Medizinrecht

Sperrung eines Wegs für Reiter und Gespannfuhrwerke

Aktenzeichen  M 23 K 16.2179

Datum:
6.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 144754
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVO § 44, § 45 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 9
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1
BayStrWG Art. 8 Abs. 2, Art. 67 Abs. 4
BayNatSchG Art. 33 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Wenn ein Kläger die Verletzung unterschiedlicher Rechte geltend macht, dann reicht es für die Annahme der Klagebefugnis aus, wenn die Verletzung eines dieser Rechte möglich ist. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist ein Weg aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung für die Benutzung durch die Allgemeinheit zugelassen oder ist zumindest aus der Sicht der Verkehrsteilnehmer nach objektiv erkennbaren äußeren Umständen von einer konkludenten Freigabe zur Verkehrsnutzung auszugehen, unterliegt dieser Weg damit dem Straßenverkehrsrecht. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für den Widerruf eines rein tatsächlich-öffentlichen Weges können keine weitergehenden Anforderungen als nach dem BayStrWG gestellt werden. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die verkehrsrechtliche Anordnung der Beklagten vom 18. Januar 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Klägerin konnte ihre Klage nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung aufgrund des – offenkundig auf Veranlassung des Beigeladenen erklärten – Widerspruchs der Beklagten nicht mehr wirksam zurücknehmen, so dass mit Urteil über die Klage zu entscheiden war, § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Klagebefugnis dann zu bejahen, wenn das Klagevorbringen es zumindest als möglich erscheinen lässt, dass die angefochtene Maßnahme eigene Rechte des Klägers verletzt. Ein Verkehrsteilnehmer kann dabei als eine Verletzung seiner Rechte geltend machen, die rechtsatzmäßigen Voraussetzungen für eine – auch ihn treffende -Verkehrsbeschränkung nach § 45 Abs. 1 StVO seien nicht gegeben (vgl. BVerwG, U.v. 27.01.1993 – 11 C 35/92 – juris). Inwieweit sich daneben eine Klagebefugnis zumindest für einen Teil des Wegs aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 141 Abs. 3 BV ergeben könnte, kann somit offen bleiben. Macht ein Kläger unterschiedliche Rechtspositionen geltend, so reicht es für die Klagebefugnis aus, wenn die Verletzung eines dieser Rechte möglich ist (Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage, § 42 Rn. 59).
Soweit die Klägerin zunächst nicht persönlich einen Antrag bei der Beklagten gestellt hat, geht das Gericht weiter zugunsten der Klägerin für die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses davon aus, dass sie Mitglied der „Vereinigung der Freizeitreiter Deutschlands Landesverband Bayern“ ist und ihr damit der vorherige Antrag bei der Beklagten vom … März 2016 ebenfalls zuzurechnen ist.
Für die rechtliche Beurteilung von Verkehrszeichen als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kommt es maßgebend auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an (st.Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2010 – 3 C 42/09 – juris Rn. 14 m.w.N.).
Die verkehrsrechtliche Anordnung der Beklagten ist zumindest zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt rechtmäßig. Sie dokumentiert lediglich die tatsächliche Zurverfügungstellung des betroffenen Wegabschnitts und enthält keine darüber hinaus gehende eigene Beschränkung des Verkehrs im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m.
Abs. 9 StVO. Da das Gericht die Sachlage von Amts wegen zu erforschen hat (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist es unerheblich, dass die Beklagte diese Funktion der Verkehrszeichen erst im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für sich in Anspruch nahm.
Bei dem streitgegenständlichem Weg handelt es sich unstreitig um einen sog. „tatsächlich-öffentlichen Weg“, da er weder gewidmet noch im Bestandsverzeichnis eingetragen ist, so dass auch nicht von einer Widmungsfiktion auszugehen ist, vgl. Art. 67 Abs. 4 BayStrWG.
