungen der 6. BayIfSMV an sich wird durch den vorliegenden Antrag nicht infrage gestellt, es besteht nur Streit über die Auslegung dieser untergesetzlichen Rechtsnormen.
Zwischen den Beteiligten besteht ein einer einstweiligen Anordnung zugängliches feststellungsfähiges streitiges Rechtsverhältnis. Die Frage der Zulässigkeit des streitgegenständlichen Betriebs beurteilt sich unmittelbar nach der 6. BayIfSMV, ohne dass eine behördliche Zulassungsentscheidung vorgesehen wäre. Die Auslegung des § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV ist zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin, die als Rechtsträgerin der Kreisverwaltungsbehörde für den Vollzug der betreffenden Norm zuständig ist, streitig. Der Antragsteller ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin der Auffassung, dass er kein Bordell im Sinne des § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV betreibt.
Auch ein Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben. Dem Antragsteller ist es mit Blick auf die Bußgeldbewährung in § 22 Nr. 8 der 6. BayIfSMV nicht zuzumuten, auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung seine Prostitutionsstätte zu betreiben und erst gegen eine etwaige künftige polizeiliche Maßnahme oder gegen einen Bußgeldbescheid Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen (vgl. VG Sigmaringen, B. v. 21.4.2020 – 14 K 1360/20 – juris Rn. 12).
Der Antragsteller kann auch in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen, möglicherweise in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die in § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV verfügte Schließung von Bordellbetrieben, sonstigen Vergnügungsstätten und vergleichbaren Freizeiteinrichtungen lässt es möglich erscheinen, dass der Antragsteller in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 3 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG oder in dem durch den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vermittelten allgemeinen Gleichheitsgrundrecht verletzt ist.
Die Hilfsanträge sind hingegen bereits unzulässig. Die Antragsgegnerin hat den Betrieb des Antragstellers nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen zu keinem Zeitpunkt untersagt. Insbesondere in der E-Mail vom 20.7.2020 ist keine Untersagungsverfügung enthalten. Der Antragsteller selbst hat seinen Betrieb im Hinblick auf die Vorgängerfassungen der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung und den lock down wegen der Corona-Pandemie eingestellt. Die Unzulässigkeit des Betriebs des Antragstellers ergab sich bereits aus der BayIfSMV, ohne dass es dazu eines weiteren Vollzugsaktes der Vollzugsbehörde bedurfte. Ein anfechtbarer Verwaltungsakt, der einstweilen außer Vollzug gesetzt werden könnte oder hinsichtlich dessen die aufschiebende Wirkung einer Klage wieder hergestellt werden könnte, liegt nicht vor. Die Hilfsanträge sind daher schon unzulässig.
2. Der Hauptantrag ist unbegründet.
Die Antragsgegnerin ist entgegen ihrer Rechtsauffassung für diesen Rechtsstreit zwar passivlegitimiert, der Antragsteller hat aber keinen Anspruch darauf, dass das Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig feststellt, dass die Regelungen der 6. BayIfSMV dem Betrieb seiner Prostitutionsstätte nicht entgegenstehen.
Auch bei sog. self-executing-Normen ist die zuständige Ordnungsbehörde im Hinblick auf die sich unmittelbar aus der Verordnung ergebende bußgeldbewehrte Verpflichtung richtige Antragsgegnerin.
Zwar wurde ein Anordnungsgrund, die Feststellung der Eilbedürftigkeit, glaubhaft gemacht. Dieser folgt daraus, dass die Auslegung der Regelungen der 6. BayIfSMV den Antragsteller in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 19 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG bzw. in das Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG tangiert und Rechtsschutz in der Hauptsache angesichts des Außerkrafttretens der Verordnung am 16.8.2020 (§ 24 der 6. BayIfSMV in der Fassung der Änderungsverordnung vom 28.7.2020). Dem Antragsteller entsteht durch die Schließung seines Betriebs ein täglich wachsender wirtschaftlicher Schaden. Es ist damit zu rechnen, dass die streitgegenständlichen Regelungen der Verordnung aufgrund des Pandemiegeschehens verlängert werden.
Der Antragsteller hat aber keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsteller konnte nicht glaubhaft machen, dass der Inbetriebnahme seiner Prostitutionsstätte die Regelungen der 6. BayIfSMV nicht entgegenstehen.
Gemäß § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV sind Bordellbetriebe, Clubs, Diskotheken, sonstige Vergnügungsstätten und vergleichbare Freizeiteinrichtungen geschlossen. Diese Regelung steht der vorliegend begehrten Öffnung des Betriebs des Antragstellers entgegen. Dabei kann letztlich dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Betrieb des Antragstellers um ein Bordell handelt oder eine vergleichbare Freizeiteinrichtung.
