Medizinrecht

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Aktenzeichen  51 O 1820/16

Datum:
11.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 163805
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
Das Landgericht Ingolstadt ist örtlich und sachlich zuständig.
II.
Die Klage ist nicht begründet; ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Beklagten gemäß §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB besteht nicht.
1. Allerdings steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der streitgegenständliche Vorfall wie vom Kläger dargestellt abgespielt hat, also der Stuhl, auf dem er im Gastraum der Gaststätte des Beklagten Platz genommen hatte, kurz darauf ohne Vorwarnung unter ihm zusammengebrochen ist. Der Zeuge … hat insoweit die Schilderung des Klägers umfassend bestätigt und insbesondere auch angegeben, dass dieser den Stuhl nicht in ungewöhnlicher Weise benutzt bzw. belastet habe. Ohnehin beruhte das Bestreiten des Beklagten allein darauf, dass er bei dem Sturz nicht selbst anwesend war und ihm lediglich bekannt war, dass ein Stuhl während der Sitzung des … zusammenbrach sowie der Zeuge … für den Kläger nach Eis verlangt habe, um dessen Knöchel zu kühlen.
2. Zwischen den Parteien ist ein Bewirtungsvertrag geschlossen worden.
Eine Verletzung der vertraglichen Schutzpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB liegt nicht vor, ebenso wenig eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.
a) Grundsätzlich treffen Geschäftsleute, die ihre Räumlichkeiten für Publikumsverkehr öffnen, umfassende Verkehrssicherungspflichten. Sie sind verpflichtet, Gefahrenquellen für die Besucher auszuschließen. Daraus folgt, dass der Beklagte als Gastwirt dafür Sorge zu tragen hat, dass die von ihm den Gästen zur Verfügung gestellten Möbel der verkehrsüblichen Nutzung Stand halten.
Voraussetzung für die Annahme einer Verkehrssicherungspflicht wie auch einer vertraglichen Schutzpflicht ist jedoch, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit einer Schädigung von Rechtsgütern anderer ergibt (vgl. BGH, NJW 2007, 1683). Eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt gemäß § 276 Abs. 2 BGB ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. BGH, a.a.O., 1684).
b) An diesen Kriterien gemessen hat der Beklagte seine Sicherungspflicht nicht verletzt.
Er hat für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass er im Gastraum jedes Mal nach Schließung bzw. vor erneuter Öffnung den Boden reinige, wozu auch ein Wegstellen bzw. im Regelfall ein „Hochstellen“ der Stühle auf die Tische gehöre. Jeder Stuhl, auf dem ein Gast gesessen habe, werde auch gesondert abgewischt. Das Gericht hat davon abgesehen, hierzu weiteren Beweis einzufordern, weil es sich um das übliche und absolut gängige, der Hygiene geschuldete Vorgehen in derartigen Wirtshäusern handelt und es auch aus dem Vortrag des Klägers nicht zu entnehmen vermag, dass der Betrieb des Beklagten hier in irgend einer Weise von gleichartigen Wirtschaften abweicht. Demnach werden die Stühle regelmäßig vom Beklagten, beim „Hochstellen“ auch an den Stuhlbeinen, angefasst, womit eine Sichtkontrolle der Stühle zwangsläufig verbunden ist. Beklagter und Beklagtenvertreterin haben im Übrigen in beiden Terminen klargestellt, dass sie das im Klageerwiderungsschriftsatz so bezeichnete „tägliche“ Staubwischen und Wischen des Bodens so verstanden wissen wollten, dass es sich auf die jeweiligen Öffnungstage der Gastwirtschaft beziehen sollte.
Eine darüber hinausgehende regelmäßige „Rüttelprobe“ bzw. Belastungsüberprüfung an den Stühlen schuldet der Beklagte nicht. Eine solche Forderung überspannt die Anforderungen an Art und Umfang der Verkehrssicherungspflichten eines Gastwirts. Bei Stühlen handelt es sich nicht um allgemein als gefahrtragend anzusehende Einrichtungen, die bei denen eine regelmäßige Überprüfung auf ihre Standfestigkeit über den üblicherweise ohnehin gegebenen Kontakt mit dem Sitzmobiliar hinaus erwartet werden kann. Sollte sich – letztlich wider Erwarten – doch eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Gaststättenbesucher, etwa durch eine gelockerte Verleimung oder ein angebrochenes Stuhlbein, ergeben, würde diese bei der täglichen Reinigung offenbar werden.
