Medizinrecht

Rechtmäßige Anordnung der Verkehrszeichen für eine Vorfahrtsregelung

Aktenzeichen  B 1 K 16.919

Datum:
24.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28270
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVO § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, Abs. 9 S. 1

 

Leitsatz

Zwingend geboten ist ein Verkehrszeichen nach § 45 Abs. 1 S. 1 iVm § 45 Abs. 9 S. 1 StVO nur, wenn das Verkehrszeichen die zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderliche und allein in Betracht kommende Maßnahme ist. Das ist nicht der Fall, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrs-Ordnung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf gewährleisten. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
1. Die Anfechtungsklage (vgl. § 42 Abs. 1 VwGO) gegen die die Verkehrszeichen VZ-Nr. 301, VZ-Nr. 206 und VZ-Nr. 267 ist zulässig.
Bei den Verkehrszeichen handelt es sich um Verwaltungsakte in Form einer Allgemeinverfügung im Sinne des Art. 35 Satz 2 BayVwVfG (st. Rspr. seit BVerwG, U.v. 09.06.1967 – 7 C 18.66 – BVerwGE 27, 181; U.v. 13.12.1979 – 7 C 46.78 – BVerwGE 59, 221). Sie werden gemäß Art. 43 BayVwVfG gegenüber demjenigen, für den sie bestimmt sind oder der von ihnen betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm bekannt gegeben werden. Die Bekanntgabe erfolgt nach den bundesrechtlichen (Spezial-) Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) durch Aufstellen des Verkehrsschildes (vgl. § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 4 StVO; BVerwG, U.v. 23.09.2010 – 3 C 37.09 – BVerwGE 138, 21).
Die dagegen am 27. Dezember 2016 erhobene Klage ist auch innerhalb der wegen Fehlens einer Rechtsmittelbelehrungeinjährigen Klagefrist (vgl. § 74 Abs. 1 Satz 2, § 58 Abs. 2 VwGO) erhoben worden.
2. Die Klage ist unbegründet.
Die angegriffenen straßenverkehrsbehördlichen Anordnungen des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblich ist aufgrund des Charakters der Verkehrsregelung als Dauerverwaltungsakt die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U. v. 23.09.2010 – 3 C 32/09 – juris Rn 17).
a) Rechtsgrundlage für die angegriffene Anordnung, die streitgegenständlichen Verkehrszeichen aufzustellen, ist § 45 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Dabei sind gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
b) Die Anordnung der Verkehrszeichen Nr. 301 (Vorfahrt im Bereich St. …S…straße) und Nr. 206 (Halt. Vorfahrt gewähren) im Bereich der Ausfahrt M…weg in die S…straße dient der Sicherheit des Verkehrs, d.h. der Abwehr einer Gefahr beim Ein- und Ausfahren in die Staatsstraße.
Die Anordnungen waren auch auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich.
Die Regelung des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO zielt ihrem Sinn und Zweck nach darauf ab, dem zunehmenden Trend zur Regelung von Verkehrssituationen durch Verkehrszeichen und der damit verbundenen Gefahr der Überforderung und Ablenkung der Verkehrsteilnehmer sowie den hierdurch drohenden Akzeptanzproblemen entgegenzuwirken. Die Regelungen sollen die allgemeinen Verhaltensvorschriften im Straßenverkehr im Bewusstsein der Verkehrsteilnehmer aufwerten und die „Subsidiarität der Verkehrszeichenanordnung“ verdeutlichen (vgl. Begründung des Bundesrates, VkBl. 1997, 687, 689 Nr. 9 und 690 Nr. 22). Danach sind die Verkehrsbehörden verpflichtet, bei der Anordnung von Verkehrszeichen restriktiv zu verfahren. Zwingend geboten ist ein Verkehrszeichen unter Berücksichtigung dieses Regelungszwecks und des Wortlauts der Vorschriften nach § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO daher nur dann, wenn das Verkehrszeichen die zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderliche und allein in Betracht kommende Maßnahme ist. Das ist nicht der Fall, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrs-Ordnung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf gewährleisten (vgl. BayVGH, B. v. 21.12.2011 – 11 ZB 11.1841 -juris Rn. 4; VG Braunschweig, U.v. 18.07.2006 – 6 A 389/04 – juris Rn 23).