Für die zur Entscheidung berufene Kammer spricht allerdings alles dafür, dass es sich bei dem Betrieb des Antragstellers um ein Bordell handelt. Eine Auslegung nach Wort, Sinn und Zweck sowie der Systematik der genannten Regelung lässt darauf schließen, dass der Betrieb in der dargestellten Form unter die Verbotsnorm fällt. Bei dem Begriff des Bordells handelt es sich um keinen gesetzlich verwendeten oder definierten Begriff, sodass bei dessen Auslegung nicht auf bestehende Gesetze im Sinne der Einheit der Rechtsordnung zurückgegriffen werden kann. Vielmehr ist der Begriff nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sowie dem Sinn und Zweck der Regelung auszulegen. Bei der Auslegung dieses rechtlich nicht definierten Begriffs haben Behörden und Gerichte zum einen die wertsetzende Bedeutung der Grundrechte und zum anderen zu berücksichtigen, dass das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, das auch für Bußgeldvorschriften gilt (vgl. dazu etwa BVerfG, B. v. 17.11.1992 – 1 BvR 168/89 – juris Rn. 99) es verbietet, den Begriff so weit auszulegen, dass für den Normadressaten nicht mehr erkennbar ist, welches Verhalten ihm unter Androhung eines Bußgeldes verboten ist (BayVGH, B. v. 29.5.2020 – 20 NE 20.953 – juris Rn. 41).
Unter einem Bordell versteht man nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein auf Gewinnerzielung gerichtetes Unternehmen, dessen Inhaber mehrere (meist weibliche) Personen zur Prostitution bereithält, wobei die Leistung nach der typischen Erwartungshaltung in Sex in Form von Geschlechts- oder Oralverkehr besteht. Kennzeichnend sind weiterhin typischerweise der Aufenthalt mehrerer Prostituierter im Betrieb, eine Möglichkeit der Anbahnung sexueller Kontakte in der Einrichtung (auf den Fluren oder in einer Bar), das Bereithalten von (alkoholischen) Getränken und eine offensive milieutypische Werbung. Zugeschrieben wird Bordellen des Weiteren eine gewisse störende Wirkung auf die Umgebung, weshalb bauplanungsrechtlich davon ausgegangen wird, dass sich für sie im Hinblick auf die sich aus dem „Milieu“ ergebenden Begleiterscheinungen eher ein Standort eignet, der außerhalb oder allenfalls am Rande des „Blickfeldes“ und der Treffpunkte einer größeren und allgemeinen Öffentlichkeit liegt und auch nicht in der Nachbarschaft von Wohnungen (BVerwG, B. v. 2.11.2015 – 4 B 32/15 – NVwZ 2016,151).
Diese typischen Merkmale erfüllt der Prostitutionsbetrieb des Antragstellers bei einer Gesamtschau der vorgelegten Unterlagen. Bei dem Betrieb des Antragstellers handelt es sich um ein auf Gewinnerzielung gerichtetes Unternehmen, bei dem gleichzeitig mehrere Prostituierte anwesend sind, die ihre Dienste anbieten. Für die Qualifizierung des Betriebes als Bordell macht es keinen Unterschied, dass der Antragsteller seinen Gewinn nicht direkt aus der Prostitution erzielt, sondern aus der „zwischengeschalteten“ Zimmervermietung. Der Betrieb kann nur deshalb gewinnbringend bewirtschaftet werden, weil möglichen „Kunden“ bekannt ist, dass in dieser Einrichtung gleichzeitig mehrere Prostituierte zur Auswahl stehen. Der Prostitutionsbetrieb befindet sich in einem Industriegebiet weit ab von sonstiger Wohnbebauung. Im Internet wird intensiv Werbung für dieses „Erlebnishotel“ gemacht, wobei der Begriff des Erlebnishotels relativ neu scheint und die älteren Internetauftritte den Betrieb als „L* … – Das Bordell in A* …“ (beispielsweise https:// …; zuletzt aufgerufen am 29.7.2020) bewerben. Nach den im Internet verfügbaren Informationen trifft der potentielle Kunde die Prostituierten im Flur des Anwesens und sucht sich dann