Es wäre hier am Kläger gewesen darzulegen, dass darüber hinaus eine konkrete Gefahrensituation bestanden hat, die eine gesteigerte Untersuchungspflicht ausgelöst hätte. Dies wäre etwa der Fall gewesen, wenn es sich um einen frei bewitterten Kunststoffstuhl gehandelt hätte, weil hier evident die Gefahr besteht, dass der Kunststoff durch Witterungseinflüsse brüchig wird und unvermittelt nachgibt.
Allein das vom Kläger ins Feld geführte Alter der Stühle gibt insoweit keinen Anlass, eine gesteigerte Untersuchungspflicht anzunehmen. Es handelt sich um Massivholzstühle, die für die Verwendung im Gastronomiebereich ausgelegt sind und dort – schon aus Wirtschaftlichkeitsgründen – lange Jahre im Einsatz sind. Aus dem Lichtbild des Stuhls (Anlage B 1) ist keine untypische oder übermäßige Abnutzung erkennbar, die den Schluss auf eine nachlassende Haftkraft der Verleimung zulassen würde. Zwar ist im Einzelfall eine altersbedingte Degeneration der Stühle bis hin zur fehlenden Standfestigkeit nicht auszuschließen. Nach einem vorausschauenden Urteil wird diese regelmäßig beim dargestellten Putzen an den Öffnungstagen der Gaststätte offenbar werden – sofern sie überhaupt durch eine Kontrolle erkannt werden kann (dazu s.u.). Daher hat das Gericht auch auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Feststellung des genauen Alters der Stühle in der Gaststätte des Beklagten verzichtet.
Die Qualität des für die Stühle verwendeten Holzes spielt entgegen der Argumentation des Klägers keine Rolle, da nicht das Holz des Stuhles zerborsten ist, sondern dessen Verleimung nachgegeben hat.
Dass diese Verleimung wiederum nicht mehr in dem werkseitig geschaffenen Zustand gewesen sei, sondern es sich um eine nachträgliche, eventuell aufgrund eines früheren Schadens, aufgetragenen Verleimung gehandelt hat, konnte die Vernehmung des klägerseits aufgebotenen Zeugen G. nicht bestätigen. Weitere Anhaltspunkte für eine Vorschädigung der Verleimung hat der Kläger nicht vorgetragen.
Weiter führt auch der klägerseits behauptete weitere Vorfall mit einem zusammengebrochenen Stuhl in der Gaststätte des Beklagten nicht zu einer gesteigerten Überprüfungspflicht. Davon abgesehen, dass der Beklagte ohnehin einen Zusammenhang zu dem Unfall des Klägers bestreitet und einen völlig anderen Ablauf, nämlich ein Verkeilen von Stuhlbeinen und einen daraus resultierenden Bruch eines Stuhlbeines behauptet, spielte sich dieser Vorfall nach dem 11.11.2015 ab und ist daher von vorneherein nicht geeignet, den Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Beklagten am bzw. vor dem … zu beeinflussen.
c) Selbst wenn eine Verpflichtung des Beklagten zur Durchführung von Belastungstests noch bejaht werden könnte, würde es am Nachweis einer Kausalität für den Unfall des Beklagten mangeln. Hierfür wäre mindestens Voraussetzung, dass der Beklagte die Gefahr, die von dem Stuhl ausging, durch einen solchen Belastungstest hätte erkennen können.
Tatsächlich widerspricht der Ablauf des Unfalls nach der klägerischen Sicht einer solchen Vorhersehbarkeit: Der Kläger selbst hat erklärt, er sei bereits einige Minuten auf dem Stuhl gesessen, der weder gewackelt habe noch sonst in irgend einer Weise auffällig gewesen sei, ehe er völlig unvermittelt zusammengebrochen sei. Eine Belastungsprobe könnte kaum eine Vorschädigung aufdecken, die erst nach minutenlanger Belastung durch Sitzen auf dem Stuhl plötzlich zu Tage tritt, weil die (Rest-) Haftkraft der Verleimung schlagartig endet.
3. Mangels Einstandspflicht für die dem Kläger entstandenen Schäden (Klageantrag zu I.) und mangels Verpflichtung zur Schmerzensgeldzahlung (Klageantrag zu II.) fehlt auch ein Anspruch auf Feststellung gemäß dem Klageantrag zu III. sowie ein Anspruch auf die Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten gemäß dem Klageantrag zu IV.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


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