Das Gericht folgt nicht der Ansicht des Klägers, dass durch die vor dieser Anordnung geltende „rechts vor links“-Regelung die Nutzung der Staatsstraße sicherer wäre. Nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) zu § 8 Ziffer I Nr. 2, Rn. 2 des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 26.01.2001 in der Fassung vom 22.05.2017 soll die Verkehrsregelung an Kreuzungen und Einmündungen so sein, dass es für die Verkehrsteilnehmer möglichst einfach ist, sich richtig zu verhalten. Es dient der Sicherheit, wenn die Regelung dem natürlichen Verkehrsverhalten eines Verkehrsteilnehmers entspricht. Unter diesem Gesichtspunkt sollte, wenn möglich, die Entscheidung darüber getroffen werden, ob an Kreuzungen der Grundsatz „rechts vor links“ gelten soll oder eine Regelung durch Verkehrszeichen vorzuziehen ist und welche Straße dann die Vorfahrt erhalten soll. Aus der Stellungnahme des Landratsamts K… vom 8. September 2016, der sich das Gericht anschließt, ist zu entnehmen, dass die sich an der Einmündung recht breit präsentierende S…straße dem Ortskundigen den Eindruck einer innerörtlichen Vorfahrtsstraße vermittelt. Wie auch aus den vorgelegten Lichtbildern ersichtlich, wirkt der M…weg für den abbiegenden Verkehr aus der Staatsstraße eher wie eine private Ausfahrt und nicht wie eine vorfahrtsberechtigte Straße. Aus diesem Grund entspräche eine „rechts vor links“-Regelung für die Verkehrsteilnehmer der Staatsstraße nicht dem natürlichen Verkehrsverhalten, was die Gefahr von Unfällen in diesem Bereich erhöhen würde. Hinzu kommt, dass nach VwV-StVO zu § 8 Ziffer II Nr. 3, Rn. 6 der Grundsatz „rechts vor links“ nur gelten sollte, wenn a) die kreuzenden Straßen einen annähernd gleichen Querschnitt und annähernd gleiche, geringe Verkehrsbedeutung haben, b) keine der Straßen etwa durch Straßenbahngleise, Baumreihen, durchgehende Straßenbeleuchtung, ihrem ortsfremden Benutzer den Eindruck geben kann, er befinde sich auf der wichtigeren Straße, c) die Sichtweite nach rechts aus allen Kreuzungszufahrten etwa gleich groß ist und d) in keiner der Straßen in Fahrstreifen nebeneinander gefahren wird. Auch diese Voraussetzungen sind im Bereich Einfahrt in die S…straße von der Staatsstraße aus kommend im Vergleich zum M…weg nicht erfüllt, da die S…straße durch den aufnehmenden Verkehr von der Staatsstraße eine größere Verkehrsbedeutung hat (der M…weg wird hauptsächlich nur von wenigen Anwohnern befahren). Zudem hat die S…straße nicht den gleichen Querschnitt wie der M…weg und der Ortsfremde hat den Eindruck, er befinde sich auf der wichtigeren Straße. Scheidet die „rechts vor links“-Regelung aus, so ist die Frage, welcher Straße die Vorfahrt zu geben ist, unter Berücksichtigung des Straßencharakters, der Verkehrsbelastung, der übergeordneten Verkehrslenkung und des optischen Eindrucks der Straßenbenutzer zu entscheiden. Von dieser Regelung sollte nur abgewichen werden, wenn die Verkehrsbelastung der anderen Straße wesentlich stärker ist oder wenn diese wegen ihrer baulichen Beschaffenheit dem, der sie befährt, den Eindruck vermitteln kann, er befinde sich auf der wichtigeren Straße (VwV-StVO zu § 8 Ziffer II Nr. 2, Rn. 6). Da die S…straße die Aufgaben einer Vorfahrtstraße erfüllt und den Verkehr aus den Ortsstraßen M…weg, S…, …Straße, A…straße, L…straße, G…gasse und A… in ihr bündelt, ist deren Verkehrsbelastung wesentlich stärker als die des M…wegs (Stellungnahme des Landratsamts vom 8. September 2016, Seite 5), weshalb eine Abweichung von der Ausnahme nicht in Betracht kommt.