eine Prostituierte aus. Im Regelfall findet die Terminvereinbarung offenbar nicht vorab statt, so dass der Kunde zielgerichtet ein bestimmtes Zimmer in dem Betrieb aufsucht, sondern die Anbahnung findet im Flur statt. Dies ergibt sich auch aus dem dem Gericht vorliegenden Betriebskonzept des Antragstellers. Damit unterscheidet sich der Betrieb des Antragstellers aber wesentlich von dem von dem Antragsteller zitierten Fall in Kempten, der beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anhängig war. Diese Anbahnung im Flur führt dazu, dass ein Aufeinandertreffen eines ständig wechselnden Personenkreises im Flur gegeben ist, das die Nachvollziehbarkeit möglicher Infektionsketten besonders schwer macht. Die Begegnung im Flur ist damit nicht mehr mit der typischerweise nur einige Sekunden dauernden Begegnung auf einem Hotelflur zu vergleichen. In dem Betrieb befinden sich außerdem auch mehrere Räume, die zur gemeinsamen Nutzung vorgesehen sind. Es gibt ein Fitnessstudio, ein Solarium und einen Jacuzzi. Nach dem Inhalt einiger Homepages (beispielsweise booking.com) befindet sich in dem Anwesen auch eine Bar, jedenfalls sind alkoholische Getränke verfügbar – auch das ergibt sich aus dem Inhalt des Betriebskonzeptes des Antragstellers. Auch aus den Bauplänen ist die tatsächliche Nutzung der als Gemeinschaftsräume vorgesehenen Räume nicht eindeutig zu entnehmen. Auch wenn der Antragsteller im Rahmen der Baugenehmigungsverfahren angegeben hat, dass diese Räume ausschließlich durch die Prostituierten genutzt werden, kann dies aus den dürftigen Angaben des Antragstellers nicht zwingend angenommen werden. Dies widerspricht teilweise seiner Werbung im Internet und der Antragsteller hat es versäumt dem Gericht gegenüber genauere Angaben durch Vorlage eines detaillierten Betriebskonzepts zu machen. Außerdem entsteht auch durch die gemeinsame Nutzung eines Raumes durch mehrere teilweise täglich wechselnde Prostituierte eine erhöhte Infektionsgefahr, die gerade ausgeschlossen werden soll. Jedenfalls in dem Aufenthaltsraum, dem Gymnastikraum, dem Solarium, dem Shop, dem Sozialraum, der Terrasse und den Gemeinschaftsschlafräumen für die Prostituierten findet eine Nutzung durch mehr als zwei Personen statt. Diese zur gemeinsamen Nutzung vorgesehenen Räume sind nicht räumlich getrennt von dem Rest des Etablissements und sind daher für die Freier ebenso zugänglich. Aufgrund welcher organisatorischer Maßnahmen dies ausgeschlossen sein sollte, wurde dem Gericht nicht glaubhaft gemacht.
In der Gesamtheit hat das Gericht daher keine Zweifel daran, dass es sich bei dem Betrieb des Antragstellers um ein Bordell handelt. Der Betrieb unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von der sogenannten Wohnungsprostitution. Weder handelt es sich bei den einzelnen vermieteten Einheiten um Wohnungen, noch werden diese Zimmer zum dauerhaften Aufenthalt durch die Prostituierten genutzt. Dies wäre aufgrund der Lage im Industriegebiet auch gar nicht zulässig. Die Mehrzahl der Kunden scheint nicht im Vorhinein über eine Terminvereinbarung mit einer bestimmten Prostituierten zu verfügen, die er dann zielstrebig in ihrem Zimmer aufsucht. Offenbar entscheiden sich die Kunden erst vor Ort für ein bestimmtes Mädchen. Außerdem verfügt der Antragsteller über Räumlichkeiten, die zum gleichzeitigen Aufenthalt von mehr als zwei Personen bestimmt sind. Die in dem Anwesen vorhandenen Flure, in denen offenbar die Anbahnung stattfindet, besitzen teilweise Aufenthaltsqualität. Dort gibt es beispielsweise einen Fernseher und sie ähneln wegen ihrer Größe eher einem Aufenthaltsraum.