Hat der Verfügungsberechtigte – hier der Beigeladene – aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung die Benutzung durch die Allgemeinheit zugelassen oder ist zumindest aus der Sicht der Verkehrsteilnehmer nach objektiv erkennbaren äußeren Umständen von einer konkludenten Freigabe zur Verkehrsnutzung auszugehen, unterliegt die Fläche dem Straßenverkehrsrecht mit der Folge, dass der Berechtigte keine Verkehrshindernisse errichten darf. Der Grundstückseigentümer oder sonstige Berechtigte kann jedoch zur Wahrnehmung seiner Rechte die von der Rechtsordnung vorgesehenen behördlichen und gerichtlichen Mittel ergreifen und auf diesem Weg einen Folgenbeseitigungsanspruch gegen den Straßenbaulastträger oder seine Befugnis zur Ausübung seiner Eigentümerrechte durch Beseitigung oder Sperrung der Wegeflächen auf eigene Kosten durchsetzen (vgl. BayVGH, U.v. 26.02.2013 – 8 B 11.1708 – juris Rn. 32 f. m.w.N.).
Dies bedeutet, dass der Verfügungsberechtigte über tatsächlich-öffentliche Wege entweder die Zustimmung der Straßenverkehrsbzw. Straßenbaubehörde benötigt, um rechtmäßig eine erfolgte Zurverfügungstellung einzuschränken bzw. rückgängig machen zu können, oder eine entsprechende gerichtliche Klärung herbeiführen muss.
Im vorliegenden Fall hat der Beigeladene dementsprechend ausdrücklich gegenüber der Beklagten als zuständiger Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörde im September 2015 den Widerruf der Zurverfügungstellung in Bezug auf Reiter und Gespannfuhrwerke erklärt und um eine entsprechende Beschilderung gebeten.
Die Beklagte hat diesen Widerruf mit Gemeinderatsbeschluss vom 15. Dezember 2015 bei sachgerechter Auslegung zumindest konkludent akzeptiert und eine entsprechende Beschilderung beschlossen. Der Erste Bürgermeister der Beklagten hat diese Erklärungsabsicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts nochmals explizit bestätigt. Dementsprechend war es für den Beigeladenen nicht mehr erforderlich, zunächst einen Rechtstitel gegen die Beklagte auf Feststellung seiner Berechtigung zur Sperrung zu erstreiten (vgl. VG München, U.v. 13.10.2015 – M 2 K 15.1586 – juris Rn. 28).
Weder für den Widerruf der Zurverfügungstellung einer tatsächlichöffentlichen Verkehrsfläche noch für dessen Zustimmung durch die zuständige Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörde existieren Formvorschriften. Die Vorgaben des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes – das mangels gewidmeter Verkehrsfläche insoweit ohnehin keine unmittelbare Anwendung findet – können somit lediglich als Anhaltspunkt dienen. Zumindest ist davon auszugehen, dass für den Widerruf eines rein tatsächlich-öffentlichen Wegs keine weitergehenden Anforderungen als nach dem Ba-yStrWG gestellt werden können.
Gemäß Art. 8 Abs. 2 BayStrWG ist – im dortigen Anwendungsbereich – die Absicht einer Einziehung drei Monate vorher in den Gemeinden, die von der Straße berührt werden, ortsüblich bekannt zu machen. Vorliegend erfolgte der Widerruf der Zurverfügungstellung bereits im September 2015 – wohl auch bereits mit entsprechender privater Beschilderung durch den Beigeladenen -, der Gemeinderatsbeschluss vom 15. Dezember 2015 wurde zusätzlich öffentlich bekannt gemacht. Im Januar 2016 wurden schließlich die Verkehrszeichen mit der entsprechenden Einschränkung der Zurverfügungstellung errichtet. Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist damit der Widerruf der Zurverfügungstellung des tatsächlich-öffentlichen Wegs für Reiter und Gespanne seit über einem Jahr kenntlich gemacht sowie bekannt und damit selbst die zeitlichen Anforderungen für die Einziehung von gewidmeten Wegen nach dem BayStrWG eingehalten.