Auch die Errichtung des Zeichens 206 an Stelle des Zeichens 205 (Vorfahrt gewähren) ist wegen der Sichtverhältnisse an der Einmündung zwingend erforderlich. Auf Grund der vorhandenen Bausubstanz (Stellungnahme des Landratsamts Seite 3 und 4 hierzu, der sich das Gericht anschließt) ist die Sicht auf die Staatsstraße an dieser Stelle beeinträchtigt.
c) Die Anordnung VZ-Nr. 267 (Verbot der Einfahrt) im Bereich S… dient ebenfalls der Sicherheit des Verkehrs und war zwingend erforderlich. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten ist die Einfahrt an dieser Stelle in die Staatsstraße gefährlich. Wie den Lichtbildern der Gerichtsakte zu entnehmen ist, ist im Bereich S… eine Steigung gegeben, an deren Ende ein Gehweg kreuzt. Dieser ist beim Einfahren in die Staatsstraße auf Grund der Steigung und des linksseitig befindlichen Hauses nur schwer einsehbar. Allein durch die allen Verkehrsteilnehmern obliegenden Verhaltensregeln für einen sicheren Verkehrsablauf kann der dort bestehenden Gefahrenlage nicht hinreichend begegnet werden. Die Anordnung ist daher zum Schutz von Fußgängern des Gehwegs der Staatsstraße zwingend erforderlich.
d) Fehler bei der Ausübung des Ermessens seitens des Beklagten sind nicht ersichtlich.
In ihrer Ermessensentscheidung hat die Straßenverkehrsbehörde die betroffenen bzw. widerstreitenden Interessen der verschiedenen Arten von Verkehrsteilnehmern unter Berücksichtigung der relevanten örtlichen Gegebenheiten umfassend gegeneinander abzuwägen und die Konfliktlage für alle Verkehrsteilnehmer zumutbar aufzulösen (vgl. VG Braunschweig, U.v. 16.04.2013 – 6 A 64/11 – juris Rn. 60; VG Hannover, U. v. 14.06.2016 – 7 A 13494/14 – juris Rn 27). Gemäß § 114 Satz 1 VwGO ist die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf beschränkt, zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die vom Beklagten in der streitgegenständlichen Anordnung angestellten Ermessenserwägungen sind im Zusammenspiel mit den in der Klageerwiderung genannten Gründen ausreichend.
Insbesondere hat der Beklagte ermessensfehlerfrei die Belange des Klägers auch im Hinblick darauf, ob eine Tempo 30-Zone errichtet werden sollte, geprüft. Hierbei ist auf die Stellungnahme des Landratsamts vom 8. September 2016 (Seite 4 und 5) zu verweisen. Nach § 45 Abs. 1 c Satz 2 StVO darf sich die Zonen-Anordnung nicht auf Vorfahrtsstraßen erstrecken. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtsregel („rechts vor links“) gelten (§ 45 Abs. 1 c Satz 4 StVO). Wie erläutert, hat die S…straße die Bedeutung einer Vorfahrtsstraße, die Anordnung einer „rechts vor links“-Regelung an dieser Stelle ist aus Gründen der Sicherheit des Verkehrs nicht möglich.
Der Beklagte hat sich daher ermessensfehlerfrei mit den Belangen des Klägers auseinandergesetzt. Die Errichtung einer Tempo 30-Zone steht zudem im Ermessen der Straßenverkehrsbehörde, auf die der Kläger keinen Anspruch hat. Soweit er eine entsprechende Anordnung begehren würde, wäre dieses Ziel zudem mit einer Verpflichtungsklage zu verfolgen.
II.
Die Klage ist daher insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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