Selbst wenn man den Betrieb des Antragstellers nicht als Bordell qualifizieren würde, würde es sich zweifellos um eine vergleichbare Freizeiteinrichtung handelt. Bei der Ermittlung dessen, welche Freizeiteinrichtungen mit den in § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV ausdrücklich genannten Einrichtungen vergleichbar sind, haben sich Behörden und Gerichte am Regelungskonzept des Verordnungsgebers zu orientieren und in diesem Rahmen die mit der 6. BayIfSMV verfolgten und nach dem Infektionsschutzgesetz geschützten öffentlichen Interessen einerseits und die Grundrechte der Betroffenen andererseits zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (BayVGH, B. v. 29.5.2020 – 20 NE 20.953 – juris Rn. 41). Im Rahmen der systematischen Auslegung anhand des Normensystems ist insbesondere der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, U. v. 6.3.2002 – 2 BvL 17/99 – juris; BVerfG, B. v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98 – juris; BVerfG, B. v. 8.6.2004 – 2 BvL 5/00 – juris; BVerfG 21.6.2011 – 1 BvR 2035/07 – juris Rn. 77). Aus einer systematischen und teleologischen Gesamtschau der in § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV ausdrücklich genannten Einrichtungen ergibt sich, dass aus Gründen des Gesundheits- und Infektionsschutzes vor allem der Allgemeinheit zugängliche Gemeinschaftsräume von dem Betriebsverbot umfasst sein sollen, in denen typischerweise eine Vielzahl von Personen zusammen kommt, eine ausgelassene Atmosphäre herrscht und bei denen der Einrichtungsbetreiber nur schwer die Einhaltung von Abstands- und Hygienevorgaben unter den Gästen kontrollieren kann. Um einen derartigen Betrieb geht es vorliegend. Dort halten sich eine Vielzahl wechselnder Gäste auf. Sowohl die Prostituierten wechseln nach den Angaben des Antragstellers häufig (manchmal täglich) als auch die Kunden. Im Hinblick auf die für die Prostituierten entstehenden Mietkosten ist davon auszugehen, dass für jede Prostituierte täglich mehrere Kunden den Betrieb des Antragstellers betreten. Eine konsequente Einhaltung von Hygieneund Infektionsschutzstandards, wie bei anderen Freizeiteinrichtungen vorgesehen, scheint schwer möglich. Sowohl das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung als auch die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m ist entweder lebensfern oder gar nicht einhaltbar. Außerdem können auch Schmierinfektionen durch Nahkontakte zwischen den Prostituierten und den Kunden sowie das zwangsläufig gemeinsame Berühren von Gegenständen nach gegenwärtiger Erkenntnislage nicht ausgeschlossen werden. Durch die Vielzahl der so im Rahmen eines potenziell besonders risikobehafteten Kontakts aufeinandertreffenden Menschen kann es zu neuen, nicht mehr nachvollziehbaren Infektionsketten kommen. Aufgrund der Art des Gewerbes ist nicht davon auszugehen, dass sich die Nachvollziehbarkeit der Infektionsketten durch die Angabe der vollständigen und richtigen Adressen der Kunden unter Angabe ihrer Aufenthaltsdauer und ihres Aufenthaltsortes herstellen ließe. Der Antragsteller hat nicht nachgewiesen, wie er bei einer aufeinanderfolgenden Nutzung eines Raumes durch mehrere Kunden dessen vollumfängliche Reinigung gewährleisten will. Der Antragsteller hat dem Gericht überhaupt kein Hygienekonzept vorgelegt. Das erhöhte Infektionsrisiko bei Bordellen sieht die Rechtsprechung zum einen darin, dass dort eine Vielzahl von Menschen zusammen kommt, und zum anderen in dem mit der Erbringung sexueller Dienstleistungen notwendigerweise herzustellen engsten Körperkontakt mit häufig wechselnden Partnern bei gleichzeitig eingeschränkter Kontrolle durch den Betreiber, aber auch durch die Prostituierte (OVG Nordrhein-Westfalen, B.. v. 25.6.2020 – 13 B 800/20.NE – juris; OVG Niedersachsen, B. v. 9.6.2020 – 13 MN 211/20 – juris; Hessischer VGH, B. v. 8.6.2020 – 8 B 1446/20.N – juris). Nichts anderes gilt für den Betrieb des Antragstellers. Jedenfalls handelt es sich daher um eine vergleichbare Freizeiteinrichtung im Sinne des § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV.
Der Antragsteller hat dem Gericht schon nicht glaubhaft gemacht, dass es sich bei seinem Betrieb weder um ein Bordell noch um eine entsprechende Freizeiteinrichtung handelt. Er hat trotz entsprechender Aufforderung weder entsprechende Baupläne vorgelegt noch Einzelheiten zu seinem Betriebskonzept bekanntgegeben, die für die eindeutige Einstufung des Betriebs aber zwingend erforderlich gewesen wären. Auch das angeblich bestehende Hygienekonzept ist dem Gericht nicht bekannt. Der Antragsteller hat daher den Anordnungsgrund schon nicht glaubhaft gemacht.
Einem Betrieb des Antragstellers steht § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV entgegen.
Nachdem es sich bei dem Betrieb des Antragstellers um einen der in § 11 Abs. 5 der 6. BayIfSMV aufgelisteten Betriebe handelt, deren Öffnung derzeit aus infektionsschutzrechtlicher Sicht ohne der Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung untersagt ist, kann eine Öffnung des Betriebs nicht aus der allgemeineren Vorschrift des § 12 Abs. 2 der 6. BayIfSMV hergeleitet werden.
Die Anträge waren deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO abzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Dabei macht das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch, den Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben, weil die Anträge im Hinblick auf das Außerkrafttreten der angegriffenen Verordnung am 16.8.2020 inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielen.


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