Die streitgegenständliche verkehrsrechtliche Anordnung bildet diesen Widerruf lediglich ab und führt damit – entgegen dem ggf. missverständlichen Wortlaut der Begründung („wird ein Verbot … angeordnet“) – nicht zu einer eigenen Einschränkung des auf der Straße zulässigen Verkehrs, so dass die einschränkenden Regelungen des § 45 Abs. 1 i.V.m. Abs. 9 StVO keine Anwendung finden, sondern die verkehrsrechtliche Anordnung lediglich auf § 45 Abs. 3 Satz 1 StVO zu stützen ist. Das Straßenverkehrsrecht verbietet die Verwendung / den Einsatz von Verkehrszeichen zur (bloßen) Kenntlichmachung (neuer) straßenrechtlicher/eigentumsrechtlicher Zustände nicht, soweit die Straßenverkehrsbehörden dies verantworten. Da mit einer Anbringung von Verkehrszeichen in diesen Fällen keine eigene Rechtsbeeinträchtigung von Verkehrsteilnehmern verbunden ist, bedarf es keiner spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage nach § 45 Absätze 1 bis 2 StVO. Vielmehr richtet sich die Beschilderung nach § 45 Abs. 3 Satz 1 StVO (vgl. FAKomm/VerkehrsR/Rebler, 2. Auflage, § 45 Rn. 22).
Die Beklagte war für die verkehrsrechtlichen Anordnung zuständig, §§ 45, 44 StVO i.V.m. Art. 2 und 3 Gesetz über Zuständigkeiten im Verkehrswesen (ZustGVerk). Insbesondere da die Wege – zumindest teilweise – weiterhin als tatsächlich-öffentliche Wege zur Verfügung stehen, war der Beigeladenen nicht berechtigt, selbst eine solche verkehrsrechtliche Anordnung zu erlassen.
Soweit die Beklagte – insbesondere im vorbereitenden gerichtlichen Verfahren – die Anordnung auf § 45 Abs. 1 i.V.m. Abs. 9 StVO stützt, erscheint dies unschädlich, da es sich insoweit zum einen um eine zu § 45 Abs. 3 Satz 1 StVO weitergehende, einschränkende Regelung handelt und die Beklagte zum anderen sämtliche dort berücksichtigten Belange auch im Rahmen des § 45 Abs. 3 StVO berücksichtigen konnte. Die Entscheidung erfährt daher durch den Austausch der Rechtsgrundlage keine Wesensveränderung (vgl. BayVGH, U.v. 9.3.1999 – 9 B 96.1786, juris Rn 36 m.w.N.; VG München, B.v. 11.9.2013 – m 23 S 13.3868 – juris Rn. 17).
Inwieweit der Widerruf der Zurverfügungstellung sowie die Zustimmung der Beklagten hierzu ihrerseits insbesondere dem Bayerischen Naturschutzgesetz entspricht, bedarf im vorliegenden Verfahren nicht näherer Prüfung. Denn auf Grund des Vorrangs des Straßenrechts vor dem Straßenverkehrsrecht (Zeitler, BayStrWG, Stand Oktober 2015, Art. 14 Rn. 22ff., vgl. auch Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage, § 45 Rn. 28b) hat die Straßenverkehrsbehörde die mit der Einziehung verbundene Rechtsänderung als feststehende Tatsache zu akzeptieren und nicht in Frage zu stellen (Zeitler, BayStrWG, Stand Oktober 2015, Art. 8 Rn. 11).
Zumindest stellt sich der von der Beklagten akzeptierte Widerruf nicht als offensichtlich rechtswidrig bzw. willkürlich dar. Vielmehr bietet auch das Bayerische Naturschutzgesetz – soweit es vorliegend überhaupt Anwendung finden kann (zumindest wohl nicht auf dem Hofanwesen) – die Möglichkeit, das grundsätzlich gewährte Recht auf freien Naturgenuss (vgl. Art. 141 BV, Art. 26, 28 BayNatSchG) im Hinblick auf die Belange des Eigentümers einzuschränken, vgl. Art. 33 Nr. 1 BayNatSchG, wovon das Gericht vorliegend aufgrund der Eigenheiten des Betriebs des Beigelade nen ausgeht. Eine weitergehende Klärung der naturschutzbzw. straßenrechtlichen Situation ist im vorliegenden Verfahren, in dem ausschließlich die verkehrsrechtliche Anordnung bzw. die dadurch vorgenommene Kennzeichnung der straßenrechtlichen Situation streitgegenständlich ist, nicht veranlasst, so dass auch die umfangreichen Ausführungen des Bevollmächtigten des Beigeladenen zu Gefahren und Risiken für das Unternehmen des Beigeladenen unbehelflich sind.
Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Klägerin waren darüber hinaus aus Billigkeitsgründen auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, da der Beigeladene Klageantrag gestellt hat und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hatte.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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